Durch einen neuen Gesetzesentwurf der Bundesregierung – offizieller Stand vom 14. Oktober 2020 – mit dem Ziel der präventiven Restrukturierung und Sanierung vor Eintritt der Insolvenz, müssen Vermieter befürchten, dass nunmehr auch außerhalb eines formellen Insolvenzverfahrens die kurzfristige Kündigung langlaufender Mietverträge möglich ist.

 

Der derzeitige Entwurf des „Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz“ (StaRUG-RegE) geht auch auf eine EU-Restrukturierungsrichtlinie 2019/1023 zurück, die eine Fortentwicklung und Ergänzung des Sanierungs- und Insolvenzrechts erfordert.

Auch die Covid-19-Pandemie und die Abmilderung ihrer wirtschaftlichen Folgen bewogen die Bundesregierung dazu, den Gesetzesentwurf schnell in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen. Ob es tatsächlich – wie bisherig anvisiert – schon am 01. Januar 2021 in Kraft treten soll, ist aufgrund der Kürze des noch verbleibenden Zeitraums zu bezweifeln.

Derzeit ist jedoch davon auszugehen, dass eine Mehrheit der Abgeordneten für den Gesetzesentwurf in der aktuellen Ausgestaltung stimmen könnte. Deshalb informieren wir Sie gerne bereits jetzt über die wichtigsten geplanten Regelungen, und insbesondere deren Auswirkungen auf befristete Mietverträge.

Kündigung vor Ende der Laufzeit bei Insolvenz

Ist ein Unternehmen zahlungsunfähig und deswegen zwingend ein Insolvenzverfahren zu eröffnen, kann der Insolvenzverwalter bisher schon die Kündigungsmöglichkeit des § 109 InsO nutzen. Er hat dadurch die rechtliche Möglichkeit, Mietverträge mit Festlaufzeiten ordentlich vor Ende der Laufzeit zu kündigen. Der insolvente Mieter kann seine finanziellen Lasten dadurch kurzfristig deutlich reduzieren.

Ende des Mietverhältnisses durch gerichtlichen Beschluss

Im Rahmen des StaRUG-RegE wird ein vergleichbares Instrumentarium in Form der Vertragsbeendigung nach § 51 ff. StaRUG-RegE implementiert. Auf Antrag des Schuldners kann das neue geschaffene Restrukturierungsgericht einen Mietvertrag durch einen gerichtlichen Beschluss (§ 52 StaRUG-RegE) beenden. Als Folge des Beschlusses endet das Mietverhältnis dann regelmäßig mit einer nur dreimonatigen Frist. Das Gericht kann aber über den Antrag des Mieters nur entscheiden, wenn er gleichzeitig mit einem Antrag auf Bestätigung des Restrukturierungsplans verknüpft ist. Die Entscheidung über die Vertragsbeendigung und die Bestätigung müssen zwingend in einem einheitlichen Beschluss ergehen.

Nur bei drohender Zahlungsunfähigkeit des Mieters

Die Vertragsbeendigung ist von dem angerufenen Restrukturierungsgericht nur dann möglich, wenn der Mieter drohend zahlungsunfähig ist. Auch muss der Mieter zuvor den ernsthaften Versuch unternommen haben, den anderen Teil zu einer Vertragsanpassung oder Beendigung zu bewegen. Nur wenn der Vermieter zu erkennen gegeben hat, dass er eine solche Lösung verweigert, kann der Mieter die Beendigung des Vertrags erwirken.

Risiko der Verträge besteht schon lange

Was zunächst wie eine völlig neue Bedrohung der Mietverhältnisse wirkt, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als ein schon lange bestehendes Risiko der Verträge. Denn der Mieter könnte schließlich auch bei Vorliegen drohender Zahlungsunfähigkeit aus eigenem Antrieb und freiwillig den Weg in ein formelles Insolvenzverfahren wählen, in welchem er die Vertragsbeendigung direkt über § 109 InsO erwirken kann.  Da regelmäßig die besondere insolvenzrechtliche Spielart der Eigenverwaltung bei solch freiwilligen Insolvenzverfahren vom Insolvenzgericht bestimmt wird, kann der Mieter auch in Form seiner eigenen Geschäftsführung ohne Einschaltung eines Insolvenzverwalters über den Gebrauch des § 109 InsO entscheiden.

Vertragsanpassung oder gerichtliche Vertragsbeendigung

Im Rahmen eines gewählten Restrukturierungsverfahrens kann der Mieter den Vermieter aber dazu auffordern, dass entweder eine Vertragsanpassung stattfindet oder eine gerichtliche Vertragsbeendigung durch Beschluss erwirkt wird. Hierdurch erhält der Mieter eine gute Verhandlungsposition, die die Vermieterseite eher zu einer einvernehmlichen Lösung verleitet. Auch wird sich hierbei tatsächlich auswirken, dass die Vertragsbeendigung durch das Gericht nur dann nicht erfolgen kann, wenn das Restrukturierungskonzept, dass dem Restrukturierungsplan zugrunde liegt, offensichtlich nicht sachgerecht ist (§ 51 Abs. 2 StaRUG-RegE). Die Hürde ist dahingehend nicht allzu hoch gehängt, sofern das Gericht die Plausibilität des Vorgehens nicht grundsätzlich in Abrede stellt. Insbesondere bei einem Mietverhältnis, das die marktüblichen Mietzinsen überschreitet, besteht insofern dann ein erhöhtes Risiko für den Vermieter, dass er sich künftig hier früher kompromissbereit zeigt, sofern eine Fortsetzung des Vertrags gewünscht wird.

Mieterinteressen höher zu bewerten als die Vermieterinteressen

Auch durch diese Vertragsbeendigungsmöglichkeit weicht der Gesetzgeber den alten Rechtsgrundsatz auf, dass Verträge einzuhalten sind. Die Zielrichtung ist auch hier klar erkennbar, die Mieterinteressen sind in der Waagschale regelmäßig höher zu bewerten als die Vermieterinteressen, wenn die Zahlungsunfähigkeit schon nur droht. Der Gesetzgeber versucht durch den Alternativweg zur Insolvenz in Eigenverwaltung auch die höhere Kostenlast für den Mieter, die aus der Durchführung eines freiwilligen formellen Insolvenzverfahrens herrührt, zu vermeiden.

Sofern das Gesetzesvorhaben – in Form des Regierungsgesetzesentwurfs – parlamentarisch angenommen und ausgefertigt wird, besteht in Zukunft eine nicht zu unterschätzende Wahlmöglichkeit des Mieters zwischen der Durchführung eines formellen Insolvenzverfahren bzw. eines Restrukturierungsverfahrens. Inwiefern die Praxis dann tatsächlich von beiden Alternativen Gebrauch macht und ob die Vertragsbeendigung über die §§ 51 ff. StaRUG-RegE – insbesondere im Hinblick auf die Covid-19-geplagte Mieterschaft – Schule macht, bleibt abzuwarten.

 

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Bundeministerium der Finanzen veröffentlicht Referentenentwurf für ein Fondsstandortgesetz

 

Das Bundeministerium der Finanzen hat gestern den seit langem erwarteten Referentenentwurf für ein Fondsstandortgesetz (FOG) veröffentlicht.  Der Gesetzentwurf enthält neben der Umsetzung europäischer Vorhaben – insbesondere im Bereich „ESG“ – die Einführung neuer Immobilienfonds-Vehikel im KAGB im Spezialfondsbereich.

  1. Geschlossenes Sondervermögen

Diese neue Rechtsform wird zunächst nur für professionelle und semiprofessionelle Anleger, d.h. Spezial-AIF, eröffnet. In § 139 KAGB wird ergänzt: „Geschlossene inländische Spezial-AIF dürfen auch als Sondervermögen aufgelegt werden. Für das Vehikel sollen die allgemeinen Produktvorschriften des KAGB für (bis dato nur offene) Sondervermögen anwendbar sein, soweit sie für Spezial-AIF anwendbar sind.

Einschätzung: die Initiative des ZIA und anderer Verbände zielt betreffend dieses Vehikels eigentlich auf eine neue Form geschlossener Publikums-AIF ab. Diese sollen nach Jahren des Tiefschlafs wieder markt- und insbesondere vertriebsfähig werden. U.a. durch die Möglichkeit der Nutzung einer Wertpapierkennnummer (WKN) verspricht man sich mehr Akzeptanz im Bankenvertrieb. Es ist zu hoffen, dass in wenigen Jahren dann das Vehikel auch für die Publikumsfonds geöffnet wird

  1. Offene Investment-KG

Bis dato sind offene Immobilien-AIF nur als Sondervermögen auflegbar. Die Produktpalette soll auch hier erweitert werden durch eine Änderung in § 91 (3) KAGB: „…eingelegte Geld in Immobilien oder Beteiligungen an Infrastruktur-Projektgesellschaften anlegen, nur als Sondervermögen oder als offene Investmentkommanditgesellschaften aufgelegt werden.“ Allerdings schränken auch hier § 91 (2) KAGB und die Gesetzesbegründung zu § 91 (3) KAGB-E die Anwendbarkeit auf Spezial-AIF ein („Das erweitert die Produktpalette der Fondsanbieter im Spezialfondsbereich…“).

Einschätzung: bei der Investment-KG sind die Immobilien grunderwerbsteuerlich der Investment-KG selbst zuzurechnen, nicht der KVG (bei Treuhand-Modell). Insofern sorgt dieses Vehikel für mehr Unabhängigkeit der Anleger als auch Asset Manager (insbesondere im Service-KVG-Modell) von den KVG’en.

Die wesentlichen weiteren Inhalte des Entwurfs sind: 

  • Erweiterung der Produktpalette im KAGB außerdem durch

o        Geschlossenen Master-Feeder-AIF für geschlossene Publikums-AIF

o        Offenen Infrastruktur-Sondervermögen.

  • Anpassungen im KAGB

o        Gesellschafter-Darlehen durch offene Immobilienfonds an 100-%ige Töchter: Wegfall der Anlagegrenzen iSd § 240 KAGB

o        Verlängerung der Offenlegungsfrist für Jahresberichte von geschlossenen Publikums-Investment-KG‘en von 6 auf 9 Monate (§ 160 KAGB)

o        Schriftform wird in einigen Punkten durch Textformerfordernis ersetzt (zB bei semi-professionellen Anlegern gem. § 1 Abs. 19 Nr. 33a)ee) /Anleger nicht-risikogemischter geschlossener Publikums-AIF)

  • Umsetzung der EU-Cross-Border-Marketing-Richtlinie (insbesondere Pre-Marketing)
  • Verankerung der Taxonomie-VO sowie von ESG-Informationspflichten nach Offenlegungs-VO im KAGB

 

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Freiwillig // Gesetzeskonform // Transparent // Verbraucherfreundlich // Aktiver Datenschutz

 

NDR, WDR und die Süddeutsche Zeitung berichten aktuell über das sich in der Testphase befindliche Produkt SCHUFA CheckNow. Mit dem nachfolgenden Fragen- und Antwortkatalog liefern wir zusätzliche Informationen und verweisen ergänzend auf die von der SCHUFA am 16.11.2020 herausgegebene Pressemitteilung, die ebenfalls einen Fragen- und Antwortkatalog enthält; insbesondere zu rechtlichen Fragestellungen.

Auf welcher Rechtsgrundlage basiert das Angebot der SCHUFA?

Das neue Angebot der SCHUFA basiert auf der zweiten EU-Zahlungsdiensterichtlinie, kurz PSD2. Sie soll den Zahlungsverkehr in der EU für Verbraucher bequemer und sicherer machen und zugleich den Wettbewerb fördern. Ein wesentliches Ziel der Richtlinie ist, dass der Kontoinhaber selbst (!) darüber entscheiden kann, wer Zugriff auf die Kontodaten haben soll. Der Einblick von anderen Unternehmen über das kontoführende Kreditinstitut hinaus (sogen. Drittunternehmen) ist explizit gewollt, ist nicht neu und wird bereits umfangreich von zahlreichen Dienstleistern angeboten.

