Marktkommentar von Jin Zhang, Senior Portfoliomanager, Quality Growth Boutique, Vontobel Asset Management

 

Die diesjährigen Parlamentswahlen in Indien werden zeigen, ob die konservative Bharatiya Janata Party (BJP) unter der Führung von Premierminister Narendra Modi an der Macht bleiben kann. Gleichzeitig bestimmen die Wahlen den Handlungsspielraum der künftigen Regierung, der maßgeblich von der Anzahl der gewonnenen Parlamentssitze abhängt. Indien betreibt ein Zweikammer-Parlamentssystem, bei dem das Unterhaus Lok Sabha alle fünf Jahre gewählt wird. Die Partei, die die Wahl zur Lok Sabha gewinnt, bildet die Regierung. Wenn jedoch keine Partei mehr als 50 Prozent der Stimmen gewinnt, wird die Regierung aus Koalitionen gebildet, die sich um die dominanten Parteien formieren.

Die BJP stellt derzeit die Regierung und es wird allgemein erwartet, dass sie die Wahlen erneut für sich entscheiden kann. Unsicherheit besteht allerdings hinsichtlich der Anzahl ihrer zukünftigen Sitze im Parlament, denn die meisten Analysten erwarten einen weniger eindeutigen Wahlsieg als im Jahr 2014.

Im Allgemeinen schätzen die Märkte Kontinuität und haben eine positive Meinung zur BJP, da sie die erfolgreichen Reformmaßnahmen der vergangenen Jahre, sowie das gute wirtschaftliche Wachstum als ihren Verdienst sehen. Eine der wichtigsten Errungenschaften der Modi-Regierung in der letzten Legislaturperiode war die Durchsetzung einiger wichtiger rechtlicher und fiskalischer Projekte, wie zum Beispiel der Waren- und Dienstleistungssteuer (GST) und dem Insolvenzrecht. Es ist wichtig, dass die neue Regierung diesen Weg fortsetzt, um die Tür zu mehr Kapitalzuflüssen weiter zu öffnen. Die Infrastruktur des Landes muss merklich verbessert, das derzeitige Arbeitsrecht gelockert und Regulierungen reduziert werden. Es gibt zwar einige Maßnahmen die schon vor langer Zeit in Kraft

getreten sind, jedoch sind nicht alle wirklich nötig oder effektiv. Der Bereich, der am meisten von Reformen profitieren dürfte, ist der Energiesektor. Eine Verbesserung der Verfügbarkeit und der Stabilität der Stromversorgung ist eine Voraussetzung für die Ansiedlung von Fertigungsunternehmen, die wiederum internationales Kapital anziehen könnten.

Heterogenität Indiens stellt Herausforderung für Unternehmen dar

In Indien ein Unternehmen zu betreiben ist kein einfaches Unterfangen. Das Land ist sehr groß und vielfältig. Infrastruktur- und regulatorische Einschränkungen stellen oftmals Hindernisse dar. Deshalb ist es für Investoren wichtig, Unternehmen auszuwählen, die wissen, wie man sich auf so schwierigem Terrain bewegt. So verfügt beispielsweise die Housing Development Finance Corporation (HDFC) über ein tiefes Verständnis des komplexen Immobiliengeschäfts in Indien mit seinen regionalen Besonderheiten und kann deshalb in allen Staaten des Landes tätig sein. Darüber hinaus profitert HDFC von der großen Erfahrung im Hypothekenfinanzierungsgeschäft.

Das gleiche gilt für ITC, das größte Tabakunternehmen des Landes, das in der Lage ist, die unterschiedlichen Regeln und Vorschriften des Landes zu befolgen und dabei erfolgreiche Geschäfte zu machen. Die Fähigkeit, in einem solchen Umfeld zu navigieren, ist für etablierte Unternehmen von großem Vorteil, da die regulatorische Heterogenität des Landes Eintrittsbarrieren für Neueinsteiger, einschließlich internationaler Herausforderer, darstellt.

Unabhängig vom Wahlergebnis wird der Finanzsektor profitieren

Unabhängig vom Wahlergebnis dürften Finanzdienstleister profitieren, denn sowohl die BJP als auch die größte Oppositionspartei Congress Party werden sich für die Schaffung von Arbeitsplätzen einsetzen und sich auf eine Verbesserung der Infrastruktur konzentrieren. Dies wird mehr Arbeitsplätze für die Mittelschicht schaffen, deren Einkommenszuwachs ihr Bedürfnis für Autokredite, Kreditkarten, Investmentfonds und andere Finanzprodukte steigern wird. Unternehmen, die gut positioniert sind, um davon zu profitieren, sind HDFC und die HDFC Bank, die sehr gut geführte größte Privatbank des Landes. Sie ist ein führender Anbieter in den oben genannten Finanzdienstleistungsbereichen und kann somit die aufstrebende Mittelschicht bedienen. Die Bank hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten sowohl eine Eigenkapitalrendite als auch ein Wachstum von jeweils rund 20 Prozent erzielt und wird diesen Weg voraussichtlich fortsetzen. Unserer Meinung nach ist das ein Paradebeispiel für die Art von Unternehmen, die wachsen sollten, egal welche Partei an der Macht ist.

Ölpreisansteig als größtes Risiko

Das größte Risiko für die indische Wirtschaft besteht in einem starken Anstieg der globalen Ölpreise. Indien braucht viel Öl und das Land produziert nicht annähernd genug. Es muss etwa 80 Prozent seines Bedarfs importieren, so dass sehr hohe Ölpreise eine Herausforderung für das Land darstellen würden, da sie das Leistungsbilanzdefizit in die Höhe treiben und damit den Staatshaushalt aus dem Gleichgewicht bringen könnten.

Vor diesem Hintergrund sind auch Unternehmen attraktiv, die in der Lage sind, diese wirtschaftlichen Herausforderungen und ihre Risiken zu meistern. So sind etwa IT-Dienstleistungsunternehmen wie TCS und HCL Tech weltweit wettbewerbsfähig und vor allem von der globalen Nachfrage getrieben, was ihnen eine gewisse Unabhängigkeit von der Inlandsnachfrage verleiht.

Fazit

Abgesehen von den bevorstehenden Wahlen gehört Indien zu den robustesten Entwicklungsländern. Das Land zeichnet sich durch ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum aus und seine Auslandsverschuldung ist moderat – dank seines Schuldenprofils kam das Land durch den Anstieg des US-Dollars weniger ins Schleudern als andere Schwellenländer. Die Aktienmärkte neigen dazu, auf politische Entwicklungen überzureagieren. Dabei wird das Wachstum Indiens von seinem großen, vielfältigen und dynamischen Privatsektor getrieben, der sich unter beiden möglichen Regierungskonstellationen weiterhin entfalten wird.

 

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