Kommentar von Hamish Chamberlayne, Head of Global Sustainable Equities, Janus Henderson Investors

  • Investments in saubere Energien überholen fossile Brennstoffe zunehmend.
  • Wandel bei Energiemix braucht Lösungen bei erneuerbaren Energie-Infrastrukturen.
  • Wertschöpfungskette erneuerbarer Infrastrukturen bieten zahlreiche innovative Unternehmen Lösungen für die Herausforderungen von heute.

Einem aktuellen Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) zufolge wird die weltweite Ölnachfrage bis 2028 deutlich zurückgehen. Die Studie geht davon aus, dass sie dieses Jahrzehnt ihren Höhepunkt erreichen wird, da sich Länder aktiv von fossilen Brennstoffen abwenden. Verstärkt wurde diese Entwicklung durch die Folgen des Ukraine-Krieges, der die Politik zur Suche nach Alternativen zu Russlands Energieversorgung – und damit zu höherer Energiesicherheit – gedrängt hat.

In starkem Gegensatz zur nachlassenden Ölnachfrage steigen Investitionen in erneuerbare Energien viel schneller, als man glaubt. Die IEA prognostiziert, dass über 90 % des weltweiten Kapazitätsausbaus im Stromsektor auf erneuerbare Energien entfallen werden, wobei sich die Leistung im Zeitraum 2022-2027 um fast 2.400 Gigawatt (GW) erhöhen wird. Es wird erwartet, dass erneuerbaren Energien bis 2025 zur größten Quelle der weltweiten Stromerzeugung werden, während der Anteil aus Öl, Kohle und Erdgas zurückgeht. Im Jahr 2027 dürften Wind- und Solarenergie fast 20 % der weltweiten Stromerzeugung ausmachen, wobei sich die Windkapazität verdoppeln und die Solarkapazität verdreifachen wird.

Diese beachtlichen Prognosen sind das Ergebnis aggressiver politischer Initiativen, die zur Stärkung der Energiesicherheit und zur Erreichung der Netto-Null-Ziele ergriffen wurden. Insbesondere der Green Deal der EU und der Inflation Reduction Act (IRA) der USA zielen darauf ab, 1,8 Billionen Euro bzw. 370 Milliarden US-Dollar in den grünen Wandel zu investieren. Chinas 14. Fünfjahresplan soll die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bis 2025 um 50 % steigern. Indiens Umweltpolitik zielt darauf ab, bis 2030 50 % des Strombedarfs aus erneuerbaren Quellen zu decken. Durch diese Initiativen werden USA, China und Indien ihre Kapazitäten im Bereich der erneuerbaren Energien in den nächsten fünf Jahren verdoppeln und damit zwei Drittel des weltweiten Wachstums der erneuerbaren Energien ausmachen.

Ein drastischer Umbruch im globalen Energiemix erfordert weitreichende Veränderungen sowie Lösungen für einige aktuelle Knackpunkte im Zusammenhang mit erneuerbaren Energien. Als aktive Investoren verfolgen wir bei der Bewertung dieser Herausforderungen einen vorausschauenden und praktischen Ansatz. Im Folgenden gehen wir auf einige der Hürden ein, die überwunden werden müssen, damit erneuerbare Energien vollständig in die Weltwirtschaft integriert werden können.

Skalierung der Produktionskapazität zur Erfüllung der Ziele

Unternehmen im Bereich der erneuerbaren Energien haben auf die staatlichen Maßnahmen mit umfangreichen Plänen zur Ausweitung ihrer bestehenden Aktivitäten und zur Entwicklung neuer kohlenstoffarmer Projekte reagiert. In Großbritannien kündigte SSE kürzlich an, bis zu 40 Milliarden Pfund in kohlenstoffarme Energieinfrastrukturen zu investieren. Auch in Europa hat Iberdrola 47 Milliarden Euro für Investitionen in Projekte zugesagt, die die Energiewende vorantreiben. Zwar sind diese Ambitionen positiv für die Klimaagenda, aber die Herausforderung liegt in der Schaffung von Kapazitäten, um diese Ziele zu erreichen. Die Unternehmen haben bereits ihr Potenzial unter Beweis gestellt, ihre eigenen Ziele zu übertreffen, aber das Vierfache Ziel bis 2025 wird ein harter Prüfstein sein.

