Aufsichtsratsmitglieder von europäischen Finanzdienstleistern haben im Durchschnitt drei Mandate inne – ein Viertel sogar mindestens vier
Über 80 Prozent der Investoren sehen mehr als drei Aufsichtsrat-Mandate als hinderlich an
25 Prozent der im ersten Halbjahr 2023 ernannten neuen Aufsichtsratsmitglieder verfügen über Nachhaltigkeitsexpertise, 36 Prozent über Technologieexpertise
Etwa 28 Prozent der Aufsichtsräte erfüllen aktuell nicht die ab 2026 geltende Vorgabe der Europäischen Kommission von einem Frauenanteil von mindestens 40 Prozent
Die Aufsichtsratsmitglieder der größten europäischen Finanzdienstleistungsunternehmen gehören im Durchschnitt drei unterschiedlichen Aufsichtsräten an – rund ein Viertel (26 Prozent) haben sogar vier oder mehr Mandate inne. Zugleich ergab eine aktuelle EY-Umfrage, dass 82 Prozent der befragten europäischen Investoren der Ansicht sind, dass es für die korrekte Ausübung der Mandate hinderlich ist, in drei oder mehr Unternehmen vertreten zu sein – die Zahl der kritischen Investoren steigt sogar auf 85 Prozent, wenn die Personen auch in leitender Funktion tätig sind.
Interessant ist auch die Branchenverteilung: Im Bereich Asset Management bekleiden fast die Hälfte aller Aufsichtsräte (49 Prozent) mehr als zwei Mandate. Im Vergleich dazu sind es im Bankensektor nur 39 Prozent.
Das sind die Ergebnisse des Boardroom Monitor von EY. Die Studie untersucht die Erfahrung, Ausbildung und Fähigkeiten von Aufsichtsratsmitgliedern der im MSCI European Financials Index abgebildeten 77 führenden Unternehmen aus der europäischen Finanzbranche, davon sechs aus Deutschland.
Ralf Eckert, Managing Partner Financial Services Deutschland bei EY, kommentiert: „Die Bedenken der Investoren hinsichtlich ,Overboarding‘ und der damit einhergehenden potenziellen Auswirkungen auf die Governance werden immer größer. Unternehmen und Anteilseigner müssen ein sorgfältiges Gleichgewicht finden, um einen Aufsichtsrat mit den erforderlichen Fähigkeiten und einer breiten Erfahrung aufzubauen, der mit den zunehmend komplexen Risiken umgehen kann. Gleichzeitig müssen sie sicherstellen, dass alle Mitglieder ausreichend Zeit und Ressourcen haben, um ihre Aufgabe vollumfänglich ausfüllen zu können. Dieses Dilemma wird durch den sehr überschaubaren Kreis qualifizierter Kandidaten und Kandidatinnen verstärkt.“
Neue Aufsichtsratsmitglieder verfügen über mehr Fachwissen in den Bereichen Governance, Nachhaltigkeit und Technologie
Die große Mehrheit der Investoren der europäischen Finanzdienstleister gaben bei der Befragung an, dass sie bei Aufsichtsräten besonderen Wert auf Expertise in den Bereichen Digitales/Technologie und ESG/Nachhaltigkeit legen (87 Prozent), während 83 Prozent frühere Arbeitserfahrungen als Vorstände wertschätzen.
Es überrascht daher, dass von den im ersten Halbjahr 2023 ernannten Aufsichtsratsmitgliedern nur 25 Prozent tatsächlich Berufserfahrungen im Bereich Nachhaltigkeit/ESG besitzen und 36 Prozent Technologie-Expertise mitbringen. Immerhin waren knapp zwei Drittel (64 Prozent) der neuen Aufsichtsräte in ihrem vorherigen Berufsleben als Vorstand beschäftigt. Der Trend zeigt aber im Jahresvergleich nach oben: Von den im ersten Halbjahr 2022 ernannten Aufsichtsratsmitgliedern hatten nur 20 Prozent Berufserfahrung im Bereich Nachhaltigkeit, 22 Prozent hatten Berufserfahrung in der Technologiebranche und 63 Prozent brachten Erfahrung in einer Führungsposition mit.
Interessant ist auch der Vergleich aller im EY Boardroom Monitor erfassten Aufsichtsräte. Von den bereits gewählten Vertretern bringen nur 14 Prozent Erfahrungen im Bereich Nachhaltigkeit und 18 Prozent Erfahrungen im Bereich Technologie mit.
Diversität wird von Investoren wertgeschätzt
82 Prozent der Investoren gaben zudem in der EY-Befragung an, dass die Geschlechtervielfalt in den Aufsichtsräten einen erheblichen Einfluss auf ihre Investitionsentscheidung hat. Nur sechs Prozent gaben an, dass dies keine Rolle bei ihren Entscheidungen spielt.
Von den im Untersuchungszeitraum (Juli 2022 bis Juni 2023) erfolgten Ernennungen für Positionen in Aufsichtsräten waren 44 Prozent weiblich, ein Rückgang von acht Prozentpunkten gegenüber dem Vergleichszeitraum (Juli 2021 bis Juni 2022). Insgesamt sind derzeit in den Aufsichtsräten europäischer Finanzdienstleister 43 Prozent Frauen und 57 Prozent Männer.
Interessant ist auch, dass 28 Prozent der europäischen, börsennotierten Finanzdienstleistungsunternehmen in ihren Aufsichtsräten einen Frauenanteil von unter 40 Prozent aufweisen – und so die in der EU geforderte Quote verfehlen. Die Schwelle von 40 Prozent muss bis Juni 2026 erreicht werden, um die Richtlinie der Europäischen Kommission zum Anteil von Frauen in Aufsichtsräten zu erfüllen.
Eckert bilanziert: „Die Aufsichtsräte von Finanzdienstleistern haben sich in den vergangenen Jahren verändert, und die neuen Mitglieder bringen verstärkt Expertise in den Bereichen Nachhaltigkeit und Technologie mit. Gleichzeitig bleibt der Druck hoch, Aufsichtsräte weiter und stärker zu diversifizieren. Geeignete Neubesetzungen sind jedoch nur möglich, wenn es einen starken Talentpool und eine umfangreiche Pipeline an geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten gibt. Diese beiden Faktoren sind entscheidend, um das Phänomen des ,Overboarding‘ zu vermeiden.“
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