Herausforderungen im Spätzyklus: Notwendigkeit, zusätzliche Ertragsquellen zu suchen
Das sich allmählich dem Ende zuneigende Jahr 2019 hat einige turbulente Momente geboten. Dabei gilt es nach Ansicht von Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt, jedoch nicht aus den Augen zu verlieren, dass es sich um ein erfreuliches Kapitalmarktjahr handelt, das bislang die besten Renditen seit 2014 bietet. „Diese positive Entwicklung ist ein Beleg dafür, dass der Spätzyklus an den Märkten immer wieder auch zu guten Erträgen führt“, so Galler bei der Vorstellung des Guide to the Markets für das vierte Quartal 2019. Die große Frage sei aber nun, wann der spätzyklischen Rally die Luft ausgeht. Die zentralen Fragestellungen dazu sind: Wie groß sind die Rezessionsrisiken und lassen sich diese messen? Welche Werkzeuge haben die Notenbanken noch und helfen diese noch, das Wachstum zu stabilisieren? Wichtig sei zudem, die Folgen der expansiven Geldpolitik für die Märkte sowie die speziellen Herausforderungen im Spätzyklus zu beobachten.
Wachstum rückläufig
Das Wirtschaftswachstum weltweit schwächt sich weiter ab: Die US-Wirtschaft fällt aktuell zurück von Wachstum über dem Trend auf Trendwachstum in Höhe von knapp 2 Prozent. 2020 könnte es nach Analyse von Tilmann Galler sogar zu einem Unter-Trend-Wachstum kommen. Das Wachstum der Eurozone ist von 2,8 Prozent auf nur noch 1,1 Prozent zurückgegangen – damit könnte der Weg in eine Rezession für einige Länder nicht mehr weit sein. Um die globale Lage besser beurteilen zu können, ist ein Blick auf die Schwellenländer – insbesondere China – notwendig. Denn das Reich der Mitte macht allein bereits rund 27 Prozent des aktuellen Wirtschaftswachstums weltweit aus. „Zwar liegt China am unteren Rand des offiziell angestrebten Wachstumskorridors von 6 bis 6,5 Prozent, doch sollten die bisher verabschiedeten Konjunkturmaßnahmen ausreichen, um für eine Stabilisierung des Wirtschaftswachstums zu sorgen“, erläutert Galler.
Interessant ist nach seiner Ansicht ein Blick auf einige Sentiment-Indikatoren: Demnach habe sich die Stimmung im verarbeitenden Gewerbe seit Ende 2017 Stück für Stück verschlechtert. Die Schwäche der Industrie treffe dabei vor allem stärker exportorientierte Nationen. In einigen Ländern ist der negative Trend bei den Einkaufsmanagerindizes jedoch gestoppt.
Wesentliche Herausforderungen bleiben jedoch: „Das Damoklesschwert ist nach wie vor die weitere Entwicklung des Handelskonflikts zwischen den USA und China“, stellt Tilmann Galler fest. Ein erster Schritt der Deeskalation sei erfolgt, da die USA zunächst keine weiteren Strafzölle gegen China verhängen wollen. Im Gegenzug soll China verstärkt US-Agrarprodukte kaufen. „Es bleiben jedoch weiterhin tiefgreifende Differenzen zwischen den USA und China, etwa bei Copyright-Fragen oder bei der nationalen Sicherheit. Eine kurzfristige Entspannung ist aber möglich, was für beide Länder vorteilhaft wäre“, erläutert der Stratege.
Rezessionsrisiken: rote Flagge beim Einkaufsmanagerindex für verarbeitendes Gewerbe
Um Rezessionsrisiken möglichst konkret messen zu können, haben die Experten von J.P. Morgan Asset Management verschiedene Indikatoren der US-Wirtschaft untersucht – denn die USA gelten nach wie vor als die Lokomotive der Weltwirtschaft. Betrachtet wurden Indikatoren, die eine gute Prognosekraft haben – etwa indem sie hoch korreliert sind mit der Entwicklung des BIP – sowie Indikatoren, die in der Vergangenheit eine Rezession angezeigt haben. Insgesamt haben Tilmann Galler und das Market Insights Team sechs Indikatoren als besonders relevant identifiziert: Beschäftigungszahlen, den Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe, den Einkaufsmanagerindex ohne das verarbeitende Gewerbe, das Verbrauchervertrauen sowie zwei weitere breite Indikatoren – den Conference Board Leading Economic Index sowie den Conference Board Leading Credit Index.
„Wir beobachten, wie weit die Indikatoren entfernt sind von ihren Messwerten am Vorabend früherer Rezessionen. Unser Fazit: Nur beim Index für das verarbeitende Gewerbe ist das Rezessionsrisiko derzeit virulent“, erklärt Tilmann Galler.
