Transaktionsvolumen übertrifft Vorjahreswert um zehn Prozent
Der deutsche Investmentmarkt für Immobilien hat im ersten Halbjahr 2024 ein Transaktionsvolumen in Höhe von 15,7 Milliarden Euro verbucht. Damit haben sich die Aktivitäten im zweiten Quartal spürbar belebt und so ergibt sich ein Plus von rund zehn Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr 2023. Nach dem ersten Quartal hatten noch 6,3 Milliarden Euro und ein Minus von 19 Prozent zubuche gestanden. Doch nach wie vor kämpfen viele Akteure mit dem Marktumfeld: Restrukturierungen stehen auf der Tagesordnung, Investoren untereinander und Vertreter finanzierender Banken suchen nach Lösungen für die aktuellen Herausforderungen. Immerhin kann es als positives Signal gesehen werden, dass eine Schwemme an Notverkäufen ausgeblieben ist, die einen weiteren Preis- und Werteverfall zur Folge gehabt hätte.
Dr. Konstantin Kortmann, Country Leader JLL Germany und Head of Markets: „Was wir bereits seit Jahresbeginn in den Vereinigten Staaten sehen, wird jetzt auch in Deutschland spürbar: Der Markt nimmt langsam wieder Kurs in Richtung Wachstum. Industrie- und Logistikimmobilien bestätigen ihre schon seit 2023 gezeigte relative Resilienz mit einer deutlich positiven Dynamik gegenüber 2023, und die Einzelhandelssparte beweist ihr Potenzial dadurch, dass mittlerweile auch wieder Shoppingcenter gehandelt werden. Auch in der Assetklasse Living zeigt sich eine größere Dynamik in der Breite des Transaktionsmarkts. Verhaltener sind die Immobilienspezialisten noch bei Büros, dem einstigen Branchenprimus. Doch auch hier rechnen wir bis zum Jahresende mit einigen Transaktionen, die dann klare Indikatoren für das aktuelle Preisniveau sein werden.“
Erleichterung, aber keine Euphorie nach der ersten Zinssenkung
Nachdem die Europäische Zentralbank (EZB) am 8. Juni damit begonnen hat, die Zinsen wieder zu senken, war die Erleichterung an den Finanz- und Immobilienmärkten spürbar – aber von Euphorie über diesen Schritt keine Spur. So war eine Zinssenkung allgemein erwartet und durch die Rhetorik der EZB auch entsprechend angekündigt worden. Abzulesen war diese eher nüchterne und bereits eingepreiste Reaktion zum Beispiel an den fünfjährigen Swap-Rates und den Umlaufrenditen für deutsche Staatsanleihen, die die Tage danach sogar leicht nach oben tendierten. Nun war der Zinsschritt mit 25 Basispunkten auch eher homöopathisch und vor allem ließ die EZB in ihrer Kommentierung offen, ob es weitere Senkungen geben wird.
Der Fokus liegt nach wie vor auf der Inflation und vor allem die Kerninflation liegt noch deutlich über dem Zwei-Prozent-Ziel. Immer noch hohe Baukosten – auch wenn sich die Schärfe des Kostenanstiegs deutlich abgemildert hat – und vor allem die Lohnzuwächse werden mit Argusaugen betrachtet. Hinzu kommt ein zurückhaltendes Auftreten der US-amerikanischen Notenbank. Mehr als zwei weitere Zinsschritte wird es in diesem Jahr nicht geben und auch diese dürften eher verhalten ausfallen. „Das ist aus unserer Sicht durchaus angemessen, denn zum einen braucht die europäische und vor allem die deutsche Konjunktur finanzpolitische Unterstützung, zum anderen aber ist es richtig, die Schritte richtig zu dosieren, um nicht allzu schnell wieder in eine zu euphorische Stimmung zu verfallen“, sagt Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany. Unterstützung bekommt die Zentralbank von der Preisfront: Die Inflationsrate sank in wichtigen europäischen Ländern im Juni stärker als erwartet, und das Zwei-Prozent-Ziel der EZB könnte im Herbst dieses Jahres erreicht werden.
