Die deutsche Versicherungswirtschaft appelliert an die künftige EU-Kommission, den Finanzsektor nicht mit weiteren Vorgaben zu belasten.
„Um Regulierung effizienter zu machen, sollten die Regeln auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene besser koordiniert werden“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Jörg Asmussen, am Dienstag in Berlin. „Wo ein europäisches Regelwerk eingeführt wird, können bestehende nationale Regeln abgebaut werden.“
Als zentralen Baustein auf dem Weg „zu mehr Wettbewerbsfähigkeit, Wohlstand und Resilienz in Europa“ nannte Asmussen die Fortentwicklung der Kapitalmarktunion. Obwohl seit über zehn Jahren daran gearbeitet wird, seien die Fortschritte überschaubar und der europäische Finanzmarkt bleibe fragmentiert.
“Um die Kapitalmarktunion weiterzuentwickeln, müssen nationale Interessen zugunsten einer größeren europäischen Idee zurückgestellt werden”, forderte Asmussen. “Denn ein großer und liquider Kapitalmarkt ist ein zentraler Baustein für die Wettbewerbsfähigkeit der EU im globalen Standortwettbewerb.“
Als Beispiel für eine vertiefte Kapitalmarktunion nannte Asmussen den Investorenschutz. „Wir sollten möglichst schnell ein neues Instrumentarium zur Beilegung grenzüberschreitender Investitionsstreitigkeiten finden. Unser Vorschlag ist hier die Einrichtung eines EU-Investitionsgerichts oder eines EU-Ombudsmannverfahrens“, sagte Asmussen.
GDV mit eigener Erhebung zu Regulierungsdichte
Eine eigene Erhebung des Verbandes zeigt, wie stark die Regulierungsdichte für Versicherer insbesondere auf EU-Ebene angestiegen ist. „EU-Parlament, Rat und EU-Kommission haben in der vergangenen Legislaturperiode 77 Rechtsakte im Bereich der Finanz- und Vertriebsregulierung auf den Weg gebracht, die uns als Branche betreffen“, sagte Christoph Jurecka, Mitglied des GDV-Präsidiums und Vorsitzender des Präsidialausschusses für Unternehmenssteuerung und Regulierung, „Der Umfang dieser Dokumente umfasst ca. 10.000 Seiten Text. Dazu kommen noch 55 untergesetzliche Regelungen der europäischen Versicherungsaufsicht EIOPA mit nochmal rund 900 Seiten.“ Neben der europäischen Ebene hat sich auch auf nationaler Ebene die Regulierungsdichte erhöht, beispielsweise im Steuerrecht.
Ausweitung der Berichts- und Informationspflichten kontraproduktiv
In vielen Fällen unterstützt der Verband die Ziele von Regulierungsinitiativen ausdrücklich, etwa den Klima- und Verbraucherschutz. „Aber mit der steigenden Regulierungsdichte treten nicht beabsichtigte Nebenwirkungen auf, die diese wichtigen Ziele konterkarieren. Insbesondere die massive Ausweitung der Berichts- und Informationspflichten ist kontraproduktiv“, so Jurecka. Markteintritte neuer Unternehmen würden erschwert, das schwäche Wettbewerb und schmälere die Produktauswahl für Verbraucher.
Vor diesem Hintergrund wirbt der GDV für eine Trendumkehr. „Wir Versicherer schlagen ein strukturiertes Programm für effiziente Regulierung vor, das aus unserer Sicht großes Potential für Verbesserungen birgt. Zusätzlich regen wir eine Inventur und Revision der steuerlichen Vorschriften an und haben neun Vereinfachungsvorschläge vorbereitet.“
„Aufgeblähte Berichte sind Ressourcenverschwendung“
Als zentrales Beispiel nannte Jurecka die Nachhaltigkeitsberichterstattung, die durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und zwölf ESRS genannte Berichtsstandards geregelt wird: „Bei der CSRD-Neuregelung ist es dem Regulator leider nur sehr eingeschränkt gelungen, sich auf die wirklich relevanten Inhalte und Kennzahlen zu begrenzen.“ Daher werden die ersten CSRD-Berichte für das Geschäftsjahr 2024 auch sehr umfangreich ausfallen.
„Aufgeblähte Berichte sind Ressourcenverschwendung“, so Jurecka. Für Nutzer könne es schwierig werden, relevante von weniger relevanten Informationen zu unterscheiden. Der hohe Aufwand für die berichtenden Unternehmen schlage sich auch in den Kosten nieder. „Die von der Bundesregierung genannte Schätzung von 1,4 Milliarden Euro pro Jahr für die 13.200 betroffenen deutschen Unternehmen ist wahrscheinlich zu niedrig“, sagte Jurecka.
Komplexität und Umfang reduzieren
Da das Regelwerk zur Nachhaltigkeitsberichterstattung noch nicht abgeschlossen ist, schlägt der GDV vor, zu prüfen, ob weitere sektorspezifische Berichtsstandards notwendig sind. „Wenn das so ist, sollten Überschneidungen zwischen den sektorübergreifenden und -spezifischen Standards unbedingt vermieden werden“, sagte Jurecka. Mit Blick auf weitere Standards auf internationaler Ebene fügte er hinzu: „Komplexität und Umfang sollten reduziert werden und internationale und europäische Standards kompatibel sein.“
Reformbedarf sieht der Verband auch bei der Berichterstattung zu Solvency II. Hier müssen die Versicherer jährlich in Solvency and Financial Condition Reports (SFCR) Verbraucher und Öffentlichkeit über die Solvabilität und Finanzlage informieren. „Der Bericht ist für Verbraucher aufgrund seiner Länge und Detailtiefe ungeeignet“, sagte Jurecka. Auch sei das öffentliche Interesse an diesen Berichten mit Abrufzahlen von zuletzt durchschnittlich neun Downloads pro Monat gering.
„Wir schlagen daher vor, den SFCR in seiner jetzigen Form abzuschaffen“, so Jurecka. Stattdessen sollten Unternehmen verpflichtet sein, ihre Solvenzquote auf der Unternehmenswebsite zu veröffentlichen. Die Pflicht zur Veröffentlichung der quantitativen Daten für professionelle Nutzer sollte dagegen beibehalten werden. „Das wäre für den Versicherungssektor ein wichtiger Schritt hin zu einer konsistenteren und entschlackten Regulierung.“
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