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Die BaFin hat mehrere Hinweise dazu erhalten, dass fälschlicherweise unter ihrem Namen auf Facebook und Instagram kommuniziert wird. Ziel könnte unter anderem sein, an persönliche Daten von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu gelangen.

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Ein Trilemma, geeignet, neue Impulse im Ordnungsrecht des Versicherungsvertriebs zu setzen

Beitrag von Oliver Timmermann, Rechtsanwalt – Versicherungsrecht  

Gewerberecht als öffentliches Wirtschaftsverwaltungsrecht enthält auch Ordnungsrecht. Allein sind die Zuständigkeiten dieses Sonderpolizeirechts nicht immer eindeutig. Neben der sachnahen IHK kamen bislang für Aufgaben des Polizeirechtes die  Gewerbeordnungsbehörden und – da der Schutz der „gesamten Rechtsordnung“ ein Rechtsgut ist, das der Generalklausel des Polizeirechts unterliegt –subsidiär auch die allgemeinen Ordnungsbehörden in Betracht. Neue Impulse dürfte diese verwaltungsrechtliche Spezialmaterie durch das VerbandssanktionenG erfahren. Die Staatsanwaltschaft wird im Rahmen ihrer Entscheidung, Ermittlungen aufzunehmen, Einblick fordern, ob ein Unternehmen Compliance-Maßnahmen ergriff. Für den Versicherungsvertrieb bedeutet die Umsetzung des VerbandssanktionenG eine Zäsur. Die Zurückhaltung des Ordnungswidrigkeitenrechts würde durch „forschere“ staatsanwaltschaftliche Ermittlungen abgelöst. Der Beitrag will einen Überblick über die opaken Zuständigkeitsregeln des aktuellen Gewerbeordnungsrechts geben, des Weiteren aufzeigen, dass die Umsetzung des Unternehmensstrafrechts nicht vom Tisch ist, sondern mit einer Umsetzung alsbald gerechnet werden muss. Deshalb ist auf Konsequenzen hinzuweisen, die für den Vertrieb nötig erscheinen. Der Aufsatz endet mit einem bilanzierenden Ausblick.

I.) Ordnungsrecht im Versicherungsvertrieb bisher

Es mag wie eine rhetorische Übertreibung klingen, den Maklern auf irgendeinem Rechtsgebiet „rosige Zeiten“ nachsagen zu wollen. Sorgen nicht EU-Richtlinien1 und neue Auslegungsergebnisse aus der Rechtsprechung2 allen Orten dafür, dass die Regulierung immer stärker zupackt und stellt das Richterrecht zu neuralgischen Punkten im Vertrieb – wie z.B. die „ewigen“ Themen zum Buchauszug3 oder Ausgleichsanspruch4 – nicht immer engmaschigere Anforderungen? Von der weiten Haftung, die den Makler anlässlich einer Beratung trifft, besser ganz zu schweigen.5 Doch ein „gallisches Dorf“ bot den Vermittlern bislang relativen Schutz vor staatlicher Drangsal: das Ordnungsrecht. Gewiss, bekannt sind der Erlaubnis-Widerruf gem. § 34d Abs. 5 GewO i. V. m. § 49 VwVfG bei erwiesener „Unzuverlässigkeit“ oder Verhängung eines Bußgeldes gem. § 144 Abs. 2 Nr. 7c GewO wegen nicht geleisteter Weiterbildung durch die IHK. Doch ein großer Vorteil des Maklers – auch wenn er diesen zumeist gar nicht wahrnahm – bestand darin, dass der IHK im Gewerbe-Organisationsrecht eine Sonderrolle zukam und wegen des Grauschleiers, der die Zuständigkeitsverteilung bzgl. des Ordnungswidrigkeitenrechts umgab, die Gewerbeordnungsbehörden selten in Erscheinung traten.6 Ein Großteil der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten blieb schlicht auf der Strecke, da die IHK sich auf die Kontrolle der Erlaubnisvergabe- und Kontrolle konzentrierte und die Gewerbeordnungsbehörde – grundsätzlich zuständig für die Wirtschaftsüberwachung i.w. S. – im Zweifel wiederum auf die „größere Sachnähe“ der IHK verwies. Dieser „blinde Fleck“ kann bei einer neuen Gesetzesinitiative zum VerbandssanktionenG ein jähes Ende finden. Den Vermittlern wird dann nämlich plötzlich seitens staatlicher Ermittlungsbehörden Ungemach völlig anderer Qualität ins Haus stehen.

II.) Änderungstendenzen

1.) Ordnungswidrigkeiten-Zuständigkeits-Wirrwarr

Durch die ausdrückliche Bestimmung in § 1 Abs. 1 S. 1 IHKG sind die Industrie- und Handels-Kammern für die Erlaubniserteilung zuständig. Dies war im Jahr 2007 eine grundlegende Neuerung in der GewO, da grundsätzlich alle anderen dort aufgestellten Erlaubnispflichten in der unmittelbaren Staatsverwaltung von den Gewerbeämtern vollzogen werden.7 Die IHKs sind zuständig für die Erteilung und in der Folge (als actus contrarius) auch für Rücknahme und Widerruf einer Erlaubnis; dies gilt entsprechend auch für Erlaubnisbefreiungen.8 Bereits hinsichtlich ihrer Zuständigkeit für die Verhängung von Bußgeldern gegenüber Versicherungsvermittlern und Maßnahmen nach § 15 Abs. 2 sowie § 35 GewO herrscht dagegen föderale Vielfalt.9 In der Regel sind für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten – außer in Hessen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, wo dies tatsächlich auch in die sachliche Zuständigkeit der IHK fällt – abwechselnd mal die Gewerbeämter, Ordnungsämter, das Bezirksamt oder die untere Verwaltungsbehörde (Landkreis oder kreisfreie Stadt) zuständig. Auch nachdem aufgrund der Dienstleistungs-Richtlinie 2006/123/EG die Frage diskutiert wurde, im Interesse der Verwaltungsvereinfachung und Effizienz einen „einheitlichen Ansprechpartner“ zu installieren und wegen der Wirtschaftsnähe hierfür die IHK zu betrauen, brachte dies hinsichtlich des föderalen Flickenteppichs keine wirkliche Änderung.10

2.) Unternehmensverfolgung nach § 30, 130 OwiG

Einzig im Wege des Ordnungswidrigkeitenrechts besteht derzeit in Deutschland die Möglichkeit, auch gegen juristische Personen oder Personenvereinigungen (also Unternehmen) vorzugehen und ein Bußgeld nach § 30 Abs. 1 OWiG zu verhängen, sofern deren Repräsentanten (Organe, Vorstände, Geschäftsführer, Vertreter oder sonstige Leitungspersonen) eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen haben. Neben diese originäre Organ- oder Vertreterhaftung tritt bekanntlich die Haftung für Aufsichtspflichtverletzungen aus § 130 Abs. 1 OWiG, welche die wichtigste Bezugstat für eine Geldbuße nach § 30 Abs. 1 OWiG darstellt.11 Dem Grunde nach erkennt das deutsche Recht damit eine Sanktionsfähigkeit von Verbänden bereits an, die auf einem Modell von Repräsentation und Zurechnung beruht, das demjenigen einer Vielzahl kontinentaleuropäischer Rechtsordnungen entspricht. Es fußt auf dem Grundsatz, dass juristische Personen nur für eigenes Verhalten straf- bzw. bußgeldrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können.

Dieses dem Haftungsregime von § 30 OWiG zugrundeliegende Zurechnungsmodell, das sich bereits seit Jahrzehnten nicht unerheblicher Kritik, insbesondere mit Blick auf den strafrechtlichen Schuldgrundsatz, 12 ausgesetzt sieht, ist letztlich Konsequenz der organschaftlichen Struktur juristischer Personen13, die zwar Träger von Rechten und Pflichten sein können, dafür aber auf Organe und Vertreter angewiesen sind. Da eine juristische Person oder ein Verband nur durch Organe und Vertreter Handlungsfähigkeit erlangt, kann für ein strafrechtlich relevantes Verhalten des Verbandes auch nur auf diese abgestellt werden. Dies führt dazu, dass delinquentes Verhalten eines berufenen Organs oder Vertreters in einem delinquenten Verhalten des Verbandes insgesamt mündet, für das dieser als eigenes rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten haften kann. Der juristischen Person wird also das Handeln seiner Organe und Vertreter als eigenes „zugerechnet“. Eines Rückgriffs auf die Grundsätze der klassischen Drittzurechnung, wie z.B. im Rahmen der zivilrechtlichen Stellvertretung,14 bedarf es für die Legitimation der Haftung bei § 30 OWiG damit nicht.15 Geht man von der rechtlichen Zulässigkeit der Begründung einer solchen Verbandshaftung über das Zurechnungsmodell16 aus, so ist die organschaftliche Verbandstäterschaft im deutschen Recht bereits kodifiziert, wenn bislang freilich nur für den Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts. Nahegelegt wurde ein VerbandsstrafR bereits in einem Beschluss des BVerfG aus dem Jahr 1966 im sog. Bertelsmann-Lesering-Verfahren.17 Dort heißt es wörtlich: „Die Bestrafung juristischer Personen ist dem geltenden deutschen Rechtssystem nicht fremd. […] Die Anwendung strafrechtlicher Grundsätze ist also nicht grundsätzlich ausgeschlossen, wenn das Rechtssubjekt eine juristische Person ist […]. Die juristische Person ist als solche nicht handlungsfähig. Wird sie für schuldhaftes Handeln im strafrechtlichen Sinne in Anspruch genommen, so kann nur die Schuld der für sie verantwortlich handelnden Personen maßgebend sein.“ Nach langer Diskussion18 soll das VerbandssanktionenG hier Abhilfe schaffen und das deutsche Recht endlich internationalen Standards anpassen.19

III.) VerbandssanktionenG nicht vom Tisch

Der Entwurf des Verbandssanktionsgesetz ist mittlerweile Geschichte. Er war Bestandteil des „Gesetzes zur Stärkung der Integrität der Wirtschaft“ und sollte Straftaten, die aus Verbänden heraus begangen werden, angemessen sanktionieren.20 Bereits im Koalitionsvertrag der letzten Bundesregierung war ein Gesetz zur Verbandssanktion vorgesehen. Es folgten zwei Referentenentwürfe sowie ein Regierungsentwurf und viel Kritik21 in der Anhörungsphase und im Bundesrat. 22 Zum Einbringen in den Bundestag gem. Art. 77 GG kam es nicht mehr. Die Koalition konnte sich über einige Punkte des Gesetzesvorhabens bis zum Schluss nicht einigen. In der Folge verfiel der Gesetzesentwurf gem. des aus Art. 29 Abs. 1 S. 2 GG abgeleiteten Grundsatzes der Diskontinuität des letzten Bundestags.23 Jedoch spricht vieles dafür, dass es einen neuen Anlauf geben wird.24 Angeführt werden hierfür unter anderem der internationale Druck, die weitere Zunahme von Unternehmensskandalen wie Wirecard oder der Dieselabgas-Skandal.25 Auch aus dem Wortlaut des Koalitionsvertrags der neuen Ampel-Koalition kann allerdings ein Arbeitsauftrag herausgelesen werden.26

1.) Kontinuität mühselig diskutierter Standards

Wird es aber eine Neuauflage dieses Gesetzesvorhabens geben, ist die Prognose nicht abwegig, dass diese an geleistete Vorarbeit des nun (vorläufig) in Diskontinuität geratenen Entwurfs der Vorgänger-Regierung anknüpfen wird, auch wenn das Justiz-Ressort mittlerweile eine andere politische Farbe trägt. Die dogmatischen Grabenkämpfe (unter anderem Schuldprinzip, Bestimmtheitsgrundsatz, warum keine Ausweitung des Ordnungswidrigkeitenrechts? etc.)27 sind in Diskurs- Kreiseln genug erörtert worden, so dass der Primat der Politik im Falle eines neuen Anlaufs gewillt sein wird, bei dem Unternehmensstrafrecht endlich Realitäten zu schaffen.

2.) Ordnungs- und Polizeirecht versus Strafrecht

Polizeirechtliche Gefahrenabwehr, die einen Schaden präventiv erst gar nicht eintreten lässt, ist dem repressiven Straf- und Strafverfahrensrecht, das einen realisierten Schaden voraussetzt, heutzutage überlegen, weil die Verhinderung einer Rechtsgutsverletzung einfach die plausiblere Form der Sicherheitsgewährleistung ist.28 Gleichwohl ist in der polizeilichen Praxis der Kriminalitätsbekämpfung die Sichtweise der Kriminalisten dominant, die in ihrer Fixierung auf das Strafund Strafverfahrensrecht die Möglichkeiten des Polizeirechts mit seinen neuen Befugnissen zur vorbeugenden Kriminalitätsbekämpfung nur dann nutzen, wenn die Strafprozessordnung defizitär ist, wenn etwa polizeiliche Aufklärungsverfahren als Notnagel für fehlende strafprozessuale Vorfeldermittlungen in Anspruch genommen werden. 29 Ein Interventionsstrafrecht als neuer Typus des Strafrechts will aber selbst – wie das Polizeirecht – Straftaten verhindern.

Das erfolgt immaterialen Strafrecht bereits seit langemdurch Schaffung abstrakter Gefährdungsdelikte, wie die §§ 129 ff. und §§ 89a ff. StGB, die als Vorfelddelikte keine Rechtsgutsverletzung mehr voraussetzen und schon vollendet sein können, bevor der Täter die Phase des Versuchs eines Verletzungsdelikts erreicht hat.30 Das traditionelle Verständnis, nachdem sich Polizei- und Strafrecht einerseits anhand ihrer Funktion (präventiv/repressiv) und andererseits anhand des Vorliegens eines Tatverdachts unterscheiden, ist damit ins Wanken geraten.

Die aktuelle Entwicklung hin zu einem gesteigerten Präventionsbedürfnis, die sich auf einer rechtstheoretischen, materiell-rechtlichen, prozessrechtlichen und polizeirechtlichen Ebene des Strafjustizsystems offenbart, schafft eine Veränderung beider Rechtsgebiete. Der modernen strafrechtlichen Konzipierung liegen aufgrund des verstärkten gesellschaftlichen Sicherheitsbedürfnisses gehäuft gefahrenabwehrende Zwecke zugrunde, wobei der sich ins Strafrecht drängende Präventions-Gedanke die Grenze zwischen Polizei- und Strafrecht verwischt.31 Gleichsam gewinnt das Polizeirecht im Rahmen der Verbrechensprophylaxe an Bedeutung. Für die juristische Einordnung des „Predictive Policing“ bedeutet dies, dass entsprechende Prognosetools als Mittel der Gefahrenabwehr grundsätzlich sowohl im Polizeirecht als auch in einer Strafverfolgung mit Präventionsfunktion zu verorten sind.

3.) Allgemeiner Trend zur Prozeduralisierung

Das Ordnungsrecht folgt damit einem allgemeinen Trend. Wo die liberale formal-rationale Rechtskonzeption das Recht als Instrument der Absicherung einzelner gesellschaftlicher Lebens- und Handlungsbereiche verstanden und Interventionen in diese Bereiche dementsprechend abgelehnt hat, wurde für das material-rationale Recht des Wohlfahrtsstaates der 70-er und 80-er die Idee der Intervention prägend, indem einzelne gesellschaftliche Lebens- und Handlungsbereiche durch das Recht material gestaltet werden sollten.32 Im Risiko-Staat dieser Tage ist man jedoch auch darüber hinaus. Dem Staat wurde − verfassungsrechtlich gestützt auf grundrechtliche Schutzpflichten und ein damit korrespondierendes Grundrecht auf Sicherheit − die Aufgabe der Abschirmung von Risiken zugewiesen und er greift zur Erfüllung dieser Aufgabe vermehrt auf ein Sicherungsrecht zurück, das im Wesentlichen auf dem Gedanken der Prävention beruht. Das Präventionsstrafrecht der Risikogesellschaft33 manifestiert sich nicht allein auf der Rechtsfolgenseite von Strafnormen, sondern in Gestalt überindividueller Rechtsgüter und abstrakter Gefährdungsdelikte auch auf Tatbestandsseite, wobei das Umwelt-, Wirtschafts- und Betäubungsmittelstrafrecht sowie die Gesetze zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität als Beispiel benannt werden. 34 Die allgemeine Regulierung von Gewerberisiken würde also selbst in dieser abstrakten Form kein Novum mehr darstellen.

