Silber gilt als das Gold des kleinen Mannes und wird für Anleger zunehmend attraktiv.

Denn die Nachfrage dürfte kräftig zulegen – und damit einhergehend könnte auch der ohnehin schon stark gestiegene Silberpreis noch weiteres Aufwärtspotenzial haben.

Aktuelle Markteinschätzung von Önder Çiftçi, CEO der Ophirum Group

Es ist nicht alles Gold, was glänzt – und das ist auch gut so. Denn neben Gold eigenen sich auch die Edelmetalle Platin, Palladium und Silber gut für ein Investment. Besonders attraktiv erscheint derzeit Silber: Das im Vergleich zu Gold eher stiefmütterlich behandelte Silber ist vor allem ein Industriemetall, das sich zuletzt schon hervorragend entwickelt hat, seine besten Tage aber trotzdem noch vor sich haben könnte – und zwar aus mehreren Gründen.

Früher wurde Silber so wie Gold vorrangig zur Wertaufbewahrung und für Schmuck gekauft. Heute ist Silber anders als Gold vor allem ein Industriemetall mit hervorragender elektrischer und thermischer Leitfähigkeit sowie antibakteriellen Eigenschaften. 54 Prozent des Silberangebots dienen industriellen Zwecken. Zum Vergleich: Bei Gold fließt laut Schätzungen nur ein einstelliger Prozentanteil des Angebots in die Industrie.

Silber wird primär für elektronische Bauteile benötigt – etwa für Smartphones, Laptops, E-Autos oder für medizinische Geräte und Beschichtungen. Auch der Ausbau des 5G-Mobilfunknetztes braucht das Edelmetall. Doch in jüngster Zeit erlebt Silber vor allem einen Nachfrageboom durch den steigenden Bedarf an Photovoltaikmodulen. Schließlich verbraucht nur ein typisches Einfamilienhaus-Solardach laut Schätzungen immerhin 100 bis 200 Gramm Silber. Schon 2022 flossen 15 Prozent des globalen Silberangebots in die Produktion von Photovoltaik-Modulen. Prognosen zufolge könnte die Nachfrage der Solarbranche die Jahresproduktion an Silber in ein paar Jahren sogar übertreffen.

Gold- und Silberpreis nicht immer im Gleichschritt

Das Beispiel zeigt: Der Preis für das wichtige Industriemetall ist von technischen und konjunkturellen Entwicklungen abhängig. Dementsprechend schwankt der Silberpreis heftiger als der Goldpreis. Dennoch sind Gold- und Silberpreisentwicklung miteinander korreliert und bewegen sich in der Regel in die gleiche Richtung, da beide Edelmetalle relativ selten vorkommen und als ewig haltbares Wertaufbewahrungsmittel fungieren können.

Edelmetallinvestoren halten deshalb die Gold-Silber-Ratio im Blick. Die Verhältniszahl beziffert, wie viele Feinunzen Silber nötig sind, um eine Feinunze Gold zu kaufen. Seit der Jahrtausendwende schwankte die Gold-Silber-Ratio zumeist zwischen Werten von 50 und 80. Im Frühjahr 2020 erreichte die Gold-Silber-Ratio ihren bisherigen Höchststand von mehr als 110. Grund: In der Corona-Pandemie war Gold als Krisenschutz besonders gefragt und verteuerte sich deutlich schneller als Silber. Im Laufe eines Jahres fiel die Rate allerdings wieder unter 70, Silber konnte aufholen. Langfristig liegt die durchschnittliche Gold-Silberpreis-Ratio etwa bei 60, ab einem Wert von 80 gehen viele Marktbeobachter von einem signifikanten Aufholpotenzial bei Silber aus.