Knackpunkte für die US-Wirtschaft seien im Hinblick auf eine mögliche Rezession sind vor allem der Dienstleistungssektor sowie der Konsum. Der Arbeitsmarkt zeige sich allerdings weiterhin sehr stabil – eine Arbeitslosenquote von 3,5 Prozent bedeutet quasi Vollbeschäftigung. Und auch das Verbrauchervertrauen hat sich zwar etwas abgekühlt, man könne jedoch auch hier nicht von konkreten Rezessionstendenzen sprechen. „Nur wenn die Schwäche im verarbeitenden Gewerbe weiter anhält, wird ein Abschwung im Dienstleistungssektor und Konsum wahrscheinlicher“, so Galler.
Stimulus der Notenbanken für Unternehmen eher gering
Die Inflationserwartungen sind in den letzten Monaten in vielen Ländern weltweit gefallen – eine Entwicklung, die die Notenbanken mit Sorge betrachten, da auch der Ölpreis vorerst keine Inflationsimpulse geben dürfte. „Die Notenbanken sollten im Zinssenkungsmodus bleiben“, sagt Galler. Weitere Senkungen seien daher wahrscheinlich. Die Liquiditätssituation der Notenbanken werde sich nach Ansicht des Experten 2020 deutlich verändern: „Während 2019 die Bilanzen der Zentralbanken konstant geblieben sind, ist 2020 eine Expansion von über 800 Milliarden US-Dollar wahrscheinlich“, sagt Galler.
Dass der neuerliche Rückgang der Eurozinsen ein Stimulus etwa für die Kreditnachfrage von Unternehmen sein könnte, hält er aber für eher unwahrscheinlich. Ob der Kreditzins bei 1,6 Prozent wie aktuell liege oder bei 1,4 Prozent, werde ein Unternehmen nicht dabei beeinflussen, ein größeres Investitionsprogramm zu starten.
Die stimulierende Wirkung der Zentralbankpolitik sieht Galler eher in zwei anderen Sektoren: Zum einen dürften niedrige Zinssätze den Immobilienmarkt weiterhin unterstützen. Auf der anderen Seite führe dies aber vor allem zu niedrigeren Finanzierungskosten von Staaten. Dies gebe ihnen die Möglichkeit, Fiskalprogramme auszuweiten und mehr Investitionen zu tätigen.
Durch expansive Geldpolitik verliert Verschuldung an Relevanz
Tilmann Galler sieht durch die dauerhafte Niedrigzinspolitik eine gravierende Folge für Volkswirtschaften: „Sollte sich der Negativzins in einer Volkswirtschaft verfestigen, verliert die Verschuldung an Relevanz“, erklärt Galler. „Die Wachsamkeit der Kapitalmärkte, was gutes Wirtschaften angeht, wird suspendiert.“
Insgesamt sind die Schuldendienstquoten in den letzten Jahren nach unten gegangen, nachdem vor allem nach der Finanzkrise der staatliche Zinsaufwand stark angestiegen war. In Deutschland etwa hat der staatliche Zinsaufwand in den letzten Jahren besonders stark nachgelassen, nicht nur aufgrund der Niedrigzinsen, sondern auch weil sich das Gesamtvolumen der Schulden im Vergleich zum BIP reduziert hat. Die Auswirkungen der niedrigen Zinsen zeigen sich jedoch auch an anderer Stelle – so hat die Zahl der Aktienrückkäufe in den letzten Jahren deutlich zugenommen.
Herausforderungen im Spätzyklus: Notwendigkeit, zusätzliche Ertragsquellen zu suchen
Die gute Nachricht ist laut Galler, dass sich trotz des anhaltenden Niedrigzinsumfelds noch keine Bewertungsblase bei Aktien gebildet habe. „Aktienbewertungen sind nicht überzogen, aber der zyklische Gegenwind nimmt zu“, betont der Stratege. Solange die Ertragslage der Unternehmen aber weiterhin stabil sei, seien auch Aktien nach wie vor interessant. „Aufgrund der besseren Defensivqualitäten präferieren wir innerhalb des Aktiensegments US-Aktien, Qualität, Value und Large Caps“, erklärt Tilmann Galler. Bei Renten sieht der Anlageexperte einerseits Chancen im High-Yield-Segment, andererseits die Notwendigkeit, wachsende Konjunkturrisiken durch die Hinzunahme von Anleihen guter Bonität zu reduzieren – dazu zählten etwa hypothekenbesicherte Anleihen. Daneben seien auch alternative Strategien attraktive Diversifikatoren.
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