Aktuelle Markteinschätzung von Georg Geiger, Gründer und Vorstand der Value-Holdings AG
Die Diskussion, ob passives oder aktives Management besser ist, wird seit jeher kontrovers diskutiert. Jede Seite beansprucht für sich die schlagkräftigeren Argumente. Passiv gemanagte Fonds, sogenannte ETFs, spiegeln einen Index nahezu 1:1 wider – mit genau den gleichen Werten und der gleichen Gewichtung wie der Referenzwert. In einem DAX-ETF etwa sind das die 40 führenden deutschen Unternehmen, vom Softwareriesen SAP mit einem Gewicht von über zehn Prozent bis zum Online-Händler Zalando, der nicht einmal mit einem halben Prozent berücksichtigt wird.
Bei den passiv gemanagten Fonds ist der Name also Programm, dies bedeutet: ETFs halten sich stur an die Gewichtung im Index – unabhängig davon, ob ein Unternehmen schnell wächst oder mit Gegenwind kämpft. Büßt etwa der DAX 10 Prozent an Wert ein, geht es auch mit dem DAX-ETF um rund 10 Prozent bergab – und umgekehrt. Steigt der DAX um 10 Prozent, legt also auch der ETF auf den Leitindex um etwa 10 Prozent zu. Mit einem ETF schneiden Sparer also nicht schlechter ab als der Referenzwert, aber auch nicht besser.
Flexibilität in allen Marktphasen
Mit einem ETF sind Anleger demnach auf Gedeih und Verderb vom Kursverlauf des Vergleichsindex anhängig. Und genau hier liegt die Gefahr für Anleger – vor allem in so unsicheren Zeiten wie derzeit. Manager von aktiven Fonds haben hingegen den nicht zu unterschätzenden Vorteil, den Anteil an bestens positionierten Unternehmen zu erhöhen oder sich von Aktien zu trennen, die eine viel zu hohe Bewertung aufweisen.
Dass die exakte Nachbildung eines Index immer wieder an ihre Grenzen stößt, zeigt aktuell auch der Aufschwung der als „Glorreichen Sieben“ bezeichneten US-Technologieriesen um Alphabet, Amazon, Meta und Microsoft. Mit ihrer enormen Marktkapitalisierung dominieren sie die bedeutenden US-Aktienindizes. Ihre enorme Gewichtung bescherte vor allem dem Technologiebarometer Nasdaq einen ungeahnten Aufschwung. Doch die jüngsten Quartalszahlen zeigten, dass nicht einmal die Hälfte der sieben Tech-Riesen die hohen Erwartungen des Marktes erfüllen konnten.
Viele Anleger dürften sich daher die Frage stellen: Wird es den Tech-Giganten gelingen, in ihre ambitionierten Bewertungen hineinzuwachsen – oder werden aus den glorreichen demnächst die traurigen Sieben? Entscheidend ist, ob es die „Magnificient Seven“ schaffen, in ihre enormen Bewertungen hineinzuwachsen. Tesla ist mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 76 am höchsten bewertet, aber auch Apple kommt auf ein beachtliches KGV von immer noch 34.
Klumpenrisiken bei Nasdaq und S&P 500
Angesichts der erheblichen Gewichtung im Nasdaq und auch dem S&P 500 wird daher die Hausse dieser Indizes künftig an Fahrt verlieren, wenn die Indexschwergewichte an Schlagkraft einbüßen. Anleger, die sich in diesem Umfeld für einen ETF entscheiden, gehen also enorme Klumpenrisiken ein. Denn sie müssen nehmen, was den jeweiligen Index ausmacht – und kaufen somit zwangsläufig auch die Aktien der „Glorreichen Sieben“.
Wer aber auf ein aktives Management setzt, kann diese Klippen umschiffen. Denn Fondsmanager passen ihre Allokationen an die unterschiedlichsten Unternehmens- und Marktgegebenheiten an. Diese Flexibilität ist ein großer Vorteil von aktiv gemanagten Fonds gegenüber ETFs – und das sowohl in stabilen als auch in turbulenten Börsenphasen.
Von Bewertungsverzerrungen profitieren
Bei einem ETF bleiben auch die aussichtsreichen kleinen Unternehmen mit hervorragenden Geschäftsmodellen außen vor, die in keinem Index und ETF vertreten sind. Wer die Chancen der entsprechenden Aktien wahrnehmen möchte, sollte sich vor allem aktiv gemanagte Nebenwerte-Fonds näher anschauen. Grund: Es ist alles andere als trivial, die aussichtsreichen Nebenwerte zu identifizieren. Dieser Auswahlprozess braucht eine Menge Zeit, Wissen und Erfahrung – und zwar so viel, dass Privatanleger diese Analyse in der Regel nicht in Eigenregie umsetzen können. Professionelle Fondsmanager können das aber durchaus leisten. Sie erfüllen damit ganz nebenbei auch eine der wichtigsten Funktionen der Börsen, nämlich Kapital in aussichtsreiche Unternehmen zu lenken. Im Gegensatz dazu fließt bei passiven Investments das Geld nur deshalb in Firmen, weil sie Teil eines Index sind.
Die Möglichkeit, verstärkt in Marktnischen zu investieren, erlaubt es aktiven Managern darüber hinaus, von Bewertungsverzerrungen zu profitieren. Umgekehrt können passive Strategien Anleger nicht vor Bewertungsblasen und entsprechenden Korrekturen schützen. Angesichts der nach wie vor und womöglich noch anhaltenden herausfordernden Gemengelange, dürften aktive Manager daher auch in Zukunft gute Möglichkeiten haben, ihre Stärken unter Beweis zu stellen.
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