Marktkommentar von Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel
Eine außergewöhnliche Fülle an negativen Faktoren – oft politischen Ursprungs – belasten derzeit die konjunkturellen Perspektiven. Gute Orientierung für die künftige Entwicklung bieten Einkaufsmanagerindizes. Sobald diese sich stabilisieren, dürfte sich auch die Stimmung an den Kapitalmärkten wieder bessern…
Die kürzlich veröffentlichten November-Daten zur Industrieproduktion in der Eurozone unterschritten mit einem Minus von 1,7 Prozent im Vergleich zum Vormonat die ohnehin negativen Erwartungen der Analysten. Im Vergleich zum Vorjahr sank der Wert sogar um 3,3 Prozent. Einen stärkeren Rückgang der Industrieaktivitäten gab es zuletzt im Zuge der letzten Rezession im Dezember 2012. Die deutsche Industrieproduktion sank im November um 1,9 Prozent im Vergleich zum Oktober 2018. Erwartet worden war ein leichtes Plus.
Damit spiegeln sich die schon länger zunehmenden Hinweise auf eine nachlassende wirtschaftliche Dynamik nun auch in den Produktionszahlen wider. Wichtige vorlaufende Indikatoren zum Verhalten und der Stimmungslage von Unternehmen – in Deutschland beispielsweise der ifo-Geschäftsklimaindex und die Auftragseingänge – und Konsumenten verschlechtern sich sukzessive bereits seit Anfang 2018. Ähnliche Signale zeigen sich global und seit wenigen Wochen auch zunehmend in den USA.
Vor allem die Handelskonflikte wirken weltweit belastend. Vor dem Hintergrund unsicherer Absatzmöglichkeiten verschieben Unternehmen Investitionen. Andere haben mit zollbedingt steigenden Kosten zu kämpfen, beispielsweise die US-Automobilindustrie, die ebenfalls auf die Anschaffungsneigung drücken. In den USA kam zuletzt die Haushaltssperre hinzu, die angesichts der schon heute außergewöhnlichen Länge sowohl den Konsum wegen fehlender Gehaltszahlungen als auch Investitionen aufgrund stockender Auftragsvergaben und verspäteter Auszahlungen von staatlichen Investitionshilfen belastet.
Europaweit wirken noch weitere – vor allem politisch bedingte – Faktoren, wie die immer wieder aufkommenden Sorgen um den Zusammenhalt der Eurozone und der völlig unberechenbare EU-Austrittsprozess Großbritanniens. In Deutschland dämpfen der immer deutlicher werdende Fachkräftemangel und die Probleme der Automobilindustrie durch die Umstellung auf neue EU-Vorgaben sowie die Absatzkrise bei Dieselfahrzeugen die Produktion.
Die Liste ließe sich fortführen. Aktuell wirkt eine außergewöhnliche Fülle an Entwicklungen negativ auf viele in 2018 noch dynamisch wachsende Volkswirtschaften. Dabei haben einige das Potenzial, nicht nur regional oder branchenspezifisch, sondern global das Wachstum erheblich zu schwächen.
Eine gute Orientierung für den weiteren Verlauf können Einkaufsmanagerindizes als Vorlaufindikator für die künftige konjunkturelle Entwicklung geben. In Deutschland ist die Grundlage für die monatlich veröffentlichten Daten eine Befragung von 500 Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe bzw. dem Dienstleistungssektor zu Auftragseingängen und –beständen, Lagerbeständen, Einkaufsmengen und –preisen etc. Dabei zeigen Werte von über 50 eine Zunahme der Geschäftsaktivitäten an. Der Dezember-Wert für Deutschland lag bei 51,5 nachdem er allerdings Ende 2017 noch deutlich über 60 notierte.
In Frankreich, Italien und China sind die Einkaufsmanagerindizes in den letzten Wochen bereits unter die Marke von 50 Punkten gefallen und deuten damit auf eine weiter nachlassende Konjunkturdynamik hin. In einigen anderen Staaten sind die Indikatoren in den letzten Monaten ebenfalls stark gesunken und befinden sich teilweise nur noch knapp im expansiven Bereich.
Solange sich keiner der genannten Belastungsfaktoren eindeutig positiv entwickelt, dürfte der Abwärtstrend der Einkaufsmanagerindizes bestehen bleiben. Dabei würde ein Abrutschen weiterer Volkswirtschaften unter die Marke von 50 Punkten Rezessionsgefahren signalisieren. Berechtigte Hoffnungen auf Fortschritte hingegen dürften die Situation vieler Unternehmen schnell wieder drehen und die Tendenz zur konjunkturellen Abschwächung bremsen.
Anleger sollten vor diesem Hintergrund zunächst weiter vorsichtig agieren. Es ist noch nicht sicher, dass an den internationalen Aktienbörsen die Tiefpunkte bereits erreicht sind. Gerade politische Prozesse zeichneten sich in den letzten Jahren durch eine stark zunehmende Unkalkulierbarkeit aus und hatten gleichzeitig teils massive Auswirkungen auf das Börsengeschehen. Es ist daher sinnvoll, zunächst eine hoffentlich im Laufe der kommenden Monate einsetzende Beruhigung der unübersichtlichen Lage abzuwarten.
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