Nach dem Rentenpaket II und dem BRSG 2 wurde jetzt auch ein Referentenentwurf des BMF zur „Revitalisierung“ der privaten Altersvorsorge veröffentlicht.
Nach dem Rentenpaket II und dem BRSG 2 wurde jetzt auch ein Referentenentwurf des BMF zur „Revitalisierung“ der privaten Altersvorsorge veröffentlicht. Neben einer Neuausgestaltung des Zulagenverfahrens, einer Erweiterung der Palette an förderfähigen Altersvorsorgeprodukten sowie Regelungen für Riester-Bestandsverträge enthält der Referentenentwurf auch Schnittstellen zur bAV. Künftig soll nur ein Teil der in der privaten Altersvorsorge zulässigen Produktwelt auch in der bAV möglich sein und gefördert werden können. Der Referentenentwurf erzeugt damit deutliche Unterschiede zwischen der 2. und der 3. Säule des deutschen Alterssicherungssystems. Der Verzicht auf das Erfordernis lebenslanger Leistungen in der 3. Säule verlässt den bisherigen Grundkonsens, dass staatlich zulagengeförderte Altersvorsorgeangebote eine Absicherung des Langlebigkeitsrisikos beinhalten müssen.
01 Überblick zum Referentenentwurf
Der Referentenentwurf des BMF soll nichts weniger als die „Revitalisierung“ der geförderten privaten Altersvorsorge bewirken, deren Verbreitung – ähnlich wie bei der bAV – seit Jahren stagniert. Die Maßnahmen dazu beinhalten folgende Kernpunkte:
Startzeitpunkt: die neue private Altersvorsorge soll am 1. Januar 2026 starten. Der Kreis der Förderberechtigten soll im Grundsatz gleich bleiben.
Neue Produktwelt: es soll ein neues sog. Altersvorsorgedepot eingeführt werden, mit dem die Sparer ihre Mittel langfristig und breit gestreut am Kapitalmarkt investieren können. Das Altersvorsorgedepot beinhaltet keine Beitragsgarantie, wonach die Chance auf höhere Renditen im Vergleich zu den bisherigen geförderten Riester-Produkten gesteigert werden soll. Daneben bleiben Garantieprodukte mit 80 % oder 100 % Beitragsgarantie möglich.
Höherer starrer Mindesteigenbeitrag: der Mindesteigenbeitrag wird auf 120 EUR erhöht (bislang: 60 EUR). Die vormalige Kopplung des Mindesteigenbeitrags an die Höhe der sozialversicherungspflichtigen Einnahmen (bisher: 4 %) zum Erhalt der vollen Zulage entfällt. Damit wird das Zulagenverfahren an einer wesentlichen Stelle deutlich vereinfacht sowie der Zugang zur Förderung erleichtert.
Förderung mit erhöhtem Förderhöchstbetrag: wie bisher werden die privaten Altersvorsorgeverträge mit Zulagen und steuerlichem Sonderausgabenabzug bis zu einem Höchstbetrag von 3.000 EUR jährlich (ab 2030: 3.500 EUR jährlich) gefördert. Damit wird der bisherige Höchstbetrag von 2.100 EUR jährlich deutlich angehoben. Es soll eine nachgelagerte Besteuerung erfolgen, d. h. bis zum Erreichen der Altersgrenze bzw. bis zur Auszahlung werden die Kapitalerträge im Altersvorsorgedepot nicht besteuert.
Neue Zulagensystematik: die Förderung der privaten Altersvorsorgeverträge erfolgt künftig mit beitragsproportionalen Zulagen (20 ct pro eingezahltem Euro Eigensparleistung) und steuerlichem Sonderausgabenabzug; die bisherige Günstigerprüfung bleibt bestehen. Zudem gibt es weiterhin eine zusätzliche beitragsproportionale Förderung für Kinder (25 ct pro eingezahltem Euro Eigensparleistung, max. 300 EUR jährlich pro Kind bei Kindergeldberechtigung) sowie für junge Menschen, die mit dem Vorsorgesparen vor dem 25. Lebensjahr beginnen (200 EUR jährlich für max. 3 Jahre). Neu ist eine Geringverdienerförderung (Bonus von 175 EUR bis zu einer Verdienstgrenze von 26.250 EUR jährlich). Diese neue Zulagensystematik erlaubt jedenfalls zum Teil deutlich höhere Förderquoten als bisher.