Das alles spricht dafür, dass auch in dem neuen VerbandssanktionenG die Verfolgung letztlich der Staatsanwaltschaft zufallen wird. Bei OWiG-Verfahren stehen in der Regel Personen und nicht das Unternehmen im Mittelpunkt. Folglich hat dieses auch keine Beschuldigten- oder Beteiligungs-Rechte. Ebenso wenig kann es durch Kooperation mit der Ermittlungsbehörde den Strafrahmen beeinflussen. Bereits gem. §§ 23, 24 VerSanG-E sollte die Staatsanwaltschaft für die Ermittlungen zuständig sein und eine Ermittlungspflicht35 bestehen. Laut Gesetzesbegründung sollte sichergestellt werden, dass geltendes Recht gleichermaßen und regelmäßig angewendet wird.36 Für den Ausspruch von Ordnungswidrigkeiten waren zuvor Fachbehörden zuständig, sofern keine Straftat vorliegt, vgl. § 131 OWiG. Die Spezialisten der Ordnungsbehörden kennen sich in den Spezialgebieten (z.B. Hygiene, Emissionsschutz, Strahlenschutz, Gerwerbe etc.) i. d. R. besser aus als der Staatsanwalt, vgl. Argument der „größeren Sachnähe“. Missstände können zudem mittels modernen, informellen Verwaltungshandelns im Rahmen von Begehungen aufgezeigt und Lösungsmöglichkeiten auf Fachebene für komplexe Anforderungen im Einvernehmen gefunden werden. Doch ein förmliches Verfahren im Wege des Legalitätsprinzips schafft mehr Transparenz. Hinzutritt die Vorfeldinvestigations-Bereitschaft des modernen Strafrechts. Deshalb wird auch der kommende Gesetzgeber wieder auf diese Verfahrensart setzen und in Kauf nehmen, dass damit eine gewisse Entmachtung der Fachbehörden verbunden ist.

IV.) Konsequenzen für den Vermittler – Ergebnis

Laut Gesetzgeber war die Stärkung von Compliance-Maßnahmen bereits ein Ziel des VerSanG-E.37 Compliance-Maßnahmen sollen eine Verbandsverantwortlichkeit verhindern können. Diese wären die in § 3 Abs. 1 Nr. 2 VerSanG-E erwähnten „angemessenen Vorkehrungen“.

Zudem hätten diese als Auflage nach der Tat „zur Genugtuung“ vom Gericht gem. § 12 VerSanG-E, erteilt werden können und können somit zur Reduzierung der Sanktionen im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 5, 7 VerSanG-E führen.

Compliance-Maßnahmen entstammen der „behavioural economics“, mithin der Verhaltensökonomik,38 wie diese vorrangig der Tradition des amerikanischen Rechtskreises entspricht.39 Die Grundlage des USamerikanischen Compliance-Modells beruht auf dem Dreiklang Verbandsstrafe, Plea-Agreement40 und Compliance-Paper. Abgesehen von den Bedenken gegen eine Geldsanktion gegen juristische Personen, die nicht die tadelnswerten Führungskräfte, sondern unschuldige Mitarbeiter und Aktionäre trifft, ist aus der prozessualen Perspektive auch der Voluntarismus zur Kooperation mit den US-amerikanischen Verfolgungsbehörden in der Praxis der Compliance zu bedenken. Diese Kooperation, die einem Verzicht auf die eigene Verteidigung ähnelt, wird von dem US-Strafrechtssystem im Rahmen einer Unternehmenshaftung und Strafbemessungsrichtlinien durch Plea-Agreement und Deferred-Prosecution-Agreement (DPA)/Non-prosecution Agreement (NPA) stark gefördert.41 Dabei wird vereinbart, dass die Strafverfolgungsbehörde die Strafverfolgung einstellt oder aussetzt, wenn das betroffene Unternehmen der Zahlung einer Geldstrafe zustimmt und künftigen Missständen durch (neue) organisatorische Compliance- Maßnahmen vorbeugt. Dies führt nun zum Hauptproblemeines solchen Compliance-Modells: Es weicht in vielerlei Hinsicht von den Grundprinzipien traditioneller Strafrechtsdogmatik ab. Es wird nicht in der strafrechtlichen individuellen Verantwortlichkeit verankert, sondert gründet auf einen strafrechtlichen Pragmatismus der US-amerikanischen Kriminalpolitik. Dahinter steht die Tradition des Utilitarismus, während kontinental-europäisches Recht eher auf die Deontologie und Pflichten-Lehre Kants gesetzt hat.42

Man wird fragen können, ob diese Traditions-Zäsur wirklich „durchdacht“ ist, man wird ein Nachlaufen verhaltensökonomischer Grundsätze beklagen können, doch wird man kaum verhindern können, dass diese Maßstäbe bald auch für Vermittler gelten. Aus Sicht des Rational- Choice-Modells werden mittels Compliance Abwägungstatbestände geschaffen, die der Täter bei seiner Entscheidung berücksichtigen muss. Compliance-Maßnahmen sind konditionelle Programmierung, die Transaktionskosten bei der Tatbegehung erhöhen. Für den Staatsanwalt, der in der Regel keine fachliche Vorbefassung mit dem Vertriebsrecht hatte, werden die Compliance-Maßnahmen vermutlich aber das Kennzeichen sein, ob er bei diesem Vorgang „schärfer“ zupacken soll. Darauf hinzuweisen, wollte ich mit diesen Zeilen anfangen. Ein Denken allein in zivilrechtlichen Kategorien greift im Vertriebsrecht, auch im Versicherungs-Vertrieb43, mittlerweile zu kurz.

V.) Fazit

Der kurze Parforceritt durch das Gelände des Gewerbeordnungsrechtes hat gezeigt, dass eine Vielzahl von Faktoren anzeigen, dass es mit der relativen Ruhe in der Verfolgung der Ordnungswidrigkeiten für den Versicherungsvertrieb bald vorbei sein wird. Es mag noch dauern, ehe eine gewisse Klarheit über den theoretischen Überbau der Compliance hergestellt sein wird. Bislang speist diese aus erkenntnistheoretischer Sicht sich aus Quellen, die nur bedingten Einfluss auf das autarke44 System des Rechts beanspruchten. Doch wird im Zuge der neuen Einflussnahme der Staatsanwaltschaft das Erfordernis von angemessenen Compliance-Maßnahmen ganz handfeste Bedeutung erlangen: Die Güte der Umsetzung dieser Maßgaben, wird darüber entscheiden, ob die Strafverfolgungsbehörde zu Ermittlungen ausholen wird. Ist diese Entscheidung getroffen, können dabei – quasi als Beifang – auch nichtstrafrechts- aber doch ordnungswidrigkeitsrelevante Umstände zutage gefördert werden. Im Zuge dessen könnte sich dann das Räderwerk der sonst eher zurückhaltenden Gewerbeordnungsverwaltung durchaus herausgefordert sehen, verstärkte Aktivität zu entfalten.

1 Vgl. etwa die Transparenz-VO (EU) 2019/2088 oder die EU-Beratungs-VO (EU) 2021/1257.

2 Vgl. etwa zu den Anforderungen der Beratungsgrundlage OLG Karlsruhe, Urt. v. 22.9.2021 – 6 U 82/20 – dazu Timmermann, ZVertriebsR 2022, 177 ff. oder zu den angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen nach dem GeschGehG, vgl. dazu etwa: LG Verden, Urt. v. 1.3.2021 – 9 O 34/20.

3 Vgl. etwa: OLG München, Urt. v. 31.7.2019 – 7 U 4012/17, ZVertriebsR 2019, 372 ff.

4 Vgl. etwa: OLG Hamburg, Urt. v. 19.5.2022 – 6 U 83/21 – sehr lehrreich auch zu den Merkmalen einer Statusabgrenzung zum „Kooperationsvertrag“.

5 Vgl. etwa: OLG Frankfurt, Urt. v. 13.5.2022 – 7 U 168/16; Timmermann, ZfV 2019, 701 ff.

6 Vgl. Stober/Eisenmenger, Öffentliches WirtschaftsR Besonderer Teil, 17. Aufl. 2019, § 45, S. 11 ff.

7 Vgl. Schönleitner, GewA 2007, 265 f.

8 Vgl. BT-Drs. 16/1935, S. 18.

9 Vgl. Übersicht: Schönleiter, in: Landmann/Rohmer/Schönleiter, GewO, Stand Sep. 2021, zu § 34d Rn. 279.

10 Vgl. Windorffer, DVBl 2006, 1210 ff.; Stober, WiVerw 2008, 139 ff.

11 Vgl. Rogall, in: Karlsruher Kommentar OWiG, 5. Aufl. 2018, § 30 Rn. 20. § 30 OWiG geht zurück auf die zur Schaffung einer einheitlichen Verbandsgeldbuße 1968 ins OWiG aufgenommene Regelung des § 26 a. F., vgl. zur historischen Entwicklung auch Rogall, in: Karlsruher Kommentar OWiG, 5. Aufl. 2018, Rn. 22 ff.

12 Vgl. Rostalski, NJW 2020, 2087 ff.

13 Vgl. Dannecker, NZWiSt 2012, 441 ff.; zum Streit der Vertreter- und Organtheorie: Klingbeil, ZfPW 2020, 150, 176 ff.

14 Vgl. wie vor: Klingbeil, ZfPW 2020, 150, 176 ff.

15 Vgl. Dannecker/Dannecker, NZWiSt 2016, 162 ff.

16 Vgl. Wohlers, NZWiSt 2018, 412 ff.

17 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.10.1966 – 2 BuV 506/63, BVerfGE 20, 323, 335 f.

18 Vgl. Gehring, NZWiSt 2022, 437 ff.

19 Vgl. Rotsch/Mutschler/Grobe, CCZ 2020, 169 ff.

20 Vgl. unter: https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE /Staerkung_Integritaet_Wirtschaft.html#:~:text=Juni%202020%20Gesetz%2 0zur%20St%C3%A4rkung,Ordnungswidrigkeiten%20(OWiG)%20geahndet%20w erden.

21 Vgl. Busekist/Izrailevych, CCZ 2021, 40 ff.

22 Vgl. Peukert/Sinn, Newsdienst Compliance, 2021, 230005.

23 Vgl. Trüg, NZWiSt 2022, 106 ff.

24 Vgl. Gehring, NZWiSt 2022, 437 ff.; Schweiger, LRZ 2022, Rn. 439, www.lrz.leg al/2022Rn439.

25 Vgl. Gehring, NZWiSt 2022, 437.

26 So jedenfalls Gehring, NZWiSt 2022, 437.

27 Vgl. etwa: IHK Braunschweig unter: https://www.ihk.de/braunschweig/berat ung-und-service/rechtsthemen/wirtschaftsrecht-von-a-bis-z/gesellschaftsre cht/kritik-an-geplantem-unternehmensstrafrecht-4934838; Wostry, Stellungnahme zu dem Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft unter: https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfa hren/Stellungnahmen/2020/Downloads/06122020_Stellungnahme_HHU_ RegE_Integritaet-Wirtschaft.pdf;jsessionid=EC12BE04F9B411783C88D6F6A 5B401CD.2_cid289?__blob=publicationFile&v=2.

28 Vgl. Kniesel, Kriminalitätsbekämpfung durch PolizeiR, 2022, S. 35 ff.; Gropp, in: Sinn/Gropp/Nagy (Hrsg.), Grenzen der Vorverlagerung in einem TatstrafR, 2011, S. 99 ff.; kritisch zur „Präventions-Euphorie“: Pollähne, Kriminalprognostik, 2011, S. 261 ff.

29 Vgl. Park, Wandel des klassischen PolizeiR zum neuen SicherheitsR, 2013, passim; hierzu: Ambs, in: Geppert/ Dehnke (Hrsg.), GS für Karlheinz Meyer, 2019, S. 7, 10 ff.

30 Vgl. etwa: Timmermann, StraFo 2007, 358 ff.

31 Zum sog. „predictive policing“ vgl. etwa: Pullen, in: Simmler, Smart criminal justice, 2021, S. 123 ff.

32 Zur Materialisierung vgl. Canaris, AcP 200 (2000), 273 ff.; Auer, Materialisierung, Flexibilisierung und Richterfreiheit, 2005, S. 25 ff.

33 Vgl. Beck, Risikogesellschaft, 1986, passim; Neureiter, Die Risikogesellschaft von Ulrich Beck: Konzept und Kontext, 2015, passim.

34 Vgl. Eicker, Die Prozeduralisierung des StrafR, 2010, S. 12 ff.; S. 49 ff.

35 Vgl. § 24 VerSanG-E i. V. m. § 152 StPO das sog. „Legalitätsprinzip“.

36 Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ unter: https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokum ente/RegE_Staerkung_Integritaet_Wirtschaft.pdf;jsessionid=3820958A8CA C4BF0CC4621C0042FE591.2_cid334?__blob=publicationFile&v=2, S. 59. Timmermann, Versicherungsvertrieb: Ordnungswidrigkeit, Compliance und Verbandssanktion

37 Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“, wie Fn. 37, dort S. 55.

38 Vgl. Klöhn, in: Fleischer/Zimmer (Hrsg) in: Beitrag der Verhaltensökonomie (behavioural economics) zum Handels- und Wirtschaftsrecht, ZHR-Beiheft 75 (2011), S. 3 ff.; Möslein, Austrian Law Journal 2014, 135 ff.

39 Vgl. Navarro, StrafR und Criminal Compliance in philosophischer Perspektive, 2022, S. 28 ff., die Darstellungen zum Thema der Rechtsnatur und dem Überbau der CC fallen in der Unternehmensstrafrechtsliteratur schmal aus; es ist ein „unbestelltes Feld“, vgl. Rotsch, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, HdB WirtschaftsstrafR, 5. Aufl. 2019, S. 54, Rn. 41, der von „Bemühungen der theoretischen Fundierung“ spricht.

40 Vgl. Ransiek, ZIS 2008, 116 ff. m. w. N.

41 Vgl. Schlutz, Compliance Monitorships – Wie kann ein US-Instrumentarium den Alltag dt. Unternehmen bestimmen?, 2021, S. 75 ff.

42 Vgl. von der Pfordten, in: Hilgendorf/Joerden (Hrsg), HdB Rechtsphilosophie, 2017, I. E., S. 98 f. m. w. N.

43 Dem aber immerhin die Querelen des Kartellrechts erspart bleiben, vgl. Timmermann, Sonderausgabe proontra 2019, 28 ff.

44 Der Begriff der berühmt-berüchtigten Autopoiesis soll hier absichtlich einmal vermieden werden.

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Nummer 013/23 – Urteil vom 14.02.2023 IX R 3/22

Veräußerungsgewinne, die ein Steuerpflichtiger innerhalb eines Jahres aus dem Verkauf oder dem Tausch von Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum und Monero erzielt, unterfallen der Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 14.02.2023 – IX R 3/22 entschieden.

Im Streitfall hatte der Kläger verschiedene Kryptowährungen erworben, getauscht und wieder veräußert. Im Einzelnen handelte es sich um Geschäfte mit Bitcoins, Ethereum und Monero, die der Steuerpflichtige privat tätigte. Im Streitjahr 2017 erzielte er daraus einen Gewinn in Höhe von insgesamt 3,4 Millionen Euro.

Mit dem Finanzamt kam es zum Streit darüber, ob der Gewinn aus der Veräußerung und dem Tausch von Kryptowährungen der Einkommensteuer unterliegt. Die vom Steuerpflichtigen beim Finanzgericht erhobene Klage war ganz überwiegend erfolglos.

Der BFH hat die Steuerpflicht der Veräußerungsgewinne aus Bitcoin, Ethereum und Monero bejaht. Bei Kryptowährungen handelt es sich um Wirtschaftsgüter, die bei einer Anschaffung und Veräußerung innerhalb eines Jahres der Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unterfallen.

