Diversifikation ad absurdum? Auch 2019 bleiben Korrelationen eng

 

In seinem Marktkommentar erläutert Erik Knutzen, Chief Investment Officer bei Neuberger Berman, warum der Wechsel der US-Notenbank vom Quantitative Easing zum Quantitative Tightening und die einsetzende Endphase des Konjunkturzyklus auch 2019 zu höherer Volatilität und recht engen Korrelationen zwischen Aktien und Anleihen führen wird.

In wenigen Handelstagen ist das Jahr 2018 vorbei – Zeit zum Nachdenken über ein ungewöhnliches Jahr.

Wenn heute ein Außerirdischer auf die Erde käme und von den Erträgen der einzelnen Asset-Klassen in diesem Jahr erführe, würde er wohl vermuten, dass der irdischen Volkswirtschaft etwas sehr Übles widerfahren und Diversifikation ein nutzloses Unterfangen sei.

Amerikanische Small Caps haben verloren, amerikanische Large Caps dürften 2018 ebenfalls Verluste verzeichnen, zumindest aber keine Gewinne. Aktien außerhalb der USA liegen auch im Minus, und einige europäische Märkte befinden sich sogar fast in der Baisse. An den Emerging Markets – bei Aktien wie bei Anleihen – gab es ein großes Gemetzel, in den letzten drei Monaten ist der Ölpreis drastisch gefallen, Investmentgrade- und High-Yield-Anleihen schreiben rote Zahlen. Die meisten Währungen haben gegenüber dem US-Dollar abgewertet. Nur wenige Hedgefonds-Strategien haben das Jahr unbeschadet überstanden.

Aufgrund all dessen könnte der Außerirdische glauben, dass man mit Staatsanleihen vielleicht besser bedient gewesen wäre. In Deutschland sind die Renditen zwar gefallen, aber in den USA sind sie höher als zu Jahresbeginn, egal, ob es sich um nominal verzinsliche oder inflationsindexierte Titel handelt. Und der Preis von Gold, einem anderen sicheren Hafen, ist um über sieben Prozent gefallen.

Aktien, Rohstoffe, Anleihen, inflationsindexierte Papiere, Währungen, alternative Strategien: Es gibt kaum eine langfristige Anlage, mit der man 2018 Geld verdient hat. Wo soll man da noch diversifizieren? Nie zuvor scheinen in einem Jahr so viele Asset-Klassen rote Zahlen geschrieben zu haben. Das jedenfalls zeigen Daten der Deutschen Bank, die bis zum Jahr 1901 zurückreichen Fundamentaldaten. Die wirtschaftlichen Fundamentaldaten erklären dies nicht.

Die Anträge auf Arbeitslosengeld sind in den USA zwar gestiegen, aber die US-Wirtschaft schafft jeden Monat noch immer mindestens 150.000 neue Stellen. Umfragen des Institute of Supply Management zeigen, dass sowohl das verarbeitende Gewerbe als auch der Dienstleistungssektor gut dastehen, und wir glauben, dass das US-BIP auch im neuen Jahr um 2 bis 2,5 Prozent wächst. Die europäischen Einkaufsmanagerindizes haben 2018 zwar enttäuscht, doch 2017 war außergewöhnlich gewesen. Die meisten Indizes deuten noch immer Wachstum an und dürften sich in den nächsten Monaten erholen.

Hinzu kommt, dass die Geld- und Fiskalpolitik weltweit expansiv bleibt: China reagiert auf den Abschwung mit neuen Konjunkturmaßnahmen, die Fed äußert sich in puncto Straffung der Geldpolitik deutlich zurückhaltender, und die Europäische Zentralbank dürfte die Zinsen bis nach dem Sommer unverändert lassen. Was kann der Außerirdische daraus lernen?

Struktur

Wenn eine Entwicklung nahezu alle Märkte betrifft, ist eine strukturelle Erklärung angebracht. Hier gibt es aus unserer Sicht nur zwei Möglichkeiten: Erstens, an allen Märkten geht die Liquidität zurück, wenn die US-Notenbank vom Quantitative Easing zum Quantitative Tightening wechselt und – wie die Europäische Zentralbank letzte Woche erklärte – in Europa Ähnliches ansteht. Zweitens führte die „multizyklische“ Weltkonjunktur zu Unsicherheiten. In den USA gibt es immer mehr Zeichen dafür, dass der Konjunkturzyklus in seine Endphase geht, während sich die übrigen Länder noch in der Mitte des Zyklus befinden. Die Kurse wichtiger Asset-Klassen, wie US-Aktien und lang laufender US-Staatsanleihen, werden aber von der Weltkonjunktur bestimmt.

Das Asset Allocation Committee von Neuberger Berman wird im Januar einen Ausblick für 2019 veröffentlichen. Bis dato ist davon auszugehen, dass der Wechsel vom Quantitative Easing zum Quantitative Tightening weitergeht. Es kann aber auch damit gerechnet werden, dass die asynchronen Konjunkturzyklen bald von einem neuen Gleichgewicht abgelöst werden. Die Fed dürfte darauf hinarbeiten, dass der nachlassenden US-Konjunktur eine weiche Landung gelingt, und Chinas neue Konjunkturprogramme werden wohl die Erholung in den übrigen Ländern stützen. Unterdessen setzen sowohl die Fed als auch die EZB ihre Bilanzsummenverringerung fort.

Hinterher weiß man mehr

Der Wechsel vom Quantitative Easing zum Quantitative Tightening und die einsetzende Endphase des Konjunkturzyklus wird wohl auch im neuen Jahr zu höherer Volatilität und recht engen Korrelationen zwischen Aktien und Anleihen führen. Die Rückkehr der Weltwirtschaft zum Gleichgewicht und die allgegenwärtige Tendenz zu der Rückkehr zum Mittelwert, der sogenannten „Mean Reversion“, sprechen aber dagegen, dass sich 2019 so viele Asset-Klassen in die gleiche Richtung entwickeln werden wie im Jahr 2018.

Rückblickend wird klar, dass es sich ausgezahlt hätte, 2018 auf den US-Dollar und deutsche Bundesanleihen zu setzen. „Cash is king“, heißt es so oft. Erstmals seit 2008 hat sich das wirklich bewahrheitet. Man könnte es unserem Besucher vom Mars nachsehen, wenn er 2019 auf die gleiche Strategie setzen würde.

Aber Investoren haben keine Glaskugel und 2018 war ein ungewöhnliches Jahr. Leben wir wirklich in einer Welt, in der sich Risiken gleich welcher Art nicht mehr lohnen? Das ist unwahrscheinlich. Die Ertragsaussichten risikobehafteter Titel mögen niedriger sein als nach der Finanzkrise, als die Geldpolitik extrem locker war. Es ist aber auch ungewöhnlich, für ein Risiko von fast null eine Prämie zu erhalten, und es passt einfach nicht zur natürlichen Ordnung der Wirtschaft.

Im neuen Jahr wird es nicht einfach sein, mit einem diversifizierten Portfolio ordentliche Langfristerträge zu erzielen. Vielleicht muss man seine Anlagen um alternative Assets und Strategien ergänzen. Auf jeden Fall sollte man es versuchen.

 

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