Kleinere Unternehmen stehen ESG-Ratings zwiespältig gegenüber.
Das zeigt eine zweite Studie, die das ESG-Office des Berenberg Wealth and Asset Managements nach 2020 durchgeführt hat. Für diese wurden rund 100 Unternehmen europaweit aus vier Berenberg Small- und Micro-Cap-Portfolien zu ihrer Haltung gegenüber ESG-Ratings befragt. Ein zentrales Ergebnis: Zwar hätten sich die Ratings in den vergangenen Jahren verbessert, sie würden aber immer noch nicht zufriedenstellend die Nachhaltigkeit der Unternehmen widerspiegeln. Die verbesserten Ratings führen die Befragten auf ihre eigene Berichterstattung zurück. Sie geben auch an, dass sie der damit einhergehende Ressourcenbedarf belastet. Die Rating-Anbieter seien aus ihrer Sicht nicht immer offen für den Austausch. Grundsätzlich erkennen die Unternehmen aber an, dass die Ratings insbesondere für ihre Investoren wichtig sind.
Die Bedeutung von Nachhaltigkeitsaspekten in der Vermögensverwaltung hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Der Druck auf die Investoren ist gestiegen, ESG-Kriterien bei ihren Anlageentscheidungen zu berücksichtigen. Dies ging einher mit einer verschärften Regulierung. Von spezialisierten Agenturen erstellte ESG-Ratings sollen bei Anlageentscheidungen unterstützen, indem sie die Nachhaltigkeitsansätze von Unternehmen messbar und vergleichbar machen. Die jüngste Studie des Berenberg Wealth and Asset Management offenbart aber aufseiten zweier exemplarisch ausgewählter Rating-Anbieter weiterhin Lücken bei der Abdeckung des Aktienuniversums. Auch wenn die Anzahl der mit einem ESG-Rating versehenen Unternehmen im Small- und Micro-Cap-Segment seit der vorherigen Studie 2020 auf niedrigem Niveau gestiegen ist, werden insbesondere kleine und sehr kleine Unternehmen oftmals nicht bewertet. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse: Zwar haben sich die ESG-Ratings über alle Unternehmensgrößen hinweg seit der letzten Studie deutlich verbessert. Für kleinere Unternehmen fallen sie aber weiterhin niedriger aus.
Beurteilungen werden Unternehmen nicht gerecht
Mit Blick auf die Ergebnisse der Umfrage, ist eine große Mehrheit der Befragten der Meinung, dass die Beurteilungen ihrem Unternehmen nicht gerecht werden: Insgesamt 80 Prozent sagen, dass sie sich durch ESG-Ratings nicht immer korrekt bewertet sehen. Je kleiner die Marktkapitalisierung, desto höher der Anteil. Gründe für die insgesamt verbesserten Bewertungen sehen die Teilnehmer vor allem in den eigenen Anstrengungen in der Berichterstattung. Eine große Mehrheit ist der Ansicht, dass die wahrgenommene Rating-Verbesserung durch eigene verstärkte Offenlegung nachhaltigkeitsbezogener Informationen zustande kommt (79 Prozent). Weitere genannte Gründe sind eine tatsächliche Veränderung in der eigenen Nachhaltigkeitsleistung (50 Prozent) und die Aufstockung der Ressourcen im Unternehmen, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen (45 Prozent). Gerade einmal 20 Prozent denken, dass sich der Bewertungsrahmen der ESG-Rating-Anbieter geändert und somit zu einer Verbesserung geführt hat.
Immerhin 82 Prozent der Studienteilnehmer versuchen, ihre ESG-Bewertungen durch einen regelmäßigen Austausch und die Teilnahme an Umfragen von Rating-Anbietern zu beeinflussen. Die Hälfte der Befragten analysiert deren Bewertungsrahmen und passt ihre Prozesse an. Jedoch stellen rund 60 Prozent der Verantwortlichen von Small- und Micro-Cap-Unternehmen fest, dass die Rating-Anbieter wenig offen für die Einbeziehung von Unternehmensbeiträgen in das ESG-Rating sind. Je kleiner die Marktkapitalisierung, desto stärker dieser Eindruck.
