Unseren internen Modellen zufolge, erwarten wir, dass die Silberkurse im Laufe des Jahres bis zum 2. Quartal 2021 um fast 30 Prozent und damit schneller steigen werden als unsere Goldprognose von 18 Prozent im selben Zeitraum.
Dies wird nicht ausreichen, um die Beziehung zwischen den beiden Metallen auf ein „normales“ Niveau zu bringen, doch nach einer Phase der Inaktivität kommt ganz offensichtlich Bewegung in Silber.
Silber im ersten Halbjahr 2020
Nachdem sich Silber eine Zeit lang schlechter entwickelt hat als Gold, hat Silber nun begonnen aufzuschließen. Die Gold-Silber-Ratio, die im März 2020 mit 123 ein Allzeithoch erreicht hatte (vier Standardabweichungen über dem Durchschnitt seit 1990), hat sich wieder auf 95 zurückgezogen (immer noch zwei Standardabweichungen über dem Durchschnitt seit 1990). Unseres Erachtens wird Silber noch weiter zu Gold aufschließen, es ist jedoch unwahrscheinlich, dass der historische Durchschnitt der Gold-Silber-Ratio (von 68) erreicht werden wird, da ein schlechter industrieller Hintergrund bei Silber für Gegenwind sorgt.
Anhand der 120-tägigen rollierenden Korrelation zwischen Gold und Silber lässt sich beobachten, dass sie mehr als eine Standardabweichung unter dem Durchschnitt von 82 Prozent seit 2011 liegt. Dies zeigt, dass Silber nicht sehr stark auf die Gewinne bei Gold reagiert hat, zu denen es seit Beginn der COVID-19-Krise gekommen ist.
Obwohl die Marktpositionierung in Silber-Futures 2020 gesunken ist (und der aktuelle Zuwachs auch nicht sehr überzeugt), befinden sich die Zuflüsse in Silber-Exchange Traded Commodities (ETCs) auf einem noch nie zuvor beobachteten Niveau . Dieser offensichtliche Wechsel durch institutionelle Investoren von COMEX – auf ETC-Instrumente könnte auf den Problemen beruhen, die sich während der COVID-19-Krise bei Gold-Futures an der COMEX ergeben haben. Hierbei gab es Schwierigkeiten bei der Beschaffung des Metalls in der geeigneten Größe, da keine Flüge mehr durchgeführt werden konnten. Obwohl der COMEX-Bestand für Silber reichlich erschien, konnte die Börse nur eingeschränkt Gold beschaffen und die Investoren könnten deshalb in physisch besichert ETC-Instrumente abgewandert sein.
Modell
In unserem Artikel „Gold and silver: similar, but different“ (Gold und Silber: ähnlich, aber anders) argumentierten wir, dass die Kursentwicklung von Silber zu 80 Prozent mit Gold korreliert ist. Im Rahmen unserer Modellierung ist Gold deshalb der Faktor, der den Silberkurs am stärksten beeinflusst. Jedoch halten wir auch folgende Variablen für wichtige Einflussfaktoren:
- Erhöhung der Produktionstätigkeit – Silber findet zu mehr als 50 Prozent in der Industrie Anwendungen (im Gegensatz zu Gold, bei dem dieser Anteil weniger als 10 Prozent beträgt). Stellvertretend für die industrielle Nachfrage verwenden wir den Global Manufacturing Purchasing Managers Index (PMI).
- Erhöhung der Silberbestände – steigende Bestände signalisieren eine höhere Verfügbarkeit des Metalls und wirken sich deshalb negativ auf die Kurse aus. Stellvertretend verwenden wir die Bestände von Terminbörsen.
- Erhöhung der Investitionen im Bergbau (Capex) – je mehr Minen investieren, desto höher wird das potenzielle Angebot in Zukunft ausfallen. Deshalb rechnen wir für diese Variable eine 18-monatige Verzögerung ein. Angesichts der Tatsache, dass das meiste Silber ein Nebenprodukt beim Abbau anderer Metalle ist, beziehen wir den Investitionsaufwand (Capex) der wichtigsten 100 Bergbaugesellschaften mit ein (nicht nur auf Silber spezialisierte Bergbauunternehmen).