Aktuell sind mehr als 76 Feinunzen Silber nötig, um auf den Gegenwert einer Feinunze Gold zu kommen, die Ratio ist also hoch. Der Grund: Der Goldpreis ist in den vergangenen Monaten auch aufgrund zunehmender geopolitischer Risiken und der Aussicht auf Zinssenkungen kräftig gestiegen. Da Zinssenkungen verzinste Anlagen wie etwa Staatsanleihen uninteressanter machen, wird Gold für sicherheitsbewusste Anleger in solchen Phasen attraktiver. Erst am 21. Mai markierte der Goldpreis mit rund 2.425 Dollar je Feinunze ein neues Allzeithoch. Dadurch stieg die Gold-Silber-Ratio Anfang Mai auf mehr als 86.

Silber ist mehr Industrie- als Anlagemetall

Grundsätzlich ist Silber ebenso wie Gold in Krisenzeiten als Vermögensschutz gefragt. Weil aber auch die Industrienachfrage eine gewichtige Rolle spielt, favorisiert das Gros der Anleger in Zeiten großer Unsicherheit und niedriger Zinsen zunächst Goldinvestments. Wird Gold den Investoren zu teuer, wird Silber zur Alternative. Je teurer Gold wird, umso wahrscheinlicher ist es, dass der Silberpreis steigt. Hinzu kommt, dass die industrielle Nachfrage nach Silber unabhängig von Zinsen und Krisen in den kommenden Jahren weiter steigen und so die Aufholjagd gegenüber Gold unterstützen dürfte. Der Sprung über die 30-Dollar-Marke für einen Feinunze Silber Mitte Mai ist ein klarer Hinweis darauf.

Auf der anderen Seite bringt Silber ein paar Nachteile mit sich, die Anleger vor dem Kauf bedenken sollten. Zum einen schwankt der Silberpreis deutlich stärker als der Preis von Gold. In den vergangenen zwölf Monaten lag die Schwankungsbandbreite bei mehr als 50 Prozent. Daran gemessen ist Silber für Anleger riskanter als Gold, dessen Preis im gleichen Zeitraum nur um rund 30 Prozent schwankte. Deshalb gilt Silber bei einigen Investoren als gehebelte Goldwette.

Zum anderen wird Silber anders besteuert als Gold. So sind schon beim Kauf von Silbermünzen oder -barren in Deutschland die vollen 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig. Gold ist hingegen vom Gesetzgeber als Wertanlage definiert und von der Mehrwertsteuer befreit. Um eine Rendite zu erzielen, muss der Silberpreis nach dem Kauf also erst einmal um 19 Prozent an Wert zulegen. Aber: Es gibt eine Möglichkeit, diesen Preisaufschlag zu vermeiden – und das ist Lagerung in einem Zollfreilager. Solange das Silber nicht nach Deutschland überführt wird, bleibt Anlegern die Mehrwertsteuer erspart.

Zumindest beim Verkauf gelten dann für Silber und Gold wieder die gleichen Steuerregeln: Wer Edelmetallmünzen oder -barren mindestens zwölf Monate in seinem Besitz hatte, bleibt beim Verkaufserlös von der 25-prozentigen Abgeltungssteuer befreit, auf die gegebenenfalls auch noch Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer fällig werden.

Ist Gold schon zu teuer, wird Silber attraktiv

Fakt ist: Steuern und starke Schwankungen beim Silberpreis machen ein Investment im Vergleich zu Gold deutlich riskanter. Der größte Vorteil: Der relativ niedrige Preis erlaubt Silberinvestments schon mit kleinem Budget. Positiv ist auch die deutlich steigende Nachfrage, die eine zunehmende Knappheit in der Zukunft und damit verbunden einen deutlich steigenden Preis prognostizieren. Allerdings sind Prognosen unsicher. Beispielsweise könnte es durch Innovation gelingen, den Silberverbrauch in E-Autos und Solarpaneelen zu senken oder das Edelmetall durch günstigere Materialien zu ersetzen. Die Tatsache, dass Silber auch ein Industriemetall ist, ist somit Vor- und Nachteil zugleich.

Anlegern, denen es weniger um überdurchschnittliche Renditen bei hohen Risiken, sondern vor allem um Vermögens- und Inflationsschutz sowie eine Krisenversicherung geht, greifen besser zum Original und nutzen Preisrückgänge zum Kauf von Gold.

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