Leitgedanken von Dr. Christopher Smart, Head of Global Macroeconomic and Geopolitical Research bei Barings, zu den relevanten Wirtschaftsentwicklungen

 

Prognosen sind ein närrisches Spiel, aber die zugrundeliegende Argumentation kann uns dabei helfen, die maßgeblichen Kräfte zu identifizieren, die die Investmentrenditen antreiben werden. Um besser einordnen zu können, wie sich das Jahr 2019 entwickeln wird, schauen wir uns zehn relevante Entwicklungslinien genauer an. Lassen Sie uns gemeinsam die Punkte der nächsten drei Monate zusammentragen, um die voraussichtlichen Gewinner und Verlierer dieses Winters zu ermitteln.

GEWINNER

  1. Donald Trump:  Die Demokraten haben die Mehrheit im Repräsentantenhaus, die Russland-Ermittlungen von Robert Mueller werfen dunkle Schatten voraus und die Finanzmärkte straucheln, doch der US-Präsident könnte noch ein paar Asse aus dem Ärmel ziehen. Ein vorläufiger Deal mit China hängt weitgehend davon ab, zu welchen Bedingungen der Präsident ihn akzeptiert. Es scheint, dass Peking bereit ist, mehr Sojabohnen aus den USA zu importieren, geistiges Eigentum besser zu schützen und – überraschendweise – die Pläne anzupassen, mit denen Präsident Xi Jinping im Rahmen seiner Vorzeigeinitiative „Made in China 2025“ den technologischen Fortschritt in den Schlüsselbranchen fördern will. Diese Schritte dürften die gravierenden Differenzen zwischen den Systemen der zwei größten Volkswirtschaften der Welt zwar kaum aus der Welt schaffen (die laxe Umsetzung wird weiterhin für Konflikte sorgen), sie dürften jedoch ausreichen, damit der US-Präsident einen Zwischensieg verkünden kann. Falls der im Dezember drohende Shutdown der Regierung in Washington nicht allzu lange anhält, könnte Trump der neuen Führung im Kongress mit einem Deal über Infrastrukturinvestitionen, der das schwindende Vertrauen in das Wachstum der US-Wirtschaft wieder stärken könnte, sogar den Wind aus den Segeln nehmen.
  1. US-Aktien: Nein, sie sind nicht auf einem historisch niedrigen Niveau, und nein, wir haben noch nichts gesehen, was die alten Hasen auf den Märkten als „echte, schmachvolle Kapitulation“ bezeichnen würden, aber die Gewinnrenditen erscheinen mittlerweile attraktiver gegenüber den rückläufigen Treasury-Renditen. Die Technologiebranche wird ihre jüngsten Höchststände zwar nicht so bald wieder erreichen, aber es gibt Hinweise darauf, dass Aktien in den nächsten Monaten potenziell zulegen könnten.
  1. Theresa May (und das britische Pfund): Die Adjektive, mit denen ihre Kritiker Premierministerin Theresa May beschreiben, reichen von „zaghaft“ bis „planlos“, doch sie hat schlechte Karten mit viel Geschick eingesetzt. Obwohl eine Mehrheit der Bevölkerung im Brexit-Referendum 2016 dafür stimmte, den Status quo aufzuheben, herrscht keine Einigkeit darüber, was darauf folgen sollte. Zwar hat das Vorgehen der Premierministerin ihr viele Kritiker eingebracht, aber keiner von ihnen konnte bislang einen alternativen Plan vorlegen – geschweige denn einen besseren. „Ein Plan ist besser als kein Plan“, hieß es anfänglich, und Theresa May hat nun einen erbärmlichen Kompromiss mit Brüssel zusammengeschustert, der immer noch besser ist als ein chaotischer Austritt aus der EU. Tatsächlich scheint sich Großbritannien in den nächsten Jahren auf dem Weg hin zu mehr Kontinuität als Diskontinuität zu befinden, und das britische Pfund dürfte diese Realität bald widerspiegeln.
  1. Der Yen: Angespannte Arbeitsmärkte, hohe Konsumausgaben und das neueste Versprechen von Premierminister Shinzo Abe, Infrastrukturprogramme zu unterstützen, dürften für schnelleres Wachstum und eine Kerninflation sorgen, die Ende nächsten Jahres sogar bis zu 2 % erreichen könnte. Dies ist zwar kaum ausreichend, um das bevorstehende Ende der lang anhaltenden Deflation in Japan zu verkünden, könnte aber dazu beitragen, eine weitere Aufwertung des Yen in diesem Jahr zu stützen, selbst gegenüber dem starken US-Dollar.
  1. Die Schwellenländer: Die harten Zeiten könnten sich dem Ende nähern, da die US-Notenbank ein Ende ihrer Zinsanhebungen signalisiert hat, was den stetigen Kapitalabfluss aus den Schwellenländern stoppen könnte. Mit Ausnahme der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in Nigeria im Januar und in der Ukraine im März sind auch im politischen Kalender im ersten Quartal noch keine Ereignisse verzeichnet. Wenn das Basisszenario sich von einem Einbruch des Wirtschaftswachstums auf eine einfache Verlangsamung abschwächt, könnten die nächsten Monate Anlegern in Schwellenländern robuste Renditen bescheren.

