Robert Griffiths, Aktienstratege im Asset Allocation Team bei L&G Asset Management, kommentiert die aktuelle Situation der deutschen Autokonzerne:
„Seit dem Fall der Berliner Mauer beruht das deutsche Wachstumsmodell auf dem Export von Industriegütern. Das verarbeitende Gewerbe macht etwa 20 % des BIP aus, fast doppelt so viel wie in den USA oder in Großbritannien. Seit einigen Jahren gerät dieses Geschäftsmodell allmählich ins Wanken, da Deutschlands Zugang zu billiger Energie durch die Sanktionen gegen Russland untergraben wurde, die weltweite Nachfrage nach Gütern seit der Pandemie zurückging und China zunehmend von einem willigen Abnehmer deutscher Waren zu einem immer größeren Konkurrenten wurde. Die deutsche Industrieproduktion erreichte Ende 2017 ihren Höchststand und ist seither um 16 % gesunken.
Seit letzter Woche weist eine Reihe von Ereignissen im deutschen Automobilsektor auf eine Beschleunigung dieser Entwicklung hin. Zunächst gab BMW eine Gewinnwarnung heraus, woraufhin dessen Aktien um mehr als 10 % fielen. Die Warnung war teils auf die schwache Nachfrage und teils auf den Rückruf eines fehlerhaften Bremssystems eines anderen deutschen Unternehmens, nämlich Continental, zurückzuführen, dessen Aktien ebenfalls um 10 % fielen. Zweitens kündigte VW die Kündigung einer Reihe seiner Haustarifverträge an, darunter den Tarifvertrag für Beschäftigungssicherung, der Arbeitsplätze bis 2029 garantierte. Der Konzern drohte außerdem damit, zum ersten Mal in der 87-jährigen Unternehmensgeschichte ein deutsches Werk zu schließen.
Für die Anleger und das deutsche Wachstumsmodell im Allgemeinen stellt dies einen kritischen Punkt dar. Der Automobilsektor hat in den letzten zwölf Monaten in Europa am schlechtesten abgeschnitten und wird mit etwa dem 5-fachen Gewinn gehandelt – der niedrigsten Bewertung aller Branchen. Anleger sind also mit den Risiken vertraut. Die Frage ist nun, ob die deutsche Regierung und die Gewerkschaften den Automobilherstellern erlauben werden, diejenigen Reformen und Kostensenkungen durchzuführen, die sie für ihr mittelfristiges Überleben für notwendig erachten. Wenn sie dies tun – und die Entscheidungen werden politisch weh tun – könnte das Spielraum für einen Wiedereinsteig in diesen Sektor nach einer starken Underperformance schaffen. Die Unsicherheit ist derzeit zu groß, als dass wir kaufen würden, aber wir werden die Situation weiterhin genau beobachten.“
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