Verbraucher sollen dadurch in den Genuss mehrwertiger Services und Angebote kommen, die sie bisher nicht wahrnehmen konnten. Zu solchen Angeboten zählen zum Beispiel die digitale Erstellung einer Haushaltsrechnung, die Nutzung anderer Zahlungsdienstleister, die Verwaltung von mehreren Bankkonten bei Drittanbietern oder eben eine zusätzliche Bonitätsbewertung.

Welchen Nutzen bietet SCHUFA CheckNow?

Mit SCHUFA CheckNow können Verbraucher, die auf Basis der bisherigen Risikoprüfung von einem Produkt- oder Kreditanbieter keinen Vertrag erhalten haben, zusätzliche Informationen aus ihrem Konto freigegeben und damit ihre Bonitätsbewertung ggf. verbessern.

Was ist Gegenstand des aktuellen Tests bezüglich des zusätzlichen Angebots der Datenspeicherung bei der SCHUFA?

Im aktuellen Test wird insbesondere die Klickstrecke getestet. Hier kommt es darauf an, Transparenz, Verbraucherfreundlichkeit und Convenience zusammenzuführen. Ferner testen wir die Akzeptanz einer freiwilligen Einwilligung in die weitere Speicherung der Daten für einen Zeitraum von zwölf Monaten.

Welchen Nutzen hätte ein Verbraucher von der längerfristigen Speicherung bei der SCHUFA?

Ziel ist es, dass der Verbraucher die Möglichkeit erhält, dass positive Kontoinformationen auch für zukünftige Transaktionen und Bonitätsabfragen genutzt werden können. Mit der freiwilligen Speicherung der Daten bei der SCHUFA kann der Verbraucher weitere zukünftige Kontozugriffe durch Dritte vermeiden und seine Daten dennoch für ihn vorteilhaft in eine SCHUFA-Bonitätsbewertung einfließen lassen. Für den Verbraucher hat das den Vorteil, dass er nicht bei jeder Transaktion den Kontozugriff zulassen muss, so lange er die Daten noch für aktuell hält.

Wesentlicher Vorteil ist hierbei, dass die Kontoanalyse nur einmal bei der SCHUFA stattfindet und für weitere Bonitätsberechnungen die detaillierten Kontodaten NICHT weitergegeben werden, sondern nur eine Bonitätsauskunft. Dies bedeutet für den Verbraucher einen deutlich besseren Schutz seiner sensiblen Daten.

Welche Daten sollen bei der SCHUFA auf Basis der erteilten Einwilligung gespeichert werden?

Der Kreis der bei der SCHUFA gespeicherten Kontodaten beschränkt sich ausschließlich auf die zur Bonitätsbewertung und Betrugsbekämpfung relevanten Daten und enthält gerade keine besonders sensiblen Daten, die bei Kontozugriffen ansonsten zugänglich sind und erst selektiert werden müssen.

Kann der Verbraucher seine Einwilligung auch widerrufen?

Der Verbraucher kann seine Einwilligung hierzu jederzeit widerrufen. Der Widerruf der Einwilligung führt dann auch zur Löschung der Daten.

Erhält der Verbraucher volle Transparenz darüber, was die SCHUFA speichert?

Durch die kostenlose Datenübersicht nach Art. 15 DS-GVO hat der Verbraucher volle Transparenz darüber, was die SCHUFA speichert und welche Informationen sie an andere Unternehmen wann und in welchem Zusammenhang weitergibt.

 

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SCHUFA Holding AG, Kormoranweg 5, 65201 Wiesbaden, Tel: +49 611 – 92 78-888, www.schufa.de

BFH – Urteil vom 21.07.2020  IX R 26/19

 

Die Finanzgerichte dürfen eine vertragliche Kaufpreisaufteilung auf Grund und Gebäude, die die realen Verhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar erscheint, nicht durch die nach Maßgabe der Arbeitshilfe des Bundesfinanzministeriums (BMF) ermittelte Aufteilung ersetzen. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 21.07.2020 (IX R 26/19) entschieden.

Die Klägerin hat im Jahr 2017 eine (vermietete) Eigentumswohnung in einer Großstadt zum Kaufpreis von 110.000 € erworben. Nach dem Kaufvertrag sollten davon 20.000 € auf das Grundstück entfallen. Dementsprechend ging die Klägerin für Abschreibungszwecke von einem Gebäudeanteil von rund 82 % aus. Hingegen ermittelte das Finanzamt einen Gebäudeanteil von rund 31 %. Dabei legte es die vom BMF im Internet bereitgestellte “Arbeitshilfe zur Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für ein bebautes Grundstück (Kaufpreisaufteilung)” zugrunde.

Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen gerichtete Klage ab und sah in der Arbeitshilfe ein geeignetes Wertermittlungsverfahren, um die Marktangemessenheit einer vertraglichen Kaufpreisaufteilung widerlegen zu können, zugleich aber auch eine geeignete Schätzungshilfe.

Dem ist der BFH entgegengetreten. Die Arbeitshilfe des BMF gewährleiste die von der Rechtsprechung geforderte Aufteilung nach den realen Verkehrswerten von Grund und Gebäude nicht. Denn die Auswahl der zur Verfügung stehenden Bewertungsverfahren würde auf das (vereinfachte) Sachwertverfahren verengt. Auch bleibe der vor allem in großstädtischen Ballungsräumen relevante Orts- oder Regionalisierungsfaktor bei der Ermittlung des Gebäudewerts unberücksichtigt. Deshalb sei das FG im Fall einer streitigen Grundstücksbewertung in der Regel gehalten, das Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken einzuholen.

Siehe auch: IX R 26/19, IX R 26/19

 

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Liebe Versicherungsmaklerinnen und Versicherungsmakler, liebe Mandantinnen und Mandanten,

 

aus unserer Sicht gibt es einen klaren Trend, dass immer mehr Versicherungsmakler auch sehr gerne eine Online-Vermittlung von Versicherungsverträgen anbieten möchten. Dabei stellt sich dann natürlich die juristische Frage, wie ein Online-Vergleich, eine Bewertung und ein erteilter Rat des Maklers inhaltlich genau ausgestaltet sein müssen?

Eine „Online-Plattform“ für die Vermittlung von Versicherungsprodukten erhielt zu diesen Fragen eine konkrete Antwort durch das Landgericht Leipzig (Az. 05 O 1789/19), welche recht frisch am 09.09.2020 verkündet wurde und gerade rechtskräftig wurde. Das vollständige Urteil können Sie hier nachlesen.

Was war geschehen:

Der Online-Anbieter von Versicherungsschutz hatte einen Vergleich für Haftpflichtversicherungen auf seiner Internetseite. Die Angebote wurden in einer Ergebnisliste mit einem (sehr schlecht) bis zu fünf (sehr gut) Sternen bewertet. Blickt der Verbraucher auf die Sterne unterhalb des jeweiligen Anbieternamens, erscheint eine Übersicht. Wird weiter auf das „i“ vor dem jeweiligen Bewertungskriterium geklickt, öffnet sich ein weiteres Fenster, das die Bewertungskriterien erläutert. Danach sind diesem, sich weiter öffnenden Fester Kriterien zu entnehmen, die bewertet werden können (z. B. die Zuverlässigkeit und dem Service beim Anfordern individueller Angebote zum Kriterium „Angebotswesen“).

Dem hiesigen Kläger waren diese Informationen aber nicht genug. Er rügt, dass es keine weiteren Hinweise oder Erläuterungen zum Zustandekommen der Sterne-Bewertungen gab. In einer Rubrik „so werden die Tipps ermittelt“ sei jedenfalls damals kein weiterer Hinweis erfolgt, welche Kriterien für die „Sterne-Bewertungen“ herangezogen worden.

Nun stellt sich natürlich die erste rechtliche Frage, ob die Sterne-Bewertungen von sehr schlecht bis sehr gut ausreichend sind, um dem Kunden das Ergebnis der vergleichenden Betrachtung der unterschiedlichen Versicherungsprodukte vorzustellen? Oder ist nur das Ergebnis der Bewertung des Versicherungsmaklers nicht ausreichend? Muss der Online-Vergleich ggf. selber seine eigenen Bewertungskriterien, auf denen das Vergleichsergebnis basiert, offenlegen? Offensichtlich war auch nicht ganz klar, wer denn nun die Sternebewertungen und die Einteilungen vorgenommen habe. Der Online-Vermittler habe darauf hingewiesen, er selbst habe die Einteilung in die unterschiedlichen Sterne-Bewertungen vorgenommen. Die Klägerseite hatte noch gerügt, dass nicht erkennbar sei, welche Personen unter welchen Bedingungen und nach welchen Kriterien wie viele Bewertungen abgegeben hatten.

Der Online-Vermittler (die Beklagte), war der Ansicht, dass die Verbraucher hinreichend informiert waren, von wem und wie die Sterne-Bewertungen vorgenommen wurden. Die Verbraucher seien auch über die Person des Bewertenden und die Bewertungsart – „Bewertung nach der Erfahrung des Betreibers des Vergleichsrechners“ – informiert worden.

Für das Gericht stellte sich also die Frage, ob eine ausreichende Information durch die vom Online-Vermittler vorgenommene „Sterne-Bewertung“ für die Online-Versicherungsvermittlung vorgenommen worden war?

Die wettbewerbsrechtliche Grundlage in einem solchen Fall könnte § 5a Abs. 2 UWG sein. Nach dieser Norm handelt unlauter, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält, die dieser je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte. Als Vorenthalten gilt auch das Verheimlichen wesentlicher Informationen und die Bereitstellung wesentlicher Informationen in unklarer, unverständlicher oder zweideutiger Weise. Bei der Beurteilung von geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern ist auf den durchschnittlichen Verbraucher des angesprochenen Verbraucherkreises abzustellen (§ 3 Abs. 4 UWG).

Aufgrund dieser Rechtsgrundlage erkannte das Landgericht Leipzig einen Verstoß gegen § 5a Abs. 2 UWG. An den Bewertungen kann sich ein Verbraucher jedoch nur dann in sachlich nachvollziehbarer Weise orientieren, wenn er Informationen darüber erhält, wer die Bewertungen abgegeben hat und welche sachbezogenen Kriterien den Bewertungen zu Grunde liegen.

Damit ist eigentlich auch schon alles Relevante für die Anforderungen an ein eigenes Bewertungssystem des Versicherungsmaklers gesagt. Danach ergibt sich für Versicherungsmakler als erstes die klare Verpflichtung, konkret mitzuteilen, dass man als Versicherungsmakler einen solchen Online-Vergleich vornimmt.

Im Weiteren ist es auch nicht ausreichend, wenn als Bewertungskriterium nur die Zuverlässigkeit und der Service beim Anfordern individueller Angebote zum Kriterium „Angebotswesen“ für die Sterne-Bewertung zur Verfügung gestellt wird. Vielmehr müssen vernünftige Grundlagen für die Bewertung auf der Internetseite mitgeteilt werden, sodass sachbezogene Kriterien den Bewertungen zugrunde liegen.

Das Gericht war daher der Auffassung, dass weder Kriterien für die Nachvollziehbarkeit der Bewertungen noch Angaben zum Bewertenden (dem Online-Vergleicher) entnommen werden konnten. Mangels Vorliegen besonderer Umstände ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Vorenthalten einer wesentlichen Information, die der Verbraucher nach den Umständen für eine informierte Entscheidung benötigt, auch geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er bei der gebotenen gewesenen Information nicht getroffen hätte (BGH, GRUR 2016, 403, Rd. 25).

Fazit:

Ein Versicherungsmakler ist also grundsätzlich berechtigt, eine eigenes Bewertungssystem für den Vergleich von Versicherungen aufzubauen. Eine erste selbstverständliche Information, die die Internetseite zu enthalten hat, ist, in welchem Rechtsstatus der Versicherungsvermittler agiert. Ein Versicherungsmakler hat also zunächst einmal klar darzulegen, dass er als Versicherungsmakler tätig ist.