Virtuelle Währungen (Currency Token, Payment Token) stellen nach Auffassung des BFH ein “anderes Wirtschaftsgut” i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG dar. Der Begriff des Wirtschaftsguts ist weit zu fassen. Er umfasst neben Sachen und Rechten auch tatsächliche Zustände sowie konkrete Möglichkeiten und Vorteile, deren Erlangung sich ein Steuerpflichtiger etwas kosten lässt und die nach der Verkehrsauffassung einer gesonderten selbständigen Bewertung zugänglich sind. Diese Voraussetzungen sind bei virtuellen Währungen gegeben. Bitcoin, Ethereum und Monero sind wirtschaftlich betrachtet als Zahlungsmittel anzusehen. Sie werden auf Handelsplattformen und Börsen gehandelt, haben einen Kurswert und können für direkt zwischen Beteiligten abzuwickelnde Zahlungsvorgänge Verwendung finden. Technische Details virtueller Währungen sind für die Eigenschaft als Wirtschaftsgut nicht von Bedeutung. Erfolgen Anschaffung und Veräußerung oder Tausch der Token innerhalb eines Jahres, unterfallen daraus erzielte Gewinne oder Verluste der Besteuerung.

Das ist nach Ansicht des BFH auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein sog. strukturelles Vollzugsdefizit, das einer Besteuerung entgegensteht, liegt nicht vor. Es sind weder gegenläufige Erhebungsregelungen vorhanden, die einer Besteuerung entgegenstehen, noch liegen Anhaltspunkte vor, dass seitens der Finanzverwaltung Gewinne und Verluste aus Geschäften mit Kryptowährungen nicht ermittelt und erfasst werden können. Dass es in Einzelfällen Steuerpflichtigen trotz aller Ermittlungsmaßnahmen der Finanzbehörden (z.B. in Form von Sammelauskunftsersuchen) beim Handel mit Kryptowährungen gelingt, sich der Besteuerung zu entziehen, kann ein strukturelles Vollzugsdefizit nicht begründen.

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Das Direktorium der BaFin ist wieder vollständig besetzt:

Silke Deppmeyer übernimmt die Leitung des Geschäftsbereichs Innere Verwaltung. Zuvor hatte Deppmeyer den Bereich kommissarisch geleitet.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) setzt mit der Personalie auf eine erfahrene Frau aus den eigenen Reihen, die die BaFin seit langem kennt.

Silke Deppmeyer ist seit 20 Jahren in der BaFin tätig. Nachdem sie verschiedene Positionen in der inneren Verwaltung und Rechtsabteilung inne hatte, leitete die studierte Juristin das Digital Office der BaFin und anschließend dessen Nachfolgeeinheit, die Stabsstelle Transformationsmanagement. Zusätzlich übernahm Deppmeyer im April 2022 die kommissarische Leitung des Geschäftsbereichs Strategie, Policy und Steuerung (SPS), bis sie am 1. November 2022 kommissarische Leiterin des Geschäftsbereichs Innere Verwaltung (IV) wurde.

„Ich freue mich sehr, dass Silke Deppmeyer nun die Rolle der Exekutivdirektorin des Geschäftsbereichs Innere Verwaltung übernimmt“, sagt BaFin-Präsident Mark Branson. Sie bringe eine ausgewiesene Fach- und Führungsexpertise mit und habe als kommissarische Leiterin des Bereichs in den vergangenen Monaten bereits die Weichen für 2023 gestellt. „Silke Deppmeyer ist die Richtige, um die Modernisierung in den Bereichen IT, Personal und Haushalt konsequent weiterzuführen“, unterstreicht Branson.

Die 52-jährige Deppmeyer kennt die Herausforderungen ihrer Aufgabe und geht diese motiviert an: „Ich bedanke mich für das Vertrauen, das man mir entgegenbringt, und werde gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen den eingeschlagenen Weg zur internen Modernisierung der BaFin weiter vorantreiben.“

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BAG, Urteile vom 17.01.2023 – 3 AZR 220/22 (Vorinstanz: LAG Düsseldorf, Urteil vom 08.02.2022, AZ: 12 Sa 746/21) sowie 3 AZR 501/21 (Vorinstanz LAG Hamm, Urteil vom 11.08.2021 – 4 Sa 221/21)

In beiden zu entscheidenden Fällen hatte der Arbeitgeber jeweils Versorgungszusagen erteilt, die einseitig auf Arbeitgeberseite die Möglichkeit vorsahen, anstelle einer lebenslangen Altersrente eine einmalige Kapitalzahlung zu leisten. Von dieser Option machte der Arbeitgeber zum Rentenbeginn in beiden Fällen Gebrauch, womit die jeweiligen Arbeitnehmer nicht einverstanden waren. Das BAG entschied in beiden Fällen zugunsten der Arbeitnehmer. Derzeit liegen noch keine Entscheidungsgründe vor.

BAG-Urteil vom 17.01.2023 – 3 AZR 220/22

In diesem Fall (Vorinstanz LAG Düsseldorf) war in der vom Arbeitgeber über eine Unterstützungskasse erteilten Versorgungszusage vorgesehen, anstelle der laufenden Rente eine einmalige Kapitalabfindung in Höhe der zehnfachen Jahresrente zu zahlen. Hiervon wurde zum Rentenbeginn Gebrauch gemacht, womit sich die Arbeitnehmerin nicht einverstanden erklärte und den Betrag zurücküberwies. Das BAG gab der Arbeitnehmerin Recht und wies die Revision des Arbeitgebers zurück. Die Vorinstanz (LAG Düsseldorf) hatte die in der Versorgungszusage enthaltene Klausel für unwirksam erklärt.

Umstellung auf Kapital bedarf einer wechselseitigen Interessenabwägung

Die Umstellung einer eigentlich vorgesehenen Betriebsrente in eine Kapitalzahlung bedarf einer Rechtfertigung anhand der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit. Bei der Abwägung muss zugunsten des Arbeitnehmers beispielsweise verhindert werden, dass das Langlebigkeitsrisiko vom Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer übertragen wird. Des Weiteren darf weder eine Rentenanpassungsprüfungspflicht, mangelnder Pfändungsschutz oder eine höhere Steuerlast entstehen. Zugunsten des Arbeitgebers kann die günstigere Bilanzierung oder die Leistungsverbesserung durch Anhebung des Dotierungsrahmens berücksichtigt werden.

Änderung in Kapitalzahlung hier nicht zumutbar – Verstoß gegen die AGB

Im Grundsatz sind laufende Rentenzahlungen und einmalige Kapitalleistungen nach dem Betriebsrentengesetz gleichwertige Formen der betrieblichen Altersversorgung. Bei der Interessenabwägung kann jedoch insbesondere eine Änderung des Äquivalenzverhältnisses, also des Gegenseitigkeitsverhältnisses von Leistung und Gegenleistung, ein Indiz für die Unzumutbarkeit des Änderungsvorbehalts sein. Das war vorliegend der Fall. Der Arbeitgeber hatte hier durch eine formularmäßig einseitig vorbehaltene Gestaltungsmöglichkeit aus der laufenden Betriebsrente eine nicht wertgleiche Kapitalabfindung gemacht. Dadurch wird ihm zum einen die Möglichkeit eröffnet, einseitig zum Beispiel das Langlebigkeitsrisiko zu verlagern. Des Weiteren kann der Arbeitgeber die Anpassungsprüfungspflicht damit umgehen. Hinzu kommen steuerrechtliche Nachteile für die Arbeitnehmerin.

Das LAG Düsseldorf orientierte sich hinsichtlich der Wertgleichheit einer Kapitalabfindung, die nirgends definiert wird, am Betriebsrentengesetz. Maßgeblich ist hier für die Abfindungsberechnung der Barwert der künftigen Versorgungsleistung, wobei bei der Berechnung des Barwerts die Rechnungsgrundlagen sowie die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik maßgebend sind. Im vorliegenden Fall wird durch die Klausel gestattet, die laufende Betriebsrentenleistung ohne weitere Voraussetzungen in eine geringwertigere Kapitalleistung zu ändern, nämlich nur die zehnfache Jahresrente zu bezahlen. Unter Berücksichtigung der zuvor genannten Nachteile ist diese daher unwirksam.

BAG-Urteil vom 17.01.2023 – 3 AZR 501/21

In diesem zu entscheidenden Fall lautete die zuletzt in einem Nachtrag befindliche Klausel zur Kapitalabfindung anstelle einer lebenslangen Rentenzahlung in der Versorgungszusage wie folgt: „Die Firma behält sich vor, anstelle der Renten eine wertgleiche, einmalige Kapitalabfindung zu zahlen; hierdurch erlöschen sämtliche Ansprüche aus dieser Versorgungszusage. Die Höhe der einmaligen Kapitalzahlung entspricht dem Barwert der künftigen Versorgungsansprüche und Versorgungsanwartschaften, ermittelt nach den Rechnungsgrundlagen des versicherungsmathematischen Gutachtens über die Höhe der ertragssteuerlich zulässigen Pensionsrückstellung gemäß § 6a EStG zum letzten Bilanztermin vor der Abfindung”. Von dieser Abfindungsklausel machte die Firma Gebrauch, womit der Arbeitnehmer nicht einverstanden war. Dieser wollte auf jeden Fall bei Rentenbeginn eine lebenslange Altersrente erhalten. In einem undatierten Anhang zu seinem Dienstvertrag, der nicht unterschrieben wurde, war nur noch von der „Rente“ die Rede. Hier hat das BAG das Urteil der Vorinstanz (LAG Hamm) aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Vereinbarung eines wirksamen Wahlrechts?

Die Vorinstanz war der Auffassung, dass eine wirksame Abfindungsklausel vereinbart wurde und sich durch die Klausel in der Versorgungszusage das Recht der Firma ergeben habe, nach ihrer Wahl anstelle der monatlichen Rentenzahlung eine wertgleiche einmalige Kapitalabfindung zu zahlen. Billiges Ermessen sei hier nicht zu berücksichtigen, so dass nicht näher auf die Interessen des Arbeitnehmers eingegangen wurde. Die Vereinbarung des Wahlrechts, anstelle der Altersrente eine Kapitalzahlung zu leisten, lässt den Schluss zu, dass die Arbeitgeberin einseitig und ohne Rücksicht auf die Interessenlage des Klägers entscheiden kann, ob sie von dem Vorbehalt Gebrauch macht oder nicht. Insofern hielt das LAG Hamm die Kapitalabfindung für rechtmäßig.

Bewertung

Das sah das BAG anders, hob das Urteil des LAG Hamm auf und wies es zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück. Diese Entscheidung deutet darauf hin, dass wohl auch in diesem Fall die wesentlichen Umstände abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden müssen. Eine solche Abwägung hatte vorliegend nicht stattgefunden. Zudem könnte eine Rolle gespielt haben, dass im Anhang zum Arbeitsvertrag nur noch von Rentenzahlung die Rede war. Hier bleibt die weitere Begründung abzuwarten.

Insgesamt dürfte es durch die Rechtsprechung seitens des BAG schwieriger für Arbeitgeber werden, sich einseitig eine Kapitalzahlung vorzubehalten und diese dann im Versorgungsfall wirksam auszuüben, ohne dabei auch die Interessen des einzelnen Arbeitnehmers im Blick zu halten. Vielmehr dürften zukünftig immer die jeweiligen Interessen sorgfältig gegeneinander abzuwägen sein. In diesem Zusammenhang müsste auch die Frage der Wertgleichheit der Kapitalleistung eine entscheidende Rolle spielen. Das BAG hat bereits in einer früheren Entscheidung dargelegt, dass dann, wenn die Kapitalleistung den nach den Rechnungsgrundlagen und anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik ermittelten Barwert denjenigen der nach der Altregelung geschuldeten Rentenleistung übersteigt, unter Umständen die Nachteile des Arbeitnehmers infolge der Umstellung überwiegen kann. Das bedeutet im Klartext, dass der Arbeitgeber sich bereits im Vorfeld überlegen sollte, solche Fälle hinsichtlich der Höhe der Leistung großzügiger zu behandeln, um so die Nachteile des Arbeitnehmers abzumildern. Die mögliche Höhe dieser Summe hängt von vielen Faktoren ab und ist sicherlich nicht leicht zu entscheiden.

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10 von 17 Bausparkassen erstatten ihren Kunden nicht die Jahresentgelte.

Das ist das Ergebnis einer Finanztest-Abfrage bei allen Bausparkassen. Solche Gebühren hat der Bundesgerichtshof für unzulässig erklärt.

Die pro Monat oder Jahr fälligen Gebühren kassierten alle Kassen zumindest zeitweise, meist 12, 24 oder 36 Euro pro Jahr. Über die Laufzeit eines Vertrages können so hunderte Euro unrechtmäßige Gebühren entstanden sein.

Doch 10 der 17 angefragten Bausparkassen kassieren weiter für laufende Bausparverträge und erstatten zumindest einen Teil der Gebühren nicht. Bei Riester-Verträgen macht gar kein Unternehmen Zusagen. Die Unternehmen argumentieren, dass das Urteil nur für die BHW-Gebühren gelte, die in Karlsruhe Thema waren. Verbraucherschützer meinen, dass das Urteil auf andere Kassen übertragbar sei.

Finanztest rät, die Bausparkasse zunächst schriftlich aufzufordern, Entgelte zu erstatten. Denn ohne Aufforderung erstattet keine einzige Kasse, mit Aufforderung immerhin drei vollständig und mehrere teilweise. Entsprechende Musterbriefe finden sich unter www.test.de/bauspargebuehren.

Wenn sich eine Bausparkasse weigert, sollten sich Kunden bei der zuständigen Schlichtungsstelle beschweren. Das stoppt auch die Verjährung. Auch hierfür bietet die Stiftung Warentest auf test.de Mustertexte und Tipps.

Welche Bausparkassen zahlen und welche nicht, ist auch in der März-Ausgabe der Zeitschrift Finanztest nachzulesen.

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Stiftung Warentest, Lützowplatz 11-­13, D­-10785 Berlin, Tel: 030/26310, Fax: 030/26312727, www.test.de

Mit seinem Urteil vom 07.02.2023 stärkt das Oberlandesgericht Oldenburg maßgeblich die Rechte von Direktinvestoren der Deutsche Lichtmiete Gruppe (2 U 8/23).

Anlass der Klage war ein Schreiben der One Square Advisory GmbH aus dem November 2022, in dem das Münchener Unternehmen einer Firma aus Solingen das Eigentum der Klägerin zum Verkauf anbot. One-Square-Geschäftsführer Frank Günther habe hinter ihrem Rücken über ihr Eigentum verfügt, so die Klägerin.

Dieser Auffassung folgten nun auch die Oldenburger Richter: “Vorliegend hat sich die Verfügungsbeklagte eindeutig des Eigentums an den streitgegenständlichen Leuchten berühmt, das der Verfügungsklägerin bzw. der Erbengemeinschaft zusteht.” (2 U 8/23, S. 3).

Zudem bestehe laut Urteil Wiederholungsgefahr. So habe sich der Geschäftsführer der One Square Advisory GmbH geweigert “eine für die Widerlegung der Wiederholungsgefahr nicht einmal ausreichende Unterlassungserklärung ohne Strafbewehrung abzugeben” (2 U 8/23, S. 4).

Dr. Wolfgang Schirp von der Kanzlei Schirp & Partner aus Berlin, der das Urteil erstritten hat, begrüßt die Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg: “Diese Entscheidung stärkt maßgeblich die Rechte der Direktinvestoren der Deutsche Lichtmiete Gruppe. Das Eigentum der Direktinvestoren an den ihnen gehörenden Leuchtmitteln ist ohne Wenn und Aber zu respektieren, daran lässt das OLG keine Zweifel.”

Außerdem ergänzt Herr Dr. Schirp: “Wir werden der Verwertungsgesellschaft und dem Insolvenzverwalter weiter auf die Finger schauen und für die Rechte der Anleger intervenieren, wo dies nötig ist.”

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Schirp & Partner Rechtsanwälte mbB, Leipziger Platz 9, 10117 Berlin, Tel: +49 (0)30 327 617-0, www.schirp.com

Im Auftrag zahlreicher Investoren aus Deutschland und anderen europäischen Ländern hat die Stuttgarter Kanzlei WEISSWERT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH („WEISSWERT“) unter schwierigen rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen einen Erfolg in Moskau erzielt:

Zertifikate, denen russische Aktien zugrunde liegen, konnte die Kanzlei WEISSWERT erfolgreich für ausländische Investoren in Originalaktien konvertieren.

Die Konvertierung war für den Schutz des Vermögens der ausländischen Investoren von zentraler Bedeutung. Ausländische Investoren besitzen regelmäßig nicht die Originalaktien russischer Emittenten. Sie besitzen lediglich hierauf basierende Zertifikate, sogenannte American Depositary Receipts („ADR“) bzw. Global Depositary Receipts („GDR“).