VERLIERER

  1. Nancy Pelosi: Sie hat erneut die Führung im Repräsentantenhaus übernommen, nachdem sie sich gegen eine neue Generation ungeduldiger Demokraten durchgesetzt hat. Ein längerer Shutdown der Regierung könnte ihr jedoch Sorgen bereiten, wenn es dem US-Präsidenten weiterhin gelingt, den Schwerpunkt auf den Grenzschutz zu legen. Was noch wichtiger ist: Sie wird Schwierigkeiten haben, einen überzeugenden demokratischen Präsidentschaftskandidaten als Alternative für das Land aufzubauen, wenn sie es bei den Vorwahlen nicht schafft, ihre Parteimitglieder auf Linie zu bringen, die in erster Linie an Ermittlungen und einer Amtsenthebung interessiert scheinen.
  1. Europa: Obwohl es derzeit danach aussieht – Europa bricht nicht auseinander. Die Zukunft Großbritanniens wird sich innerhalb weniger Wochen – auf die eine oder andere Weise – klären. Eine Vertraute von Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde zu ihrer möglichen Nachfolgerin in Position gebracht, und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kündigte kürzlich Ausgabenpläne an, die das größere Haushaltsdefizit Italiens politisch decken werden. (In jedem Falle würde Europa von ein wenig mehr sinnvollen Ausgaben profitieren.) All dies dürfte jedoch nicht ausreichen, um die fragile wirtschaftliche Erholung zu unterstützen. Die Arbeitslosigkeit sinkt weiter und die Unternehmensgewinne sind stabil, aber die Frühindikatoren sind rückläufig und die Bedingungen an den Finanzmärkten verschärfen sich. Die Pläne der Europäischen Zentralbank, die Zinssätze anzuheben, könnten noch weiter verschoben werden.
  1. Der US-Dollar: Wenn es nicht zu einem kompletten Einbruch auf anderen Märkten kommt, der eine Flucht hin zu den sicheren Dollar-basierten Vermögenswerten auslöst, scheint der US-Dollar auf eine Abwertung zuzusteuern. Es ist ohnehin schwer vorstellbar, wie er die starke Performance in diesem Jahr wiederholen könnte, und noch schwieriger ist es, überzeugende Argumente zu finden, die gegen die Prognosen einer Wachstumsverlangsamung und die Erwartungen niedrigerer Zinssätze sprechen könnten.
  1. Russland: Russische Aktien gehören zu den wenigen Schwellenländeraktien, die das Jahr im Wesentlichen unverändert abschließen dürften – trotz des kürzlich erfolgten Ausverkaufs im Ölsektor. Allerdings stagnieren die Prognosen für das Wirtschaftswachstum für die nächsten Jahre bei rund 1,5 % (Quelle: Weltbank, 4. Dezember 2018), da schärfere Sanktionen ein fortgesetztes Deleveraging der Wirtschaft zur Folge haben werden. Anhaltende politische Konflikte mit dem Westen werden zu einer dauerhaften Isolation Russlands führen, und durch die gescheiterten Reformen könnte das Land gegenüber den dynamischeren Volkswirtschaften in Asien weiter an Boden verlieren.
  1. Öl: Wir gehen davon aus, dass der Ölpreis im Laufe des Jahres 2019 steigen wird, da das Angebot knapp ist und die globale Nachfrage weltweit relativ stabil bleibt. In den kommenden Monaten scheint jedoch ein relativ breites Angebot vorhanden zu sein, da die USA Käufern iranischer Exporte weiterhin Ausnahmegenehmigungen erteilen, während die Produktionskürzungen durch Russland und Saudi-Arabien geringere Auswirkungen haben könnten als gedacht.

 

Dr. Christopher Smart leitet die Abteilung Macroeconomic & Geopolitical Research, die Analysen auf der Grundlage diverser, von den Investment-Teams von Baring beigesteuerter Sichtweisen durchführt, um so die Auswirkungen wirtschaftlicher und politischer Entwicklungen auf die Finanzmärkte zu bestimmen. Von 2013 bis 2015 arbeitete er als Special Assistant des Präsidenten des Nationalen Wirtschaftsrates und des Nationalen Sicherheitsrates und agierte dabei als Hauptberater für Handel und Investitionen sowie eine ganze Reihe von globalen Wirtschaftsthemen. Christopher Smart war zudem vier Jahre lang als Deputy Assistant des Finanzministers tätig. In dieser Funktion gestaltete er maßgeblich die Reaktion auf die europäische Finanzkrise und konzipierte die US-amerikanische Finanzpolitik für Europa, Russland und Zentralasien. Vor seinem Engagement im Staatsdienst arbeitete Christopher Smart als Director of International Investments bei Pioneer Investments und war dort für das Management von aufstrebenden Märkten und internationalen Portfolios zuständig. Er hat einen Abschluss als B.A. in Geschichte von der Yale-Universität und als Ph.D. für Internationale Beziehungen von der Columbia-Universität. Er ist Mitglied des Council on Foreign Relations und verfügt über eine Zulassung als Chartered Financial Analyst CFA.

 

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