VorsorgeFachForum 2018: Versicherungswirtschaft zwischen Vertrieb und Verantwortung
Am 16. April und 20. Juni 2018 fanden die 7. VorsorgeFachForen in Hannover und Mannheim statt. Über 520 Versicherungsvermittler sicherten sich ihren Wissensvorsprung über den Markt der biometrischen Versicherungsprodukte. Neben den Analysten der PremiumCircle Deutschland GmbH (PCD) gab es Fachbeiträge von Politiker, Medizinern und den von PremiumCircle identifizierten Versicherern, deren Produkte im Bereich der Privaten Kranken- und Berufsunfähigkeitsversicherung auf Basis der Vertragsbedingungen (AVB) zu den Leistungsstärksten zählen.
Wo Versicherung drauf steht, sollte auch Versicherung drin sein!
ClausDieter Gorr, geschäftsführender Gesellschafter der PCD, verdeutlichte einführend die aktuellen Probleme der Branche: „Was in den letzten Jahren zu kurz gekommen ist, ist die Verantwortung der Branche für Ihre schutzbedürftigen Kunden. Der Fokus lag weniger auf der dringend notwendigen qualitativen und inhaltlichen Produktweiterentwicklung, sondern eher auf der vertriebsorientierten Umsetzung bestehender, aber inkonsistenter und interpretierfähiger Produktlinien.“
In der PKV-Vollkostenversicherung hat sich diese Situation inzwischen entspannt. Die 2018 auf Basis der AVB umfangreich aktualisierten Analysen der PCD zeigen, dass es inzwischen bei vier Versicherern ein sehr leistungsstarkes Produktportfolio gibt, bei dem Krankenversicherung nicht nur auf der Verpackung steht, sondern auch tatsächlich in den Tarifen garantiert verankert ist. „Die PKV hat hier ein Pfund, dass sie kommunikativ dringend vermarkten muss. Vielen Kunden und Vermittlern ist gar nicht klar, wie wichtig im Krankheitsfall der Zugang zu internationaler TOP-Medizin ist, um so schnell wie möglich wieder fit zu sein. Die Frage einer privaten Krankenversicherung ist keine Preisfrage, sondern eine Versorgungsfrage“, so Gorr.
In den Diskussionsrunden waren sich Vorstände und Vermittler einig, dass es bei dem dualen System zwischen GKV und PKV bleiben muss. Eine etwaige Bürgerversicherung kann hier keine Alternative sein. Dr. Gerhard Schick, MdB, finanzpolitischer Sprecher von Bündnis90/Die Grünen vertrat allerdings eine andere Meinung: „Mit der Bürgerversicherung wird die GKV zum Standard für Alle und private Zusatzversicherungen bleiben weiterhin notwendig. Es wäre aber kein Einheitssystem wie in Großbritannien sondern ein Wettbewerb zwischen verschiedenen Krankenkassen auf einer Plattform. Wir glauben, dass das System transparenter und damit für alle besser organisiert ist.“
Hendrik Scherer, Geschäftsführer der PCD zeigte im Rahmen eines AVB-Marktvergleichs auf, dass es für die BU-Versicherung aufgrund des Produktdesigns aktuell keine Alternative gibt. „Aktuell erfüllen 13 BU-Anbieter die von der PCD definierten 18 Mindestleistungskriterien. Diese helfen den Vermittlern zumindest den Leistungsumfang am Markt relativ zu differenzieren, um ihren Kunden eine relativ objektive Entscheidungsgrundlage zur Verfügung zu stellen“, so Scherer.