Langfristige Partnerschaften mit Anbietern sind eine Möglichkeit, die Produktionskapazitäten zu erhöhen und sich vor Preisschwankungen in der Lieferkette zu schützen. Ein Beispiel dafür ist die jüngste strategische Partnerschaft des dänischen Energieunternehmens Ørsted mit dem deutschen Stahlhersteller Salzgitter. Ørsted wird die erneuerbare Energie liefern, die Salzgitter für die Produktion von grünem Stahl benötigt, und Ørsted wird den Stahl für den Bau seiner Windkraftanlagen verwenden. Solche Beziehungen sind für Unternehmen im Bereich der erneuerbaren Energien von entscheidender Bedeutung, um die zur Deckung der Stromnachfrage erforderliche Infrastruktur aufzubauen. Weitere wichtige Infrastrukturen sind Photovoltaik (PV), Elektrofahrzeuge, Ladestationen und Energiespeicher. Wir rechnen mit einem ähnlichen Kapazitätswachstum in den USA, wo IRA Steuergutschriften in Höhe von 30 Milliarden US-Dollar für die lieferkettenspezifische Fertigung im Bereich der erneuerbaren Energien bereitgestellt hat.

Ist Kohlenstoffbilanz ein Problem für erneuerbare Energien?

Einige Kritiker haben behauptet, dass der für den Aufbau der erneuerbaren Energie-Infrastrukturen erforderliche eingebettete Kohlenstoff – von der Rohstoffgewinnung über Herstellung bis hin zum Bau – die potenziellen Kohlenstoffeinsparungen durch die Nutzung erneuerbarer Energien verringern könnte. Studien haben jedoch gezeigt, dass Lebenszyklusemissionen von Wind- und Solaranlagen wesentlich geringer sind als verbleibenden Emissionen aus bestehenden Anlagen für fossile Brennstoffe. Verschiedene Berechnungen deuten darauf hin, dass die Amortisationszeit (Zeit, die benötigt wird, um alle mit der Herstellung verbundenen Energiekosten zu decken) bei Windturbinen zwischen sieben und neun Monaten und bei Solaranlagen zwischen einem und zwei Jahren liegen kann. Dies ist unserer Meinung nach ein geringer und kurzfristiger zu zahlender Preis dafür, dass erneuerbare Energien zum Rückgrat der globalen Energieversorgung werden.

Neben einem attraktiven Amortisationszeitraum für Kohlenstoff weisen erneuerbare Energien im Vergleich zu anderen Energiequellen auch eine günstige Energierendite (EROI) auf. Diese beschreibt das Verhältnis zwischen der aus einer bestimmten Ressource gewonnenen nutzbaren Energiemenge und der zur Gewinnung dieser Menge aufgewendeten Energie. Untersuchungen haben ergeben, dass ein Kohlekraftwerk eine EROI von 9:1 hat. Im Gegensatz dazu hat Wind eine EROI von 44:1. Das bedeutet, dass mit einer Einheit Energie, die in Windkraft investiert wird, 44 Energieeinheiten gewonnen werden können, während es bei Kohle nur neun Einheiten sind. Langfristig gesehen überwiegen die potenziellen Vorteile erneuerbarer Energien bei weitem die unmittelbaren Kohlenstoffkosten. Daher sind erneuerbare Energien auf lange Sicht gut geeignet, um eine kohlenstoffarme Wirtschaft zu schaffen.

Kreislaufwirtschaft und effektive Abfallentsorgung

Derzeit haben Wind- und Solaranlagen eine begrenzte Betriebsdauer von 20-30 Jahren. Damit stellt sich die Frage, was am Ende ihrer Laufzeit mit ihnen geschehen soll. Turbinenschaufeln, die sich auf Mülldeponien stapeln, und giftige Abfälle von Solarzellen widersprechen den positiven Auswirkungen von erneuerbaren Energien. Die zunehmende Sorge um den Abfall, der bei der Entsorgung der erneuerbaren Energie-Infrastruktur entsteht, zwingt Unternehmen dazu, sich Gedanken über den Umgang mit allen Ressourcen von Anfang bis Ende zu machen.

Das in Quebec ansässige Unternehmen Boralex entwickelt und betreibt Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in Kanada, Frankreich und den USA. Es ist für die Überwachung der erneuerbaren Energie-Infrastrukturen über ihre gesamte Lebensdauer hinweg verantwortlich. Boralex verbraucht zunächst nur sehr wenige Rohstoffe direkt, stattdessen setzt das Unternehmen, wo immer möglich, auf einen Kreislaufansatz im Ressourcenmanagement. Das Unternehmen prüft mehrere Optionen für gebrauchte Turbinenmaterialien, darunter den Verkauf auf dem Gebrauchtmarkt, die Aufarbeitung und das Recycling. Dadurch wird die Abhängigkeit von neuen Materialien insgesamt verringert, wodurch sowohl Lieferketten als auch Abfalldeponien entlastet werden.

