Marktkommentar von Jens Arndt, Vorstandsvorsitzender der myLife Lebensversicherung AG
Hohe Kosten von Versicherungsprodukten – vor allem in der Altersvorsorge – stehen gerade im Vorfeld der Bundestagswahl weit oben auf der politischen Agenda. Doch ein Provisionsdeckel ist nicht die beste Lösung, um eine zukunftsfähige Altersvorsorge aufzubauen, sagt Jens Arndt, Vorstandsvorsitzender der myLife Lebensversicherung. Stattdessen braucht es geringe Kosten, Transparenz und Flexibilität.
Niedrigzinsen, ein durch die möglichen Folgen der Corona-Pandemie verunsicherter Wirtschaftsausblick und teils hohe Kosten: Private Altersvorsorge ist nicht immer einfach. Zwar können Versicherungslösungen wie Fondspolicen Einkommenssteuervorteile bieten, jedoch zehren oftmals Verwaltungskosten, Vertriebsprovisionen und Fondsgebühren einen beachtlichen Teil der Erträge auf. Das ist das Ergebnis einer Studie der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (Eiopa), die als Schlussfolgerung strengere Regeln für Produktkosten fordert. Daher wird es aktuell – auch mit Blick auf den September – wieder politisch diskutiert. Nachdem bereits eine Deckelung der Provisionen bei Restschuldversicherungen beschlossen wurde, haben einige Parteien die Vertriebsprovisionen bei Lebensversicherungen auf die politische Agenda gesetzt. Doch wie setzen sich die Kosten zusammen, wie wirken sie sich aus und wie können sie reduziert werden? Und welche anderen Lösungen gibt es?
Provisionsfrei und transparent mit Nettopolicen
Auf die Kosten zu achten, ist durchaus richtig. Denn bei provisionsbasierten Produkten müssen in der Regel die Abschlusskosten aus den Beiträgen finanziert werden, die der Kunde von Beginn an zahlt. Das heißt: Erst nach einigen Jahren kommt allmählich mehr im Sparvolumen an. Somit steht von Beginn an weniger Geld für das Investment in chancenreiche Anlagen zur Verfügung und die Wertsteigerungen beziehungsweise der Zinseszinseffekt können sich nicht vollständig von Beginn an entfalten. Das wirkt sich entsprechend nachteilig auf die Altersvorsorge beziehungsweise den Vermögensaufbau aus. Vielen Kunden ist das nicht bewusst – und in den Unterlagen ist die Information für den, der sich nicht regelmäßig damit beschäftigt, oft nicht so leicht auffindbar.
Anders verhält es sich mit sogenannten Nettoversicherungen, die keine vertrieblichen Abschlusskosten oder Provisionen enthalten. Stattdessen wird die Vergütung der Beratung und Betreuung über ein Honorar separat mit dem Honorarberater vereinbart und ist somit transparent und von den Produkt- und Vertriebskosten losgelöst. Dass Vermittlung und Beratung nicht aus den Beiträgen finanziert werden, hat den positiven Effekt, dass im Versicherungsvertrag das eingezahlte Kapital direkt von Anfang an in die Geldanlage fließt. Eine typische Stornohaftung für den Berater gibt es nicht.
Jeden Beratungskunden individuell behandeln
Eine Beratung auf Honorarbasis erlaubt es dem Berater, besser auf die teilweise sehr verschiedenen Bedürfnisse seiner Kunden einzugehen, und zwar ohne Auswirkung auf die eingezahlte Summe. Der Beratungsaufwand ist für jeden Kunden anders. Es gibt Kunden, die ein Produkt erwerben und bis zum Vertragsende Geld einzahlen, andere aber benötigen häufiger Beratung und eine kontinuierliche Begleitung. Eine Beratung auf Honorarbasis wird dem besser gerecht – ob auf Stundenbasis oder als Beteiligung an der Wertentwicklung des angelegten Kapitals, wenn sich zum Beispiel der Berater regelmäßig um die Anlage des Kapitals kümmert.
Dies ist bei einer provisionsbasierten Beratung kaum möglich, da hier für jeden Kunden ein fester Satz für die Vermittlung eingerechnet und bezahlt wird. Der Aufwand, der durch die intensive und regelmäßige Beratung und Betreuung eines Kunden mit umfangreichem Beratungswunsch entsteht, kann über die fest einkalkulierte Provision hinausgehen und Berater müssen diese Differenz auf Kosten der Bestandskunden ausgleichen. Auf diese Weise subventioniert ein wenig beratungsintensiver Kunde die Beratung eines Kunden mit hohem Aufwand.
Altersvorsorge muss flexibel sein
Dass bei Nettopolicen keine Vorfinanzierung von Abschlussprovisionen stattfindet, hat einen weiteren Vorteil: die Flexibilität. Kunden können jederzeit den Vertrag ihrer Lebens- und Finanzsituation anpassen und ohne finanzielle Nachteile flexibel agieren und beispielsweise ihre Einzahlungen verringern, Verträge aussetzten oder stornieren. Dem stehen bei einem Nettoprodukt keine Hindernisse wie etwa Stornogebühren entgegen.
