Die Stimmungslage auf dem stationären Einzelhandelsmarkt wurde im ersten Halbjahr von Licht und Schatten geprägt – positive wie negative Einzelindikatoren bestimmten die Gesamtgemengelage.
Auf der Seite der negativen Stimmungsparameter stehen zum Beispiel die erneuten Schließungsmeldungen von zahlreichen Galeria-Filialen sowie kürzlich erst angemieteter Geschäfte des Modehauses Aachener zu Buche. Nicht zuletzt diese Entwicklungen dürften das Flächenangebot in Innenstadtlagen perspektivisch noch einmal spürbar erhöhen und die Frage nach geeigneten und nachhaltigen Nachnutzungskonzepten erneut in den Blickpunkt rücken. Dementgegen waren in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres auch verschiedene Trends zu beobachten, die ein positives Signal für das Marktsentiment im zweiten Halbjahr senden. Zu nennen sind hierbei allen voran die im Vergleich zur ersten Jahreshälfte 2023 gestiegenen Passantenfrequenzen in deutschen Einkaufsstraßen, die unter anderem von erhöhten Besucherströmen im Zuge der Fußballeuropameisterschaft profitieren konnten. Darüber hinaus sind das Umsatzpari des stationären Modehandels im Vorjahresvergleich sowie der verminderte Kostendruck auf die Verbraucher durch die gesunkene Inflationsrate als weitere Stimmungsaufheller für den Einzelhandelssektor zu werten[1]. Die Auswirkungen dieser sehr differenziert zu betrachtenden Einflussfaktoren auf den Retailmarkt hat BNP Paribas Real Estate mithilfe der Vermietungszahlen zur Jahresmitte analysiert.
Deal-Anzahl legt deutlich zu, Teile des Flächenumsatzes aus 2023 stehen wieder auf der Kippe
Der Vergleich der Vermietungsdynamik des aktuellen Jahres mit dem Vorjahreszeitraum könnte gegensätzlicher nicht ausfallen: Während das erste Halbjahr 2023 von einem außergewöhnlich hohen Flächenumsatz bei einer vergleichsweise niedrigen Zahl an Abschlüssen geprägt war, zeichnete eine sehr gute Deal-Anzahl und ein insgesamt durchschnittlicher Flächenumsatz die erste Jahreshälfte 2024 aus. Im laufenden Jahr konnten mit rund 450 Verträgen gut 20 % mehr Vermietungen und Eröffnungen erfasst werden, was der besten Zwischenbilanz seit 2019 entspricht. Dass dies in einem geringeren Flächenumsatz als zur Jahresmitte 2023 resultierte, ist insbesondere auf die Großabschlüsse des Modehauses Aachener zurückzuführen, die für eine hohe Flächenabsorption in ehemaligen Galeria-Kaufhäusern gesorgt haben, mittlerweile aber bereits wieder schließen mussten oder vor dem Aus stehen.
Würde man diese insgesamt fast 100.000 m² abziehen, so erreicht das aktuelle Vermietungsvolumen
(H1 2024: rund 240.000 m²) ebenfalls den besten Wert seit fünf Jahren. Demnach stellt sich die Ausgangslage für das zweite Halbjahr wie folgt dar: “Die Nachfrageseite präsentiert sich zwar dynamisch, die Entwicklungen auf der Angebotsseite sind allerdings als noch dynamischer einzuschätzen. Erfreulich ist hierbei jedoch, dass Investoren, Projektentwickler und städtische Akteure die Situation der Kaufhaussparte genaustens beobachten und die damit verbundenen Chancen sehen, wovon die Innenstädte durch Neuentwicklungen und Wiederbelebungen dieser Assets perspektivisch profitieren dürften”, fasst Christoph Scharf, Geschäftsführer der BNP Paribas Real Estate GmbH und Head of Retail Services zusammen. “Als Indiz hierfür ist zu werten, dass die Retail-Sparte im ersten Halbjahr im Vergleich der Objektarten investmentseitig am besten abschneiden konnte, woran Highstreet- und Kaufhaus-Investments einen erheblichen Anteil hatten.”
Gemischte Gefühlslage bei den Zukunftsaussichten, Markteintritte senden positive Signale
Unter Berücksichtigung der skizzierten Rahmenbedingungen stellt sich die Stimmungslage auf dem bundesweiten Retailmarkt demnach weiter gemischt, aber dennoch besser dar, als es die vielen Schlagzeilen der in Schieflage geratenen prominenten Akteure zunächst vermuten lassen. Auch wenn Umzüge und Repositionierungen hierbei nach wie vor den Großteil der Marktbewegungen ausmachen, waren im ersten Halbjahr vermehrt wieder Markteintritte aus dem Ausland und aus dem Onlinehandel zu beobachten. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang unter anderem Arc’teryx (Kanada), On (Schweiz) und Highsnobiety (Online-Player) in Berlin, Purelei (Online-Player) und Unisport (Dänemark) in München sowie Cabaia (Frankreich) in der Kölner Einzelhandelslandschaft. “Vor diesem Hintergrund ist auch für die kommenden sechs Monate mit einer guten Vermietungsdynamik zu rechnen, auch wenn sich die Akteure, die aufgeben müssen und die Marktteilnehmer, die ihre Positionierung im stationären Geschäft stärken wollen, insgesamt weiterhin die Waage halten”, ergänzt Scharf.
[1] Quelle: Textilwirtschaft, Hystreet.com
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