Wenn ein Versicherungsmakler dann ein eigenes Bewertungssystem aufbaut, dann hat er die Art und Weise, wie er zu der eigenen Bewertung gekommen ist, nachvollziehbar darzulegen. Für die Differenzierung bedarf es auch sachbezogener Kriterien zu den Bewertungen. Nach meiner Auffassung sind auch subjektive individuelle Bewertungen des Versicherungsmaklers sachbezogene Kriterien, die zur Differenzierung des Bewertungsergebnissen herangezogen werden können.

Eine vom Makler selbst geschaffene Sterne-Bewertung muss jedoch darlegen, auf welcher genauen Grundlage die Bewertungen und deren Ergebnis erfolgten. Natürlich darf eine solches Bewertungssystem auch nicht irreführend sein. Es muss klar zu erkennen sein, dass es sich nicht um Kundenbewertungen handelt, sondern um ein eigenes Bewertungssystem des Versicherungsmaklers.

Jedenfalls hat der Versicherungsmakler sein „Geschäftsgeheimnis“ dahingehend zu offenbaren, dass er seine individuellen Bewertungskriterien für den Produktvergleich über die Internetseite offenzulegen hat. Denn für einen potenziellen Kunden muss es schon nachvollziehbar sein, auf welchen Bewertungsgrundlagen die Sterne-Bewertungen ihr Ergebnis gefunden haben.

Ein solches Informationssystem entspricht nur dann den gesetzlichen Anforderungen, wenn es die wesentlichen Informationen zu den Bewertungskriterien beinhaltet, um einen Verbraucher hinreichend zu informieren. Dementsprechend dürfen auch keine Informationen vorenthalten werden. Die wesentlichen Informationen sind in klarer, verständlicher und eindeutiger Weise bereitzustellen.

Ansonsten droht Ihnen möglicherweise eine Unterlassungsklage, gegen eine derartige Online-Vermittlung mit einen eigenen Bewertungssystem, wie in dem vorliegenden Rechtsstreit beim LG Leipzig.

Herzliche Grüße!

Ihr,

Stephan Michaelis LL.M.

Fachanwalt für Versicherungsrecht

Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

 

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BFH – Urteil vom 16.06.2020   VIII R 29/19

 

Die Abgabe der Einkommensteuererklärung durch Datenfernübertragung ist wirtschaftlich unzumutbar, wenn der finanzielle Aufwand für die Einrichtung und Aufrechterhaltung einer Datenfernübertragungsmöglichkeit in keinem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis zu den Einkünften steht, die die Pflicht zur elektronischen Erklärungsabgabe auslösen. Das hat der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) mit Urteil vom 16.06.2020 (VIII R 29/19) entschieden.

Der Kläger war seit 2006 selbständiger Physiotherapeut. Mitarbeiter und Praxis-/ Büroräume hatte er nicht, ebenso wenig einen Internetzugang.

Bis einschließlich 2016 veranlagte das Finanzamt (FA) den Kläger auf der Grundlage der handschriftlich ausgefüllten amtlichen Erklärungsvordrucke zur Einkommensteuer. Für das Streitjahr 2017 forderte es den Kläger mehrfach erfolglos zur elektronischen Übermittlung der Einkommensteuererklärung auf und setzte daraufhin ein Zwangsgeld gegen den Kläger fest. Den Antrag des Klägers, von der Verpflichtung zur elektronischen Erklärungsabgabe befreit zu werden, lehnte das FA ab.

Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) verpflichtete das FA, auf die elektronische Erklärungsabgabe zu verzichten, und hob die Festsetzung des Zwangsgeldes auf. Der BFH bestätigte die Entscheidung des FG und wies die Revision des FA zurück.

Gemäß § 150 Abs. 8 Satz 1 AO i.V.m. § 25 Abs. 4 Satz 2 EStG muss die Finanzbehörde auf Antrag zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine Übermittlung der Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung verzichten, wenn eine solche Erklärungsabgabe für den Steuerpflichtigen wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist. Wirtschaftliche Unzumutbarkeit liegt insbesondere vor, wenn die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine Datenfernübertragung nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre.

Ob ein nicht unerheblicher finanzieller Aufwand anzunehmen ist, kann nur unter Berücksichtigung der betrieblichen Einkünfte des Steuerpflichtigen im Sinne des  § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 EStG entschieden werden. Denn die Härtefallregelung soll Kleinstbetriebe privilegieren. Da der Kläger im Streitjahr nur 14.534 € aus seiner selbständigen Arbeit erzielt hatte, ging der BFH von einer einem Kleinstbetrieb vergleichbaren Situation aus. Die elektronische Erklärungsabgabe konnte daher nicht rechtmäßig angeordnet werden und so auch das Zwangsgeld zu ihrer Durchsetzung keinen Bestand haben.

Siehe auch: VIII R 29/19

 

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Bundesfinanzhof, Aktenzeichen IX R 42/15

 

Hat der Eigentümer eines Wohnhauses diese Immobilie an Angehörige vermietet, legt der Fiskus großen Wert auf den Nachweis der lückenlosen Mietzahlungen. So sollen Scheinmietverhältnisse unter Familienmitgliedern verhindert werden. Allerdings gibt es nach Auskunft des Infodienstes Recht und Steuern der LBS auch ein Verständnis für Sonderfälle.

Der Fall: Ein Sohn hatte sein Haus an die eigenen Eltern vermietet. Nach der gerichtlich angeordneten Unterbringung der Eltern in einem Pflegeheim zahlten diese die Miete nicht mehr. Die Immobilie stand leer und der Fiskus zweifelte die Vermietungsabsicht des Eigentümers an. Das hätte ihm erhebliche steuerliche Nachteile bereiten können.

Das Urteil: Der kurzfristige Übergang vom Mietverhältnis mit Angehörigen zu einer Neuvermietung an andere sei hinzunehmen, beschlossen Deutschlands höchste Richter. Das gelte zumindest dann, wenn zwischen der Unterbringung im Pflegeheim und der Übergabe des Wohnhauses in geräumten Zustand ungefähr ein halbes Jahr verstreiche.

 

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BFH – Urteil vom 13.08.2020  VI R 15/18

 

Zivilprozesskosten sind auch dann vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen, wenn sie für einen Umgangsrechtsstreit zwecks Rückführung eines entführten Kindes aus dem Ausland zurück nach Deutschland entstanden sind. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 13.08.2020 – VI R 15/18 entschieden.

Die Tochter des Klägers wurde kurz nach der Geburt von der Mutter in deren Heimatland in Südamerika verbracht. Der Kläger versuchte – vergeblich -, die Tochter mittels des Verfahrens zum Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung nach Deutschland zurückzuholen. Die dafür bisher entstandenen Gerichts- und Anwaltskosten von über 20.000 € machte er als außergewöhnliche Belastung geltend. Das Finanzamt lehnte dies unter Hinweis auf die entgegenstehende Rechtslage ab.

Anders als zuvor das FG bestätigte der BFH die Rechtsauffassung des Finanzamts. Für Prozess-kosten gelte ab dem Veranlagungszeitraum 2013 ein grundsätzliches Abzugsverbot (§ 33 Abs. 2 Satz 4 EStG). Nur wenn der Steuerpflichtige ohne die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine notwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, sei ein Abzug der Prozesskosen (ausnahmsweise) zulässig. Existenzgrundlage im Sinne des Gesetzes sei aber nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers allein die materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen. Durch die Kindesentführung sei ungeachtet der besonderen emotionalen und auch finanziellen Belastung für den Kläger allein dessen immaterielle Existenzgrundlage betroffen. Es sei auch verfassungsrechtlich nicht geboten, die Begriffe der Existenzgrundlage und der lebensnotwendigen Bedürfnisse in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG (auch) in einem immateriellen Sinne zu deuten. Der BFH bestätigte damit seine bisherige strenge Auffassung, der das FG mit einem sog. Rüttelurteil entgegengetreten war.

Siehe auch: VI R 15/18

 

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Dr. Jan Freitag, Fachanwalt für Arbeitsrecht

 

Wir unterstützen im Versicherungsvertrieb insbesondere Versicherungsmakler mit umfassender zivil- bzw. wirtschaftsrechtlicher Beratung und Betreuung. Deswegen werden nicht nur die naheliegenden Rechtsbereiche wie das Versicherungs- oder Kaptalanlagerecht angeboten, sondern auch weitere Rechtsbereiche, die zu den (rechtlichen) Alltagsthemen bei der Führung eines Versicherungsmaklerunternehmens gehören. Solche Rechtsbereiche sind zum Beispiel auch das Gesellschaftsrecht, das allgemeine Vertragsrecht, das Wettbewerbsrecht, das rechtliche Thema Datenschutz, Compliance, Handelsvertreterrecht und u.a. natürlich auch das Arbeitsrecht.

Beim Arbeitsrecht geht es dabei nicht nur um die Gestaltung von Arbeitsverträgen mit Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder um die leider immer wieder vorkommende Themen wie Abmahnung oder Kündigung. Teil des Arbeitsrechtes ist auch das sogenannte Kollektivarbeitsrecht. Vom Kollektivarbeitsrecht sind Firmen und Versicherungsmakler betroffen, die einen Betriebsrat haben. Dies müssen nicht immer große Maklerhäuser sein. Denn einen Betriebsrat dürfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereits ab fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gründen.

Gibt es einen Betriebsrat, bedarf es in der Firma auch Kompetenzen im Kollektivarbeitsrecht, welches viele Besonderheiten aufweist. Schon von den Begrifflichkeiten her sind Besonderheiten zu beachten, z.B. gibt es hier keine Urteilsverfahren bzw. Urteile, sondern sogenannte Beschlussverfahren und Beschlüsse. Man legt zum Beispiel auch keine Berufung ein, sondern das Rechtsmittel der Beschwerde. Weiterer großer Unterschied ist, dass anders als sonst im Zivilrecht nicht der Beibringungsgrundsatz, sondern (ähnlich wie im Strafrecht) im Kollektivarbeitsrecht der Amtsermittlungsgrundsatz im gerichtlichen Verfahren gilt.

Ein wichtiges Thema in diesem Zusammenhang, zu dem gerade der Unterzeichner ein viel beachtetes Urteil erreicht hat, betrifft die Wirksamkeit von Betriebsratswahlen. Darum kann es nicht nur bei bestehenden Betriebsräten im Rahmen der turnusgemäßen Wahlen gemäß § 13 Absatz 1 BetrVG gehen (das nächste Mal vom 01.03. bis zum 31.05.2022) sondern es geht auch dann darum, wenn sich ein Betriebsrat zwischenzeitlich neu in der Firma gründet.

Je nach Interessenlage kann es sinnvoll sein, streng darauf zu schauen, ob zum Beispiel der neugegründete Betriebsrat in seiner Wahl auch alles richtig gemacht hat. Denn es geht in der Folge um erhebliche Kosten, nicht nur die Kosten für die reine Betriebsratswahl, sondern auch die Kosten für die Mittel des Betriebsrates (zum Beispiel eigene Laptops, eigene Räume). Sehr teuer sind aber auch häufig die oft längeren Betriebsratsschulungen für die neuen Betriebsratsmitglieder oder auch alle Gebühren, die zum Beispiel durch Anwälte entstehen, die den Betriebsrat beraten. Alle diese Kosten sind grundsätzlich vom Arbeitgeber zu zahlen.

Insofern sollte es mit den Betriebsratswahlen auch seine Richtigkeit haben. In einer ganz besonderen Konstellation durfte die Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte dabei in einem in der „juristischen Szene“ vielbeachteten Urteil (auch das Bundesarbeitsgericht hat hier eine Verhandlung zugelassen) auf Ebene des Landesarbeitsgerichtes erreichen, dass die Betriebsratswahl in einer von der Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte vertretenen Firma für nichtig erklärt wurde.

Bezüglich der Wahlverfahren muss man wissen, dass diese kompliziert sind. Es müssen nicht nur die bekannten allgemeinen Wahlrechtgrundsätze jeder Wahl (wie zum Beispiel aktuell bei der US-Wahl oder bei einer Bundestagswahl) gewahrt werden. Zusätzlich sind z.B. auch Geschlechterparitäten zu beachten, was schon die Erstellung von Wahllisten deutlich komplizierter macht. Das Betriebsverfassungsrecht, insbesondere die einschlägigen Wahlordnungen enthalten hier eine Reihe spezieller Regelungen.

