Marktkommentar von Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank DONNER & REUSCHEL
Die vor kurzem von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vorgestellte Industriestrategie soll „Deutschland als Industriestandort in seiner ganzen Vielfalt erhalten“. Um dieses Ziel zu erreichen, werden verschiedene Handlungsfelder definiert:
* Die Verbesserung der Standortbedingungen soll u.a. durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Wasserstoffindustrie sowie der Infrastruktur, durch Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung, Investitionsanreize und die Förderung von Aus- und Weiterbildung sowie der Fachkräfteeinwanderung erreicht werden.
* Die Wirtschaftssicherheit will man durch neue Handelsabkommen, Rohstoffpartnerschaften oder die Förderung von Produktionskapazitäten in kritischen Bereichen, u.a. bei der Herstellung von Rüstungsgütern erhöhen.
* Die klimaneutrale Erneuerung der Industrie soll durch die Erweiterung des Emissionshandels, die Einführung eines CO2-Grenzausgleichs und die Nutzung neuer Technologien wie der Einlagerung von CO2 angeschoben werden.
Zumindest teilweise kann man die neue Industriestrategie des Bundes wohl auch als Antwort auf den Inflation Reduction Act der US-Regierung – der mit mehr als 400 Mrd. US-Dollar klimaneutrale Technologien unterstützt – sowie auf den zunehmenden Konkurrenzdruck aus China verstehen, bspw. bei der E-Mobilität. Dabei ist allerdings fraglich, welche der genannten Maßnahmen die richtigen Antworten auf Subventionen anderer sind.
Es deutet einiges darauf hin, dass die sinkende internationale Wettbewerbsfähigkeit vieler Staaten Europas mehr mit strukturellen Fehlentwicklungen zu tun hat als mit Subventionen anderer Staaten oder höheren Energiepreisen. Langwierige Bürokratie und Genehmigungsverfahren, hohe Auflagen für investitionsbereite Unternehmen oder komplizierte Antragsprozesse bremsen viele europäische Volkswirtschaften massiv aus. Auch aus volkswirtschaftlicher Sicht wäre ein Ausbau der eigenen Wettbewerbsfähigkeit, der Standortvorteile Europas, einer Beteiligung an einem internationalen Subventionswettlauf vorzuziehen. Denn Subventionen haben grundsätzlich den Nachteil, dass sie notwendigen Strukturwandel behindern bzw. nicht wettbewerbsfähige Strukturen zementieren. Zudem könnten Unternehmen nach deren Auslaufen ihren Standort wieder verlassen und es entstehen Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Frage, wer subventioniert werden sollte und wer nicht. Langfristig sind damit vor allem immense Kosten, aber nur selten die Sicherung oder Wiederherstellung von Zukunftsfähigkeit verbunden. Vielmehr war die internationale Arbeitsteilung und Spezialisierung auf Basis marktwirtschaftlicher Anreize der Erfolgsfaktor der Globalisierung und führte in den meisten Regionen weltweit zu einer erheblichen Steigerung des gesamtwirtschaftlichen Wohlstands. Daher ist Freihandel anstatt Protektionismus – abgesehen von bspw. kritischer Infrastruktur – meistens die sinnvollere Option für alle Beteiligten.
Fazit:
* Die bessere Strategie wäre daher, sich noch stärker auf den Ausbau der Infrastruktur, die Bildung inklusive ggf. notwendiger Umschulungen oder die Abfederung von aus dem Strukturwandel resultierenden sozialen Härten, die Unterstützung von Grundlagenforschung und die Absicherung von Investitionen in zukunftsgerichtete neue Technologien zu fokussieren.
* Ohnehin wird Europa angesichts anhaltender Standortnachteile, wie höherer Energiepreise und der demografischen Alterung, nur als Hochtechnologieentwickler und -standort eine wirtschaftlich prosperierende Zukunft haben. Klar ist, dass der notwendige Strukturwandel nicht von politischer Seite angeordnet und nach Planvorgaben umgesetzt werden kann. Vielmehr braucht es den kreativen Wettbewerb der Marktwirtschaft, um bestmögliche und schnelle Ergebnisse zu produzieren. Politik sollte die gesellschaftlich gewünschten Zielvorstellungen formulieren und den notwendigen Rahmen für erfolgreiches unternehmerisches Handeln ermöglichen. Sie sollte jedoch keine harten technologischen oder prozessualen Vorgaben setzen, die oftmals aus Ideologien und fehlender Kompromissbereitschaft resultieren.
* Nicht zuletzt sind die hohen Energiekosten hierzulande auch wegen des rigorosen Verzichts auf die Atomenergie und die nicht vorhandene Diskussion über Chancen und Risiken des Frackings in Deutschland entstanden. Schon vor diesem Hintergrund ist die Subventionierung energieintensiver Produktion ein Widerspruch an sich.
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