Die wichtigsten Chancen von ESG-Ratings liegen für 57 Prozent der Befragten in der Gewinnung neuer und der Bindung bestehender Investoren. Auch wenn viele Small- und Micro-Cap-Unternehmen der Meinung sind, dass ihre Nachhaltigkeitsleistungen nicht korrekt bewertet werden und den Austausch mit den Rating-Agenturen als wenig offen empfinden: Alle wissen um die Bedeutung von ESG-Ratings für die Investoren, die diese Aspekte verstärkt in ihre Prozesse integrieren müssen – nicht zuletzt durch die stetig gestiegenen Vorgaben durch den Gesetzgeber. Matthias Born, Co-Head Wealth & Asset Management und Head of Investments bei Berenberg, kommentiert: „Externe ESG-Ratings können Investoren den Zugang zu Informationen erleichtern. Sie sind jedoch nur ein Bestandteil unserer internen ESG-Analyse. Viele unser Portfoliounternehmen, insbesondere in den Small- und Micro-Cap-Portfolios, verfügen ebenso wenig über eine ESG-Bewertung wie über eine Research-Empfehlung Dritter. Die dadurch entstehenden Ineffizienzen bei Small- und Micro-Caps können wir für unsere Kunden ausnutzen. Zudem stehen wir durch unseren engen Unternehmenskontakt beratend zur Seite, um die Nachhaltigkeitsberichterstattung zu verbessern.“
Große Herausforderungen bei den eigenen Ressourcen
Die Umfrageteilnehmer aus den Small- und Micro-Cap-Unternehmen sehen eine große Herausforderung in den Ressourcen, die für eine umfangreiche Berichterstattung benötigt werden. Für 80 Prozent der Befragten ist das eine sehr relevante beziehungsweise relevante Herausforderung. Mehr als die Hälfe der Befragten sieht den starren Rahmen von ESG-Ratings als Hemmnis an. Bei der Verringerung dieser Herausforderungen sind nach Meinung der Umfrageteilnehmer die Rating-Anbieter und Regulierungsbehörden in der Pflicht. 80 Prozent der Befragten halten es für eine sehr effektive Lösung, die Bewertungskriterien verschiedener Rating-Anbieter zu vereinheitlichen. Zudem sollten aus ihrer Sicht die besonderen Merkmale kleinerer Unternehmen besser in den Rating-Rahmen integriert werden. Dies könnte die Starrheit des Rahmens verringern. 51 Prozent der Befragten geben aber auch an, dass sie im Ausbau eigener Ressourcen eine effektive Lösung sehen.
Mit Blick auf die Bedeutung von ESG-Aspekten sind für die befragten Small- und Micro-Cap-Unternehmen alle drei Bereiche – Umwelt (E), Soziales (S) und Governance (G) – sehr wichtig. Governance sticht etwas hervor: 71 Prozent sehen diesen Aspekt als äußerst beziehungsweise sehr relevant an. Dicht dahinter folgen die Bereiche Umwelt und Soziales mit 65 und 63 Prozent. Rupini Deepa Rajagopalan, Head of ESG-Office bei Berenberg Wealth and Asset Management, betont: „Wir finden es nicht überraschend, dass die Governance (G)” für die von uns befragten Unternehmen als wichtig erachtet wird. Wir glauben, dass ein Unternehmen mit einer starken Unternehmensführung einen besseren Ruf, mehr Transparenz und Verantwortlichkeit und damit ein geringeres Risiko hat. Wenn wir eine ESG-Analyse durchführen, sind jedoch alle drei Faktoren E, S und G wichtig, aber das hängt von der Branche und dem Unternehmen ab. Bei Software- oder IT-Dienstleistungsunternehmen sind soziale Faktoren wie Weiterbildung und Vergütung der Mitarbeiter oder die Fluktuationsrate tendenziell wichtiger als ökologische Aspekte.“
Im Rahmen der Studie wurden die Unternehmen nicht nur zu ihrem Verhältnis zu ESG-Rating-Anbietern befragt, sondern auch zum Austausch mit Investoren über Nachhaltigkeitsaspekte. „Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass ESG-Faktoren zwar von den Investoren angesprochen werden, meist aber nur in einigen Meetings im Fokus stehen (48 Prozent). 18 Prozent der Unternehmen thematisieren proaktiv ESG-Aspekte bei der Mehrheit der Treffen, während dies nur elf Prozent der Investoren tun. Das spiegelt sich auch in der Bedeutung von Nachhaltigkeitsfaktoren für die Geschäftstätigkeit wider: Für 61 Prozent der Umfrageteilnehmer sind die mit den Investoren besprochenen ESG-Aspekte weder sehr noch überhaupt nicht wichtig. Nur 32 Prozent messen ihnen eine hohe Relevanz im Arbeitsalltag und Geschäftsbetrieb bei. Es scheint daher, dass nicht nur die Beziehung zwischen Unternehmen und Rating-Anbietern, sondern auch zwischen Unternehmen und Investoren in Bezug auf ESG-Aspekte weiterentwickelt werden kann“, verdeutlicht Rajagopalan.
Die ausführliche Studie können Sie unter www.berenberg.de/esg-publikationen abrufen.
Über Berenberg:
Berenberg wurde 1590 gegründet und gehört heute mit den Geschäftsbereichen Wealth and Asset Management, Investmentbank und Corporate Banking zu den führenden europäischen Privatbanken. Das Bankhaus mit Sitz in Hamburg wird von persönlich haftenden Gesellschaftern geführt und hat eine starke Präsenz in den Finanzzentren Frankfurt, London und New York.
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