In dem Beschluss LAG Thüringen, 4 TaBV 12/19 ging es um einen Lebenssachverhalt, dass ein Arbeitgeber vor einem geplanten Betriebsumzug an drei unterschiedlichen Standorten tätig war. Nur an einem dieser drei Standorte bestand vor dem Umzug ein Betriebsrat. Es kam zu einem Streit zwischen dem Arbeitgeber und dem von einer Gewerkschaft vertretenen Wahlvorstand im Rahmen von geplanten Betriebsrats-Nachwahlen darüber, für welche Standorte der Arbeitgeber Mitarbeiterlisten vorzulegen habe. Man einigte sich vor dem Arbeitsgericht darauf, dass der Arbeitgeber für zwei von drei Standorten die Listen vorlegen sollte.

Trotzdem, für den Arbeitgeber völlig unverständlich, hat der Wahlvorstand des Betriebsrates die Wahl an allen der drei Standorte durchgeführt. Offensichtlich hatte der Wahlvorstand für den dritten Standort, auf dessen Name er nach dem gerichtlichen Vergleich eigentlich gar keinen Anspruch hatte, irgendwelche alten Telefonlisten aus einem Büro dieses dritten Standortes an sich genommen und daraus die Liste auch für den dritten Standort der Firma für die Wahllisten erstellt. Die Problematik war nur, dass auf dieser veralteten Telefonliste viele neue Mitarbeiter der Firma noch gar nicht vorhanden waren, viele ausgeschiedene Mitarbeiter dagegen noch draufstanden und in der Wählerliste erschienen. Außerdem waren auf dieser Telefonliste noch Externe, wie Kunden, Dienstleister oder sogar privaten Kontakte, die dann auf der Wählerliste erschienen.

Aufgrund der Kompliziertheit der Betriebsratswahlen (zum Beispiel Geschlechterparität, neben den Wahlrechtgrundsätzen) kommt es nun häufig zu einer Unwirksamkeit der Betriebsratswahl. Rechtsfolge ist dabei „nur“, dass die Betriebsratswahl wiederholt werden muss, dass aber alles, was bisher vom gewählten Betriebsrat unternommen wurde, wirksam bleibt. Insbesondere kann der Arbeitgeber nichts gegen die bisher entstandenen Kosten für die unwirksame Wahl oder für die Schulungen, die bei der ersten unwirksamen Wahl entstanden sind, tun.

Nur selten in der deutschen Arbeitsrechtsgeschichte kommt es zu nichtigen (nicht nur „unwirksamen“) Betriebsratswahlen. Dann sind die Wahlrechtsgrundsätze in einer solchen erheblichen Weise verletzt, dass die Wahl von Anfang an nichtig war. Die sehr starke Konsequenz für die Akteure auf Betriebsratsseite ist, dass durch die Nichtigkeit der Wahl alle Kosten dem Arbeitgeber grundsätzlich zu erstatten sind. Die bestehenden Betriebsratsmitglieder, beteiligte Anwälte auf Betriebsratsseite, aber auch beteiligte Hotels oder Seminarveranstalter, bei denen die Betriebsräte gebucht hatten, bleiben so ggf. auf ihren Kosten sitzen, wenn der Betriebsrat diese Kosten nicht begleichen kann. Der Arbeitgeber braucht diese Kosten dann nicht tragen!

Eine solche Nichtigkeit von Betriebsratswahlen kommt zwar sehr selten vor. In dem oben genannten Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht Thüringen (4 TaBV 12/19) konnte der Unterzeichner nach langen rechtlichen Diskussionen und nach vielen gescheiterten Einigungsversuchen mit der Seite des Betriebsrates, einen solchen juristisch seltenen und damit wertvollen Beschluss erreichen.

Dieser Beschluss des Landesarbeitsgerichtes Thüringen ist noch einmal ein deutlicher Warnhinweis an alle Beteiligten in verfassten Firmen (Firmen mit Betriebsrat), schon am Beginn, bei Betriebsratswahlen gründlich darauf zu achten, dass alles den gesetzlichen Normen entspricht.

Dr. Jan Freitag, Fachanwalt für Arbeitsrecht,

Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte, Glockengießerwall 2, 20095 Hamburg,

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Unsere Kanzlei bietet über ihre Rechtsanwälte anwaltliche Beratung in unterschiedlichen juristischen Disziplinen, speziell für den Versicherungsvertrieb. Der Unterzeichner als Fachanwalt für Arbeitsrecht beschäftigt sich in der Firmenberatung um das weite Feld des Arbeitsrechtes, z.B. mit der Gestaltung von Arbeitsverträgen in allen Facetten, mit Kündigungen von Arbeitnehmern oder mit Betriebsratsthemen. Viele Firmen nutzen dabei die Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte über eine monatliche Beratungspauschale in den unterschiedlichen juristischen Bereichen als „externe Rechtsabteilung“ für einen monatlich überschaubaren Pauschalbetrag.

 

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Bereits der erste Lockdown ab März 2020 führte zu erheblichen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit Betriebsschließungsversicherungen, die noch lange nicht ausgestanden sind und deren juristische Aufarbeitung gerade erst begonnen hat.

 

Der zweite Lockdown seit dem 2. November dürfte diese Thematik noch verschärfen.

Mit der Corona-Krise gerieten insbesondere unzählige Hotels und Restaurant aber auch Kitabetreiber, Handwerker, Ladenbetreiber und viele andere Gewerbebetriebe in existentielle finanzielle Not. Viele hatten für diesen Fall mit einer Betriebsschließungsversicherung vorgesorgt. Diverse Versicherer lehnten die Übernahme der Versicherungsleistung ab, unterbreiteten Zahlungsangebote, die in vielen Fällen inakzeptabel waren und sprachen die Kündigung der Versicherungspolice. Wirth-Rechtsanwälte bearbeitet inzwischen eine Vielzahl dieser Fälle.

Viele Firmen, vor allen Dingen aber Gastronomen und Hotelbetreiber stehen vor einer ähnlichen Situation wie bereits Ende März. Sie müssen ab erneut ihre Betriebe ganz oder teilweise schließen. Soweit diese Firmen mit Ihrem Betriebsschließungsversicherer keinen Vergleich geschlossen haben oder die Verträge nicht schon durch Kündigung wirksam beendet oder angepasst wurden, bestehen die Versicherungsverträge in vielen Fällen unverändert fort.

Dementsprechend gibt es derzeit viele Fragen dazu, ob nun nicht ein neuer Versicherungsfall eingetreten sei und daher ggf. neue Leistungsansprüche entstehen können. Wie so oft lässt sich diese Frage nicht pauschal beantworten. Im Ergebnis dürfte aber in vielen Fälle ein neuer Versicherungsfall eingetreten sein, wenn nicht mit dem Versicherer vereinbart wurde, dass SARS Cov-2 und/ oder Pandemien ausdrücklich ausgeschlossen sind.

Teilweise sind in den Versicherungsverträgen zwar Regelungen enthalten, wonach mehrfache Anordnung aufgrund gleicher Umstände ausgeschlossen sind. So heißt es in den Bedingungen mehrerer Versicherer gleichlautend:

„Mehrfache Anordnung

Wird eine der durch die Versicherung gedeckten Maßnahmen mehrmals angeordnet und beruhen die mehrfachen Anordnungen auf den gleichen Umständen, so wird die nach Nr. 3 zu leistende Entschädigung nur einmal zur Verfügung gestellt.“

Derartige Vereinbarungen dürften aber mindestens deswegen unwirksam sein, weil sie keine zeitliche Zäsur enthalten und daher entgegen dem Vertragszweck zu einer abschließenden – unzulässigen – Beschränkung des Versicherungsschutzes führen würden. Um es plakativer und ohne Pandemie auszudrücken: Wenn in einem Restaurant mehrmals Salmonellen auftreten, unter Umständen erst im Abstand von mehreren Jahren – sind dann Salmonellen nach der Klausel nach dem ersten Fall nie wieder mitversichert? Das dürfte schwerlich – insbesondere nach dem maßgeblichen Verständnis des versicherten Unternehmens – der Fall sein.

Darüber hinaus sollte aber auch solchen Versicherungsnehmern Anspruch wegen des zweiten Lockdowns zustehen, die mit ihrem Versicherer einen Vergleich geschlossen haben. In einer Vielzahl von Fällen dürften die mit dem jeweiligen Versicherer geschlossen Vergleiche treuwidrig und damit unwirksam sein. Es entsprach und entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass Vergleiche mit Versicherungsnehmern dem Umstand Rechnung tragen müssen, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer aufgrund seines Fachwissen regelmäßig überlegen ist. Das wiederum hat zur Folge, dass Versicherer nur dann wirksam Vergleiche schließen dürften, wenn sie sich sehr redlich gegenüber ihrem Kunden verhalten und ihn unter anderem auf die mit dem Vergleich verbundenen Nachteile hinweise.

Fachanwalt für Versicherungsrecht Tobias Strübing, Wirth-Rechtsanwälte, wertet das so: „Wir haben bisher fast keinen Vergleichsvorschlag gesehen, der dieser Rechtsprechung ausreichend Rechnung getragen hat. Es bleibt also ein Dauerthema. Ansprüche auf Versicherungsleistung sollten durch die betroffenen Unternehmen und Gewerbetreibenden unbedingt angemeldet werden, auch wenn schon beim ersten Lockdown die Ablehnung kam oder ein Vergleich geschlossen wurde.“

Ansprechpartner zu dieser Meldung: Fachanwalt für Versicherungsrecht Tobias Strübing, LL.M. struebing@wirth-rae.de

Über Wirth-Rechtsanwälte:

Seit 1998 vertrauen anspruchsvolle Mandanten in Rechtsfragen auf die Kompetenz der bundesweit tätigen Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte. Die in der Kanzlei tätigen Anwälte haben sich insbesondere auf das Versicherungs-, Bank- und Kapitalmarktrecht sowie gewerblichen Rechtschutz und Datenschutz spezialisiert.

 

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Die deutschen Verwaltungsgerichte stellen sich auf vermehrte Überprüfungen der neuen Corona-Schutzverordnungen ein.

 

Die Verwaltungsgerichte könnten “in jedem Einzelfall zeitnah effektiven Rechtsschutz gewähren”, sagte der Vorsitzende des Bundes Deutscher Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen, Robert Seegmüller, der Düsseldorfer “Rheinischen Post” (Samstag). In welchem Umfang es wegen der geplanten Grundrechtseingriffe zu Rechtsschutzverfahren kommen werde, sei derzeit noch nicht verlässlich zu prognostizieren. Die 51 Verwaltungsgerichte und 15 Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe hätten die Maßstäbe für die Kontrolle von Grundrechtseinschränkungen zur Corona-Eindämmung in den vergangenen Monaten “immer weiter präzisiert”. Danach müsse “jede Eindämmungsmaßnahme für sich genommen notwendig sein”, betonte Seegmüller. Es reiche nicht, dass sie lediglich als nützlich angesehen werde. Vielmehr dürften Behörden “nur solche Maßnahmen verbindlich anordnen, die zur Erreichung infektionsschutzrechtlich legitimer Ziele objektiv notwendig” seien. Erforderlich sei eine Maßnahme nur, wenn es keine gleich geeignete, weniger belastende gebe.

 

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Rheinische Post, Zülpicher Straße 10, 40196 Düsseldorf, Tel: 0211/505-2621, www.rp-online.de

BFH – Urteil vom 13.08.2020 VI R 1/17

 

Mit Urteil vom 13.08.2020 – VI R 1/17 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass die Zahlung eines Verwarnungsgeldes durch den Arbeitgeber nicht zu Arbeitslohn bei dem Arbeitnehmer führt, der die Ordnungswidrigkeit (Parkverstoß) begangen hat.

