Metzler Ratings hat die Bilanzen der 30 größten deutschen Lebensversicherer für das Geschäftsjahr 2022 daraufhin durchleuchtet, ob sie ungefährdet durch die Zinswende kommen dürften.
Die Ergebnisse dieses Qualitätsratings zur Sicherheit und Ertragsstärke: Acht Versicherer können selbst unter Hinzurechnung der Zinszusatzreserve die jeweiligen Stillen Lasten nicht kompensieren. Drei Unternehmen sind dagegen exzellent aufgestellt. Mit einem Rating von Triple-A schnitt die WWK am besten ab, gefolgt von Victoria, Hannoversche, die jeweils auch ein Rating von AAA erreichten.
Erst gut begründete Befürchtung – nun Gewissheit. Die Metzler Ratings GmbH hat bereits im April dieses Jahres eine erste Kurzstudie zu dem brisanten Thema „Deutsche Lebensversicherer – wie aus Stillen Reserven plötzlich Stille Lasten wurden“ veröffentlicht. Wesentliche Erkenntnis daraus: Noch Ende 2021 bestanden in Deutschland branchenweit Stille Reserven von 155 Milliarden Euro. Doch bedingt durch die Zinswende der Zentralbanken weltweit sank der Kurswert kaum verzinster Anleihen, die während der vergangenen zehn Jahre erworben wurden, massiv.
Die gut begründete Befürchtung der Studienautoren: Aus Stillen Reserven waren bereits bis Anfang April unterm Strich Stille Lasten von rund 105 Milliarden Euro geworden. Im Schnitt entsprach dies rund einem Zehntel des Bestands an Kapitalanlagen, die Versicherer für ihre Kunden halten. Mit Veröffentlichung der Bilanzen hat sich die damalige Prognose von Metzler Ratings bewahrheitet: „Die uns nun vorliegenden Jahresabschlüsse der größten 30 Lebensversicherer für das Jahr 2022 bestätigen unser damaliges Studienergebnis – leider“, sagt Rating-Spezialist Dr. Marco Metzler.
Hohe Stille Lasten können die Zukunftsfähigkeit eines Versicherers deutlich verschlechtern. Im schlimmsten Fall könnten sie sogar zu existenziellen Problemen bei einzelnen Versicherern führen. Auf jeden Fall aber schmälern sie die künftigen Renditechancen. Die Metzler Ratings GmbH will daher mit einem Qualitätsrating, basierend auf den Jahresabschlüssen der Versicherer, den Kunden der Lebensversicherern eine Hilfe an die Hand geben, damit diese abschätzen können, wie solide ihr Versicherer aufgestellt ist.
Dabei ist die Lage von Versicherer zu Versicherer völlig unterschiedlich: So haben einige Unternehmen wie etwa die WWK und die Hannoversche weniger als ein Prozent Stille Lasten in ihren Büchern. Andere Versicherer hingegen wie beispielsweise Alte Leipziger, Gothaer und Cosmos weisen in ihren Jahresabschlüssen für 2022 Stille Lasten von 15 Prozent bis hin zu fast 25 Prozent bei der LPV – vormals PB Leben – aus. (Eine Übersicht zu Stillen Lasten und weiteren Kennzahlen deutscher Lebensversicherer finden Sie unter www.metzler-ratings.com/kennzahlen.)
Doch der Höchststand bei den Stillen Lasten dürfte noch nicht erreicht sein: „Da die Zinsen im Jahr 2023 weiter gestiegen sind und noch weiter steigen könnten, dürfte sich die Situation weiter verschärfen“, prognostiziert Metzler. Er schätzt, dass bis Ende 2023 die Stillen Lasten netto auf über 200 Milliarden Euro steigen dürften. Dies entspräche dann im Schnitt rund 20 Prozent des Kapitalbestandes der deutschen Lebensversicherer.
Dabei hoffen viele Manager deutscher Lebensversicherer darauf, die Stillen Lasten einfach aussitzen zu können, indem die niedrig verzinsten Anleihen im Bestand bis zur Endfälligkeit gehalten werden. Diese Hoffnung ist aus Sicht Metzlers jedoch trügerisch. Denn sobald die Stillen Lasten erst einmal einer Quote von 20 Prozent der Kundengelder entsprechen, werde es schwierig. Dann stehe die Zukunftsfähigkeit – und somit die Nachhaltigkeit – des Lebensversicherers auf dem Spiel. Grund: „Dann kann kaum noch Kapital für renditeträchtigere Anlagen zur Verfügung gestellt werden“, weiß Metzler. „Und ein Lebensversicherer mit Stillen Lasten in Höhe von 20 Prozent kann keinesfalls mit einem positiven ESG-Rating rechnen. Das heißt, er disqualifiziert sich damit sowohl bei institutionellen als auch bei privaten Investoren und Kunden.“
Versicherer sind gesetzlich dazu verpflichtet, sicherzustellen, dass sie alle eingegangenen Verpflichtungen aus ihren Versicherungsverträgen dauerhaft erfüllen können. Deshalb müssen die Unternehmen dem so genannten Sicherungsvermögen immer genügend Kapital zuführen. Die deutsche Finanzaufsichtsbehörde BaFin erwartet daher zu Recht, dass Lebensversicherer sorgfältig abwägen, ob sie freiwerdende Mittel – etwa aus dem Abbau der Zinszusatzreserve (ZZR), die während der Niedrigzinsphase als zusätzlicher Sicherheitspuffer aufgebaut wurde – nun dazu nutzen, um ihre Überschussbeteiligung sofort zu erhöhen oder ob sie ihre Risikotragfähigkeit stärken.
