Unterschlagung am helllichten Tag: Phantomfrachtführer holen die Ladung mit einem Lkw direkt im Warenlager ab. Schadenfälle in Millionenhöhe sind keine Ausnahme und die Zahl dieser Straftaten steigt, warnt die R+V-Tochter KRAVAG.

„Seit einem Jahr hat die Zahl der Betrugsfälle durch Phantomfrachtführer massiv zugenommen“, sagt Alexander Gsell, Jurist bei der R+V Tochter KRAVAG, und stützt sich dabei auf Angaben von Havariekommissaren. Die Sachverständigen für Transport- und Güterschäden unterstützen die KRAVAG bei den Ermittlungen zu Lkw-Ladungsdiebstahl. „Bei dieser Masche fahren die Kriminellen direkt bei einem Unternehmen vor, lassen sich den Lkw vollladen und verschwinden dann mit der Ware auf Nimmerwiedersehen“, berichtet Gsell.

Aber warum geben die Unternehmen die Waren an Diebe heraus? Das erklärt sich so: Wenn Waren von A nach B gebracht werden müssen, werden die Transportaufträge häufig über sogenannte Online-Frachtbörsen weitervergeben. „Das kann man sich wie einen Ebay-Kleinanzeigen-Markt für Frachtaufträge vorstellen“, erklärt Gsell. Hier werden Transportaufträge angeboten – allein in Deutschland mehrere 10.000 pro Tag.

Geringer Aufwand für Kriminelle

Bei diesen Börsen kommen die Phantomfrachtführer ins Spiel: Sie bewerben sich gezielt auf interessante Aufträge. „Um ihre Identität zu verschleiern, verwenden sie meist den Namen einer anerkannten Spedition“, sagt Gsell. „Ein klassischer Fall von Identitätsdiebstahl.“ Dazu verändern die Kriminellen Teile der E-Mail-Adresse des renommierten Unternehmens. Beispielsweise wird das italienische Wort „trasporti“ um ein „n“ ergänzt, die E-Mailadresse endet dann auf @transporti.it. Fehlende Dokumente wie die Versicherungsbestätigung werden gefälscht. „Der Aufwand für die Diebesbanden ist dabei sehr gering“, weiß der KRAVAG-Jurist. Sie müssen dann nur noch einen Auftrag ergattern und mit dem Lkw abholen.

Verluste in Millionenhöhe

Besonders beliebt bei den Dieben sind Metall-Transporte. „Kupfer ist begehrt wie Gold“, sagt Gsell. Die online Frachtbörsen geben zwar nicht preis, welche Ware transportiert werden soll. Aber die Route wird hier angezeigt. „Die Kriminellen wissen genau, wo Kupfer hergestellt wird – und wohin es üblicherweise geliefert wird.“ Wird ein Transporteur für die entsprechende Route gesucht, schlagen die Phantomfrachtführer zu. Oft geht es dabei nicht um eine Ladung, sondern gleich um mehrere Lkw. Der Verlust geht dann schnell in die Millionenhöhe.

Aber nicht nur Metalle wie Kupfer und Messing werden sind bei den Kriminellen begehrt. „Es gibt Tätergruppen, die sich auf Elektronik spezialisiert haben, andere haben es vor allem auf Lebensmittel abgesehen“, berichtet Gsell. „Für die Ware gibt es eine regelrechte Lagerhaltung wie bei Großhändlern.“ Uninteressant ist nur verderbliche Frischware, hier ist der Zeitdruck für den Weiterverkauf der Diebesbeute zu groß.

Bei innerdeutschen Warentransporten ist eine Versicherung Pflicht – die sogenannte Verkehrshaftungsversicherung. Diese tritt ein, wenn die Ware beschädigt, zerstört oder gestohlen wird. „Voraussetzung ist allerdings, dass der Versicherte alle Obliegenheiten erfüllt. Er hat eine Mitwirkungspflicht“, erklärt der KRAVAG-Jurist. Dazu gehört beispielsweise, dass Dokumente gründlich geprüft werden. Hinweise auf Fälschungen sind wechselnde Schrifttypen in einem Dokument, abgeschnittene Unterschriften oder Adressangaben von Phantasieorten. Ausführliche Tipps zur Schadenverhütung gibt es hier.

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