Die Klägerin betrieb einen Paketzustelldienst im gesamten Bundesgebiet. Soweit sie in Innenstädten bei den zuständigen Behörden keine Ausnahmegenehmigung nach § 46 der Straßenverkehrs-Ordnung erhalten konnte, die ein kurzfristiges Halten zum Be- und Entladen in ansonsten nicht freigegebenen Bereichen (z.B. Halteverbots- oder Fußgängerzonen) unter bestimmten Auflagen ermöglicht hätte, nahm sie es hin, dass die Fahrer ihre Fahrzeuge auch in Halteverbotsbereichen oder Fußgängerzonen kurzfristig anhielten. Wenn für diese Ordnungswidrigkeit Verwarnungsgelder erhoben wurden, zahlte die Klägerin diese als Halterin der Fahrzeuge.

Das Finanzamt (FA) war unter Verweis auf ein früheres BFH-Urteil der Ansicht, es handele sich hierbei um Arbeitslohn. Das Finanzgericht (FG) gab demgegenüber der Klägerin Recht. Der BFH hob das FG-Urteil auf und wies die Rechtssache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück.

Er bestätigte das FG zunächst darin, dass im Streitfall die Zahlung der Verwarnungsgelder auf eine eigene Schuld der Klägerin erfolgt ist und daher nicht zu einem Zufluss von Arbeitslohn bei dem Arbeitnehmer führen kann, der die Ordnungswidrigkeit begangen hat.

Im zweiten Rechtsgang hat das FG aber noch zu prüfen, ob den Fahrern, die einen Parkverstoß begangen hatten, nicht dadurch ein geldwerter Vorteil und damit Arbeitslohn zugeflossen ist, weil die Klägerin ihnen gegenüber einen Regressanspruch hatte, auf den sie verzichtet hat. Dass es sich bei den zugrundeliegenden Parkverstößen um Ordnungswidrigkeiten im absoluten Bagatellbereich handelt, spielt nach dem BFH für die Beurteilung, ob Arbeitslohn vorliegt, keine Rolle.

Siehe auch: VI R 1/17

 

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BFH – Urteil vom 16.06.2020  VIII R 9/18

 

Wird ein zum Betriebsvermögen gehörendes, teilweise privat genutztes Kfz veräußert, erhöht der gesamte Unterschiedsbetrag zwischen Buchwert und Veräußerungserlös den Gewinn. Der Umstand, dass die tatsächlich für das Fahrzeug in Anspruch genommene AfA infolge der Besteuerung der Nutzungsentnahme für die Privatnutzung bei wirtschaftlicher Betrachtung teilweise neutralisiert wird, rechtfertigt keine Gewinnkorrektur. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 16.06.2020 (VIII R 9/18) entschieden.

Im Streitfall nutzte der Kläger einen PKW, den er im Jahr 2008 angeschafft und seinem Betriebsvermögen zugeordnet hatte, zu 25% für seine freiberufliche Tätigkeit und zu 75% für private Zwecke. Ab dem Jahr 2008 berücksichtigte das Finanzamt (FA) bei der Einkommensteuerveranlagung des Klägers einerseits antragsgemäß AfA für den PKW. Andererseits erfasste das FA wegen der privaten Nutzung des betrieblichen PKW auch Betriebseinnahmen in Höhe von 75% der für das Fahrzeug entstandenen Aufwendungen einschließlich der AfA. Dies führte dazu, dass der steuermindernde Effekt der AfA infolge der Besteuerung der Nutzungsentnahme bei wirtschaftlicher Betrachtung teilweise „neutralisiert“ wurde. Wegen dieses Effektes setzte der Kläger, als er das Fahrzeug 2013 nach vollständiger Abschreibung der Anschaffungskosten verkaufte, lediglich ein Viertel des Verkaufserlöses als Betriebseinnahme an. Das FA war demgegenüber der Meinung, der Kläger müsse den vollen Verkaufserlös versteuern.

Dies hat der BFH als zutreffend bestätigt. Der Veräußerungserlös sei – trotz vorangegangener Besteuerung der Nutzungsentnahme – in voller Höhe als Betriebseinnahme zu berücksichtigen. Er sei weder anteilig zu kürzen, noch finde eine gewinnmindernde Korrektur in Höhe der auf die private Nutzung entfallenden AfA statt. Dies beruhe – so der BFH – darauf, dass die Besteuerung der Privatnutzung eines Wirtschaftsgutes des Betriebsvermögens in Form der Nutzungsentnahme und dessen spätere Veräußerung zwei unterschiedliche Vorgänge darstellten, die getrennt zu betrachten seien. Aus dem Gesetz, insbesondere aus § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG, lasse sich kein anderes Ergebnis herleiten. In der Besteuerung des vollständigen Veräußerungserlöses sei auch kein Verstoß gegen das Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und das objektive Nettoprinzip zu sehen.

Siehe auch: VIII R 9/18

 

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Nachdem es sich in den letzten Wochen leider bereits angebahnt hat und in den letzten Tagen erwartbar gewesen ist, ist es nun leider soweit und wir bekommen einen erneuten Lockdown ab Montag.

 

Wir sind in den letzten Tagen sowohl von Maklerseite als auch von Seiten der betroffenen Mandanten in vielfachen Telefonaten und zahlreichen Mails gefragt worden, was dies jetzt im Hinblick auf die Betriebsschließungsversicherung bedeutet, ob diese im jetzt bevorstehenden Lockdown noch einmal leisten muss, wie man sich verhalten soll etc.

Aufgrund dieser zahlreichen Anfragen der letzten Tage haben wir uns entschlossen, zu den wichtigsten an uns gestellten Fragen die sich momentan offensichtlich sowohl viele Makler als auch viele Betroffene stellen, nachfolgend kurz stichpunktartig Stellung zu nehmen, um Ihnen ein Gefühl für die Situation und die möglicherweise zu beachtenden Dinge zu vermitteln. Natürlich können wir dabei nicht alle Fragen und Einzelfälle berücksichtigen. Diese sind dann telefonisch oder per Mail im Einzelnen zu klären, wofür wir Ihnen sowie Ihren Kunden selbstverständlich jederzeit gerne zur Verfügung stehe.

  1. Bisherige Entwicklung – Stand der Rechtsprechung

In den letzten Monaten hat sich immer stärker herauskristallisiert, dass bis auf ganz wenige Ausnahmen die meisten Betriebsschließungsversicherungen aufgrund der allgemeinen behördlichen Anordnungen wegen Covid-19 im März 2020 die bereits erfolgten Betriebsschließungen umfassen dürften und dass die Versicherer wohl verpflichtet sind, die aufgrund der eingetretenen Versicherungsfälle zu regulierenden Schäden zu ersetzen.

Nachdem die Versicherer sich auf breiter Front zusammengeschlossen haben um die Schadenregulierung kollektiv zu verweigern, gibt es nunmehr erste Rechtsprechung zur Thematik die bestätigt, dass die Versicherer in der Regel zur Schadenregulierung verpflichtet sein dürften.

Momentan gibt es erst relativ wenige Urteile in Sachen Betriebsschließungsversicherung aus denen sich allgemeingültige Aussagen für die zu erwartende weitere Rechtsprechung in Sachen Betriebsschließungsversicherung ergeben.

Es gibt einige Urteile/Beschlüsse in einstweiligen Verfügungsverfahren in denen die Kläger versucht haben eine Entscheidung gegen die Versicherung im einstweiligen Rechtsschutz herbeizuführen. Diese Verfahren sind nach meiner Kenntnis alle von den Gerichten negativ beschieden worden, da es bereits am Interesse des jeweiligen Antragstellers für eine Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz gefehlt hat. Die Kläger sind auf ein ganz normales Klageverfahren verwiesen worden. Mit Ausnahme des bekannten Urteils des LG Darmstadt vom 29.04.2020 haben sich die Gerichte im einstweiligen Rechtsschutz mit den wirklich relevanten Fragen inhaltlich entweder gar nicht oder kaum auseinandergesetzt, so dass hier inhaltlich – vom Urteil des Landgerichts Darmstadt abgesehen – kein großer juristischer Erkenntnisgewinn möglich gewesen ist.

So ging es bei dem in der Presse zum Zwecke der Meinungsbeeinflussung immer wieder angeführten Beschluss des OLG Hamm 20 W 21/20, Beschluss vom 15.07.2020, ebenfalls um ein einstweiliges Verfügungsverfahren bei dem der Antrag bereits mangels fehlenden Rechtsschutzinteresses zurückzuweisen war. Auf die Frage, ob Covid 19 im dort zu behandelnden Fall versichert ist oder nicht, ist das OLG nur am Rande mit einem einzelnen Absatz im Rahmen einer flüchtigen summarischen Prüfung eingegangen, und zwar erkennbar ohne sich inhaltlich damit weiter auseinanderzusetzen. Dieser insgesamt nur zwei Seiten umfassende Beschluss bringt keinen inhaltlichen Erkenntnisgewinn.

In den ersten Hauptsacheverfahren liegen mittlerweile einige wenige Urteile vor. Nach meiner Kenntnis sind in den mir inhaltlich bekannten vier Verfahren zwei Klagen abgewiesen worden und zwei Klagen hatten Erfolg. In einigen anderen Verfahren hat die jeweils betroffene Versicherungsgesellschaft kurz vor Urteilsverkündung leider mit den jeweiligen Klägern einen Vergleich mit Stillschweigensklausel geschlossen, um negative Urteile zu verhindern.

Urteile in Hauptsacheverfahren:

  • LG Ellwangen 3 O 187/20, Urteil vom 17.09.2020 – die Klage gegen die Helvetia ist abgewiesen worden. Der Kläger hat es im dortigen Verfahren möglicherweise versäumt, darzulegen, dass die Klausel mit der Aufzählung der Krankheiten unwirksam ist, da sie einer AGB-rechtlichen Prüfung nicht standhält. Da der Kläger dies offensichtlich nicht vorgetragen hat, durfte das Gericht dies auch nicht prüfen. Das Gericht hat im Zivilprozess allein den Vortrag der Parteien rechtlich zu bewerten und darf nicht eigenständig darüber hinausgehen, um einer der Parteien zu helfen. Das Urteil ist in der Sache deshalb nicht zu beanstanden.
  • LG München I 12 O 7208/20, Urteil vom 17.09.2020 – die Klage gegen die Versicherung ist abgewiesen worden, da die Klägerin – eine Kindertagesstätte in München – nicht geschlossen gewesen ist und es damit bereits an einer behördlichen Betriebsschließung gefehlt hat. Auch dieses Urteil ist rechtlich nicht zu beanstanden.
  • LG München I 12 O 5895/20, Urteil vom 01.10.2020 – das Gericht hat der Klage stattgegeben und die Versicherung (Versicherungskammer Bayern) zur Regulierung des Betriebsschließungsschadens verurteilt. Das Gericht hat in dem 30-seitigen Urteil umfänglich dargelegt und rechtlich sauber begründet, weshalb der Betrieb aufgrund behördlicher Anordnung im Sinne der Versicherungsbedingungen durch Allgemeinverfügung bzw. Rechtsverordnung geschlossen gewesen ist und dass die in den Versicherungsbedingungen enthaltene Klausel mit der Auflistung der Krankheiten einer AGB-rechtlichen Prüfung nicht standhält und unwirksam ist, weil die Auflistung der Krankheiten in den Versicherungsbedingungen trotz Bezugnahme auf den Inhalt des Gesetzes inhaltlich von diesem abweicht. Weiterhin hat das Gericht festgestellt, dass Kurzarbeitergeld sowie Überbrückungshilfen und Soforthilfen nicht schadenmindernd anzurechnen sind.
  • LG München I 12 O 5868/20, Urteil vom 22.10.2020 – das Gericht hat auch hier der Klägerin Recht gegeben und die Versicherung (Die Haftpflichtkasse VVaG) zur Regulierung des Betriebsschließungsschaden verurteilt. Das Gericht hat in dem 28-seitigen Urteil erneut umfänglich mit sauberer rechtlicher Begründung dargelegt, weshalb auch dieser Betrieb aufgrund behördlicher Anordnung im Sinne der Versicherungsbedingungen durch Allgemeinverfügung bzw. Rechtsverordnung geschlossen gewesen ist und dass auch die in den Versicherungsbedingungen der Haftpflichtkasse VVaG enthaltene Klausel der Auflistung der Krankheiten einer AGB-rechtlichen Prüfung nicht standhält und unwirksam ist, weil die Auflistung in den Versicherungsbedingungen trotz Bezugnahme auf das Gesetz inhaltlich vom Gesetz abweicht. Auch hier hat das Gericht festgestellt, dass Kurzarbeitergeld sowie Überbrückungshilfen und Soforthilfen nicht schadenmindernd anzurechnen sind.

