Europa noch recht entspannt
Nach einer relativ langen Phase der Ruhe an den Aktienmärkten mit historisch niedrigen Volatilitäten im April kommt jetzt die Dynamik zurück. „Noch sind die Volatilitäten recht niedrig, die Absicherung von Depots also kostengünstig möglich – und sinnvoll“, sagt Ivan Mlinaric, Geschäftsführer der auf Risikomanagement spezialisierten Quant.Capital Management GmbH. Historisch gesehen könnten solche Konstellationen nämlich als Brandbeschleuniger wirken.
War die zuvor gemessene Ruhe nur die Ruhe vor dem Sturm? „Manche der aktuellen Marktkommentare scheinen den Sturm bereits über uns zu sehen, aber diese Angst ist noch nicht durch Zahlen zu belegen“, sagt Mlinaric. Die relevanten Volatilitätsindizes sind in den vergangenen Tagen jeweils um ein paar Punkte angestiegen. Der VIX, der die implizite Volatilität im US-amerikanischen S&P 500 Aktienindex misst, stieg um 2,6 und 3,9 Punkte an. Die Volatilität der europäischen Märkte stieg etwas geringer an mit jeweils 2,3 Punkten im Euro Stoxx 50 und je rund zwei Punkten im DAX. Ist das viel?
„Um das zu beurteilen, haben wir uns die täglichen Veränderungen seit Beginn der jeweiligen Zeitreihen angesehen“, so Mlinaric. Für Euro Stoxx 50 und DAX waren die Tagesveränderungen etwa im 94-Prozent-Perzentil. Das heißt, dass nur an etwa sechs Prozent aller Handelstage eine noch stärkere Bewegung zu beobachten war. Für den S&P 500 ist das Ergebnis noch deutlicher: An nur rund drei Prozent aller Handelstage waren die Vola-Anstiege im Durchschnitt höher als an den vergangenen beiden Tagen. „Keine Frage: Dies waren sehr bewegte Tage“, sagt Mlinaric. Aber reicht das für einen Sturm?
Hier sei die Betrachtung der impliziten Volatilität im historischen Vergleich aufschlussreich: „Es sind deutliche Unterschiede zwischen den europäischen Märkten und dem US-Markt zu sehen“, so Mlinaric. Der Volatilitätsindex für den Euro Stoxx 50 erreichte sein 28-Prozent-Perzentil, bewegt sich im historischen Vergleich also noch recht weit unten. Der Index für den DAX erreichte schon sein 38-Prozent-Perzentil und zeigt damit eine mittlere Intensität. Für den S&P 500 wurde sogar eine erhöhte Ausprägung im 65-Prozent-Perzentil gemessen. „Ein Sturm ist das noch nicht, aber für US-Aktien ist sicherlich erhöhte Wachsamkeit gefordert“, so Mlinaric.
Nun sind die impliziten Volatilitäten indirekte Indikatoren über die Verfassung der Aktienmärkte, sie werden anhand der Preise an den Optionsmärkten ermittelt. Wie sieht es an den Märkten direkt aus? „Zwei oder drei Tage sind ein zu kurzer Zeitraum, um sinnvolle Aussagen über die Veränderung der Marktvolatilität zu treffen“, sagt Mlinaric. Diese werde üblicherweise anhand der Kurse von mehreren Monaten oder gar Jahren gemessen. Das proprietäre Risikomodell von Quant.Capital Management ist da feiner justiert: Es misst unter anderem Aktienmarktrisiken anhand der Kursentwicklung, berücksichtigt dabei aber kurzfristige Änderungen im Volatilitätsregime, Volatilitätscluster sowie nicht normal verteilte Renditen an den Märkten und ist damit ein wesentlich feineres Werkzeug für die Messung der Marktverfassung. „Unser Risikomodell zeigt die globalen Marktrisiken insgesamt noch als niedrig an. Wir sehen aber deutliche Ausschläge in der Risikodynamik asiatischer Aktien sowie US-amerikanischer Hochzinsanleihen“, sagt Mlinaric. Es sei zu beobachten, dass das Faktorrisiko für Large-Cap-Aktien durchgehend angesprungen sei. „Die Dynamik hat sich deutlich von den bisherigen Tiefstständen abgehoben, stürmisch ist es aber auch hier noch nicht“, so Mlinaric. „Wir können aber, und das ist wichtig, eine starke Dynamik bei der Entwicklung der Marktrisiken beobachten – und das insbesondere in den Emerging Markets.“ Historisch gesehen könnte eine solche Konstellation durchaus als Brandbeschleuniger wirken. „Für Investoren sind dies die Zeiten, in denen man die eigenen Portfolios verstärkt auf deren Sturmfestigkeit überprüfen sollte“, sagt Mlinaric.
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