Rüstungsfirmen werden derzeit allenthalben als Must-have im Portfolio propagiert.
Auf den Empfehlungslisten von Banken und Analysten stehen sie ganz weit oben und die Kursentwicklung seit Ausbruch des Ukraine-Krieges scheint ihnen recht zu geben. Aber sind Rüstungsfirmen aus unternehmerischer Sicht wirklich sinnvolle Langfristinvestments?
Die Zeitenwende bei den Militärausgaben beschert dem Geschäft von Rüstungskonzernen die beste aller Welten. Die Aufträge kommen herein wie am Fließband; dabei ist die Aufrüstung der NATO-Staaten noch nicht einmal richtig angelaufen. Und auch die in die Ukraine gelieferten Waffen- und Munitionsbestände müssen schließlich wieder aufgefüllt werden. So erhöhte sich beispielsweise der Auftragsbestand von Rheinmetall im dritten Quartal 2023 um 42% gegenüber dem Vorjahr auf 36,5 Mrd. Euro. Auch Hensoldt meldete vor kurzem einen Anstieg beim Auftragseingang um knapp 60%. Und aufgrund der zahlreichen Kriege und geopolitischen Krisen ist davon auszugehen, dass die Auftragslage auf absehbare Zeit sehr gut bleiben wird.
Das Geschäft boomt, aber die Margen bleiben schwach
Die hervorragende Auftragslage kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Rüstungskonzerne aufgrund ihrer extrem hohen Kapitalintensität geschäftsmodellbedingt selbst in diesem perfekten Umfeld nur über ein überschaubares Margenpotential verfügen. So beträgt etwa bei Rheinmetall die operative Marge auf Sicht der ersten drei Quartale des Jahres 2023 überschaubare 8%; bei Hensoldt sind es gerade einmal 4,3%. Noch wesentlich deutlicher treten die geschäftsmodellbedingten Defizite beim Cash Flow bzw. dem Free Cash Flow zu Tage. Denn so schön gefüllte Auftragsbücher auch sein mögen, sie erfordern bei kapitalintensiven Firmen, zu denen Rüstungsunternehmen nun einmal gehören, neben hohen Investitionen in die Erweiterung der Produktionskapazitäten auch den Aufbau entsprechender Lagerbestände. Beides bindet enorm viel Kapital und belastet den (Free) Cash Flow, so dass die Margen selbst bei Skaleneffekten in der Produktion kaum ansteigen, sondern chronisch schwach bleiben.
Das lässt sich an den Zahlen der beiden deutschen Rüstungskonzerne sehr schön ablesen: Vom florierenden Geschäft kommt beim (Free) Cash Flow nichts an. So hat sich der operative Cash Flow von Rheinmetall gegenüber dem Vorjahr zwar deutlich verbessert; mit -225 Mio. Euro in den ersten neun Monaten des Jahres 2023 ist er aber immer noch signifikant negativ (-511 Mio. Euro in 9M 2022). Der Free Cash Flow ist mit -458 Mio. ebenfalls tiefrot. Der Grund ist der enorme Kapitalbedarf für Investitionen sowie das Working Capital. Doch selbst bereinigt um den Aufbau der Lagerbestände beträgt die Free Cash Flow-Marge nicht einmal 2%. Und das in der besten aller Welten. Auch Hensoldt verdient – unternehmerisch richtig betrachtet – kein Geld. Von Januar bis September 2023 steht ein Free Cash Flow von -184 Mio. Euro zu Buche, 100 Mio. weniger als noch im Vorjahr.
Steigende Verschuldung „dank“ Auftragsboom
Für die Eigentümer kommt also nichts in der Kasse an, selbst bereinigt um den Aufbau des Vorratsvermögens. Da lässt sich mit Daily Used-Technologiefirmen wie Adobe, Apple, Google und Visa oder Consumer Staples wie Church & Dwight oder Procter & Gamble ein Vielfaches verdienen – bei geringerer Bewertung und geringstmöglichem substanziellen Investitionsrisiko und das, obwohl diese Unternehmen in der jüngeren Vergangenheit mit deutlich schwierigeren Rahmenbedingungen als die Rüstungsfirmen zurechtkommen mussten (z.B. hoher Inputkostendruck). Was dagegen bei einer kapitalintensiven Schwachmargen-Industrie wie der Rüstungsbranche „dank“ des Auftragsbooms vor allem steigt, das sind die (ohnehin hohen) Schulden. Aus einer Nettofinanzposition von 540 Mio. Euro (inkl. Net Working Capital und Pensionsrückstellungen) per Ende 2022 wurden bei Rheinmetall im Lauf des Jahres 2023 Nettoschulden in Höhe von 580 Mio. Euro; bei Hensoldt betragen die Nettoschulden 400 Mio.
Fazit: Der schöne Schein trügt also. Rüstungsunternehmen sind der Inbegriff extrem kapitalintensiver Firmen mit geringen Skaleneffekten und daher überschaubaren Margen. Selbst bei hohem Umsatzwachstum werden sie nicht zu Margenkönigen aufsteigen. Rüstungsfirmen sind hinsichtlich des Kapitalbedarfs und der begrenzten Skaleneffekten letztlich wie Autobauer, Maschinenbauer oder Flugzeugbauer zu sehen. Erschwerend kommt noch hinzu, dass ihr Absatz in der Regel von wenigen Großkunden und von Staaten und damit von teilweise willkürlichen politischen/bürokratischen Entscheidungen abhängig ist. Rüstungskonzerne besitzen faktisch auch keine Preissetzungsmacht; diese liegt vielmehr bei den Großkunden.
Als Langfristinvestoren, die aus unternehmerischer Sicht nicht nur das Absatzpotential, sondern auch die Profitabilität und insbesondere das Risiko einer Unternehmensbeteiligung im Blick haben, sind Rüstungsfirmen für uns deshalb ein klares No-Go.
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