Damit teilt das Landgericht München I die von uns zuvor bereits vertretene und publizierte Rechtsauffassung hinsichtlich der AGB-rechtlichen Unwirksamkeit der Klauseln mit der Auflistung der Krankheiten sowie auch die anderen von mir vertretenen Rechtsauffassungen in den beiden letztgenannten Entscheidungen. Die beiden zuvor genannten Entscheidungen stehen dem nicht entgegen, da sich das Gericht dort – wie kurz aufgezeigt – mit anderen Rechtsfragen auseinanderzusetzen hatte bzw. die Klagen aus ganz anderen Gründen gescheitert sind.

Bei genauerer Betrachtung der bisher uns bekannten Rechtsprechung lässt sich bisher also ein in sich schlüssiges Bild erkennen. Auch wenn die Urteile aus verschiedenen Gründen unterschiedlich ausfallen, ist doch festzustellen, dass die Argumentationslinien der Gerichte sich gleichen. Es ist deshalb durchaus gut möglich, dass die Rechtsprechung auf breiter Linie den beiden Urteilen des LG München I folgen wird. Allerdings gehe ich davon aus, dass Versicherungen jetzt aus prozesstaktischen Gründen vermehrt versuchen könnten weitere Urteile, die für sie negativ auszugehen drohen, kurz vor Urteilsverkündung durch entsprechende Vergleiche mit den Klägern samt entsprechender Stillschweigensklauseln zu verhindern, während sie Prozesse, in denen die Klagen möglicherweise aus ganz anderen Gründen abgewiesen werden oder einzelne Richter eine andere Rechtsauffassung vertreten, forcieren werden, um danach darauf hinzuweisen, in welchen Verfahren die Klagen überall abgewiesen worden sind. Dass die Klagen in diesen Verfahren möglicherweise aus ganz anderen Gründen abgewiesen worden sind, könnte dabei versehentlich in Vergessenheit geraten. Bei dieser sowohl aus dem Diesel-Skandal als auch den Kapitalanlage- und Bankenskandalen der Vergangenheit bekannten Prozesstaktik in Massenverfahren geht es vor allem darum, die öffentliche Meinung in der Presse sowie auch bei Gericht zu beeinflussen und möglichst viele Geschädigte bzw. Betroffene zu verunsichern und davon abzuhalten ebenfalls ihre Rechte geltend zu machen und notfalls zu klagen. Jedenfalls so lange, bis Verjährung eingetreten ist.

Natürlich können wir die Entwicklung der Rechtsprechung letztlich nicht vorhersehen und weise deshalb an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass es nicht auszuschließen ist, dass die Rechtsprechung sich anders entwickelt als von mir erwartet und bisher geschehen. Ich kann deshalb für meine Einschätzung der Rechtslage und der zukünftigen Entwicklung der Rechtsprechung keine Haftung übernehmen. Es handelt sich hier lediglich um meine persönliche Einschätzung auf Grundlage der mir bisher bekannten der bisherigen Entwicklung.

  1. Was folgt daraus für den erneuten Lockdown und was ist zu beachten?
  1. Muss die Versicherung bei einer erneuten behördlichen Anordnung der Betriebsschließung durch Allgemeinverfügung oder Verordnung erneut leisten?

Nach vorherstehenden Ausführungen gehe ich davon aus, dass eine Betriebsschließung aufgrund behördlicher Anordnung durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung zur Verhinderung der Verbreitung des Covid-19 vom Versicherungsschutz fast aller Betriebsschließungsversicherungen umfasst ist. Der erste im März eingetretene Versicherungsfall ist bei den meisten Betrieben abgeschlossen, nachdem diese zwischenzeitlich wieder öffnen durften und geöffnet hatten.

Bei der erneuten behördlichen Anordnung der Betriebsschließung durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung handelt es sich demnach um einen neuen Versicherungsfall.

Hier ist zu beachten, dass der Versicherungsnehmer den Eintritt dieses neuen Schadenfalles der Versicherung dann ebenso zu melden hat, wie den ersten Schadenfall im März. Es besteht eine erneute Anzeigeobliegenheit!

  1. Voraussetzung – Bestehen des Versicherungsvertrages im Zeitpunkt des Schadens

Voraussetzung für den Eintritt eines weiteren Versicherungsfalles ist, dass der Versicherungsvertrag im Zeitpunkt des Eintritts des Schadenfalles – also am 02.11.2020 – noch besteht.

  1. a) Problematik der Sonderkündigung gem. § 92 VVG

Dies setzt voraus, dass die Versicherung nach Eintritt des ersten Versicherungsfalls im März nicht von ihrem Sonderkündigungsrecht gem. § 92 VVG Gebrauch gemacht hat. Das ist – zumindest soweit mir dies bekannt ist – auf breiter Front nicht der Fall, da die Versicherungen dann ja den Eintritt des Versicherungsfalles damals hätten eingestehen müssen. Denn nur der Eintritt des Versicherungsfalles berechtigt zur Kündigung nach § 92 VVG.

Soweit vereinzelt Versicherungen eine Kündigung nach § 92 VVG ausgesprochen haben, im Rahmen derer sie aber ausdrücklich noch einmal festgestellt haben, dass ein Versicherungsfall nicht eingetreten sei, sondern lediglich ein Schaden gemeldet worden sei und man allein aufgrund der Schadenmeldung, ohne dass ein Versicherungsfall vorliege, vom Sonderkündigungsrecht nach § 92 VVG Gebrauch mache, so spricht vieles dafür, dass diese Kündigungen unwirksam sind. In einigen Fällen hat die kündigende Versicherung zudem die gesetzlich vorgeschriebene Kündigungsfrist von einem Monat nicht eingehalten, sondern mit einer Kündigungsfrist von 4 Wochen zu kündigen versucht. Ob der Versicherungsvertrag hier noch besteht oder wirksam gekündigt worden ist, ist im Einzelfall zu klären.

  1. b) Vorzeitige Vertragsaufhebung und Abschluss eines neuen Vertrages

Einzelne Versicherer haben offensichtlich in den letzten Wochen das Problem einer möglichen erneuten Leistungsverpflichtung erkannt und versuchen mit den Kunden unter einvernehmlicher Aufhebung des alten Vertrages neue Betriebsschließungsversicherungsverträge abzuschließen. Dieser Versuch ist wohl dem Umstand geschuldet, dass der Versicherer damit zu vermeiden versucht, im Falle des Eintritts eines weiteren Schadenfalles im Zuge eines erneuten Lockdowns erneut leisten zu müssen. Hier ist Vorsicht geboten. Entscheidend ist der Zeitpunkt zu welchem der bestehende Vertrag aufgehoben werden soll. Wird der Vertrag hier vorzeitig einvernehmlich verändert, besteht das Risiko, dass durch eine solche Vertragsveränderung für den zweiten jetzt bevorstehenden Lockdown dann kein Versicherungsschutz mehr besteht, wenn die Vertragsänderung für einen Zeitpunkt vor dem Eintritt des neuen Versicherungsfalles – in diesem Fall am 02.11.2020 – vertraglich vereinbart wird.

Soweit der Versicherungsvertrag im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles noch besteht ist der neue Schaden zu melden und dann, soweit er vom Versicherungsschutz umfasst ist, grundsätzlich ebenfalls von der Versicherung zu regulieren.

  1. Leistungsbeschränkungsklauseln im Versicherungsvertrag

Eine ganze Reihe von Betriebsschließungsversicherungen enthalten Klauseln in denen sinngemäß geregelt ist, dass die Versicherung im Rahmen eines zweiten Schadenfalles durch die behördliche Anordnung der Betriebsschließung wegen der gleichen Umstände möglicherweise nicht erneut leisten muss.

Die Versicherungsbedingungen sind hier oft völlig unklar. Es wird zum Beispiel ausgeführt:

„Wird eine der durch die Versicherung gedeckten Maßnahmen mehrmals angeordnet und beruhen die mehrfachen Anordnungen auf den gleichen Umständen, so wird die nach Teil E, Ziffer 2.1. zu leistende einschlägige Entschädigung nur einmal zur Verfügung gestellt.“ (Versicherungsbedingungen der Alte Leipziger Versicherung AG)

Es stellt sich die Frage, was dies bedeutet? Die Versicherung wird sich bei erneuten Betriebsschließungen aufgrund behördlicher Anordnungen auf Grundlage des IfSG im Rahmen des bevorstehenden zweiten Lockdowns wahrscheinlich auf diese Klausel berufen und argumentieren, dass aufgrund dieser Versicherungsklausel eine erneute Schadenregulierung nicht geschuldet ist.

Ich halte diese Klausel für möglicherweise unwirksam, da auch sie einer AGB-rechtlichen Prüfung m.E. eher nicht standhält. Die Klausel ist meines Erachtens völlig unklar und damit intransparent. Es ist schon unklar auf welchen Zeitraum sich ein Ausschluss der Versicherungsleistung bei mehrmaliger Anordnung der von der Versicherung gedeckten Maßnahmen beziehen soll. Soll dies auch gelten, wenn zum Beispiel ein Betrieb im Abstand von 10 Jahren aufgrund der gleichen Umstände von der Behörde zweimal geschlossen wird?

Nach dem Wortlaut der Klausel ist dies möglicherweise der Fall. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird dies hingegen nicht so verstehen. Allein dieses kleine Beispiel zeigt, dass die Klausel völlig unscharf und damit intransparent ist. Auch inhaltlich ist nicht erkennbar, was überhaupt die Anordnung aufgrund „gleicher Umstände“ bedeuten soll. Was genau sind gleiche Umstände? Auch hier kann jeder verstehen was er möchte. Man kann die Klausel aufgrund ihres unscharfen Wortlautes zu Gunsten der Versicherung fast beliebig weit auslegen, was zur Unwirksamkeit der Klausel führen könnte. Wie die Rechtsprechung dies später beurteilen wird, kann ich naturgemäß nicht vorhersehen.

Soweit der konkrete Betriebsschließungsversicherungsvertrag eine solche Klausel nicht enthält, stellt sich an dieser Stelle natürlich auch kein Problem. Enthält er eine solche Klausel, so sollte der neu eintretende Schadenfall der Versicherung gegenüber trotzdem ordnungsgemäß gemeldet und geltend gemacht werden. Es wird dann später zu klären sein, ob die entsprechende Klausel im Versicherungsvertrag überhaupt Anwendung findet und falls ja, ob sie wirksam ist oder ob die Klausel unwirksam ist und die Versicherung deshalb auch für diesen weiteren Schadenfall leisten muss.

  1. Bereits geschlossene Vergleiche aufgrund des ersten Schadenfalles

Zahlreiche Betroffene haben die ihnen auf Grundlage der sogenannten „Bayerischen Lösung“ angebotenen Abfindungsvereinbarungen angenommen, nachdem Ihnen die Versicherung zuvor in der mit dem Abfindungsangebot zusammen übersandten Regulierungsablehnung erklärt hat, dass kein Versicherungsfall vorliegt und die Versicherung nicht zur Leistung verpflichtet ist. Man sei jedoch unabhängig von einer nicht bestehenden Leistungspflicht bereit, im Rahmen der „bayerischen Lösung“ bei Abschluss einer entsprechenden Abfindungsvereinbarung eine Kulanzzahlung zu leisten. Oft ist dabei noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass es sich bei der Kulanzleistung nicht um ein Teil des zu regulierenden Schadens handelt. In vielen der Abfindungsvereinbarungen ist weiter geregelt, dass mit Abschluss der Abfindungsvereinbarung auch alle zukünftigen Ansprüche des Betroffenen auf weitere Leistungen aus der Betriebsschließungsversicherung im Zusammenhang mit Covid-19 erledigt bzw. ausgeschlossen sein sollen.