„Wir sollten uns immer klar vor Augen halten, dass das aktuelle Zinsniveau ein eigentlich normales Umfeld darstellt. Die vergangenen Jahre waren in dieser Hinsicht unnormal und es wäre illusorisch anzunehmen, dass wir in eine Welt ohne Zinsen zurückkehren“, sagt Scheunemann. „Keine Frage: Für alle Bestandshalter ist die Situation – ja nachdem zu welchem Preis investiert wurde – schwierig. Für diejenigen, die mit frischem Kapital oder Eigenkapital in den Markt einsteigen wollen, bieten sich große Chancen, denn bis zum Ende unseres Prognosehorizonts 2028 erwarten wir eine Aufwärtsbewegung bei den Kapitalwerten.“
Für den Immobilieninvestmentmarkt bleibt es dennoch ein zäher Aufholprozess, denn bei einer Vielzahl institutioneller Investoren stehen Immobilien als Anlageprodukt im Augenblick nicht im Fokus. Nachrichten zu Fondsabwertungen oder Entwicklerpleiten helfen nicht, um das Vertrauen in diese Assetklasse zu reaktivieren. „Interessant ist dabei, dass der Blick aus dem Ausland deutlich positiver ist und eher neue Einstiegschancen anstatt Risiken gesehen werden. Solche Chancen können sich bei der Repositionierung von Bestandsimmobilien oder der Restrukturierung von Kreditverpflichtungen ergeben. Vor diesem Hintergrund rechnen wir mit einer weiteren Belebung des Marktes im zweiten Halbjahr und bestätigen unsere Prognose von 40 Milliarden Euro für das Gesamtjahr“, analysiert Jan Eckert, Head of Capital Markets JLL DACH.
Der aktuelle Aufschwung wurde ausschließlich durch Einzeltransaktionen erzielt. Diese summierten sich für die ersten sechs Monate auf 11,5 Milliarden Euro, ein Plus von 26 Prozent. Demgegenüber sank der Anteil an Portfoliotransaktionen weiter und erreichte nur noch 4,2 Milliarden Euro, ein Minus von 19 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2023.
Zahl der Transaktionen jenseits der 100 Millionen Euro nimmt wieder zu
Als größte Transaktion des ersten Halbjahres geht der Verkauf des KaDeWe in Berlin an die thailändische Central Group mit rund einer Milliarde Euro in die Statistik ein. Daneben gab es weitere 31 Transaktionen in der Größenordnung von 100 Millionen Euro oder mehr, auch hier zeigt sich die Belebung des Investmentmarkts im Vergleich mit dem Vorjahr (23 Transaktion in dieser Größenordnung).
Das zu Beginn dieses Jahres erwartete langsame Herauslösen aus der Schockstarre hat sich damit fortgesetzt und zeigt sich nun auch in tatsächlich realisierten Abschlüssen, vor allem in den Sektoren Living, Logistik und gemischt genutzten Immobilien. Den ersten Platz zurückerobert hat sich die Assetklasse Living mit einem Volumen von 3,7 Milliarden Euro, wovon 3,4 Milliarden Euro auf Wohnimmobilien und knapp 300 Millionen Euro auf Healthcare-Immobilien entfallen. Die Umsätze mit Logistikimmobilien summierten sich im ersten Halbjahr auf ein Transaktionsvolumen von 3,4 Milliarden Euro und damit mehr als ein Fünftel des Gesamtergebnisses. Im Vergleich zum ersten Halbjahr ergibt sich für diese Assetklasse ein Zuwachs von fast 60 Prozent.
Noch nicht wieder in der Spur befinden sich Büroimmobilien. Das Transaktionsvolumen liegt mit drei Milliarden Euro in etwa auf dem Vorjahresniveau. Obwohl die Bürobelegungsquoten mittlerweile wieder ansteigen und die meisten Unternehmen ein Konzept zwischen Anwesenheit im Büro und Remote Working installiert haben, bleibt die Frage nach dem nachhaltigen quantitativen Bedarf an Büroflächen noch unbeantwortet. Hinzu kommen negative Schlagzeilen, die einzelne Immobilien betreffen. Ein Beispiel ist das Frankfurter Trianon, bei dem verschiedene Herausforderungen zusammentreffen: der Auszug eines Großmieters, ein Sanierungsstau und eine auslaufende Zinsbindung. Auch wenn das Trianon nicht stellvertretend für alle Büroimmobilien in Frankfurt und Deutschland steht, fördern solche Nachrichten nicht das Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit dieser Assetklasse.