Letzteres ist zwar für das Gesamtsystem gut, hat aber zur Folge, dass das – durch die teilweise Auflösung der ZZR und die höheren Zinsen bei der Neu- und Wiederanlage der Versicherungsbeiträge – zur Verfügung stehende Kapital erst nach Jahren den Versicherungsnehmern in Form höherer Überschussbeteiligungen zu Gute käme. Sprich: Die Kunden müssten noch Jahre mit niedrigsten Renditen vorliebnehmen.
Daher haben einige Lebensversicherer die bisher freiwerdenden Mittel nicht zum Abbau Stiller Lasten und damit zur Stärkung der eigenen Finanzkraft genutzt. „Sie haben vielmehr die Überschussbeteiligung stabil gehalten oder sogar erhöht, um in einer Zeit steigender Zinsen ihren Kunden wenigstens etwas höhere Renditen bieten zu können. Wir haben daher die Zinszusatzreserve zu den verlustdeckenden Mittel, den Sicherheitsmitteln hinzugerechnet, erläutert Versicherungsspezialist Metzler. „Andere Versicherer haben dagegen – um ihre Risikotragfähigkeit zu erhöhen – Verluste realisiert und Wertpapiere unter Kaufwert abgestoßen.“
Insgesamt führte das dazu, dass die Nettorendite im Jahr 2022 branchenweit deutlich auf 2,2 Prozent gefallen ist. Diese unterschiedlichen Strategien sind mit ein Grund, weshalb sich die Stillen Lasten bei den einzelnen Lebensversicherern so unterschiedlich entwickelt haben.
„Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, die Sicherheitsmittel zu betrachten, die im Notfall zum Ausgleich eines Verlustes herangezogen werden können, wenn – zum Beispiel durch ein überhöhtes Storno von Verträgen – die Stillen Lasten realisiert werden müssen“, erläutert Versicherungs-Analyst Metzler.
Auf Basis der Jahresabschlüsse 2022 der 30 größten deutschen Lebensversicherer hat Metzler Ratings daher Kennzahlen wie Substanzkraft, Bewertungs- und Zinszusatzreserve sowie Nettorendite für ein Qualitätsrating zur Sicherheit und Ertragsstärke der jeweiligen Versicherer analysiert. Im nächsten Schritt wurden Sicherheitsmittel und Ertragskraft bewertet. Diese beiden Bewertungen bündelte Metzler Ratings anschließend in einer Gesamtnote von 1,0 bis 7,0. Zu guter Letzt wurden jeweils fünf benachbarte Zehntelnotenstufen in Ratings von AAA (beste Wertung) bis hin zu C (schlechteste Wertung) zusammengefasst. (Hinweis: Dieses Rating ist nicht mit einem üblichen Bonitätsrating für Investoren und/oder Anleger identisch oder vergleichbar und stellt nur die Aggregation von Bilanzkennzahlen dar)
Mit einem Triple A-Rating (AAA) und einer Note von 1.0 konnte sich die WWK an die Spitze des Teilnehmerfeldes setzen. „Die WWK ist mithin also am besten für die Schwierigkeiten der Zinswende gerüstet“, erläutert Studienleiter Dr. Marco Metzler. Mit Ratings von jeweils AAA folgen die Lebensversicherer Victoria (Note 1.3) und Hannoversche (1.4) auf den Plätzen zwei und drei.
Bei der Bewertung der Kennzahlen fiel auf, dass einige Lebensversicherer wie die Alte Leipziger, Generali, Gothaer, LPV (vormals PB Leben), Württembergische, Bayern-Versicherung, Cosmos und Provinzial NordWest selbst unter Hinzurechnung der Zinszusatzreserve ihre jeweiligen Stillen Lasten nicht kompensieren können. Ihre Sicherheitsquote liegt also unter null. Kein Wunder, dass diese Versicherer im Qualitätsrating der Metzler Ratings mit Ratings von B+ oder B am schlechtesten abschnitten.
„Wer eine klassische kapitalbildende Lebensversicherung abgeschlossen hat, sollte mit Hilfe unserer Studienergebnisse leicht herausfinden, ob sein Versicherer gut für die bevorstehenden schwierigen Zeiten gewappnet ist“, sagt Dr. Metzler. Wer dagegen mit dem Gedanken spielt, eine kapitalbildende Lebens- oder Rentenversicherung abzuschließen, ist laut Dr. Metzler „gut beraten, sich für einen Versicherer mit mindestens gutem Qualitätsrating zu entscheiden“.
Mehr Informationen zu den Ergebnissen des Ratings finden Sie unter https://www.metzler-rating.com.
Über Metzler Ratings GmbH
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