Konzentration auf die Altersleistung: die neue Produktwelt ist grundsätzlich auf die Absicherung des Vorsorgebedarfs ab Alter 65 gerichtet. Todesfall- und Erwerbsminderungsrisiken dürfen zur Vereinfachung durch die Produkte nicht mehr abgesichert werden. Eine gesonderte Regelung, wem das gebildete Kapital bei Tod des Vertragspartners vor Beginn der Auszahlungsphase zusteht, ist im Referentenentwurf nicht enthalten.
Befristete Auszahlungspläne ohne lebenslange Absicherung: förderfähig sind künftig auch Auszahlungspläne, die monatliche Leistungen bis mindestens zur Vollendung des 85. Lebensjahres ohne Restverrentungspflicht vorsehen. Die Bezugsberechtigung im Todesfall ist im Referentenentwurf ebenfalls nicht detailliert ausgeführt.
Wahlrecht für lebenslange Auszahlungsvariante: lebenslange Auszahlungsvarianten bleiben weiterhin möglich.
Umstellungsoption für Alt-Verträge: sog. Bestandsverträge sollen partiell auf die neue Produktwelt umgestellt werden können. Die Entscheidung dazu müssen die Sparer selbst treffen.
Bestandsschutz: Bestehende Riester-Verträge können allerdings auch beibehalten werden. Hierzu werden u.a. die derzeitigen Regelungen zu den Mindesteigenbeiträgen, der Zulagenförderung, zum Sonderausgabenabzug sowie zur schädlichen Verwendung von Bestandsverträgen festgeschrieben und gelten für diese fort.
Neue digitale Vergleichsplattform für Altersvorsorgedepotangebote: mit einer digitalen Plattform soll der Vergleich der Produkte für die private Altersvorsorge für den Sparer einfach möglich sein.
Evaluierung der Verbreitungswirkung nach 5 Jahren: nach 5 Jahren soll geprüft werden, ob die angestrebte Verbreitungswirkung eingetreten ist. Auf Grundlage der Evaluierung soll dann erforderlichenfalls über weitere Maßnahmen entschieden werden.
02 Die neue Produktwelt der pAV
Produktmerkmale für die Anwartschaftsphase:
Garantieprodukte (mit 100 % oder 80 % Beitragsgarantie).
Altersvorsorgeverträge zur Erlangung wohnwirtschaftlicher Darlehen.
Altersvorsorgedepot-Verträge ohne Garantie, aber mit abschließendem Positivkatalog von Anlagemöglichkeiten, innerhalb derer der Sparer vergleichsweise viele Entscheidungen zur Kapitalanlage selbst treffen kann.
Referenzdepot-Verträge: damit können Sparer ein Altersvorsorgedepot abschließen, bei dem sie vergleichsweise wenig Entscheidungen zur Kapitalanlage treffen müssen.
bAV-Verträge: Vereinbarungen zur Entrichtung förderfähiger Beiträge an Versorgungseinrichtungen der betrieblichen Altersversorgung.
Produktmerkmale für die Renten- bzw. Auszahlungsphase:
100 %-Rente: Lebenslange Rente aus dem erreichten Kapital mit gleichbleibenden oder steigenden Leistungen.
80 %-Rente: Lebenslange Rente aus 80 % des erreichten Kapitals als Sockelrente, variable lebenslange Zahlung aus dem Restbetrag, der hierfür am Kapitalmarkt angelegt wird.
Auszahlungsplan: Zeitlich befristeter Entnahmeplan, der Leistungen mindestens bis zur Vollendung des 85. Lebensjahres vorsieht, mit variabler Leistungshöhe. Keine Restverrentungspflicht. Die Frage, wer Bezugsberechtigter bei Tod in der Auszahlungsphase der Raten sein kann, wird im Referentenentwurf nicht beantwortet.