In Einzelhandelsimmobilien wurden insgesamt knapp 2,6 Milliarden Euro investiert, damit liegt diese Assetklasse auf Platz vier. Neben der erwähnten Milliardentransaktion gab es viele Aktivitäten im Bereich zwischen zehn Millionen und 30 Millionen Euro.
Gerade größere Transaktionen haben es aktuell schwer, wobei als „groß“ mittlerweile alles ab 50 Millionen Euro gilt. Produkte, die nicht zu 100 Prozent den Anforderungen der potenziellen Käufer genügen, werden nicht weiter geprüft. Es braucht sehr gute Argumente, um Investoren davon zu überzeugen, welche Möglichkeiten der Markt aktuell bietet, wenn man mit frischem Kapital einsteigt. Anders stellt sich die Situation im Bereich Logistik dar: „Hier erwarten wir weiter steigende Aktivitäten in den nächsten Monaten. Investoren zeigen sich sehr interessiert und die hohe Anzahl der Gebote bei entsprechenden Bieterprozessen spricht eine deutlich positive Sprache“, sagt Jan Eckert.
Berlin und München legen beim Transaktionsvolumen wieder deutlich zu
Der Blick auf die Städte zeigt eine deutliche Steigerung des Transaktionsvolumens in den sieben Metropolen. Mit 8,4 Milliarden Euro wurden im ersten Halbjahr rund 29 Prozent mehr Investitionen getätigt als im ersten Halbjahr 2023. Der Anteil dieser Märkte am deutschlandweiten Transaktionsvolumen stieg von 45 Prozent auf aktuell 53 Prozent. Zum einen ist das Angebot hier natürlich größer, aber dennoch zeigt das Ergebnis, dass sich die Investoren in erster Linie in den großen Städten rentierliche Investments versprechen.
Berlin führt nach wie vor die Rangliste der umsatzstärksten Städte an: 3,5 Milliarden Euro sind gleichbedeutend mit einem Plus von 67 Prozent. Eine ähnliche Steigerungsrate erzielte München. Hier betrug das Plus 63 Prozent (1,8 Milliarden Euro). Lediglich in Hamburg (minus 14 Prozent) und in Stuttgart (minus 62 Prozent) fehlte es an vergleichbarer Dynamik. In der Hansestadt fehlen nach wie vor großvolumige Transaktionen – der größte Abschluss belief sich auf weniger als 60 Millionen Euro. In Stuttgart mangelt es insgesamt an Verkäufen, nur neun Deals wurden zwischen Januar und Juni gezählt.
Renditen haben sich weiter stabilisiert – bei Wohnimmobilien zeigt der Trend wieder nach unten
Im zweiten Quartal haben sich die Spitzenrenditen fast in allen Assetklassen weiterhin stabil gezeigt. „Das unterstützt unsere Ansicht, dass der Tiefpunkt erreicht wurde, und sich mit den weiter steigenden Mieten wieder positive Wertsteigerungen verbuchen lassen“, analysiert Scheunemann. Etwas weiter im Zyklus befinden sich Wohnimmobilien, die Renditen für Mehrfamilienhäuser gaben im Schnitt über die sieben Hochburgen sogar leicht nach und liegen mit 3,61 Prozent nun wieder zehn Basispunkte unter dem Wert aus dem ersten Quartal. Hochpreisige Transaktionen in mehreren Städten der sieben Metropolen bestätigen das neue Niveau.
Für die Entwicklung der Spitzenrenditen im weiteren Jahresverlauf wird ausschlaggebend sein, wie sich die Risikoprämie als Differenz zwischen Immobilienrendite und der Rendite für Staatsanleihen in den kommenden Wochen entwickeln wird. Die jüngste Zinssenkung der EZB im Juni hatte diesbezüglich keinen Effekt, genauso wenig bei den Finanzierungszinsen, da diese Zinssenkung im Vorfeld bereits eingepreist wurde. „Viel wird auf die Rhetorik der Zentralbanken ankommen, aus aktueller Sicht erwarten wir aber bis Ende dieses Jahres ein finanzpolitisches Umfeld, welches sich positiv auf die Renditen auswirken sollte. Vor diesem Hintergrund sehen wir bis Ende 2024 eine Trendwende auch bei anderen Assetklassen mit einer Kompression von bis zu 15 Basispunkten für Logistikimmobilien“, gibt Scheunemann einen Ausblick.
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