Der Erwerb von ADR war für ausländische Investoren bislang praktisch: Ausländische Anleger konnten durch den Erwerb von ADR in russische Konzerne wie Gazprom investieren, ohne dass die Unternehmen an ausländischen Börsen gelistet sein mussten. Erhöhte Transaktionskosten konnten vermieden werden. Ausländische Banken, speziell aus den USA, brachten daher weltweit ADR in Umlauf, während die den ADR zugrundeliegenden Aktien bei Depotbanken in Russland gehalten wurden. Auf diese Weise wurde der globale Handel mit Aktien russischer Emittenten wesentlich vereinfacht.

Doch die ADR-Inhaber müssen nun erhebliche Nachteile befürchten. Die Europäische Union hat den Handel mit russischen Wertpapieren sanktioniert. Russland hat zahlreiche russische Unternehmen dazu verpflichtet, ihre ADR-Programme zu beenden. „Vor dem Hintergrund der rechtlich und politisch schwierigen Lage drohen im Ergebnis Zwangsverkäufe bis hin zum Totalverlust für all diejenigen ADR-Inhaber, denen es nicht gelingt, ihre ADR noch rechtzeitig in Originalaktien umzutauschen“, erklärt WEISSWERT-Anwalt Maximilian Weiss.

Die nun erfolgreichen Anleger, die ihre ADR in Aktien umtauschen konnten, dürfen hingegen aufatmen: Durch den nun erfolgten Umtausch von ADR in russische Originalaktien gelang es den Investoren, den drohenden Zwangsverkauf ihrer Investments erfolgreich zu verhindern. Zudem besitzen die Investoren durch die Konvertierung der ADR in Originalaktien jetzt auch Ansprüche auf den Erhalt von Dividenden, welche sie zuvor nicht hatten.

„Einfach war die Konvertierung nicht. Wir mussten uns unter Beachtung von Sanktionen seitens der EU, der USA und Russlands auf ständig neue Spielregeln einstellen. Viele Anleger scheiterten darin, ihre ADR zu konvertieren. Umso mehr aber freut es mich, dass wir sämtliche der von uns begleiteten Verfahren auf Konvertierung in Moskau zum Erfolg führen durften”, erklärt WEISSWERT-Anwalt Maximilian Weiss.

Es ist ein erster Erfolg für Investoren. Weiterhin sind aber Investments ausländischer Anleger in Höhe von vielen Milliarden US-Dollar in Gefahr. Nicht nur institutionelle Investoren, sondern auch zehntausende Privatanleger sind von der ADR-Problematik betroffen – und fürchten damit weiterhin um ihre Investments. Sie sind u. a. in den russischen Konzernen Gazprom, Lukoil oder Nornickel investiert.

„Zahlreiche Anleger reisten in der Vergangenheit persönlich nach Russland, mit dem Ziel, vor Ort ihre Investments durch Vorsprache bei örtlichen Depotbanken zu schützen. Insbesondere bei der Gazprombank in Moskau haben sich tagtäglich und über Wochen abenteuerliche Szenen abgespielt“, sagt Maximilian Weiss, der viele deutsche und ausländische Investoren in der Sache vertritt. „In den frühen Morgenstunden vor der Öffnung der einzigen für die Konvertierung von Gazprom-Aktien zuständigen Filiale der Gazprombank bildeten sich lange Warteschlangen mit Anwälten und ausländischen Investoren“.

Für bislang erfolglose Anleger, die weiterhin hoffen, ihre ADR-Investments in Aktien umzutauschen, bleibt die Lage schwierig. Emittenten der ADR haben die Bücher für die Konvertierung geschlossen. Fristen für die Zwangskonvertierung, ein alternatives Verfahren in Russland, sind abgelaufen. Eine Konvertierung in Originalaktien ist für zahlreiche ADR-Inhaber damit abermals ausgeschlossen.

Doch es besteht Hoffnung: „Die Duma hat nun ein Gesetz verabschiedet, auf dessen Grundlage ein Umtausch von ADR in Aktien wieder möglich wird“, erläutert WEISSWERT-Anwalt Maximilian Weiss. Das Gesetz dürfte im Januar 2023 in Kraft treten. „Dann tickt die Uhr. Es ist die vermutlich letzte Chance für viele Anleger, ihre Investitionen zu schützen und ADR zu konvertieren“, fährt Maximilian Weiss fort. Zu rechnen sei mit einer gesetzlichen Frist von 120 Tagen, innerhalb derer Investoren Vorkehrungen treffen müssen.

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WEISSWERT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Feuerbacher Weg 51, 70192 Stuttgart, Tel: + 49 711 340383 00, www.weisswert.de

Das Bundeswirtschaftsministerium/BMWK hat den mit Spannung erwarteten Referentenentwurf zur Änderung der Finanzanlagenvermittlungsverordnung/FinVermV vorgelegt.

Durch die dort geplanten Änderungen unterliegen künftig auch Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater gemäß § 34f und § 34h GewO der Pflicht, im Rahmen der Anlageberatung die Nach­haltigkeitspräferenzen von Kunden zu erfragen und zu berücksichtigen. Einige Branchenverbände und Anwälte hatten noch in der ersten Jahreshälfte 2022 nach oberflächlicher Prüfung der Rechts­lage vorschnell unterstellt, dass diese neuen EU-Vorschriften zur Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen einfach automatisch für § 34f ab dem 02.08.2022 gelten. ‘k-mi’ konnte diese Ver­un­sicherung jedoch schnell klären: Am 13.05.2022 schrieben wir in ‘k-mi’ 19/22, dass “Nachhaltigkeitspräferenzen nicht für § 34f gelten!” Unsere Auffassung wurde einen Monat später offiziell vom BMWK bestätigt. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt auch schon “davon auszugehen, dass die neuen EU-Vorgaben über kurz oder lang auch für Finanzanlagenvermittler umgesetzt werden”, wie wir in ‘k-mi’ 19/22 bereits Mitte Mai 2022 prognostizierten (vgl. ‘k-mi’ 17/22, 19/22, 20/22, 21/22, 23/22). Nun nimmt diese Umsetzung für § 34f Formen an:

Je nach Zeitpunkt des entsprechenden Bundesrats-Beschlusses könnten die neuen Regeln zur Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen voraussichtlich im Frühjahr oder Sommer 2023 im Kraft treten. Vorher sind allerdings eine Reihe von Punkten und Zweifelsfragen zu klären, die sich aus dem aktuellen Referentenentwurf ergeben. Dies betrifft nicht zuletzt die Kosten. Die nun anstehenden Änderungen summieren sich für 34f-Vermittler auf eine Mehrbelastung von 100 Mio. € jährlich: “Durch diese 1:1-Umsetzung von EU-Vorgaben entstehen Bürokratiekosten aus Informationspflichten in Höhe von 101 Mio. € pro Jahr”, heißt es dazu im aktuellen Referentenentwurf. Zu ergänzen wäre hier nach unserer Einschätzung allerdings: “Bürokratiekosten aus Informationspflichten in Höhe von mindestens 101 Mio. € pro Jahr.” Denn die Kostenschätzung beruht darauf, dass “die Abfrage und Zusammenstellung von Informationen über die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden im Durchschnitt einen Zeitaufwand von 6 Minuten pro Fall verursachen“. 6 Minuten, um das ambitionierteste Projekt der EU in den letzten Jahrzehnten umzusetzen? Macht man für 6 Minuten eigens eine Reform?

Die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden müssen ja nicht nur eingeholt, sondern man muss diese auch “bei der vorzunehmenden Eignungsbeurteilung berücksichtigen”. Hinzu kommt noch die entsprechende – sehr komplexe – Produktauswahl, die den Präferenzen entsprechen soll, damit das Ganze überhaupt einen Sinn ergibt. Dass sich dies alles in 6 Minuten abwickeln lässt, dürfte schlicht praxisfern sein. Unterstellt man für den gesamten Prozess – etwas realitätsnäher – 30 Minuten, türmen sich die Mehrkosten für die 34f-Vermittler z. B. schon auf 500 Mio. € pro Jahr auf! Es bleibt letztlich ein Widerspruch in sich: Niemand in der Branche dürfte ernsthaft daran glauben, dass man mit 6 Minuten pro Kunde und Jahr eine nachhaltige Finanzberatung gewährleisten, geschweige denn damit einen messbaren Beitrag zum Klimaschutz leisten kann.

‘k-mi’-Fazit: Die enormen Mehrkosten für 34f-Vermittler belasten vor allem die ohnehin kostenintensive Anlageberatung. Dabei sollte man auch berücksichtigen, dass die neuen Pflichten in Bezug auf die Nachhaltigkeitspräferenzen nichts mit Anlegerschutz etc. zu tun haben. Sie entspringen im wesentlichen nur den experimentellen Vorstellungen der EU-Bürokratie, wie eine nachhaltige Finanzwirtschaft zur Unterstützung des Klimaschutzes einmal aussehen soll. Und stehen den administrativen Mehrbelastungen zusätzliche Umsatzchancen für Vermittler und Berater gegenüber? Das hängt letztlich von der Produktwelt ab. Die Nachhaltigkeitsvorgaben der EU hierfür sind aber ebenso experimentell bzw. alles andere als transparent und trivial! Wir werden uns mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Mittelständischer Investmentpartner/BMI an dem Konsultationsprozesses zum Verordnungsentwurf beteiligen und halten Sie über den Fortgang auf dem Laufenden!

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In der BU-Versicherung gilt als berufsunfähig, wer zu mindestens 50% seine berufliche Tätigkeit nicht mehr ausüben kann. Doch bei der Fallanalyse des Versicherten lauern für Makler Haftungsfallen. Kann also auch bei unter 50%-iger Einschränkung ein Leistungsfall vorliegen?

Ein Artikel von Kathrin Pagel, Fachanwältin für Versicherungsrecht und Partnerin in der Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte PartG

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte in einem außergewöhnlichen Fall über die Frage zu entscheiden, ob Berufsunfähigkeit vorliegt (BGH, Urteil vom 19.07.2017, Aktenzeichen IV ZR 535/15). Die Versicherungsnehmerin war in einer Rechtsanwaltskanzlei als Hauswirtschafterin vollschichtig dafür angestellt, die Kanzleiräume zu putzen, Mittagstisch für ca. 15–30 Personen zuzu­bereiten und Einkäufe zu erledigen. Nach einem Unfall – einem Treppensturz – war die Versicherungsnehmerin längere Zeit krankgeschrieben und aufgrund psychischer Probleme sowie Rücken- und Wirbelsäulenbeschwerden in der Folge in ärztlicher Behandlung. Daraufhin beantragte sie Berufsunfähigkeitsleistungen aus der bestehenden Berufsunfähigkeitsversicherung und machte geltend, dass sie zu mehr als 50% nicht mehr in der Lage sei, ihre berufliche Tätigkeit auszuüben. Die Versicherungsnehmerin berief sich dazu darauf, dass sie aufgrund der erheblichen Rückenbeschwerden nicht mehr putzen, keine schweren Einkäufe mehr tragen und auch nicht mehrere Stunden täglich in der Küche Mahlzeiten zubereiten könne. Als Beschwerden gab sie eine somatoforme Schmerzstörung bzw. ein chronisches Schmerzsyndrom an. Infolgedessen könne sie lediglich drei Stunden am Tag als Haushaltshilfe leichte Helfertätigkeiten durchführen. Zuletzt war die Versicherungsnehmerin in einem Privathaushalt angestellt.

Versicherer lehnt Leistung ab

In den Bedingungen der bestehenden Berufsunfähigkeitszusatzversicherung der Versicherungsnehmerin findet sich folgende Definition der Berufsunfähigkeit nach § 2 Abs. 2 der Allgemeinen Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BB-BUZ): „Ist die Person sechs Monate ununterbrochen infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, außerstande gewesen, ihren Beruf oder – nach Maßgabe von Absatz 1 – eine andere Tätigkeit auszuüben, so gilt dieser Zustand von Beginn an als Berufsunfähigkeit.“ Nach § 1 Abs. 1 BB-BUZ erbringt der Versicherer Leistungen im Fall von mindestens 50%-iger Berufsunfähigkeit. Nachdem der Versicherer Leistungen unter der Behauptung, Berufsunfähigkeit läge nicht vor, abgelehnt hat, hatte die Versicherungsnehmerin Klage eingereicht.

Sachverständiger nimmt nur 20%-ige Einschränkung an

Im Laufe des Prozesses wurde ein unfallchirurgisch-orthopädisches Gutachten durch einen Sachverständigen angefertigt, der ein Halswirbel- und Lendenwirbelsäulensyndrom bestätigte und daher eine lediglich 20%-ige Funktionseinschränkung annahm. Zur Begründung führte der Sachverständige aus, dass zwar längerfristige Arbeiten mit gebeugtem Oberkörper und ähnlichen Zwangshaltungen nicht möglich seien, jedoch diese Tätigkeit nicht sechs Stunden täglich, sondern nur einen geringen Zeitraum im beschriebenen Tätigkeitsprofil eingenommen hätten. Zwar sei der Versicherungsnehmerin das Heben schwerer Lasten von mehr als 5–10 Kilogramm (kg) so nicht mehr möglich. Dies sei jedoch nur beim Einkaufen erforderlich. Hingegen sei ihr das Kochen und Putzen noch mit nur geringeren Beeinträchtigungen möglich.

BGH: Beurteilung muss Gesamttätigkeit berücksichtigen

Während das zuständige Berufungsgericht dieser Einschätzung des Sachverständigen noch gefolgt war, hat der BGH diese allerdings korrigiert. Zu beurteilen waren vorliegend nicht lediglich die Einzeltätigkeiten und deren zeitanteilige Beeinträchtigung, sondern vielmehr die gesamte berufliche Tätigkeit der Versicherungsnehmerin. Von dem Sachverständigen war diese nicht ausreichend gewürdigt worden. Auch wenn ein Großteil der Tätigkeiten, zu denen die Versicherungsnehmerin trotz ihrer gesundheitlichen Einschränkungen grundsätzlich noch in der Lage war, auch einen Großteil ihres Arbeitstages einnahm, konnten von ihr grundlegende Tätigkeiten gerade nicht mehr ausgeübt werden. So war es ihre Aufgabe, vollständig und eigenständig für die Planung und Durchführung des Mittagessens zu sorgen und dafür auch einzukaufen. Ein wesentlicher Bestandteil ihrer Tätigkeit war damit unter anderem, den wöchentlichen Großeinkauf für die Zubereitung von ca. 200 Mahlzeiten pro Woche durchzuführen. Zu erwerben waren viele Lebensmittel wie Milch, Kartoffeln, Reis und Mehl, die im Großmarkt nur in Großpackungen von mehr als 5–10 kg erhältlich waren. Kartoffeln konnten sogar nur sackweise ab 25 kg erworben werden. Diese Waren hatte sie einzukaufen und in die Kanzlei zu transportieren. Allein der Weg vom Fahrzeug über eine Treppe in den Keller war dabei etwa fünfzehn- bis zwanzigmal zurückzulegen.

Großeinkauf als untrennbarer Bestandteil der Tätigkeit

Diesen Großeinkauf hat der BGH als untrennbaren Bestandteil ihrer beruflichen Tätigkeit angesehen. Daher verbietet sich, so der BGH, eine rein zeitanteilige Betrachtung der Einzeltätigkeiten bei der Beurteilung, zu welchem Grad die Berufsunfähigkeit besteht. Eine Gesamtbetrachtung ist vorzunehmen. Selbst soweit nur dieser Teil ihrer beruflichen Tätigkeit betroffen wäre, da die schweren Lasten nicht mehr gehoben und Zwangshaltungen nicht mehr eingenommen werden konnten, war doch die Klägerin aufgrund der Einschränkungen in dieser essenziellen Tätigkeit auch nicht mehr in der Lage, ihre gesamte Tätigkeit auszuüben.

Fazit: kein Fall wie der andere

In der Praxis bedeutet dies, dass jeder Einzelfall genau überprüft werden muss. In der Praxis sieht kein Fall wie der andere aus. Die Leistungsfallbearbeitung in der Berufsunfähigkeitsversicherung beginnt schon mit der richtigen Fragestellung zum Lebenssachverhalt und ihrer entsprechenden Würdigung. Wichtige Weichen für die weitere Fallbearbeitung werden in der Praxis schon bei der Leistungsbeantragung gestellt. Nicht immer auf den ersten Blick erkennbare Hürden können jedoch mit Erfahrung gut überwunden werden.