Goldausblick für das zweite Quartal 2021: Auf dem Weg zu neuen Höhenflügen
In Goldausblick für das zweite Quartal 2021: Auf dem Weg zu neuen Höhenflügen legen wir unsere Prognosen im Hinblick auf drei Szenarien dar.
- Konsens – basierend auf den Konsensprognosen für den gesamten makroökonomischen Dateninput in unser Modell und der Annahme, dass sich die Anlegerstimmung im Hinblick auf Gold auf dem heutigen Niveau hält.
- U-förmig – das Basisszenario von WisdomTree, das von einer u-förmigen wirtschaftlichen Erholung ausgeht.
- Bärenszenario – eine v-förmige wirtschaftliche Erholung bei sehr niedriger Inflation.
In unserer Silberprognose fokussieren wir uns auf das Basisszenario einer u-förmigen wirtschaftlichen Erholung, bei dem der Goldpreis zum Ende des Prognosehorizonts 2070 USD/Feinunze erreicht und wir das frühere Allzeithoch vom Mai 2011 (1900 USD/Feinunze) bis Ende dieses Jahres durchbrechen.
Silberprognosen
Beim Wachstum könnte Silber Gold unseres Erachtens überholen. Obwohl Silber durch eine schwache industrielle Nachfrage und steigende Bestände gehemmt wird, könnte es bis zum 2. Quartal 2021 auf 23,56 USD/Feinunze steigen, was gegenüber heute (14.07.2020) einem Anstieg von 24 Prozent entspricht. Er würde nicht ausreichen, um die Gold-Silber-Ratio auf ein normales Niveau zurückzuführen. In der Tat könnte sie immer noch fast eine Standardabweichung über dem Durchschnitt liegen. Wenn unsere Goldprognose für das 2. Quartal 2021 von 2070 USD/Feinunze korrekt ist und die Gold-Silber-Ratio sich normalisiert, würde der Silberpreis über 30 USD/Feinunze liegen. Unseres Erachtens wird die Ratio angesichts der schwachen Industrienachfrage im kommenden Jahr nicht auf einen normalen Stand zurückkehren.
Langsame Erholung bei der Industrienachfrage zu erwarten
Die Einkaufsmanagerindizes (EMIs) für das verarbeitende Gewerbe sind in den vergangenen Monaten stark gestiegen und der globale Index war nicht so stark rückläufig, wie dies auf den Tiefpunkten der globalen Finanzkrise, die 2008 ihren Anfang nahm, zu beobachten war. Das hat uns angesichts des Schadens überrascht, den die Industrieproduktion und die Lieferketten genommen haben. Da die COVID-19-Fälle steigen, wird sich die Erholung der EMIs unseres Erachtens verlangsamen. In zahlreichen Städten/Ländern weltweit werden die Lockdown-Maßnahmen wieder eingeführt und andernorts werden Maßnahmen langsamer gelockert.
Angebot aus dem Silberabbau könnte steigen
Der Abbau von Silber ist seit vier Jahren rückläufig. Die Hauptursachen dafür sind eine sinkende Erzqualität in mehreren großen Primärsilberminen, eine geringere Silberproduktion in Kupferminen und größere Störungen in großen Silberminen.
In unserem Modell ist eine unserer Ersatzgrößen für den Abbau – die Höhe der Investitionen in Minen – in den letzten Monaten zwar deutlich zurückgegangen, verzeichnete vor 18 Monaten aber noch einen Anstieg. Um in unserem Modell die Zeit widerzuspiegeln, bis eine Erhöhung der Investitionen zu einem merklichen Anstieg der Abbaumenge führt, rechnen wir in diese Daten eine Zeitverzögerung von 18 Monaten ein. Da wir gegenwärtig darauf warten, dass diese erhöhten Investitionen sich niederschlagen, könnte das Angebot einen Teil der Preiszuwächse bei Silber wettmachen.