03 Die Schnittstellen zur bAV
Der Gesetzentwurf regelt im Kern die Neuordnung der geförderten privaten Altersvorsorge. Es gibt allerdings an wesentlichen Punkten Schnittstellen zur betrieblichen Altersversorgung:
Förderfähige bAV: Der Zugang zur Zulage-Förderung nach dem EStG bleibt für die betriebliche Altersversorgung weiterhin geöffnet. Insoweit finden sich keine Änderungen in § 1a Abs. 3 BetrAVG sowie § 3 Nr. 63 EStG.
Neue Auszahlungsprodukte für die bAV: Durch die Änderungen in § 82 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG mit dem Verweis auf die neugeregelten Möglichkeiten für sog. Garantieprodukte in § 1 Abs. 1 Nr. 2 – 4 AltZertG werden die neuen Auszahlungsmöglichkeiten, die für Garantieprodukte geregelt sind, ausweislich der Gesetzesbegründung auch für die bAV anwendbar.
Umstellung für die neue Zulagensystematik: auch in der bAV gilt die neue Zulagensystematik, so dass dies für künftige förderfähige bAV-Vereinbarungen umzusetzen ist. Zudem entsteht insoweit voraussichtlich Umstellungsaufwand für bAV-Bestandsverträge mit vergleichsweiser kurzer Vorlauffrist.
Keine Änderungen im BetrAVG und VAG: Es sind keine Regelungen zur Änderung des BetrAVG und des VAG vorgesehen, d. h. der Entwurf geht davon aus, dass die neuen Regelungen für die in § 3 Nr. 63 EStG genannten bAV-Versorgungsträger im geltenden Rechtsrahmen der bAV auch arbeits- und aufsichtsrechtlich umsetzbar sind. Dies greift nach erster Einschätzung allerdings zu kurz.
04 Inkrafttreten
Das Gesetz soll bis Sommer 2025, also kurz vor dem regulären Ende der aktuellen Legislaturperiode, in Kraft treten. Das neue Förderregime soll dann zum ab 1.1.2026 gelten, einige Artikel des Gesetzes treten zum 1.1.2027 in Kraft (u. a. die Vorschriften zur digitalen Vergleichsplattform für zertifizierte Altersvorsorgeverträge).
05 Erste Bewertung des pAV-Gesetzentwurfs aus Sicht der bAV
Die neue private Altersvorsorge stellt ein gänzlich neues Element in der Altersvorsorgepolitik zur Verfügung: ein garantieloses, staatlich zulagengefördertes Alterssparprodukt, mit dem alle Förderberechtigten ohne weitere Voraussetzungen auch jenseits von Versicherungslösungen sparen können (Altersvorsorgedepot). Als deutliche Einschränkung muss allerdings konstatiert werden, dass die private Altersvorsorge künftig nur noch auf die Vorsorge für das Alter abzielt, weil eine Absicherung des biometrischen Risikos Langlebigkeit nicht mehr obligatorisch ist sowie künftig generell – außer der Möglichkeit einer 10-jährigen Rentengarantiezeit ab Beginn der Auszahlungsphase – keine Hinterbliebenenabsicherung mehr zulässig sein soll (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 AltZertG-E).
Für die bAV ergeben sich daraus folgende erste Einschätzungen:
Möglicher „Push“ für das Sozialpartnermodell? Das Pendant zum garantielosen Altersvorsorgedepot (bzw. Referenzdepot) in der bAV ist das Sozialpartnermodell. Garantielose zulagengeförderte Altersvorsorge wird damit in der bAV ausschließlich über das SPM ermöglicht, das allerdings derzeit (und auch nach der geplanten Änderung des BetrAVG durch das BRSG 2) nur bei Bestehen einschlägiger Tarifverträge, also nur einem eingeschränkten Personenkreis, zur Verfügung steht. Insofern entsteht im Bereich des Zugangs zu einer solchen garantielosen Lösung eine massive Ungleichbehandlung der 2. Säule (bAV) im Vergleich zur 3. Säule der Altersversorgung, die so nicht akzeptabel erscheint, weil damit de facto die weitere Verbreitung der bAV gehindert und nicht gefördert wird.