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Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte, Glockengießerwall 2, 20095 Hamburg, Tel: +49 40 88888-777,Fax: +49 40 88888-737, www.kanzlei-michaelis.de

von RA Oliver Timmermann, Kanzlei Michaelis, Hamburg

 

In der am 29.09.2022 veröffentlichten Vorabentscheidung des EuGH zur Rechtssache C-633/20[1] bestätigt der EuGH seine bereits am 24.02.2022 zu C-143/20 und C-213/20[2] geäußerte Ansicht, dass die Eigenschaft als Versicherungsnehmer eines Gruppenversicherungsvertrags die gleichzeitige Eigenschaft des Versicherungsvermittlers nicht ausschließt. Der EuGH erweitert dieses zunächst für die fondgebundene Lebensversicherung geäußerte Verständnis, damit auch auf den Fall der Kranken- und Unfallversicherung bei Auslandsreisen sowie die Auslands- und Inlands-Rückholkosten-Versicherung. Zusammengefasst entschied der EuGH, dass eine Versicherungsvermittler-Eigenschaft vorliegt, wenn ein Versicherungsnehmer ein eigenes wirtschaftliches Vermittlungsinteresse verfolgt, indem er Kunden eine freiwillige Mitgliedschaft in einer zuvor von ihm abgeschlossenen Gruppenversicherungsvertrag anbietet, und bei Beitritt des Kunden zum Gruppenversicherungsvertrag von diesem – als Gegenleistung für die an ihn abgetretenen Ansprüche auf Versicherungsleistungen – eine Vergütung erhält. Der EuGH folgte damit in weiten Teilen dem Schlussantrag des Generalanwaltes beim EuGH.[3]

Der Beitrag stellt die Genese der EuGH-Entscheidung dar (unter I.), geht auf deren dogmatischen Säulen ein (unter II.) und stellt die Frage, wie das deutsche Vertriebsrecht in der Folge darauf zu reagieren hat, vgl. unter III.

I.) Entwicklung

Die beklagte deutsche TC Medical Air Ambulance Agency GmbH („TC Medical”) bietet Verbrauchern gegen Entgelt den Beitritt zu einer „Mitgliedergemeinschaft” an. Die Mitgliedschaft berechtigt zur Inanspruchnahme verschiedener Leistungen im Fall einer Erkrankung oder eines Unfalls im Ausland.

Dazu hat die TC Medical als Versicherungsnehmerin einen Gruppenversicherungsvertrag abgeschlossen und zahlt dafür die Versicherungsprämien. TC Medical bietet Kunden dann jedoch an, diesem Gruppenversicherungsvertrag beizutreten und tritt Versicherungsansprüche an die Mitglieder ab. Gegen Zahlung eines Entgelts an TC Medical, sind die Kunden danach im Gegenzug zur Inanspruchnahme verschiedener Leistungen im Fall einer Erkrankung oder eines Unfalls im Ausland berechtigt. Hierzu gehört beispielsweise die Erstattung der Kosten für medizinische Heilbehandlungen, die Organisation und die Durchführung entsprechender Krankentransporte sowie der Zugang zu einer telefonisch erreichbaren „Alarmzentrale“. Die Beklagte beauftragte Werbe-Unternehmen, die im Wege der Haustürwerbung Verbrauchern gegen Entgelt den Beitritt zu einer „TC Medical Air Ambulance Agency GmbH Mitgliedergemeinschaft“ anboten. Weder das beklagte Unternehmen noch die Werbeunternehmen verfügten dabei jedoch über eine Erlaubnis nach § 34d GewO, die zur Versicherungsvermittlung berechtigt.

Aufgrund dieses Umstands verklagte der Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen und 24 weiterer Verbraucher und sozialorientierter Organisationen in Deutschland das Unternehmen nach § 4 UKlaG auf Unterlassung wettbewerbswidrigen Verhaltens nach §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3, 3a UWG.

Während das Landgericht Koblenz die Erlaubnispflichtigkeit nach § 34d GewO bejaht hat[4], verneinte das OLG Koblenz[5] in zweiter Instanz die Vermittlereigenschaft entsprechend der Argumentation der bislang in Deutschland vorherrschenden Meinung. Der BGH stellte zunächst fest, dass die Frage nach der Versicherungsvermittlereigenschaft von Gruppenspitzen nicht ohne Rückgriff auf Art. 2 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 8 IDD beantwortet werden könne. Mangels eindeutiger Regelung oder EuGH-Judikatur hat der BGH sodann dem EuGH die Frage vorgelegt, ob ein Unternehmen, das als Versicherungsnehmer eine Gruppenversicherung unterhält, gegenüber Verbrauchern Mitgliedschaften vertreibt, die zur Inanspruchnahme der Versicherungsleistungen berechtigen, und von den geworbenen Mitgliedern eine Vergütung für den erworbenen Versicherungsschutz erhält, als Versicherungsvermittler i. S. d. IMD bzw. IDD zu qualifizieren sei[6].

II.) Europäische Dimension des Problems oder der Analogie-Hiatus

1.) Herangehensweise der Ausgangsgerichte

Interessant ist nun zunächst, wie unterschiedlich die befassten deutschen Instanz-Gerichte die dogmatische Problembehandlung angingen bzw. mit welcher Schwerpunktsetzung sie bei diesem Ausgangsfall ansetzten.[7]

  1. a) Landgericht Koblenz

Das Landgericht stützte sein Urteil im Wesentlichen auf folgende Überlegung:[8]

„21Zwar ist die Beklagte vorliegend selbst Versicherungsnehmerin im Rahmen des Gruppenversicherungsvertrages mit der W. AG und vermittelt so den Versicherungsschutz an ihre Kunden als versicherte Personen. Deshalb scheidet sie aber nicht als Versicherungsvermittler aus, denn die Beklagte umgeht mit ihrem Geschäftsmodell bewusst die Erlaubnispflicht und die zivilrechtlichen Beratungs- und Dokumentationspflichten des Versicherungsvertragsgesetzes. Es stellt sich im Hinblick auf den Schutzzweck des § 34d GewO als rechtsmissbräuchlich dar, wenn eine umfangreiche Versicherung abgeschlossen wird, deren Versicherungsschutz dann in kleinen Stückelungen an die (die Prämie anteilig zahlenden) Endkunden vermittelt wird, nur um die Erlaubnispflicht des § 34d GewO zu umgehen (Landmann/Rohmer, GewO, 77. EL, Oktober 2017, § 34d, Rn. 32, Landgericht Erfurt, Urt. v. 24.10.2013 – 2 HK O 156/13).“

Es fällt zum einen auf, dass das Landgericht eine Auseinandersetzung mit der auch hierzulande bereits seit längerem anhaltenden Diskussion um Einordnung „echter“ bzw. „unechter“ Gruppenversicherungsverträge und deren notwendige Abgrenzung zu anderen Vertragstypen[9] geflissentlich meidet. Es wird stattdessen – schnurstracks – auf die Rechtsfigur des Umgehungsgeschäftes zugegriffen. Eine Konstruktion, die aber selbst durch viele Unklarheiten und Widersprüchlichkeiten gekennzeichnet ist und – bis heute – die Frage der Rechtsfolgen offenlässt.[10] Das Charakteristikum der Atypizität zum „Normal-Fall“ wie die Kennzeichnung der Sitten– bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit liefern dann jedoch den – aus richterlicher Sicht betrachtet – großen Vorteil, quasi eigenen „Wertungen“ folgen zu können.[11]

Zum anderen kümmert sich das Landgericht dann aber nicht einmal um die richtige methodische Herleitung dieses Rechtsinstituts, das doch seine Begründung wiedergibt.

Verstößt ein Rechtsgeschäft zwar bei einer eng am Gesetzeswortlaut haftenden Auslegung nicht gegen ein gesetzliches Verbot, ist es aber so konzipiert, dass im Ergebnis ein dem Sinn des Verbotsgesetzes zuwiderlaufender Erfolg eintritt, so soll es sich um ein Umgehungsgeschäft handeln.[12] Darüber, ob es sich hierbei um eine eigenständige, besonderen Regeln folgende Kategorie handelt oder ob vielmehr die allgemeinen Grundsätze der Auslegung und Analogiebildung heranziehbar sind, besteht Streit. Nach heute ganz überwiegender Ansicht bedarf es jedoch keiner besonderen Regeln für die Behandlung solcher Geschäfte. Werde ein vom Gesetz missbilligter Erfolg mit an sich zulässigen Mitteln erreicht, so komme es nur darauf an, ob durch eine am Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes orientierte Auslegung dargetan werden könne, dass dieses in Wahrheit auch der scheinbar zulässigen Regelung entgegenstehe. Teils wird ergänzend darauf hingewiesen, dass nicht alle Umgehungsgeschäfte durch Auslegung des Verbotsgesetzes zutreffend beurteilt werden könnten, sondern dass es eine kleine Fallgruppe der „Tatbestandsvermeidung“ gebe, bei der sich die Frage einer Analogie stelle.[13] Nach einer Mindermeinung soll es nicht um eine Analogie oder Auslegung gehen, sondern um die auf einem zusätzlichen Rechtsgedanken beruhende Absicherung eines Verbotsgesetzes gegen Umgehungsversuche. Erst die atypische Funktion eines an sich zulässigen Geschäfts, ein Verbotsgesetz zu umgehen, löst demnach die Nichtigkeit aus. Diese Sichtweise, Gesetzesverstoß und Gesetzesumgehung voneinander abzugrenzen sind, hat insbesondere das römische Recht geprägt und klingt bis heute vereinzelnd in BAG-Entscheidungen an.[14]

Eigentlich hätte also bereits das Landgericht Veranlassung gehabt, sich methodisch der Prüfung einer analogen Anwendung zuzuwenden. Für ein allgemeines Umgehungsverbot als eigenständiges Rechtsinstitut besteht daher kein Bedürfnis; es ist abzulehnen.

  1. b) OLG Koblenz

Das OLG gab der Berufung des beklagten Unternehmens statt und hob das Urteil des Landgerichtes auf. Zentral waren dabei folgende Gedanken:[15]

„21Die Bekl. ist jedoch nicht als Versicherungsvermittler iSv § 34d Abs. 1 GewO zu qualifizieren. Sie ist weder Versicherungsvertreter noch Versicherungsmakler.

22Allerdings folgt dies – worauf das LG zu Recht hingewiesen hat – nicht schon allein aus dem Umstand, dass sowohl die Industrie- und Handelskammer als auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht eine Tätigkeit der Bekl. als Versicherungsvermittler nach sachlicher Prüfung verneint und dies der Bekl. mitgeteilt haben. Die Wettbewerbswidrigkeit des Verhaltens der Bekl. beurteilt sich vielmehr allein danach, ob ihre geschäftliche Tätigkeit objektiv erlaubnispflichtig ist oder nicht. Die Rechtsauffassung der zuständigen Verwaltungsbehörden ist für die Beurteilung, ob das Verhalten der Bekl. objektiv rechtswidrig und damit unlauter ist, hingegen nicht maßgeblich (vgl. BGH, GRUR 2006, 82 f. Rn.21). Dies gilt umso mehr, als der streitgegenständliche Unterlassungsanspruch des § 8 Abs. 1 UWG – anders als der in § 9 UWG geregelte Schadensersatzanspruch – nicht verschuldensabhängig ausgestaltet ist.

23Die streitgegenständliche Tätigkeit der Bekl. unterfällt indes schon objektiv nicht dem Versicherungsvermittlerbegriff des § 34d GewO. Nach dem Willen des Gesetzgebers werden in der vorzitierten Norm als Versicherungsvermittler nämlich (nur) diejenigen bezeichnet, die kraft rechtsgeschäftlicher Geschäftsbesorgungsmacht für einen anderen Versicherungsschutz ganz oder teilweise beschaffen, ausgestalten und abwickeln, ohne selbst Versicherungsnehmer oder Versicherer zu sein (vgl. BT-Drs. 16/1935, 18; Landmann/Rohmer, GewO, 78. EL April 2018, § 34d Rn. 39 ff.; Dörner in: Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl. 2018, § 34d GewO Rn. 3; s. auch Langeid/Wandt, MüKo-VVG, 2. Aufl. 2016, § 59 Rn. 3 f). Ein Versicherungsnehmer kann mithin nicht zugleich Vermittler sein.“

Das OLG folgte damit der vor den nun vorliegenden EuGH-Entscheidungen in Deutschland vorherrschenden Auslegung, dass der Status des Versicherungsvermittlers nicht mit dem des Versicherungsnehmers kongruent sein kann, d.h. insoweit bereits von einer Begriffsverschiedenheit auszugehen sei.[16] Hinter dieser formalen Sicht steht das Problem unterschiedlicher Leitbilder.[17] Es kommt hierin ein „typisch deutscher“ Rechtsumgang, der zwischen positivistischem Begriffs-Formalismus und wertenden Idealtypen schwankt, zum Ausdruck.[18]

  1. c) BGH

Nach Ansicht des BGH hängt die Begründetheit der Klage davon ab, ob das beklagte Unternehmen nach deutschem Recht eine Erlaubnis besitzen muss, um gegen Entgelt den Beitritt von Verbrauchern zu einer Gruppenversicherung vermitteln zu dürfen. Die Antwort auf diese Frage sei indessen wiederum von der Auslegung von Art. 2 Nrn. 3 und 5 der RL 2002/92 (Definitionen der Begriffe „Versicherungsvermittlung“ und „Versicherungsvermittler“) sowie von Art. 2 Abs. 1 Nrn. 1, 3 und 8 der RL 2016/97 (Definitionen der Begriffe „Versicherungsvertrieb“, „Versicherungsvermittler“ und „Versicherungsvertreiber“) abhängig.

Der BGH weitet damit die dogmatische Fallbetrachtung aus und bringt die richtlinienkonforme Auslegung ins Spiel.

Mit dem Ablauf der Umsetzungsfrist einer EU-Richtlinie gilt das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung des innerstaatlichen Rechts. Nationale Gerichte sind ab dann verpflichtet, innerstaatlichen Recht im Lichte auch des Zwecks und Wortlauts der betreffenden Richtlinie auszulegen, damit das Richtlinienziel erreicht wird. Der Begriff der richtlinienkonformen Auslegung erfasst die Gesetzesauslegung sowie die nach nationalem Recht möglichen Methoden der Rechtsfortbildung, also u.a. die Analogie und die teleologische Reduktion. Es ist dabei eine unionsrechtsautonome, d.h. eine vom Begriffsverständnis der nationalen Rechtsordnungen unabhängige Auslegung geboten.[19] Das Gebot der richtlinienkonformen Interpretation stellt eine fortwährende Verpflichtung der nationalen Gerichte dar: Sie haben das innerstaatliche Recht im Lichte der EU-Richtlinien auszulegen und die Richtlinienziele auch bei der Interpretation in der Zukunft zu beachten. Für den Fall, dass der EuGH die Auslegung einer Richtlinie ändert bzw. konkretisiert, kann dies dazu führen, dass auch die nationalen Gerichte ihre (gefestigte) Judikatur abändern müssen.

Wegen dieser (notwendigen) Verständnisweiterung bestand nun Gelegenheit, das weiterreichende Begriffsverständnis der IMD und IDD dem engeren formalen Vermittler-Verständnis des § 34d GewO gegenüberzustellen.

Der BGH hat durch seinen Vorlage-Beschluss als Transmissionsriemen auch die Möglichkeit eröffnet, dass wertungs-fixierten, vorgefertigten Begriffs-Schablonen ein Schnippchen geschlagen und stattdessen (diesmal) methodenehrliche Rechtsanalyse befördert wird.

2.) Entscheidung des EuGH

Die befassten europäischen Gremien – der Generalanwalt wie der EuGH – prüfen dann:

zum einen, ob der sachliche Anwendungsbereich der beiden Richtlinien eröffnet ist und

ob das beklagte Unternehmen sodann als „Versicherungsvermittler“ i.S. der IMD bzw. IDD anzusehen ist.