Dies würde für den zweiten nun bevorstehenden Lockdown bedeuten, dass bei Eintritt eines erneuten Schadenfalles kein Anspruch mehr auf erneute Versicherungsleistung bestehen würde.

Allerdings ist es gut möglich, dass die geschlossenen Abfindungsvereinbarungen nach § 779 Abs. I BGB unwirksam sind, wenn der nach dem Inhalt des Vergleiches als feststehend zu Grunde gelegte Sachverhalt (der eingetretene Betriebsschließungsschaden sei nicht versichert und es bestehe keine Leistungspflicht des Versicherers) der Realität nicht entspricht und der Betroffene den Vergleich in Kenntnis der tatsächlichen Sachlage nicht abgeschlossen hätte.

Weiterhin steht bei einigen Fallkonstellationen die Anfechtbarkeit des Vergleiches im Raum und es könnte ein Verstoß der Versicherung gegen § 1a Abs. I Nr. 4 VVG vorliegen, nach dem die Versicherung gehalten ist, gegenüber dem Versicherungsnehmer stets ehrlich, redlich und professionell im bestmöglichen Interesse des Versicherungsnehmers zu handeln.

Sollte also die bereits geschlossen Abfindungsvereinbarung unwirksam sein oder anfechtbar, so besteht auch in diesen Konstellationen die Möglichkeit, dass die Versicherung auch den jetzt durch den zweiten Lockdown eintretenden Schadenfall als neuen Versicherungsfall wird regulieren müssen. Selbstverständlich hat der betroffene Versicherungsnehmer in diesen Fällen auch nach wie vor zusätzlich Anspruch auf vollständige Regulierung des ersten Betriebsschließungsschadens aus der Betriebsschließung aufgrund des ersten Lockdowns im März. Hinsichtlich der Einzelheiten bedarf es einer differenzierten Betrachtung der genauen Umstände des Einzelfalles.

  1. Meldung des neuen Schadenfalles

Die Meldung des neuen Schadenfalles hat ebenso wie bei der Meldung des ersten Schadenfalles infolge des Lockdowns im März entweder durch den Betroffenen selbst gegenüber der Versicherung zu geschehen oder durch den Makler des Betroffenen.

Dabei ist zu beachten, dass der Versicherung bei mehreren betroffenen versicherten Betriebsstätten jede aufgrund der behördlichen Anordnung geschlossene Betriebsstätte als Schadenfall zu melden ist!

Die Meldung des neuen Schadenfalles gegenüber der Versicherung erfolgt nicht durch uns! Ich komme erst dann möglicherweise wieder ins Spiel, wenn die Versicherung die Schadenregulierung des gemeldeten Schadenfalles dem Grunde nach endgültig abgelehnt hat und sich damit möglicherweise selbst bereits in Verzug gesetzt hat.

  1. Fazit

Die aufgrund des am 02.11.2020 bevorstehenden erneuten Lockdowns neu eintretenden Schadenfälle bzw. Versicherungsfälle sollten jedenfalls ordnungsgemäß der Versicherung gemeldet werden soweit der Versicherungsvertrag zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles noch besteht. Soweit die Versicherung dann die Schadenregulierung verweigert, wird im Einzelfall durch einen mit der Materie befassen Rechtsanwalt zu prüfen sein, ob eine (erneute) Regulierungspflicht der Versicherung besteht. Für viele Betroffene geht es dabei um sehr viel Geld, zu viel Geld, um darauf einfach verzichten zu können. Ich hoffe, damit zu einigen Fragestellungen in der gebotenen Kürze Stellung bezogen zu haben mit denen sich offensichtlich gerade einer Vielzahl der befassten Makler sowie deren Kunden beschäftigen.

Für Fragen zu Einzelheiten stehe ich Ihnen sowie Ihren Kunden selbstverständlich jederzeit gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr,

Stephan Michaelis LL.M.

Fachanwalt für Versicherungsrecht

Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

 

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Wer in diesem Jahr noch etwas zum Steuernsparen sucht, wird bei der geförderten Altersvorsorge schnell fündig:

 

So lässt sich mit einer einmaligen Sonderzahlung in eine bestehende Riester- und Rürup-Rente der eigene Steueraufwand reduzieren. Allerdings gibt es hier Grenzen zu beachten, erklärt die uniVersa Versicherung. Beiträge zur Riester-Rente können bis maximal 2.100 Euro pro Person als Sonderausgaben bei der Einkommensteuer geltend gemacht werden. Zudem erfolgt eine Günstigerprüfung. Dies kann besonders bei Familien mit Kindern dazu führen, dass die Steuerersparnis aufgrund der gewährten staatlichen Zulagen niedriger oder komplett ausfällt. Etwas einfacher funktioniert die Rürup-Rente: Dort können Beiträge in diesem Jahr zu 90 Prozent steuerlich angesetzt werden. Der Sonderausgabenabzug für 2020 ist auf 25.046 Euro (Verheiratete 50.092 Euro) begrenzt. Darin werden auch Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, zu berufsständischen Versorgungswerken und zur landwirtschaftlichen Alterssicherung erfasst. Dennoch haben hier die meisten Steuerzahler noch genügend Freiraum für eine steuerliche Sonderzahlung. Und die kann sich lohnen, wie ein Beispiel der uniVersa zeigt: Wer in diesem Jahr 1.000 Euro in seine Rürup-Rente einzahlt, kann sich bei einem Grenzsteuersatz von 35 Prozent über eine Steuerersparnis von rund 315 Euro freuen.

 

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uniVersa Lebensversicherung a.G., Sulzbacher Str. 1-7, 90489 Nürnberg, Telefon 0911/5307-1698, www.universa.de

Um spätere Erbstreitigkeiten zu vermeiden und das Rentenalter ohne Sorge um die eigenen Finanzen und Besitztümer genießen zu können, ist eine frühzeitige und professionelle Nachlassplanung entscheidend.

 

Schon vor der Pensionierung ist es von Vorteil, sich mit steuerlichen Begünstigungen, Verpflichtungen und Gesetzgebungen hinsichtlich der Erbangelegenheiten auseinanderzusetzen. Auch grundlegende Fragen rund um die Nachfolgeregelung im eigenen Unternehmen und eine Vorsorgevollmacht für medizinische Belange sollten frühzeitig mit den entsprechenden Beteiligten geklärt sowie dokumentiert werden. Als erfahrene Vermögensverwaltung unterstützt die Grüner Fisher Investments GmbH ihre Kunden genau an dieser Stelle – damit sie sich finanziell optimal auf den Ruhestand vorzubereiten und die Hinterlassenschaft für spätere Generationen verantwortungsvoll planen können.

Durch Testament und Vollmacht verbindlich vorsorgen

Eine umfassende und nachhaltig ausgerichtete Nachlassplanung sorgt nicht nur bei den Erblassern für ein beruhigendes Gefühl im Alter, sondern kann auch familiären Streitigkeiten und juristischen Auseinandersetzungen entgegenwirken. Dennoch ist im Todesfall oftmals kein Testament vorhanden – der Großteil der existierenden Testamente weist zudem fehlerhafte oder ungenaue Formulierungen auf. “Ein Testament aufzusetzen und beglaubigen zu lassen, ist ein relativ unkomplizierter Vorgang im Rahmen einer gelungenen Nachlassregelung”, betonen die Experten von Grüner Fisher Investments. Sobald sich die familiäre Situation ändere – etwa durch Geburten, Eheschließungen, Scheidungen oder berufliche Abschlüsse – sei es von Vorteil, die aktuelle Version des Testaments prüfen und gegebenenfalls anpassen zu lassen. Um sicherzustellen, dass der letzte Wille des Erblassers adäquat umgesetzt wird, besteht zudem die Möglichkeit, einen Treuhänder festzulegen, der im Zuge einer Testamentsvollstreckung für die Umsetzung der entsprechenden Regelungen Sorge trägt.

Nicht nur in Erbschaftsangelegenheiten ist eine fehlerfreie, eindeutige Dokumentation von zentraler Bedeutung – auch die eigenen Wünsche hinsichtlich der medizinischen Versorgung sollten berücksichtigt und hinterlegt werden. So befähigt beispielsweise eine Vorsorgevollmacht vertraute Personen im Falle der eigenen Handlungs- und Entscheidungsunfähigkeit in medizinischen Belangen Entscheidungen zu treffen.

Übertragung von Vermögenswerten zur finanziellen Absicherung

Entscheidend für eine professionelle Nachlassregelung ist – den Erfahrungen der Grüner Fisher Investments GmbH zufolge – besonders die Übertragung der bestehenden Geldanlagen an Ehepartner, Familie oder Vertraute. “Es kann hilfreich sein, die Nachkommen bereits frühzeitig an finanziellen Entscheidungen teilhaben zu lassen. Viele unserer Kunden bestätigen, dass Kinder an der Herausforderung wachsen und durch die Miteinbeziehung enorm viel lernen können”, so Torsten Reidel, Geschäftsführer der Vermögensverwaltung. Im Rahmen der finanziellen Vorsorge sei es zudem wichtig, bereits frühzeitig den Kontakt zwischen Erben und Investment-Team, wie z.B. Verwalter und/oder Banker, Anwalt und ggf. Versicherungsmakler, herzustellen. Sollte sich ein Teil der Vermögenswerte neben festen Geldanlagen in einem Bankschließfach oder privaten Safe befinden, so sind ebenfalls Informationen über den Verbleib des Schlüssels und entsprechende Berechtigungen relevant und vorab zu kommunizieren.

Besonderheiten bei der Übertragung für Unternehmer

Für Unternehmer gilt es hingegen nicht nur die privaten Vermögenswerte zu übertragen, sondern zusätzlich eine geschäftliche Nachfolgeregelung aufzustellen: “Es ist nicht ausreichend, einen Manager zu haben, der in Abwesenheit des Geschäftsführers das Unternehmen leitet. Zur Absicherung der Mitarbeiter und Erhaltung des Lebenswerkes muss ein detaillierter Nachfolge- und Kompensationsplan erarbeitet werden. Das ist essenziell für eine gelungene Nachlassplanung”, betont Torsten Reidel abschließend. Um Ihre Kunden bei der finanziellen, beruflichen und privaten Planung optimal zu unterstützen, hat die Grüner Fisher Investments GmbH ihre Expertise in einem Dokument mit “99 Tipps für den Ruhestand” zusammengefasst.

 

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Grüner Fisher Investments GmbH, Sportstraße 2 a, 67688 Rodenbach, Tel: +49 6374 9911 – 0, www.gruener-fisher.de

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13. Oktober 2020 – 3 AZR 246/20 –

 

Dem Anspruch eines Versorgungsempfängers auf richtige Berechnung seiner Ausgangsrente auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung – und damit die Überprüfung der Wirksamkeit einer Ablösung einer früheren, günstigeren Versorgungsordnung – kann der Einwand der Verwirkung aus § 242 BGB nicht entgegengehalten werden.

Der Kläger war seit 1955 bei der Beklagten beschäftigt. Die betriebliche Altersversorgung bei der Beklagten war seit dem Jahr 1979 durch eine Betriebsvereinbarung (BV 1979) geregelt. Die BV 1979 wurde zum 1. Januar 1988 durch eine weitere Betriebsvereinbarung (BV 1988) geändert. Dabei wurde jedes Dienstjahr der ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit nach Inkrafttreten der BV 1988 mit 0,2 % des Arbeitseinkommens bewertet, statt wie zuvor nach der BV 1979 mit 0,4 %. Der Kläger schied mit Ablauf des 31. Dezember 2003 aus dem Arbeitsverhältnis aus und bezieht seit dem 1. Januar 2004 ua. eine Betriebsrente von der Beklagten.

Der Kläger verlangt die Zahlung einer höheren Ausgangsbetriebsrente. Die Halbierung der künftigen Steigerungsbeträge durch die BV 1988 sei mangels sachlich-proportionaler Gründe unzulässig. Die Beklagte verweist demgegenüber ua. auf ihre damalige wirtschaftliche Lage und hält dem Begehren des Klägers nach einer Neuberechnung seiner Ausgangsrente den Einwand der Verwirkung entgegen. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung insoweit zurückgewiesen.