Fest steht: Flexibilität muss heute mehr denn je bei der Altersvorsorge gegeben sein. Das zeigt sich auch in der Corona-Pandemie, wo beispielsweise Kunden aus dem Hotel- und Gastgewerbe, der Kulturbranche oder auch Selbständige unter Einkommenseinbußen leiden und beispielsweise ihre Beiträge verringern müssen. Aber auch ohne Corona ist der durchschnittliche Lebensverlauf kein standardisierter mehr: Bedürfnisse, Wünsche und Lebensumstände ändern sich häufiger, etwa durch Ausbildungen, Praktika, Elternzeiten oder Pflege der Eltern. Aus welchem Grund auch immer der Vertrag angepasst werden muss: Bei Nettoprodukten können Kunden während der Vertragslaufzeit höchst flexibel und kostenfrei Beitragsanpassungen, -pausen, Zuzahlungen oder Teilauszahlungen vornehmen. Selbstverständlich ist natürlich auch eine Anpassung der persönlichen Risiko- und Anlagepräferenz jederzeit möglich, wenn man z.B. risikoärmer oder umweltgerechter investieren möchte. In der Rentenphase haben Kunden zudem verschiedene Möglichkeiten, über ihr Vermögen flexibel zu verfügen – als (Teil-)Rente, Einmalauszahlung, in Form eines Auszahlungsplans oder als Mischung dieser Optionen.
Kostengünstig durch Digitalisierung und Automatisierung
Doch diese Flexibilität kostet in der Regel Geld. Wie reduziert man also die Kosten? Ein wichtiger Faktor bei der Kostenreduzierung sind Digitalisierung und Automatisierung. Nur so kann man Produktkosten langfristig reduzieren und dies zum Kundenvorteil nutzen. Hier haben jene Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil, die ihre Abläufe und Prozesse bereits schlank und technisch zukunftsweisend aufgestellt haben – was manch etablierten Versicherern aufgrund seiner komplexen Strukturen noch schwerfällt. Als Versicherer plant man langfristig und muss die Kosten niedrig halten, da man langlaufende Verträge garantieren muss – unabhängig von Inflation, Regulierung oder Marktsituation. Viele Dienstleistungen sind heute digital möglich, etwa bei der Vertragsverwaltung oder im Kundenservice. Dabei gilt es, die richtige Balance zwischen Digitalisierung und Individualisierung zu finden, vor allem bei IT-unterstützen Kundenlösungen. Produkte sollten Abweichungen zulassen, ohne dass man ganze Strukturen umprogrammieren muss. Noch besser ist es, zukünftige Entwicklungen zu antizipieren und flexible Grundstrukturen zu schaffen.
Ein beispielhaftes Ergebnis solcher Strukturen sind die Nettoprodukte der myLife. Sie machen es möglich, dass die Verwaltungskosten einer Police der myLife nicht teurer und zum Teil sogar günstiger als ein durchschnittlicher ETF sind.
Keine Regulierung auf dem Rücken der Kunden
Es steht außer Frage, dass es einer guten privaten Altersvorsorge bedarf, die kostengünstig, flexibel und transparent ist – und einer Gesetzgebung, welche die Kundeninteressen stärkt. Doch Provisionsdeckel oder gar -verbote sind unserer Ansicht nach nicht die richtige Lösung. Wir sehen den Provisionsdeckel oder gar das Provisionsverbot sehr kritisch, auch wenn wir als Nettoversicherer davon nicht betroffen sind. Noch ist der Marktanteil von Nettoprodukten vergleichsweise klein, den Hauptteil machen Provisionsprodukte aus. Bei einem Provisionsverbot ist fraglich, ob und wie schnell Versicherer und Vermittler eine Umstellung auf Honorarprodukte leisten können. Aufwendige Umstellungen und Aufrüstungen hätten zur Folge, dass die Anzahl der Vermittler sinkt – und weniger Menschen die Möglichkeit erhalten, beraten zu werden und für ihr Alter vorzusorgen. Damit fiele die Regulierung zu Lasten der Kunden und würde wahrscheinlich ihren Zweck verfehlen, die private Altersvorsorge als wichtiges Standbein nachhaltig zu stärken.
Wir sind davon überzeugt, dass flexible und kostengünstige Produkte nicht nur die Antwort auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unserer Zeit liefern, sondern aufgrund ihrer transparenten Gestaltung und durch die Beratung und Vermittlung auf Honorarbasis auch die Interessen der Verbraucher nachhaltig stärken. Im Sinne hybrider Geschäftsmodelle sollte aber immer auch die Möglichkeit gegeben sein, die für den Kunden bessere Wahl aus Honorar- und Provisionsberatung anzubieten, um ihm den Zugang zur privaten Altersvorsorge zu öffnen.
Der Markt reguliert sich selbst
Dass für den Aufbau einer Altersvorsorge Nettoversicherungen und Honorarberatung weiter an Zuspruch gewinnen, daran haben wir keinen Zweifel. Unter den aktuellen Bedingungen – dem Niedrigzinsniveau, der Corona-Pandemie, aber auch der verstärkten Solvency II-Anforderungen – sind Renditen im klassischen Lebensversicherungsgeschäft niedrig und gerade im Provisionsgeschäft wird der Produktvertrieb erschwert. Ähnlich wie beim Trend zum kostengünstigen ETF im Investmentbereich wird sich der Trend bei fondsbasierten Altersvorsorgeprodukten hin zu kostengünstigen Versicherungslösungen entwickeln. Anbieter werden gezwungen sein, alte Strukturen aufzubrechen, Kosten zu reduzieren, Garantien zu senken sowie Abläufe und Prozesse weiter zu digitalisieren – das sehen wir bereits jetzt. Wer als Versicherer hier seine Hausaufgaben nicht sorgfältig macht, wird sonst den Anschluss an den Markt der Zukunft verlieren.
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