  1. a) sachlicher Anwendungsbereich

Mit der Klärung der Frage, ob überhaupt der sachliche Anwendungsbereich der Richtlinien eröffnet ist, wird einem Einwand der Beklagten nachgegangen, dessen Prüfung der BGH noch gänzlich unbeachtet ließ.[20]

Die Beklagte des Ausgangsverfahrens hatte sich nämlich u.a. damit verteidigt, dass sie bereits nicht als „Versicherungsvermittler“ i.S. der o.g. Richtlinien-Bestimmungen angesehen werden könne. In Anbetracht ihres „Geschäftsmodells“ könne sie höchstens als „Versicherungsvermittler in Nebentätigkeit“ eingestuft werden.[21] Der Versicherungsschutz, der den Kunden der Beklagten zustehe, stelle nämlich nur eine ihrer angebotenen Leistungen dar und nach Art. 1 Abs. 3 finde die IDD-Richtlinie nämlich keine Anwendung auf „Versicherungsvermittler in Nebentätigkeit“.[22]

Dieser Einwand wurde jedoch dann schnell verworfen. Die vermittelnden Leistungen des beklagten Unternehmens und ihrer angeschlossenen Werber haben nämlich – dies schon ihrer eigenen Beschreibung zufolge – nicht lediglich ergänzenden Charakter zu einer anderen Haupttätigkeit. Die Absicherung wegen Behandlungs- und Transportkosten stehe vielmehr im Mittelpunkt. Es komme ferner nicht in Betracht, eine „Versicherungsvermittlung“ im Sinne von Art. 2 Nr. 3 Satz 3 der RL 2002/92 auszuschließen.

Nach dieser Norm umfasst die Versicherungsvermittlung nicht die „beiläufige Erteilung von Auskünften im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen Tätigkeit, sofern diese Tätigkeit nicht zum Ziel hat, den Kunden beim Abschluss oder der Handhabung eines Versicherungsvertrags zu unterstützen“. Auch hier spricht allein die eigene Beschreibung des Geschäftsmodells eine andere Sprache.

  1. b) „Vermittler“ i.S. der IMD und IDD

Erst danach wendet man sich methodisch der Frage zu, ob in dem Gebaren des beklagten Unternehmens auch eine „Versicherungsvermittlung“ zu erkennen ist. Die Vorlegungsfrage des BGH wird hierfür zunächst selbst noch einmal ausgelegt bzw. konkretisiert. Denn diese beruht tatsächlich auf zwei rechtlichen Aspekten zu beruhen und die im Kern die spezifische Rechtskonstruktion der Gruppenversicherungen betreffen. Die diesbezüglichen Zweifel des vorlegenden Gerichts beziehen sich auf die folgenden Punkte:[23]

erstens, kann der „Beitritt zu einem Gruppenversicherungsvertrag“ mit dem „Abschluss eines Versicherungsvertrags“ gleichgesetzt werden, wenn es um die Feststellung geht, ob wir es mit einer „Versicherungsvermittlung“ im Sinne von Art. 2 Nr. 5 der RL 2002/92 und einem „Versicherungsvertrieb“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 der RL 2016/97 zu tun haben, und

zweitens, muss es sich bei dem „Versicherungsvermittler“ i.S. der Richtlinien um einen externen Wirtschaftsteilnehmer handeln, der an dem Rechtsverhältnis, das der Versicherungsvertrag (u.a. auch der Gruppenversicherungsvertrag) begründet, nicht beteiligt ist?

  1. aa) Gruppenvertrag

Bezüglich der ersten Frage knüpft man an die Ausführungen des BGH an. Dieser führt zunächst aus, dass in der Rechtsprechung und im Schrifttum die Auffassung überwiegt, wonach „der Versicherungsnehmer (…), der Mitgliedschaften in dieser Gruppenversicherung gegen Entgelt vertreibt, weder als Versicherungsvermittler anzusehen ist (…) noch eine vermittlerähnliche Stellung innehat“.[24]

Von manchen Rechtsgelehrten werde jedoch auch die Ansicht vertreten, dass eine Vermittlerstellung der Person, die eine Gruppenversicherung abschließe, dann in Betracht komme, wenn der Versicherungsnehmer die Gruppenversicherung nicht (nur) im Interesse der Versicherten, sondern (auch) im eigenen wirtschaftlichen Interesse abschließe[25]; dadurch werde angedeutet, dass ein solcher Vertrag als ein Rahmenvertrag anzusehen sei.

Hieran anknüpfend wird auf den Erwägungsgrund 49. der RL 2016/97 verwiesen. Aus dem zweiten Satz dieses Erwägungsgrundes geht hervor, dass ein Gruppenversicherungsvertrag, bei dem keine individuelle Entscheidung über den Beitritt getroffen wird, durch den „Kunden“, also der Gruppenspitze unter Beteiligung des „Vertreibers“ abgeschlossen wird. Bei diesen Gruppenversicherungen scheint der „Kunde“ dann selbst kein „Vertreiber“ zu sein. Im Wege einer Auslegung a contrario kann daraus dann aber der weitergehende Schluss gezogen werden. Dann muss es andere „Gruppenversicherungen“ geben, bei denen der Beitritt zum Vertrag nicht automatisch erfolgt, sondern es dazu vielmehr einer Entscheidung des einzelnen Gruppenmitglieds bedarf. Es stellt sich die Frage, ob immerhin in solchen Fällen die Gruppenspitze doch als „Versicherungsvertreiber“ angesehen werden kann.

Statt sofort eine Analogie zu bedienen, nähert man sich dem Problem bei den europäischen Gremien also zunächst von der anderen Seite, mittels eines argumentum a contrario.[26]

Es folgt dann ein Satz, den man so gern einmal auch bei dt. Gerichten lesen würde: „Einer solchen Schlussfolgerung im Wege einer Auslegung a contrario zu einem Erwägungsgrund der Richtlinie muss eine eingehende Prüfung vorangehen.“[27]

Es wird dann – nahezu lehrbuchhaft – anhand der Auslegungskriterien „Wortlaut“ und „Systematik“ dargelegt, dass der BGH-Auffassung, wonach allein aus dem Umstand, dass auch ein Interessent einer solchen rahmenvertragsähnlichen Gruppenversicherung eine gewisse Information benötige, noch nichts über die Vermittlerstellung der Gruppenspitze aussage, abzulehnen ist.

Zum einen sei die reine Vermittlungstätigkeit, begreift man hierunter lediglich den auf einen Abschluss von Versicherungsverträgen gerichteten Vorgang nicht wortgleich mit der Werbung zum Beitritt zu einem Gruppenvertrag. Doch ist der Begriff des „Versicherungsvertriebs“ nach RL 2016/97 weit gefasst und dürfe eben nicht allein am Wortlaut geklammert werden. Es sind vielmehr auch die Ziele der Norm in den Blick zu nehmen.[28]

Des Weiteren wird aber auch darauf hingewiesen, dass die „Informationspflichten“ selbst bereits eine gewisse Fertigkeit voraussetzen. Information und Beratung kann nur durch jemanden erfolgen, der über „angemessene Kenntnisse“ verfügt. Umgekehrt ist auch die Ausgangslage eines Mitglieds-Interessen wesensgleich zu der eines Versicherungsnehmers. Denn „Personen, die sich individuell und freiwillig dazu entschließen, einer Gruppenversicherung unter entgeltlicher Beteiligung eines Gruppenleiters beizutreten, und die Versicherungsprämie mittelbar finanzieren, sind grundsätzlich den gleichen Gefahren ausgesetzt wie Personen, die einen individuellen Versicherungsvertrag unter Inanspruchnahme von Vertriebskanälen abschließen, die die Beteiligung eines Versicherungsvermittlers voraussetzen.“[29] Nach ihrer systematischen Auslegung zielen die Richtlinien 2002/92 und 2016/97 darauf ab, die auf den Versicherungsvermittlern lastenden Anforderungen und Pflichten auch gegenüber dieser erstgenannten Kategorie von Personen zu regeln. Dies spricht für eine Auslegung dieser Richtlinien, wonach diese Art des Beitritts zu einer Gruppenversicherung als „Abschluss eines Versicherungsvertrags“ im Sinne der Definitionen der Begriffe „Versicherungsvermittlung“ und „Versicherungsvertrieb“ eingestuft werden kann. Ebenso wenig dürften Zweifel daran bestehen, dass auch die Kunden der Beklagten des Ausgangsverfahrens im Gegenzug für den Schutz vor ihren Risiken mittelbar die Versicherungsprämie finanzieren und damit das wirtschaftliche Interesse des Unternehmens bedienen.

Zuletzt wird im Rahmen der teleologischen Auslegung daran erinnern, warum eigentlich eine Reglementierung des Versicherungsvertriebs erforderlich wurde. Vorangegangen war ein Marktversagen. Für die Sicherstellung eines einheitlichen Versicherungsmarktes, der Gleichbehandlung aller Kategorien von Vermittlern und – im Wesentlichen – der Verbesserung des Verbraucherschutzes bedurfte es deshalb supra-nationaler einheitlicher Vorgaben.[30]

Auch diese Punkte sprechen gegen „funktionale Unterschiede“ zwischen der Versicherungsvermittlung i.e.S. und der Mitgliederwerbung zum Gruppenvertragsbeitritt.

  1. bb) Versicherungsnehmer als Vermittler

Schließlich stellt sich die Frage, ob die Richtlinien 2002/92 und 2016/97 verlangen, dass der „Versicherungsvermittler“ in Bezug auf das Rechtsverhältnis, aus dem der Versicherungsschutz erwächst, selbst Dritter ist. Im Fall einer Gruppenversicherung ist die Gruppenspitze jedoch selbst „Versicherungsnehmer“. Diese Funktionstrennung, so führt der BGH in seinem Vorlagebeschluss aus, reicht in Deutschland aus, um eine Vermittlereigenschaft der Gruppenspitze abzulehnen.[31]

Seine Stütze findet diese Auffassung aber auch im jeweils 11. Erwägungsgrund der IMD und IDD, wonach „diese Richtlinie(n) (…) Personen betreffen (sollten), deren Tätigkeit darin besteht, für Dritte Versicherungsvermittlungsdienstleistungen (Vertriebsdienstleistungen) (…) zu erbringen.“

Auch bei diesem Punkt darf dann aber nicht am Wortlaut kleben geblieben werden. Dies folgt aus folgenden zweckgerichteten Erwägungen:

im Kontext der Richtlinien 2002/92 und 2016/97 geht es jedoch darum, „Kunden“ und „Versicherungsunternehmen“ zusammenzuführen.

mag es zwar a priori den Anschein haben, dass der Begriff „Kunde“ eine gewisse Verbindung zum Begriff „Versicherungsnehmer“ aufweist.

nach den Richtlinien 2002/92 und 2016/97 muss der Begriff „Kunde“ jedoch auch Personen umfassen, die erst daran interessiert sind, „Versicherungsnehmer“ zu werden. Nach den Definitionen der „Versicherungsvermittlung“ und des „Versicherungsvertriebs“ umfassen diese Begriffe schließlich auch Tätigkeiten, die vor dem Abschluss eines Versicherungsvertrags stattfinden.[32]

Damit wird offenbar, dass die angebliche Verknüpfung zwischen den Begriffen „Kunde“ und „Versicherungsnehmer“ nicht besteht. Es kann mithin auch ein Nicht-VN durchaus „Kunde“ sein.

Diese zweckgerichteten Überlegungen zeigen, wie gefährlich es sein kann, sich zu schnell an vordergründig validen „Idealtypen“ orientieren zu wollen. Es würde im Rahmen dieses Beitrages zu weit führen, diese typisch deutsche Handhabe als Relikt des Neo-Kantianismus und Überstrapazierung der Weber´schen Wertekategorie zu identifizieren.[33]

3.) Ergebnis

Die europäischen Gremien haben nicht das methodenrechtliche Instrument der Analogie bedient, um im vorliegenden Fall eine „Ähnlichkeit“ zwischen der Mitgliederwerbung bei unechten Gruppenversicherungen und der Vermittlung herzuleiten. Dies liegt auch daran, dass man sich schwertut, diese Rechtsfigur im Rahmen des Europäischen Privatrechts zu verankern. Eine Methodik, die klare Vorgaben für die Abgrenzung von Auslegung und Rechtsfortbildung liefern könnte, fehlt hier bislang dem Unionsrecht.[34] Das erscheint problematisch, weil absehbar ist, dass sich im Rahmen der fortschreitenden Europäisierung des Rechts immer häufiger die Frage stellen wird, wie Lücken im europäischen Sekundärrecht geschlossen werden können. Hier beließ man es bei einem klaren Verweis auf den weiten Wortlaut, den der Begriff des „Versicherungsvertreibers“ bietet und bei einer teleologischen Rückführung auf den Sinn der Vermittlungs-Regulierung: den Verbraucherschutz. Schließlich wurde mittels einer „funktionalen“ Betrachtung auch die Gesamtstrukturen des komplexen Vermittlungsmarktes empirisch aufgeschlüsselt und auf das gleichlaufende „wirtschaftliche Interesse“ der Vermittlerseite abgestellt.

Irritierend ist bei diesem direkten Rechtsprechungsvergleich dagegen, wie disparat die Argumentationsstränge der deutschen Instanzgerichte verliefen. Eine enthemmte Wertungsjurisprundenz und Richterrecht, das scheinbar immer weniger darauf wertlegt, sein methodisches Rüstzeug begründet herzuleiten. Zu schnell und zu fahrig verlässt man sich darauf, „irgendein“ Topos aufzurufen. Insofern war das jetzt vorliegende EuGH-Urteil auch eine Lehrstunde, auch wenn dies niemand zugeben mag. Das Ende der post-positivistischen Wertungsjurisprudenz könnte durch solche Entscheidungen aus Brüssel eingeleitet werden.[35]

Ein fröhliches „weiter so“ mit dem dezisionistischen Abgleichen anhand von „Idealtypen“ kann es nicht geben.

III. Rechtsfolgen

Für Versicherungsnehmer von Gruppenversicherungsverträgen, mithin deren Gruppenspitzen, die nunmehr – unter Anwendung der vom EuGH aufgestellten Kriterien – als Versicherungsvermittler eingestuft werden können, gilt es zu beachten:

Da nach deutschem Recht ein Versicherungsvermittler entweder nur als Versicherungsvertreter oder -makler zugelassen werden kann (§ 34d Abs. 1 S. 5 GewO), stellt sich für Gruppenspitzen die Frage, welche Erlaubnis zu beantragen ist. Während der Makler im Verhältnis zum Versicherer auf der Seite des Kunden als dessen Interessenwahrer und Sachwalter steht, hat der Vertreter das Interesse des Versicherers zu wahren. Zwar handeln die Gruppenspitzen bei der Vermittlung des Versicherungsschutzes auf der Grundlage eines von ihnen selbst geschlossenen Versicherungsvertrags primär im eigenen wirtschaftlichen Interesse, in der Praxis enthalten Gruppenversicherungsverträge jedoch häufig Regelungen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Gruppenspitze von dem betreffenden Versicherer mit der Vermittlung des Versicherungsschutzes betraut ist. Da die Gruppenspitze regelmäßig nicht als Sachwalter eines potentiellen Gruppenmitglieds handelt und auch nur den Versicherungsschutz eines bestimmten Versicherers vermittelt, kommt ohne entsprechende gesetzliche Regelung nur die Einstufung der Gruppenspitze als Versicherungsvertreter in Betracht.

Informations- und Offenlegungspflichten müssen gegenüber den dem Gruppenversicherungsvertrag beitretenden Kunden erfüllt werden (vor Beitritt) und es die Weiterbildungs- und Dokumentationsverpflichtungen zu erfüllen. Es werden ferner die Versicherer nach §§ 48 f. VAG bereits aus eigenen Compliance-Gründen nun verstärkt darauf achten, dass Versicherungsnehmer unechter Gruppenversicherungsverträge diese Vorgaben eines Versicherungsvertreters erfüllen.

[1] Vgl. unter: https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?mode=DOC&pageIndex= 0&docid=266563&part=1&doclang=DE&text=&dir=&occ=first&cid=696183.

[2] Vgl. unter: https://curia.europa.eu/juris/liste.jsf?num=C-143/20&language=de.

[3] Vgl. Schlussantrag unter: BeckRS 2022, 5377.

[4] Vgl. LG Koblenz Urt. v. 26.6.2018 – Az.: 2 HK O 67/17, BeckRS 2018, 37627.

[5] Vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 19.12.2018 – Az.: 9 U 805/18 in: GRUR-RR 2019, 161 ff.

[6] Vgl. BGH, Beschl. v. 15.10.2020 – Az.: I ZR 8/19 in: VersR 2021, 116 ff.

[7] Vgl. auch Fischer/Lübcke, „Zeitenwende im Gruppenversicherungsmarkt?“, BB 2022, 1538, 1540 f.

