Die Bundesbürger gelten mit Blick auf ihr privates Finanz- und Versicherungsverhalten gewöhnlich als konservativ und verschlossen.
Dies könnte sich aber zukünftig ändern – wie der aktuelle «Trendmonitor Deutschland» des Marktforschungsinstituts Nordlight Research zeigt. Die Offenheit für neue digitale Anbieter, Produkte und Services wächst.
So ist beispielsweise heute schon jeder dritte Verbraucher (33%) bereit, bei namhaften Digitalkonzernen wie Amazon, Apple, Google oder Paypal ein Girokonto zu führen, oder einfache Versicherungen dort abzuschließen (entsprechende Angebote vorausgesetzt). Ebenso viele (32%) zeigen sich offen dafür, künftig nicht mehr nur der eigenen Bank, sondern auch Drittanbietern wie “Fintechs” den Zugriff auf ihre Kontoinformationen zu erlauben, um deren Services zu nutzen (gemäß PSD 2-Richtlinie). Und mehr als jeder fünfte Konsument (22%) kann sich bereits vorstellen, digitale Sprachassistenten wie “Alexa” nicht nur zur Information über Bank- und Versicherungsprodukte zu nutzen, sondern auch für deren Abschluss. Auf spezielles Interesse stoßen bei den Bundesbürgern zudem “Robo-Advisor” für Geldanlagen (42%) sowie – etwas verhaltener – vergünstigte Versicherungstarife im Kfz-Bereich, die auf der digitalen Kontrolle des eigenen Fahrverhaltens beruhen (24%).
Für die aktuelle Ausgabe des «Trendmonitor Deutschland» mit dem Schwerpunktthema “Banking & Insurance Trends” wurden von Nordlight Research im April / Mai 2019 über 1.000 Bundesbürger ab 16 Jahren in privaten Haushalten mit Internetanschluss ausführlich befragt.
Besonders ausgeprägt sind Akzeptanz und Interesse für neue digitale Services, Vertriebswege und Anbieter in den jüngeren Zielgruppen der 16-29-Jährigen und der 30-49-Jährigen. Daneben bei Personen, die einen innovations- und technikaffinen Lebensstil pflegen, in einkommensstärkeren Bevölkerungsgruppen sowie bei Männern vergleichsweise stärker als bei Frauen.
“Die Bank- und Versicherungskunden setzen sich vermehrt mit neuen digitalen Angeboten auseinander, probieren diese schrittweise auch aus”, sagt Thomas Donath, Geschäftsführer bei Nordlight Research. “Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass diese sich auch in breiter Form bei allen Kundentypen durchsetzen werden.”
Vorsicht vor Fehleinschätzungen oder Hypes
Die wachsende Aufgeschlossenheit für digitale Trends sollte – dies zeigt der «Trendmonitor Deutschland» ebenfalls – jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die meisten Deutschen beim Abschluss von Finanz- und Versicherungsprodukten bislang immer noch “traditionell” handeln. Aktuell werden die meisten Bank- und Versicherungsprodukte – begleitet von mittlerweile weit verbreiteter Informationssuche und Nutzung von Vergleichsportalen im Internet – von den Verbrauchern immer noch am liebsten und am häufigsten im persönlichen Gespräch mit Kundenbetreuern abgeschlossen. Oder – mittlerweile ebenfalls bereits klassisch, und bei einfachen Produkten zunehmend – direkt über die Websites etablierter Anbieter. Andere digitale Abschlusswege (wie Video-Beratung, automatisierte Sprachauswahlmenüs, Sprachassistenten etc.) spielen de facto bisher erst Nebenrollen; könnten in speziellen Zielgruppen zukünftig aber durchaus attraktiven Nischencharakter gewinnen.
Namhafte Markenanbieter mit großem Präferenz-Vorsprung
Generell haben klassische Markenanbieter gegenüber Fintechs, Insurtechs und großen Digitalkonzernen immer noch die Nase vorn. So kommen für die deutschen Verbraucher beim Abschluss einfacher Bankprodukte (Girokonto etc.) bevorzugt Sparkassen, Volks-/ Raiffeisenbanken, ING, Postbank und Commerzbank in Frage. Präferierte Anbieter für den Abschluss einfacher Versicherungsprodukte (Hausrat / Kfz etc.) sind die HUK-Coburg / HUK24, Allianz, R+V, Ergo und Axa. Neue Anbieter liegen zumeist erst am Ende der Präferenz-Rankings.
Wenig Gegenliebe für personalisierte Werbung
Skeptisch steht die große Mehrheit der Kunden (rund 90%) personalisierter Werbung zu Bank- und Versicherungsprodukten auf Basis der Analytik individueller Such-Interessen und Social-Media-Aktivitäten gegenüber. Und zwar weitgehend unabhängig davon, ob die eigene Bank bzw. Versicherung oder Plattform-Anbieter wie Facebook, Google & Co. solche Werbung aussenden. Generell gilt: Datenschutzbedenken stellen derzeit immer noch ein gewisses “Bollwerk” gegenüber raschem digitalen Wandel im Bereich des privaten Finanz- und Versicherungsverhaltens dar.
Geringe Akzeptanz für Wegfall des Bargelds
Auch am Bargeld halten sehr viele Bundesbürger – im Mix mit elektronischen und neuen digitalen Bezahlformen – weiterhin fest: rund zwei Drittel (64%) lehnen einen weitgehenden Wegfall des Bargelds im Alltag ab; nur knapp jeder Vierte (23%) begrüßt diesen. Die größte Ablehnung zeigt sich in der Gruppe der über 50-Jährigen (74%). Aber auch viele 16-29-Jährige (52%) lehnen eine vollständig bargeldlose Gesellschaft ab; lediglich ein Viertel (25%) befürwortet diese, der Rest zeigt sich indifferent. Im Vergleich zu 2015 zeigen sich hier nur geringfügige Veränderungen.
Anbieter müssen im Markt jeweils eigene “Königswege” finden
Insgesamt zeigt die Studie, dass die neuen digitalen Möglichkeiten und Rahmenbedingungen im privaten Banken- und Versicherungsmarkt etablierten wie neuen Playern viele neue Chancen öffnen. Für die Entwicklung innovativer Produkte und Services, ebenso wie für die Entwicklung neuer Formen in Vertrieb, Marketing und Kommunikation. Zugleich gilt es, Risiken zu beachten. Denn trotz gewisser Durchsetzungsmacht der Anbieter werden am Ende die Kunden darüber entscheiden, wohin die weitere digitale Reise geht bzw. welche digitalen Trends sich letztlich in nennenswertem Umfang und in welchen Zielgruppen durchsetzen werden. Bei aller gegenwärtigen Technikeuphorie sollte zudem nicht unbeachtet bleiben, dass sich hierzulande auch Stimmen mehren, die eine Renaissance klassischer Kommunikationswege und Marketingformen in den Kundenbeziehungen vorhersagen.
“Mit Blick auf unterschiedliche Zielgruppen und deren Vorlieben gilt es für die Anbieter, entlang ihrer eigenen Marke und Positionierung den für sich jeweils besten Weg und dazu passende Geschäftsmodelle zu finden”, so Donath. “Ein allgemeingültiges Erfolgsrezept gibt es dafür nicht.”
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