In der BU-Versicherung ist dennoch dringender Handlungsbedarf gegeben, wie die aktuelle Analyse der PCD zu den unverbindlichen Formulierungen und unbestimmten Begriffen in den AVB von 99 untersuchten BU-Tarifen (52 SBU und 47 BUZ) ergab: „Insgesamt 131 unterschiedliche unverbindliche Formulierungen und unbestimmte Begriffe haben unsere Analysten dabei identifiziert. Bei einem Unternehmen im Höchstfall 71, bei einem anderen im Minimalfall 41. Im Durchschnitt aller Versicherer sind es 55. Das ist ein unhaltbarer Zustand, der dazu führt, dass Kunden wie Vermittler bei Vertragsabschluss keine transparente Auswahlmöglichkeit haben und im Leistungsfall oftmals der Willkür der Versicherer ausgesetzt sind“, so Gorr.
Heike Maurath, Heilpraktikerin mit Schwerpunkt Osteopathie und Beraterin bei Berufsunfähigkeit, stellte die Notwendigkeit ihrer Dienstleistung, einer professionellen Leistungsfallbegleitung vor. In verschiedenen Leistungsfallszenarien zeigte sie auf, wie schwer sich Versicherer, Vermittler und auch Mediziner mit der Aufbereitung, Einschätzung und Entscheidung im Leistungsfall tun: „Meine langjährige Erfahrung als Leistungsprüferin bei einem großen BU-Versicherer und selbständige Leistungsfallbegleiterin zeigt, wie problematisch es für Versicherte ist, ihre Ansprüche ohne professionelle Hilfe durchzusetzen. Versicherte, die sich möglichst frühzeitig melden, biete ich neben einem fallbezogen Coaching, auch zur Vermeidung prozessualer Fehler, vorab eine individuelle medizinische und rechtliche Prüfung und Unterstützung ihres Leistungsfalls an. Anschließend erfolgt auf Wunsch die außgerichtliche Leistungsfallbegleitung, bis zur finalen Entscheidung des Versicherers“ so Maurath.
Prof. Dr. med. Thomas Konrad, Leiter des Stoffwechselzentrums Rhein Main, kritisierte in seinem Beitrag: „Die Bedürfnisse der Menschen gehen an den Absicherungsprodukten der Zukunft vorbei. Die Produkte sind nicht mehr zeitgemäß, denn wir haben eine veränderte Arbeitswelt, völlig veränderte Berufsbilder und mittlerweile einen ganz anderen Bedarf in der Absicherung von Lebensrisiken. Die heutigen Produkte sind auf 30 Jahre ausgerichtet und die Menschen die heute eine BU-Versicherung abschließen sollen, sind Anfang 20 und denken nicht in 30-Jahresschritten. Man muss den neuen Gegebenheiten in einer neuen Produktwelt gerecht werden“.
Schick rundete ab: „Was wir beobachten ist, dass der Markt für Berufsunfähigkeitsabsicherungen nicht wirklich gut organisiert ist. Viele Menschen sind nicht abgesichert, obwohl sie sich absichern sollten, weil sie nicht wissen ob sie da ein gutes Produkt bekommen. Zudem gibt es im Schadensfall große Unsicherheiten und lange Verfahren. Als Abgeordnete erhalten wir viele Beschwerden. Es besteht dringender Reformbedarf“. Zum Vertrieb sagte Schick: „Ich habe den Eindruck, dass im Vertrieb die kapitalgedeckte Lebensversicherung bislang eine größere Rolle gespielt hat, obwohl für die Leute die Absicherung ihrer wichtigsten Lebensrisiken erst einmal im Vordergrund stehen sollte. Deshalb ist es sicher auch ein Vertriebsthema, dass die Leute bisher nicht gut genug gegen die Risiken im Berufsleben abgesichert sind. Zudem brauchen wir zur Identifikation von professionellen Dienstleistern ein neues Berufsbild in der Finanzbranche, den zertifizierten und unabhängigen Finanzberater, der sich um alle Finanzangelegenheiten kümmert“.
Die von Uwe Kremer, Chefredakteur kapitalmarkt intern, moderierte abschließende Podiumsdiskussion mit Vorständen, Politikern und Medizinern griff die Themen des Tages auf und rundete die Veranstaltungen ab.