[8] Vgl. LG Koblenz, a.a.O. – wie vor Fn. 4 dort Rn. 21.

[9] Vgl. dazu etwa: Kammerer-Galahn, Gunbritt, „Echter Gruppenversicherungsvertrag für fremde Rechnung“, VersR 2021, 609, 610 ff.

[10] Vgl. Benecke, „Gesetzesumgehung im Zivilrecht“, 2004, S. 117, 143 ff.

[11] Vgl. Benecke, a.a.O. S. 165 ff.

[12] Vgl. Schick, „Die Gesetzesumgehung im Licht der nationalen und gemeinschaftsrechtlichen Rechtsprechung“, 2008, passim; Sieker, „Umgehungsgeschäfte“, 2002, passim; ferner Gramlich/Zerres, „Umgehungsverbote im Verbraucherschutz – zur Auslegung des § 5. Abs 1 HWiG“, ZIP 1998, 1299 ff.

[13] Vgl. Benecke, „Gesetzesumgehung im Zivilrecht“, 2004, 182 ff.; Deinert, „Zwingendes Recht“, 2002, Rn. 77 ff.; Teichmann, „Die Gesetzesumgehung“, 1962, 64, 78 ff.

[14] Vgl. nur BAG, NZA 2009, 1205 Rn. 10 ff.; 2009, 1091 Rn. 23 ff.

[15] Vgl. OLG Koblenz, a.a.O. – vgl. Fn. 5 dort Rn. 21 ff.

[16] Vgl. auch Schwintowski, „Der Versicherungsnehmer als Vermittler?“, VuR 2008, 286, 288 f.

[17] Vgl. Braun, „Leitbilder im Recht“, 2015, passim.

[18] Vgl. Haferkamp, „Richter, Gesetz und jur. Methode in der Wertungsjurisprudenz“, ZfPW 2016, 319 ff.

[19] Vgl. Roth/Jopen in Riesenhuber, „Europäische Methodenlehre“, 4. Aufl. 2021, § 13 Rn 3 ff.

[20] Vgl. Schlussantrag Generalanwalt beim EuGH, a.a.O. – vgl. Fn. 3 dort Rn. 39 ff.

[21] Vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 RL 2016/97.

[22] Vgl. auch nach dt. Recht, vgl. § 34d Abs. 8 GewO, sind sog. Annex-Vermittler erlaubnisfrei.

[23] Vgl. Schlussantrag Generalanwalt beim EuGH, a.a.O. – vgl. Fn. 3 dort Rn. 55 ff.

[24] Vgl. BGH, Beschl. v. 15.10.2020, a.a.O. – vgl. Fn. 6 dort Rn. 29 ff.

[25] BGH, Beschl. v. 15.10.2020, a.a.O. – vgl. Fn. 6 dort Rn. 30, der hier explizit auf den Aufsatz von Schwintowski VuR 2008, 286 (vgl. Fn. 16) verweist.

[26] Vgl. Schlussantrag Generalanwalt beim EuGH, a.a.O. – vgl. Fn. 3 dort Rn. 67 ff.

[27] Vgl. Schlussantrag Generalanwalt beim EuGH, a.a.O. – vgl. Fn. 3 dort Rn. 68.

[28] Vgl. zu den Zielen dann die teleologische Auslegung dann Rn. 101 ff. des Schlussantrags.

[29] Vgl. Schlussantrag Generalanwalt beim EuGH, a.a.O. – vgl. Fn. 3 dort Rn. 89.

[30] Vgl. Schlussantrag Generalanwalt beim EuGH, a.a.O. – vgl. Fn. 3 dort Rn. 103 ff.

[31] Vgl. BGH, Beschl. v. 15.10.2020, a.a.O. – vgl. Fn. 6 Rn. 28 ff.

[32] Vgl. Schlussantrag Generalanwalt beim EuGH, a.a.O. – vgl. Fn. 3 dort Rn. 119 ff.

[33] Vgl. dazu Petersen, „Max Webers Rechtssoziologie und die jur. Methodenlehre“, 2014, S. 114 ff.

[34] Vgl. Ahmling, „Analogiebildung durch den EuGH im Europäischen PrivatR“, 2012, passim.

[35] Vgl. Eisfeld, „Rechtserkenntnis durch begründetes Werten“, ASRP 2016, 551 ff.

 

Autor: Oliver Timmermann, Rechtsanwalt – Versicherungsrecht

Michaelis

 

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Am 7.November fand die Anhörung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags zum Jahressteuergesetz 2022 statt, das auch wichtige Signale für die Immobilienbesteuerung enthält.

 

So sollen die steuerliche Behandlung von Photovoltaikanlagen und die Abschreibungsregeln für Gebäude verbessert werden. Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA), Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, war als Sachverständiger zur Anhörung geladen und bewertete es als positiv, dass die Regierung auf die Forderung nach besseren steuerlichen Rahmenbedingungen für den Gebäudesektor bei der Erzeugung regenerativer Energie sowie mit der Erhöhung der linearen Abschreibung reagiert hat.

Besteuerung von Photovoltaik lässt Potential ungenutzt

Mit dem Jahressteuergesetz 2022 will die Bundesregierung auch Vorschriften zur Besteuerung von Photovoltaikanlagen ändern, um den Ausbau erneuerbarer Energien in Gebäuden zu verbessern. Unter anderem ist für bestimmte Steuerpflichtige eine Steuerbefreiung im Einkommensteuergesetz für Einnahmen aus Photovoltaikanlagen geplant. Im Umsatzsteuergesetz soll ein Nullsteuersatz für Lieferung und Installation von Photovoltaikanlagen und Stromspeichern eingeführt werden. Den Schritt bewertet der ZIA als richtig, jedoch gibt es auch Nachbesserungsbedarf: „Die im Jahressteuergesetz vorgesehenen Anpassungen sind ein guter Schritt, jedoch für institutionelle Immobilieninvestoren nicht einschlägig. Für sie werden aktuelle steuerliche Hemmnisse nicht beseitigt“, so Torsten Labetzki, Mitglied der Geschäftsleitung sowie Abteilungsleiter Recht und Steuern beim ZIA. Nach aktueller Rechtslage ist der Betrieb von Photovoltaikanlagen bei Gebäuden mit erheblichen und „völlig überschießenden steuerlichen Risiken“ verbunden, führt Labetzki aus. „Dies gilt für die Gewerbesteuer und im Bereich des Investmentsteuerrechts. Insbesondere bei Immobilienfonds, die dem Investmentsteuerecht unterliegen, bewirken ein drohender Statusverlust plus aufsichtsrechtliche Schranken, dass keine Photovoltaikanlagen installiert und betrieben werden“. Dies sei äußerst bedauerlich, weil die Immobilienbranche hochmotiviert sei, solche Anlagen zu installieren und zu betreiben, jedoch viele Immobilienbesitzer und Investoren wegen des aktuellen Steuerrechts zurückschreckten. Großes Potential auf dem Weg zur angestrebten Klimaneutralität und Energieunabhängigkeit bliebe daher „leider ungenutzt“, sagt Labetzki. „Wenn der Gesetzgeber bestehende steuerliche Risiken endlich ausräumt, würde ein spürbarer Ruck durch die gesamte Immobilienbranche gehen, und wir wären auf dem Weg zur Klimaneutralität im Gebäudebereich sowie zur Energieunabhängigkeit Deutschlands einen gewaltigen Schritt weiter.“

Auch Bestand und andere Gebäudeklassen brauchen höhere Abschreibungen

„Höhere Abschreibungen auf Immobilien bringen Liquidität für neuen Wohnraum und für Wirtschaftsimmobilien – beides brauchen wir dringend, um die Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt besser bedienen und unsere Innenstädte revitalisieren zu können“, sagt Torsten Labetzki. Zugleich weist er auf ein Manko hin: „Die verbesserte Abschreibung soll nur für den Neubau und nur für Wohngebäude gelten – das reicht nicht.“ Labetzki erklärt: „Auch im Bestand und in anderen Gebäudeklassen haben technischer Fortschritt und gestiegene energetische Anforderungen schon bewirkt, dass der Anteil langlebiger Rohbaubestandteile gegenüber kurzlebigen Bestandteilen immer weiter abnimmt. Um diese wirtschaftliche Realität steuerlich richtig abzubilden, brauchen wir auch hier eine höhere Abschreibungsmöglichkeit.“

 

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Im April letzten Jahres hat das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) einen Rechnungslegungshinweis (RH) zur handelsrechtlichen Bewertung rückgedeckter Direktzusagen veröffentlicht.

 

Die neuen Regelungen sehen einen Vergleich der erwarteten Zahlungsströme aus Zusage und zugehöriger Rückdeckungsversicherung (RDV) vor und sind für Bilanzstichtage ab dem 31.12.2022 anzuwenden. Für die Umsetzung in der Praxis waren aber noch zahlreiche Fragen offen, die nunmehr beantwortet sind. Richard Breese, Aktuar DAV und Sachverständiger IVS der Longial GmbH, erläutert die wichtigsten Punkte.

Für die praktische Umsetzung – Ergebnisbericht der Deutschen Aktuar Vereinigung (DAV)

Die DAV hat in einer Arbeitsgruppe praxisorientierte Handlungsempfehlungen für die Umsetzung der Vorgaben des IDW erarbeitet und in einem Ergebnisbericht veröffentlicht. Darin werden für die Umsetzung drei aufeinander aufbauende Prüfschritte empfohlen:

Prüfschritt 1: Ist die RDV-Zusage vom RH betroffen?

Zunächst sollte die Prüfung erfolgen, ob die rückgedeckte Versorgungszusage des Unternehmens grundsätzlich von der Änderung des RH betroffen ist. Das ist zum Beispiel nicht der Fall, wenn keine Rückdeckungsversicherungen bestehen, die Auszahlungsform der Rückdeckungsversicherungen (Kapital/Rate/Rente) nicht den Auszahlungsformen der Zusage entsprechen, alle Rückdeckungsversicherungen fonds- oder indexgebunden sind oder die Rückdeckungsversicherung keine Altersleistung vorsieht (z.B. Risikoversicherung, reine Berufsunfähigkeitsversicherung). Des Weiteren entfällt die Umsetzung bei Zusagen, die in dem Sinne versicherungsgebunden sind, dass die Höhe der zugesagten Versorgungsleistungen der Höhe der Versicherungsleistungen entspricht oder die Rückdeckungsversicherung nicht zur Finanzierung der Versorgungsverpflichtung, sondern beispielsweise zur Darlehenssicherung oder -tilgung bzw. der Finanzierung einer späteren Investition verwendet werden soll.

Prüfschritt 2: Besteht Handlungsbedarf?

„In den oben genannten Fällen entsteht aus dem RH kein Handlungsbedarf für die Unternehmen. Das bedeutet, dass der Gutachter die Bewertung der Verpflichtung und die Erstellung der versicherungsmathematischen Gutachten weitestgehend ohne zusätzlichen Aufwand wie bisher auch erstellen kann“, führt Breese aus. Kommt man jedoch zu dem Ergebnis, dass der RH anzuwenden ist, stellt sich die Frage, ob der vom IDW vorgesehene Vergleich der Zahlungsströme mit vertretbarem Aufwand umgesetzt werden kann. Hierfür benötigt der Gutachter die voraussichtlichen Renten- bzw. Kapitalleistungen der RDV sowie den Zeitpunkt der Auszahlung. „Diese Informationen liegen dem Gutachter in aller Regel nicht vor. Die Unternehmen müssen diese daher beim Versicherer einholen und dem Gutachter zeitnah zur Verfügung stellen“, ergänzt Aktuar Breese.

Prüfschritt 3: Verfahrensmöglichkeiten bei erhöhtem Aufwand

Besteht ein erhöhter Informationsaufwand, werden vereinfachte Verfahren angewendet. Bei diesen wird die Bewertung der Versorgungsverpflichtungen und der Rückdeckungsversicherungen mithilfe von Umrechnungsfaktoren durchgeführt. Die DAV hat in ihrem Ergebnisbericht zwei vereinfachte faktorbasierte Bewertungsverfahren beschrieben, für eines davon müssen sich die Unternehmen entscheiden.

Beim faktorbasierten Deckungskapital- bzw. Erfüllungsbetragsverfahren werden die korrespondierenden Anteile der Versorgungszusage und der RDV über Barwerte verglichen. Das Deckungskapitalverfahren ermittelt für die zugesagte Versorgungsleistung einen fiktiven Versicherungswert (Aktivwert) und stellt diesen dem tatsächlichen Aktivwert der Rückdeckungsversicherung gegenüber. Beim Erfüllungsbetragsverfahren hingegen wird für die Rückdeckungsversicherung ein fiktiver Erfüllungsbetrag ermittelt und dem Erfüllungsbetrag der Versorgungszusage gegenübergestellt.

„Der Vorteil dieser Verfahren liegt darin, dass sie bereits mit sehr wenigen Informationen über die RDV eine Umsetzung des RH ermöglichen“, so Richard Breese. „Für beide faktorbasierte Verfahren benötigt der Aktuar neben dem Aktivwert einige wenige zusätzliche Angaben zur RDV. Im einfachsten Fall ist bereits die Angabe des Versicherungsbeginns ausreichend. Die notwendigen Informationen können die Unternehmen meist einfach dem Versicherungsschein oder der letzten Standmitteilung entnehmen und ohne großen Aufwand den Gutachtern übermitteln.“

Handlungsempfehlung

„Welche Variante in der individuellen Situation eines Unternehmens am sinnvollsten ist, kann von außen nicht beurteilt werden. Nach unserer Einschätzung verursacht das Deckungskapitalverfahren in Verbindung mit dem Passivprimat den geringsten Aufwand bei Unternehmen wie Gutachtern. Wer es genauer wissen möchte, sollte auf den Gutachter zugehen. Die Kollegen werden entsprechende Beratungsleistungen und Vergleichsberechnungen anbieten können“, erläutert Richard Breese.

 

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Der Bundestag hat in seiner Sitzung vom 22.09.2022 beschlossen, den Beginn der Zertifizierungspflicht für Wohnimmobilienverwalter um ein Jahr auf den 01.12.2023 zu verschieben.

 

Ab dem 01.12.2023 können dann Eigentümer verlangen, dass ihr Verwalter über eine Zertifizierung seiner Berufsqualifikation verfügt und diese nachweisen kann.

Ab dem 01. Dezember 2023 tritt somit nach § 19 Abs. 2 Nr. 6 WEG eine Zertifizierungspflicht für Wohnimmobilienverwalter in Kraft. Von diesem Zeitpunkt an können Wohneigentümer einen Nachweis über die Zertifizierung zur Berufsqualifikation verlangen. Als Nachweis dient insbesondere die IHK-Prüfung zum zertifizierten Verwalter gemäß § 26a WEG. Wohnimmobilienverwalter können sich ab sofort bei der GOING PUBLIC! Akademie für Finanzberatung AG auf diese neue IHK-Prüfung vorbereiten. Dafür stehen zwei Online-Lehrgangsangebote zur Auswahl.

„Mit der IHK Frankfurt am Main haben wir einen starken Bildungspartner für unsere Online-Lehrgänge, die ab sofort starten. Wobei die IHK-Prüfung natürlich auch bei anderen Kammern abgelegt werden kann. Alle Verwalterinnen und Verwalter können von unserer großen Erfahrung bei der Vorbereitung auf IHK-Prüfungen, sowie von einem umfangreichen E-Learningangebot profitieren“, so GOING PUBLIC! Vorstand Ronald Perschke.

Einige Wohnimmobilienverwalter können jedoch – unter bestimmten Voraussetzungen – eine vom Gesetzgeber eingeräumte Übergangsfrist nutzen. Diese verschiebt den Beginn der Zertifizierungspflicht auf Juni 2024. Erst ab diesem späteren Zeitpunkt muss dann die Zertifizierung nachgewiesen werden. Im Gegensatz zur weit verbreiteten Meinung ist für das Nutzen dieser Übergangsfrist jedoch nicht der Berufseintritt des Verwalters vor dem 01.12.2020 maßgeblich. Entscheidend für die Übergangsfrist ist hingegen der Zeitpunkt, ab dem das Verwaltermandat für die jeweilige WEG übernommen wurde. Das bedeutet, dass die Zertifizierungspflicht ab 01.12.2023 für alle WEG-Mandate gilt, die nach dem 01.12.2020 in den Bestand des Verwalters aufgenommen wurden.