Die vom Bundesarbeitsgericht eingeschränkt auf eine um 119,12 Euro brutto höhere Ausgangsrente zugelassene Revision des Klägers hatte vor dem Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg und führte zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist der Anspruch des Klägers auf Berechnung seiner Ausgangsrente und damit die Überprüfung der Wirksamkeit der Ablösung der BV 1979 durch die BV 1988 nicht aus dem aus § 242 BGB abgeleiteten Grundsatz der Verwirkung ausgeschlossen. Der Kläger verfolgt ein Recht, dass durch eine Betriebsvereinbarung eingeräumt wurde. Dieses ist von Gesetzes wegen nach § 77 Abs. 4 Satz 3 BetrVG dem Einwand der Verwirkung entzogen. Ob die Klage begründet ist, konnte der Senat auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden. Das Landesarbeitsgericht hatte zu den von der Beklagten vorgebrachten Gründen für die Ablösung der früheren Betriebsvereinbarung keine Feststellungen getroffen. Dies wird es im fortgesetzten Berufungsverfahren nachzuholen haben.

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Saarland, Urteil vom 13. November 2020 – 1 Sa 1/19 –

 

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BFH-Urteil vom 14.07.2020    VRIII R 3/17

 

Übertragen Eltern im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ein Grundstück samt aufstehendem Gebäude gegen eine Veräußerungszeitrente an ihre Kinder, fließen den Eltern mit den Rentenzahlungen steuerpflichtige Zinseinkünfte gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu, soweit die Rentenzahlungen nicht auf den Unterschiedsbetrag zwischen dem Barwert des Rentenstammrechts zu Beginn und zum Ende des jeweiligen Kalenderjahres  entfallen. Unerheblich ist, ob es sich um eine teilentgeltliche Übertragung handelt, bei der die Summe der Rentenzahlungen niedriger als der Verkehrswert der Immobilie im Übertragungszeitpunkt ist. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 14.07.2020 – VIII R 3/17 entschieden.

Die Kläger, ein zusammen veranlagtes Ehepaar, hatten im Jahr 2012 einem ihrer Söhne und dessen Ehefrau ein Grundstück mit Gebäude gegen eine monatliche Rente in Höhe von 1.000 € übertragen. Die Rente hatte insgesamt eine Laufzeit von 30 Jahren und 2 Monaten, zu Beginn des Streitjahres 2013 betrug die Laufzeit noch 29 Jahre und 2 Monate. Die Rente war bis zum Tod des Längstlebenden der Kläger und danach bis zum Ende der Laufzeit an deren Erben zu zahlen. Die Kläger argumentierten, die Rentenzahlungen seien nicht  in einen Tilgungs- und Zinsanteil aufzuteilen (§ 13 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG)). Sie hätten die Immobilie  mit Rücksicht auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Sohns und der Schwiegertochter bewusst gegen niedrige Rentenzahlungen mit langer Laufzeit zu einem Entgelt unterhalb des Verkehrswerts am Übertragungsstichtag  übertragen, statt die Immobilie zu einem marktgerechten Preis zu veräußern und den Verkaufserlös anzulegen. Da sie bewusst auf Einnahmen verzichtet und den Übernehmern diese Vorteile wirtschaftlich betrachtet zugewendet hätten, könnten die Rentenzahlungen keinen einkommensteuerbaren Zinsertrag enthalten.

Der BFH folgte der Argumentation der Kläger nicht. Es handele sich nicht um eine unentgeltliche erbrechtliche Übertragung, sondern trotz der Übertragung zu einem Preis unterhalb des Verkehrswerts um ein einkommensteuerbares Veräußerungsgeschäft. Die Rentenzahlungen aus einer Veräußerungszeitrente seien beim Veräußerer und Erwerber gemäß § 13 Abs. 1 BewG in einen Tilgungs- und Zinsanteil aufzuteilen. Der Tilgungsanteil entspreche dem Barwert des Rentenstammrechts, der sich aus der Abzinsung aller noch ausstehenden Teilbeträge ergebe. In Höhe der Differenz des Barwerts der Rentenforderung zur jeweiligen Rentenzahlung erziele der Veräußerer einen steuerpflichtigen Zinsertrag. Dies gelte auch, wenn die dem Veräußerer zufließenden Tilgungsanteile nicht im Rahmen eines privaten Veräußerungsgeschäfts gemäß § 23 EStG einkommensteuerbar seien. Der BFH erachtete den für die Aufteilung der Rentenforderung in einen Tilgungs- und Zinsanteil gemäß § 13 Abs. 1 BewG maßgeblichen Zinssatz von 5,5% auch für verfassungsgemäß. Der in den Rentenzahlungen des Streitjahres 2013 (12.000 €) enthaltene Zinsanteil betrug danach 9.420 € und führte in dieser Höhe zu steuerpflichtigen Zinseinkünften der Kläger.

Zinseinkünfte unterliegen ab 2009 bei Zufluss grundsätzlich dem gesonderten Tarif gemäß § 32d Abs. 1 EStG von 25% (zuzüglich Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer), es sei denn, der Steuerpflichtige kann –wie die Kläger des vom BFH entschiedenen Streitfalls– erfolgreich einen Antrag auf Günstigerprüfung (§ 32d Abs. 6 EStG) stellen. Dann sind die Zinseinkünfte dem niedrigeren tariflichen Regelsteuersatz gemäß § 32a EStG zu unterwerfen.

 

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Bundesfinanzhof, Ismaninger Straße 109, 81675 München, Tel: (089) 9231-0, www.bundesfinanzhof.de

BFH-Urteil vom 17.06.2020 II R 40/17

 

Wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 17.06.2020 entschieden hat, können auch unbekannte Erben zur Erbschaftsteuer herangezogen werden. Zumindest dann, wenn ausreichend Zeit bestand, die wahren Erben zu ermitteln, dies aber nicht gelungen ist.

Im Streitfall war die Erbengemeinschaft nach dem im Februar 2014 verstorbenen Erblasser zunächst nicht ermittelbar. Es wurde ein Nachlasspfleger bestellt. Dieser gab eine Erbschaftsteuererklärung ab. Ca. 14 Monate nach dem Tod des Erblassers setzte das Finanzamt (FA) Erbschaftsteuer gegen „unbekannte Erben“ fest. Es schätzte, dass 20 Personen, die nicht näher mit dem Erblasser verwandt waren und deshalb in die Steuerklasse III fielen, den Erblasser zu gleichen Teilen beerbt hätten. Der Bescheid wurde dem Nachlasspfleger bekannt gegeben. Dieser legte dagegen in Vertretung der unbekannten Erben Einspruch ein und monierte, dass er nicht ausreichend Zeit gehabt hätte, die Erben zu ermitteln. Das FA könne nicht einfach schätzen, wie viele Erben etwas geerbt hätten und wie hoch die Freibeträge seien. Daraufhin änderte das FA die Anzahl der Erwerber auf 30 Erben ab. Ansonsten hielt es die Erbschaftsteuerfestsetzung unverändert aufrecht.

Das Finanzgericht und der BFH gaben der Finanzbehörde Recht. Sind die Erben noch nicht bekannt und ist eine Nachlasspflegschaft angeordnet, kann Erbschaftsteuer gegen die „unbekannten Erben“ festgesetzt werden. Bei diesen  handelt es sich zunächst um ein abstraktes Subjekt, das sich später als eine oder mehrere reale Personen herausstellen kann. Somit ist ein Schuldner für die Erbschaftsteuer vorhanden. Das FA kann sich an den bestellten Nachlasspfleger wenden, der für die  unbekannten Erben eine Erbschafsteuererklärung abzugeben hat. Das FA darf dann die Anzahl der Erben, die Erbquoten, die Zugehörigkeit zu einer Steuerklasse und die anwendbaren Freibeträge schätzen. Voraussetzung ist jedoch, dass der Nachlasspfleger nach dem Erbfall ausreichend Zeit hatte, zunächst die Erben zu ermitteln. Wieviel Zeit ihm dafür einzuräumen ist, kann von Fall zu Fall unterschiedlich sein. Im Allgemeinen gilt die Faustregel, dass ein Jahr ausreichend ist.

Ruft der Nachlasspfleger das Finanzgericht (FG) an, dann muss dieses  die Schätzung des FA voll  überprüfen. Können die zunächst unbekannten Erben bis zum Schluss des Gerichtsverfahrens ermittelt werden, darf die Erbschafsteuer aber nicht mehr gegen die unbekannten Erben festgesetzt werden. Werden die Erben auch im Verfahren vor dem (FG)nicht ermittelt, kann das Gericht die Erbschaftsteuerschätzung gegen die unbekannten Erben aufrechterhalten und als seine eigene übernehmen. Der BFH ist in solchen Fällen dann ebenfalls an die Schätzung gebunden und kann sie nur auf grobe Fehler überprüfen.

 

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Bundesfinanzhof, Ismaninger Straße 109, 81675 München, Tel: (089) 9231-0, www.bundesfinanzhof.de

HAHN Rechtsanwälte konnte erneut einen Sieg gegen die Daimler AG im Abgasskandal erzielen.

 

Das Landgericht Stuttgart sprach dem Kläger Schadensersatz gegen die Daimler AG unter anderem wegen sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB zu. Gegen Übereignung und Herausgabe der manipulierten C-Klasse bekommt er 90 Prozent des Kaufpreises erstattet (Aktenzeichen 23 O 49/20). Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Der Kläger aus Renningen hatte den Mercedes-Benz C 220 d T im März 2019 als Gebrauchtwagen von einer Privatperson mit einem Kilometerstand von rund 40.000 km zu einem Preis von 22.300 Euro erworben. In dem Fahrzeug wurde der Motor OM 651 verbaut. Der Daimler AG wird im Rahmen dieses und tausender weiterer Verfahren vorgeworfen, in dem Fahrzeug mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen implementiert zu haben. Nach den geltenden EU-Vorschriften sind solche Abschalteinrichtungen grundsätzlich unzulässig. Der Hersteller hat das Fahrzeug so auszurüsten, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen der Verordnung entspricht. Dies war nach der Auffassung des Landgerichts nicht der Fall, da die Daimler AG als Hersteller des Pkw eine temperaturabhängige Abgasrückführung (sogenanntes Thermofenster) verbaut hatte.

Der Schaden liegt bei diesen Fällen grundsätzlich in dem abgeschlossenen Kaufvertrag. Der Kläger hätte den Kaufvertrag bei Kenntnis der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht abgeschlossen und damit den Kaufpreis in Höhe von 22.300 Euro nicht gezahlt. Diesen Betrag kann er demzufolge ersetzt verlangen. Der Kläger muss sich allerdings einen Nutzungswertersatz für die gefahrenen Kilometer anrechnen lassen, der sich vorliegend auf 2.129,10 Euro belief. Zugrunde gelegt hatte das Landgericht dabei eine relativ geringe Gesamtlaufleistung in Höhe von 250.000 km. Zugesprochen wurden demzufolge insgesamt 20.170,90 Euro.

“Für die deliktische Haftung der Daimler AG ist nicht entscheidend, von wem das Fahrzeug gekauft wurde”, erläutert Dr. Petra Brockmann von HAHN. “Eine Haftung der Daimler AG kommt deshalb auch dann in Betracht, wenn das Fahrzeug nicht von Daimler selbst, sondern von einem Händler oder einer Privatperson gekauft wurde”, so Brockmann weiter. Grundsätzlich ändert dies an der Schadensersatzhaftung der Daimler AG nichts.

HAHN Rechtsanwälte vertritt im Rahmen des Abgasskandals bundesweit mehr als 3.500 Betroffene allein gegen die Daimler AG. Zahlreiche Schadensersatzklagen aufgrund von illegalen Abschalteinrichtungen in Dieselfahrzeugen konnten bereits gewonnen werden.

 

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Hahn Rechtsanwälte PartG mbB, RA Peter Hahn, Alter Steinweg 1, 20459 Hamburg, Tel: +49-40-3615720, Fax: +49-40-361572361, www.hahn-rechtsanwaelte.de