Möglichkeit der Hinterbliebenenabsicherung bei bAV: in der bAV können nicht nur Leistungsausgestaltungen im Sinne des AltZertG gefördert werden, sondern zumindest auch Sozialpartnermodelle, die in der Anwartschafts- und Auszahlungsphase eine Hinterbliebenenabsicherung vorsehen dürfen. Insofern kann die bAV hier für die Begünstigten bessere Todesfallabsicherungen vorsehen als die pAV.
Vererbung bei schädlicher Verwendung in der pAV (im Gegensatz zur bAV): wie bislang dürften nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen die neuen Altersvorsorgedepots bei Tod in der Anwartschafts- und Auszahlungsphase voll vererblich sein, auch wenn sich der Gesetzentwurf nahezu komplett dazu „ausschweigt“. Dies entspricht der Logik der bisherigen Förderung (vgl. BMF, Schreiben betr. Steuerliche Förderung der privaten Altersvorsorge vom 05.10.2023, Rdn. 217). Von der Vererbung ausgenommen bleiben weiterhin Zulagen und die Vorteile aus dem Sonderausgabenabzug, da es sich bei der Auszahlung an die Erben um eine schädliche Verwendung wegen zweckwidriger Verwendung von geförderten Altersvorsorgevermögen handelt.
Fehlende arbeitsrechtliche Flankierung für die 80 %-Produkte: für die 80 %-Beitragsgarantieprodukte sowie für die Verrentung von 80 % des erreichten Kapitals mit variabler Zusatzrente aus dem verbleibenden Betrag, die als Auszahlungsprodukt künftig auch für die bAV in den externen Durchführungswegen Pensionskasse, Direktversicherung und Pensionsfonds generell Anwendung finden soll (vgl. § 3 Nr. 63 EStG, § 82 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG-E iVm § 1 Abs. 1 Nr. 4 a) AltZertG-E), fehlt eine arbeitsrechtliche Flankierung: hier muss in § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG – entsprechend der Regelung in § 1 Abs. 1 Nr. 4b) AltZertG-E – in der Definition der Beitragszusage mit Mindestleistung eine 80 %-Beitragsgarantievariante zugelassen werden. Nur damit steht diese Produktvariante arbeitsrechtlich generell zur Verfügung und als Verrentungsform nicht mit den Anpassungsvorgaben des § 16 BetrAVG in Konflikt. Vielmehr kann dann in der Gestaltung einer Beitragszusage mit Mindestleistung die Ausnahmevorschrift des § 16 Abs. 3 Nr. 3 BetrAVG konform zu den arbeitsrechtlichen Anpassungsvorschriften des § 16 BetrAVG genutzt werden.
Fehlende VAG-Abstimmung der Auszahlungsplanregelung in § 1 Abs. 1 Nr. 4b) AltZertG: Damit bAV-Versorgungsträger auch diesen Auszahlungsplan ohne Restverrentung mit der Höhe nach schwankenden Auszahlungsraten künftig gemäß den aufsichtsrechtlichen Bestimmungen durchführen dürfen, bedarf es einer entsprechenden Flankierung der Regelungen des § 3 Nr. 63 EStG, § 82 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG-E in den Bestimmungen des VAG.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die bAV mit ihren kollektiven Absicherungsmöglichkeiten weiterhin umfassend auch für die Zulagenförderung nach §§ 79 ff. EStG genutzt werden können soll. Dazu enthält der Referentenentwurf bereits einige grundlegend notwendige Elemente. Im weiteren Verfahren sollte durch eine Änderung in § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG sowie durch flankierende Regelungen im VAG sichergestellt werden, dass die entsprechenden Versorgungsträger dies auch rechtssicher umsetzen können.
Sehr kritisch zu beurteilen ist die Ungleichbehandlung der 2. Säule (betriebliche Altersversorgung) im Vergleich zur 3. Säule (private Altersvorsorge) im Bereich der Zulagenförderung garantieloser Produkte – hier sollte der Gesetzgeber für ein insgesamt schlüssigeres Gesamtkonzept Sorge tragen.
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