Orientiert man sich an der internationalen Börsenberichterstattung, scheint es nur einen Treiber für die Aktienmärkte zu geben: Liquidität bzw. die Erwartung zukünftiger Liquiditätsversorgung durch die Notenbanken oder Fiskalpakete.

Laut Thomas Böckelmann, leitender Portfoliomanager der Dolphinvest Capital, werden nicht nur der Berichterstattung, sondern auch der Deutung der zweiten Nachkommastelle der Inflationsentwicklung sowie dem Zeitpunkt einer möglichen 0,25 %-Zinssenkung zu viel Aufmerksamkeit geschenkt. „Dabei ist die weit wichtigere Frage, wie der konjunkturelle Neustart nach einem Soft- oder Hard-Landing erfolgen soll“, mahnt der Fondsmanager. Die historische Korrelation zwischen der Ausweitung von Geldmenge sowie Staatsverschuldung und der Aktienmarktentwicklung erfahre zu viel Gewicht in der Diskussion. Schließlich sei die Kausalität für die Aktienmärkte, anders als bei der tatsächlichen konjunkturellen Entwicklung und den folgenden Unternehmensgewinnen, nicht zwingend. Böckelmann befürchtet: „Stark schwankende Kurs-Multiples, also Expansion wie Kontraktion des Faktors, mit dem zukünftig erwartete Unternehmensgewinne multipliziert werden, dürften unmittelbare Folge sein.“

Der Experte warnt auch vor zahlreichen Bewertungsanomalien, die sich aufgrund von immer wieder erreichten Allzeithöchstständen bei den hochkapitalisierten Aktienindizes wegen Zinssenkungshoffnungen, dann tatsächlichen Zinssenkungen, aber auch wegen potenziellen Fiskalpaketen von China über Europa bis in die USA gebildet haben. Diese seien weder durch die ökonomische Realität noch durch die vorherrschenden Szenarien zu rechtfertigen.

Die erreichten Bewertungsanomalien zwischen den USA und dem Rest der Welt, zwischen den Stilen Growth und Value, zwischen hochkapitalisierten Aktientiteln und Nebenwerten seien laut Böckelmann aktuell nur ein Wesensmerkmal der Aktienmärkte: „Weiter hervorzuheben sind die historisch hohe Konzentration weniger Schwergewichte in den Aktienindizes sowie die durch eine vergleichbar niedrige Volatilität zum Ausdruck gebrachte Sorglosigkeit der Marktteilnehmer. Letztere ist der erhofften Existenz eines Sicherheitsnetzes für den Fall der Fälle – aufgespannt durch die Notenbanken oder ultimativ durch den Steuerzahler – geschuldet.“

Der Treiber Liquidität und das Vertrauen auf die Notenbanken stellten dabei etwaige Verschlechterungen bei den führenden Konjunkturindikatoren in den Schatten. Potenzielle geopolitische Risiken würden ohnehin ausgeblendet, da sie faktisch unberechenbar sind.

Um die Anomalien wissend, könnten die Animal Spirits (animalischen Instinkte) trotzdem die bereits gut gelaufenen Indizes weiter nach oben drücken. Böckelmann sieht das Momentum vor allem bei indexnahen Produkten wie ETFs oder gehebelten Produkten ungebrochen. Gleichzeitig gewännen vor allem zurückgebliebene Werte immer mehr an relativer Attraktivität. „Sollte eine Rezession ausbleiben, scheint es nur eine Frage der Zeit, bis eine nachhaltigere Rotation in Marktsegmente wie Value, Schwellenländer oder Nebenwerten erfolgt. Im Falle einer aktuell eher wenig wahrscheinlichen tieferen Rezession würden die Karten für die Aktienmärkte neu gemischt. Vor allem die von vielen Akteuren beschworenen Produktivitätszuwächse und Gewinnpotenziale für Unternehmen durch künstliche Intelligenz dürften sich eher als langer und steiniger Pfad erweisen“, so der Fondsmanager abschließend.

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