Darüber hinaus entstehen neue Lösungen für Komponenten der erneuerbare Energie-Infrastruktur, die nicht einfach zu entsorgen sind. Turbinenblätter beispielsweise bestehen aus komplexen Verbundwerkstoffen, die zwar leichter und aerodynamischer sind, aber beim Recycling problematisch sind. Der dänische Windturbinenhersteller Vestas kündigte kürzlich eine neue Chemietechnik an, mit der alte Rotorblätter in Flüssigkeit aufgespalten werden können, bevor daraus hochwertige Materialien für die Verwendung in neuen Blättern gewonnen werden. Im Solarsektor wird in Frankreich die erste spezialisierte Recyclinganlage eröffnet, um die großen Abfallmengen zu bewältigen, die mit der zunehmenden Verbreitung von Solarmodulen anfallen werden. 99 % der Komponenten sollen hier recycelt werden. Neben dem Recycling zielt die ständige Innovation bei der Solarmodul-Konstruktion auf einen stärker kreislauforientierten Ansatz bei der Modulherstellung ab.

Intelligente Energiespeicher

Energiespeicherung ist auch entscheidend für eine kohlenstoffarme Wirtschaft, falls die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht. Batterien, thermische Energie- und Pumpspeicher können Energie speichern und bei Bedarf abrufen. SSE kündigte vor kurzem an, ein altes Wasserkraftwerk in Schottland in ein Pumpspeicherkraftwerk umzuwandeln, bei dem in Zeiten geringen Energiebedarfs Wasser bergauf gepumpt und über Turbinen zur Stromerzeugung nach Bedarf freigesetzt wird. Das neue Wasserkraftwerk Sloy könnte bis zu 160 Stunden lang konstante, flexible Energie liefern. Das reicht aus, um etwa 90.000 Haushalte bis zu einer Woche lang mit Strom zu versorgen. Dies wird eine wichtige Rolle bei der Steuerung der Energieversorgung spielen und ist ein Beispiel dafür, wie Unternehmen bestehende Infrastrukturen aufrüsten können, um den heutigen Anforderungen gerecht zu werden.

Derzeit werden vor allem Wasserkraftwerke als Energiespeicher genutzt, aber auch netzgekoppelte Batterien gewinnen zunehmend an Bedeutung. Laut IEA dürften netzgebundene Batterien den Großteil des weltweiten Speicherwachstums ausmachen. 2021 wird die Installation von netzgekoppelten Batterien im Vergleich zu 2020 um 60 % steigen, angeführt von den USA. Trotz dieser Entwicklungen sind laut IEA weitere Fortschritte in diesem Bereich erforderlich: Nur so kann die für ein Netto-Null-Szenario erforderliche stündliche Variabilität der Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenenergie erreicht werden. Derzeit ist China führend in der Batterieherstellung, allerdings könnte Kanada, das über die notwendigen Mineralien und qualifizierten Arbeitskräfte verfügt, zum nächsten Konkurrenten in der Batterieproduktion werden.

Was bedeutet das für Anleger?

Die Wachstumsaussichten für erneuerbare Energien sind enorm. Nicht nur, dass sie weltweit von den Regierungen massiv unterstützt werden, auch das Investitionstempo in saubere Technologien ist viel höher als viele vermutet haben. Daher erwarten wir in den kommenden zehn Jahren einen drastischen Umschwung von der auf fossilen Brennstoffen basierenden Industrie hin zu den erneuerbaren Energien.

Allerdings sind Unternehmen im Bereich der erneuerbaren Energien nur ein Aspekt einer kohlenstoffarmen Wirtschaft. Elektrifizierung und Digitalisierung sind zwei sehr wichtige Faktoren für die Dekarbonisierung, und es gibt zahlreiche Unternehmen, die bei diesen Trends eine Rolle spielen. Für uns als nachhaltige Investoren ergeben sich daraus viele potenzielle Anlagemöglichkeiten. Wir verfolgen einen vorausschauenden, praktischen Ansatz, um innovative Unternehmen zu finden, die Lösungen anbieten und gleichzeitig solide Bilanzen aufweisen. Wir glauben, dass uns dieser Ansatz dabei hilft, auf der richtigen Seite des Wandels zu bleiben.

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