In den vergangenen Jahren bestimmten die Notenbanken mit ihren Zinsentscheidungen den Takt an den Märkten. Vor allem die Inflation in Folge mannigfacher Krisen machte ihr Eingreifen erforderlich.

„Die neue Stärke der Notenbanken ist jetzt die Ruhe“, sagt Mathias Beil, Leiter Private Banking bei der Hamburger Sutor Bank. „Das liegt auch daran, dass bei den Zinsen eine sehr fragile Balance erreicht ist – und die Notenbanken jetzt keinen fatalen Fehler machen wollen.“ Für Anleger seien das gute Nachrichten.

Immer in Krisen rücken die Notenbanken als Horte der Stabilität in den Mittelpunkt. „Sie bilden eine Art letzte Instanz, der sich Märkte und auch Politik noch einigermaßen unterwerfen“, sagt Beil. „Ihre Entscheidungen werden traditionell selten kritisiert, sondern als das gesamtwirtschaftliche Gewissen hingenommen.“ Das änderte sich im Rahmen der sprunghaften Zinserhöhungen zur Inflationsbekämpfung in den vergangenen drei Jahren.

2023 wurde den Notenbanken nachgesagt, dass sie die Getriebenen der Märkte seien: nicht mehr unabhängig in ihrem Handeln, und mit den Zinssprüngen drauf und dran, die Welt in eine Rezession zu führen. Zumal Zinserhöhungen immer nur als Reaktion auf immer höhere Inflationsdaten erfolgten. „Und es stimmt, historisch betrachtet haben solche Zinsschritte mit einer einzigen Ausnahme immer in Rezessionen geführt. Mal heftiger, mal schwächer, aber immer kam es zur Rezession“, sagt Beil.

Dieses Risiko besteht auch heute noch – und deshalb nutzen die Notenbanken ein neues Instrument: Ruhe. EZB und Fed verharren derzeit abwartend, lassen die Zinsen auf einem hohen Niveau und schauen, ob die Konjunkturen kippen. „Zudem dienen die Ankündigungen wohl auch dazu, etwas Luft aus den Börsenblasen zu lassen“, erklärt Beil.

Notenbanken haben die Märkte im Griff – nicht umgekehrt

So wird klarer, dass wieder die Notenbanken die Märkte im Griff haben und nicht umgekehrt. Nachdem die Fed am Mittwoch (31.1.2024) die Zinsen unverändert auf dem höchsten Niveau seit 23 Jahren belassen hat, hat Fed-Chef Powell dieses Mal zumindest darauf verzichtet zu betonen, dass die Fed bereit sei, die Zinsen im Zweifel eher anzuheben als zu senken. „Das ist ein wichtiges Signal Richtung Zinssenkungen“, so Beil.

Ein Signal, das Powell aber mit der Ansage, nur dann die Zinsen zu senken, wenn sich die Inflation sicher in Richtung zwei Prozent bewege, wieder relativiert hat. „Also Zinssenkungen ja, aber noch nicht so schnell“, sagt Beil. Das hatte zur Folge, dass die Technologiebörse Nasdaq erst einmal um zwei Prozent absackte. „Durchaus eine gewollte Reaktion“, sagt Beil. „Die Notenbanken nehmen so etwas Luft aus den Märkten. Falls sich doch eine Rezession einstellt, ist die Fallhöhe dann nicht ganz so hoch.“

„Die Notenbanken spielen ihr Blatt überraschend souverän aus, lassen sich nicht treiben und werden die Zinsen so lange oben lassen, wie die Weltwirtschaft keinen Schaden erleidet und vielleicht doch in eine Rezession abrutscht“, sagt Beil. „Diese neue Ruhe ist eine starke Waffe und sorgt dafür, dass die Handlungsfähigkeit der Notenbanken steigt.“ Denn wo das Pulver in den Krisen doch weitgehend verschossen war, sammelt sich mit jedem Monat Ruhe neues an. „Die Notenbanken stärken so ihre Rolle als letzte Instanz – für Anleger und die Wirtschaft sind das gute Aussichten“, sagt Beil.

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