Auch juristische Personen und Personengesellschaften dürfen sich zertifizierter Verwalter nennen. Dafür müssen aber alle bei ihnen beschäftigte Personen, die unmittelbar mit Aufgaben der Wohnungseigentumsverwaltung betraut sind,

  • die Prüfung zum zertifizierten Verwalter bestanden haben oder
  • nach § 7 ZertVerwV einem zertifizierten Verwalter gleichgestellt sein.

Allgemeine Informationen zur Zertifizierungspflicht finden Interessierte hier: https://www.akademie-fuer-finanzberatung.de/wissenswertes/a-z/zertifizierter-verwalter-26a-weg/

Informationen zu den Online-Lehrgängen sind hier online: https://www.akademie-fuer-finanzberatung.de/ihk-sachkunde/zertifizierter-verwalter-online-lehrgang

 

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Insgesamt 2,3 % weniger erledigte Verfahren als 2020

 

Im Jahr 2021 wurden rund 4 880 000 staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren in Strafsachen abgeschlossen. Das waren 2,3 % weniger als im Vorjahr. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, wurden rund 80 % der Ermittlungsverfahren zunächst von Polizeidienststellen eingeleitet und an die Staatsanwaltschaften übergeben. Die übrigen Verfahren wurden von Staatsanwaltschaften selbst, von Steuer- beziehungsweise Zollfahndungsstellen oder Verwaltungsbehörden eingeleitet.

Mehr als die Hälfte der Ermittlungsverfahren endeten 2021 mit Verfahrenseinstellung

Die Staatsanwaltschaften sind für die Verfolgung von Straftaten und die Leitung der entsprechenden Ermittlungen zuständig. Wenn die Ermittlungen gegen namentlich bekannte Tatverdächtige zu hinreichendem Tatverdacht führen, erheben sie Anklage beim zuständigen Gericht und vertreten im Fall einer gerichtlichen Hauptverhandlung die Anklage.

Wie in den Vorjahren wurden die meisten Ermittlungsverfahren im Jahr 2021 jedoch eingestellt und es kam nicht zur Anklage. So machten Einstellungen mit Auflage (3,1 %), Einstellungen ohne Auflage (23,6 %) und Einstellungen mangels Tatverdacht (29,9 %) oder wegen Schuldunfähigkeit (0,3 %) zusammen 56,9 % aller Verfahrenserledigungen aus. Knapp ein Fünftel (18,1 %) der Verfahren endete mit einer Anklage beziehungsweise einem Strafbefehlsantrag oder einem Antrag auf ein besonderes Verfahren und ein Viertel (25,0 %) auf andere Art, zum Beispiel mit der Abgabe an eine andere Staatsanwaltschaft.

Starke Zunahme von Verfahren bei Sexualstraftaten und in Staatsschutzsachen, erneuter Rückgang bei Straßenverkehrsdelikten

Hinter der Gesamtabnahme erledigter Ermittlungsverfahren um 2,3 % stehen teils gegenläufige Entwicklungen bei den Verfahrensgegenständen. Einige Deliktbereiche mit relativ geringem Anteil an der Gesamtzahl erledigter Verfahren verzeichneten gegenüber 2020 vergleichsweise hohe prozentuale Zuwächse. Beispielsweise stieg die Zahl der erledigten Verfahren in Staatsschutzsachen um 9,5 % auf rund 50 000. Auch die Ermittlungen bei Sexualstraftaten wiesen mit +44,2 % einen Zuwachs auf (137 558 Verfahren). Die Verfahrenszahlen in diesen beiden Deliktbereichen waren bereits im Vorjahr angestiegen. Dagegen wirkte sich der erneute Rückgang im mengenmäßig größeren Bereich der Straßenverkehrsdelikte um 4,2 % auf rund 832 000 Verfahren dämpfend auf die Gesamtentwicklung aus. Bereits im ersten Corona-Jahr 2020 waren die Verfahren zu Straßenverkehrsdelikten um 3,3 % zurückgegangen. Auch in der mengenmäßig größten Straftatengruppe der Eigentums- und Vermögensdelikte gab es 2021 mit 1 495 876 abgeschlossenen Ermittlungsverfahren einen Rückgang gegenüber dem Vorjahr von 5,3 %.

Die Anteile der erfassten Deliktbereiche an allen Verfahren waren ähnlich wie im Jahr 2020: Knapp ein Drittel (30,7 %) der erledigten Strafverfahren bezog sich auf Eigentums- und Vermögensdelikte, gefolgt von Straßenverkehrsdelikten mit 17,0 %, Straftaten gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit mit 8,5 % sowie Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz mit 9,0 % der erledigten Verfahren.

Weitere Informationen:

Diese Ergebnisse stammen aus der Staatsanwaltschaftsstatistik. Die Staatsanwaltschaftsstatistik ist die einzige statistische Datenquelle in Deutschland, die über Zahl und Struktur staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren informiert. Sie zeigt, wie viele staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren innerhalb eines Berichtsjahres auf welche Art erledigt wurden und in welcher Straftatengruppe der Schwerpunkt des Verfahrens lag.

Nicht Gegenstand dieser Statistik sind das Fallaufkommen innerhalb eines Berichtsjahres sowie Merkmale der Straftat und der Tatverdächtigen. Somit lassen sich mit dieser Statistik nur bedingt Rückschlüsse auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Kriminalitätsgeschehen im Jahr 2021 ziehen. Einen Bericht zur Kriminalitätsentwicklung im Corona-Kontext hat das Bundeskriminalamt vorgelegt.

Weitere Ergebnisse zu Erledigungsarten und Sachgebieten bei staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren sind in der Datenbank GENESIS-Online (Tabelle 24211-0001) sowie in der Fachserie 10, Reihe 2.6 “Staatsanwaltschaften”. Methodische Hintergründe zur Staatsanwaltschaftsstatistik bietet der Aufsatz “Staatsanwaltschaftliche Ermittlungstätigkeit in Deutschland: Umfang und Struktur der Verfahrenserledigung” in “WISTA – Wirtschaft und Statistik”, Ausgabe 3/2015.

 

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Statistisches Bundesamt, Gustav-Stresemann-Ring 11, 65189 Wiesbaden, Tel: +49 611-75 34 44, www.destatis.de

ROLAND Rechtsschutz ermittelt die größten Rechtsrisiken für Unternehmen und Selbstständige.

 

Konflikte um Vertragsabschlüsse bilden das größte Rechtsrisiko für Gewerbekunden.

Im Jahr 2021 hat sich die Zahl der Streitigkeiten im Straßenverkehr weiter verringert – diese sind nach den Vertragsstreitigkeiten das zweitgrößte Risiko für einen Rechtsstreit.

Die Zahl der Konflikte im Straßenverkehr ist nicht zuletzt aufgrund des geringeren Verkehrsaufkommens auf den Straßen im zweiten Jahr in Folge gesunken. Dies zeigt die Auswertung der über 84.000 Leistungsfälle, die ROLAND Rechtsschutz für Gewerbekunden im Jahr 2021 reguliert hat. Ebenso stellen Konflikte rund um Verträge – weiterhin knapp führend – das größte Rechtsrisiko für Unternehmen dar. Weitere Risiken für einen Rechtsstreit sind arbeitsrechtliche Verfahren, Konflikte um Schadenersatzforderungen und Streitigkeiten rund um Immobilien.

Platz 1: Zahlung steht aus – Konflikte um Verträge

Unternehmer schließen dauernd neue Verträge ab. Sie kaufen und verkaufen Waren, unterzeichnen Finanzierungs- oder Leasingverträge und treffen Vereinbarungen mit Dienstleistern. Das birgt gleich ein doppeltes Risiko: Zum einen besteht die Gefahr, dass Vertragspartner ihren Teil der Vereinbarung nicht erfüllen. Zum anderen, dass das Unternehmen unberechtigte Forderungen aus dem Vertrag abwehren muss. Im Jahr 2021 regulierte ROLAND Rechtsschutz für Gewerbekunden über 20.000 Fälle rund um Verträge.

Platz 2: Kratzer im Lack – Stress im Straßenverkehr

Die rote Ampel übersehen oder den Sicherheitsabstand nicht eingehalten – wer beruflich viel mit dem Auto unterwegs ist, läuft automatisch Gefahr, sich selbst oder einem anderen Verkehrsteilnehmer eine Beule ins Blech zu fahren. Neben der Kfz-Versicherung zählt zur Absicherung für Firmenfahrzeuge häufig auch ein Verkehrsrechtsschutz dazu. Und das aus gutem Grund: Ordnungswidrigkeiten wie Falschparken oder gar Straftaten wie zum Beispiel Nötigung kommen immer wieder vor – und haben oft ein rechtliches Nachspiel.

Mit über 19.000 Fällen belegt der Straßenverkehr den zweiten Platz unter den häufigsten Rechtsstreitigkeiten für Unternehmen. Nach wie vor bildet der Straßenverkehr daher ein erhebliches Rechtsrisiko für Unternehmen. Denn ob Dienstwagen oder gesunde und umweltfreundliche Diensträder – Fahrzeuge findet man fast in jedem Unternehmen.

Platz 3: Klage gegen Kündigung – Streit am Arbeitsplatz

ROLAND Rechtsschutz bearbeitete im Jahr 2021 gut 14.600 Fälle, die auf Kündigungen, Vertragsaufhebungen oder andere arbeitsrechtliche Themen zurückzuführen sind. Auch bei Abmahnungen, Abfindungen, Gewinnbeteiligungen oder Wettbewerbsverboten kann es zu Unstimmigkeiten kommen. Konflikte in diesem Bereich bilden das drittgrößte Rechtsrisiko für Unternehmen. Mit einem gewerblichen Arbeitsrechtsschutz sind Unternehmer vor den hohen Anwalts- und Gerichtskosten geschützt.

Platz 4: Hundebiss im Dienst – Konflikte um Schadenersatz

Ein Hundebiss im Außendienst oder ein Unfall mit weitreichenden Folgen: Für Unternehmen gibt es viele Möglichkeiten in einen Rechtskonflikt zu geraten, bei denen Ansprüche auf Schadenersatz bestehen. Braucht das geschädigte Unternehmen dann rechtlichen Beistand oder muss sich sogar vor Gericht verantworten, drohen hohe Verfahrenskosten. Im Jahr 2021 unterstützte ROLAND Rechtsschutz Gewerbekunden in mehr als 9.000 Fällen von Schadenersatzforderungen. Damit sind Konflikte in diesem Bereich das viertgrößte Rechtsrisiko für Unternehmen.

Platz 5: Falsche Nebenkostenabrechnung – Verfahren in Sachen Immobilien

Die fünf größten Rechtsrisiken für Unternehmen werden von Konflikten rund um Grundstücke und Immobilien vervollständigt. Konflikte mit Mietern oder Nachbarn können aus diversen Gründen entstehen: Hierzu zählen zum Beispiel eine falsche Nebenkostenabrechnung oder der Vorwurf einer Lärmbelästigung. In rund 8.200 Fällen hat ROLAND Rechtsschutz hier gewerblichen Mietern oder Vermietern weitergeholfen.

Selbstständige oder Unternehmen, die sich vor rechtlichen Risiken absichern möchten, können sich ihren passenden Rechtsschutz – sowohl für ihr Gewerbe als auch für sich selbst und die Familie – bequem online zusammenstellen oder sich durch Expert:innen ihres Vertrauens beraten lassen.

Über ROLAND Rechtsschutz

Die ROLAND Rechtsschutz-Versicherungs-AG ist ein Premium-Anbieter für Rechtsschutz mit über 60 Jahren Erfahrung. Die Gesellschaft zählt mit Bruttobeitragseinnahmen in Höhe von 520,8 Millionen Euro im Jahr 2021 zu den wachstumsstärksten Anbietern der Branche. Mit einem Marktanteil von mehr als zehn Prozent gehört ROLAND zu den führenden deutschen Rechtsschutz-Versicherern. Zu dem Leistungsangebot des Rechtsschutz-Spezialisten zählen flexible Lösungen sowohl für Privat- als auch für Firmenkunden. Dank der modularen Produktstruktur können Kunden ihren Versicherungsschutz nach Bedarf zusammenstellen.

Mit nur einem Anruf bei ROLAND (0221 8277-500) erhalten Kunden die beste Lösung für jedes rechtliche Problem. ROLAND klärt im ersten Schritt den Versicherungsschutz und bietet unmittelbar die Möglichkeit, die individuelle Rechtslage von einem unabhängigen Rechtsanwalt einschätzen zu lassen. Außerdem stehen den Versicherten von der telefonischen Rechtsberatung über die außergerichtliche Streitbeilegung bis hin zur Empfehlung eines versierten (Fach-)Anwalts alle Wege zu ihrem Recht offen. Führt die erste Wahl nicht zum Erfolg, können Kunden jederzeit einen anderen Service in Anspruch nehmen.

 

Verantwortlich für den Inhalt:

Roland Rechtsschutz-Versicherungs-AG, Deutz-Kalker Straße 46, D-50679 Köln, Tel: 0221/82 77-500, Fax: 0221/82 77-460, www.roland-rechtsschutz.de

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Rechte von Bewerteten jetzt deutlich gestärkt:

 

Demnach müssen Hotelbewertungsportale künftig überprüfen, ob negative Bewertungen tatsächlich von Kunden kommen. Ecovis-Rechtsanwältin Heidi Regenfelder in München ist überzeugt, dass sich das BGH-Urteil auf alle Bewertungsportale übertragen lässt. „Mit geschäftsschädigenden Bewertungen ist damit hoffentlich bald Schluss!“

Die vorliegende Entscheidung des BGH  bezieht sich auf negative Hotelbewertungen (Urteil vom 09.08.2022, Aktenzeichen: VI ZR 1244/20). Da es sich um höchstrichterliches Urteil handelt, dürften sich die grundlegenden Feststellungen des BGH aber auch auf andere Bewertungsportale übertragen lassen. „Auch auf Ärztebewertungsportalen wie Jameda & Co. sind negative Bewertungen immer wieder Anlass für Streit“, berichtet Rechtsanwältin Regenfelder aus ihrer Anwaltspraxis.

Zweifel an der Echtheit einer Bewertung

Bezweifelt ein Bewerteter, dass eine negative Bewertung echt ist, so reicht laut BGH die Rüge des Bewerteten gegenüber dem Bewertungsportal, dass der Bewertung kein Kunden- oder Patientenkontakt zugrunde liegt. „Die Rüge löst die Prüfpflicht des Portals aus“, sagt Rechtsanwältin Regenfelder. Der Bewertete muss dann seine Behauptung, dass es keinen Kunden- oder Patientenkontakt gibt, nicht näher begründen.“

Dies gilt insbesondere in dem Fall, wenn die Bewertung keinerlei tatsächliche, die konkrete Inanspruchnahme der Leistung beschreibenden Angaben enthält und sogar in den Fällen, wenn für einen Patientenkontakt entsprechende Angaben vorliegen, ist kein Nachweis erforderlich. Denn der Bewertete kann diese Angaben regelmäßig nicht überprüfen und damit den behaupteten Kontakt nicht sicher feststellen.

Neue Pflichten für Bewertungsportale

Das Bewertungsportal trifft also eine sekundäre Darlegungslast. Das heißt, es muss klären, ob der Bewertende überhaupt eine Bewertung abgeben durfte. Dazu muss das Portal einen Bewerter kontaktieren und diesen auffordern nachzuweisen, dass er tatsächlich Patient war.

Kommt das Portal dieser Prüfpflicht nicht nach, ist der fehlende Kunden- oder Patientenkontakt als wahr zu unterstellen. „Die Bewertung ist damit rechtswidrig“. Einer näheren Begründung der Behauptung des fehlenden Patientenkontakts bedarf es nurmehr, wenn sich die Identität des Bewertenden für den Bewerteten ohne Weiteres aus der Bewertung ergibt, so der BGH.

„Bewertungsportale müssen also künftig auf Rückfragen eingehen und im Zweifel prüfen, wer die Bewertung tatsächlich abgegeben hat“, freut sich Regenfelder, „andernfalls müssen sie die Bewertung löschen.“ Anonyme Bewertungen, wie sie derzeit noch flächendeckend möglich sind, könnten aufgrund dieses Urteils der Vergangenheit angehören.

 

Verantwortlich für den Inhalt:

Ecovis, Agnes-Bernauer-Straße 90, 80687 München, Tel: +49 89 5898 -266, Fax: +49 89 5898 -280, www.ecovis.com