Betrachtet man die Lage jedoch auf mikroökonomischer Ebene, gibt es Grund für die Annahme, dass der Silberabbau dieses Jahr rückläufig sein wird. Aufgrund von COVID-19 wurde der Bergbau in Regionen mit hoher Silberproduktion wie Mexiko, Peru, Bolivien und der kanadischen Provinz Quebec vorübergehend eingestellt. Beispielsweise prognostiziert Metals Focus eine Reduzierung der Fördermengen von Silberminen von 7,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr (60,3 Millionen Feinunzen)
aufgrund von Störungen im Zuge von COVID-19, insbesondere in Peru und Mexiko . Das könnte bei Silber eine seltene Periode mit einem Angebotsdefizit auf dem Markt hervorrufen. Während wir in unserem Modell also auf möglichen Gegenwind durch einen Anstieg des Angebots hinweisen, besteht ein Aufwärtsrisiko beim Preis, falls es im Zusammenhang mit COVID-19 zu Störungen kommt.
Silber-Börsenbestand steigt langsamer
In Bezug auf einen anderen Angebotsindikator – die Silberbestände – schränken uns die schlechten Daten zu den globalen Beständen ein, weshalb wir die Bestände von Terminbörsen als Ersatzgröße heranziehen. Die Bestände von Terminbörsen sind in den letzten Jahren angestiegen. Obwohl dies schwer mit den sinkenden Abbaumengen der letzten Jahre zu vereinbaren ist, hilft es, die relativ schwachen Preise von Silber zu erklären. Die Geschwindigkeit des Bestandsaufbaus hat sich 2020 jedoch deutlich verlangsamt. Wir erwarten, dass die Silberbestände weiter steigen werden, allerdings deutlich weniger als in den vergangenen Jahren. Die Möglichkeit, dass mehr Silber in Tresoren für ETCs anstatt in COMEX-Tresoren verwahrt wird (falls sich die Präferenz der Investoren fortsetzt), macht die Verwendung dieses Indikators komplizierter.
Hierbei ist zu beachten, dass eine Unterscheidung zwischen registriertem und qualifiziertem Bestand besteht. „Qualifiziert“ bedeutet, dass das Metall die Anforderungen der Börse erfüllt, jedoch nicht als Sicherheit für eine Transaktion am Terminmarkt eingesetzt wird. „Registriert“ bedeutet, dass das Metall die Anforderungen erfüllt und als Sicherheit für Transaktionen am Terminmarkt eingesetzt wird. Qualifiziertes Metall kann leicht in registriertes Metall umgewandelt werden, weshalb wir die Gesamtmenge verwenden. Die meisten Zuwächse werden jedoch bei qualifiziertem und nicht bei registriertem Metall verzeichnet. Die Ursache dafür könnte einfach in einer verstärkten Lagerung in COMEX-Lagerhäusern, anstatt in anderen Lagerhäusern liegen. Gleichwohl dämpft die größere Quelle sichtbarer Bestände den Preis von Silber. Unseren Erwartungen zufolge wird dies bei den Preisen auch weiterhin für Gegenwind sorgen.
Fazit
Obwohl eine sinkende Industrienachfrage und potenzielle Anstiege des Angebots bei Silber für Gegenwind sorgen, sollte seine Korrelation mit Gold ihm starken Rückenwind geben. Während die Korrelation von Silber mit Gold in den letzten Monaten gering war, scheint sie in den letzten Wochen wieder zu steigen. Unsere Annahme zu den Angebotszuwächsen, die auf der Behandlung von Zuwächsen des Investitionsaufwands durch das Modell basiert, könnte sich als irreführend erweisen. Das Silberangebot aus dem Bergbau könnte aufgrund der Einschränkungen durch COVID-19 in der Tat auf einem niedrigeren Niveau verbleiben. Deshalb könnte der Preis von Silber einem Aufwärtsrisiko unterliegen.
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