Immer mehr Vermögen wird in Deutschland an die nächste Generation übertragen – Bei bestimmten Konzepten können die Vermögensinhaber die Kontrolle behalten. Estate Planning ist gefragt.
Das Thema Vermögensnachfolge nimmt an Bedeutung zu. Das gilt gerade für größere Vermögen. Allein in Deutschland werden laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung bis zu 400 Milliarden Euro von privaten Haushalten vererbt. Jedes Jahr, versteht sich. Und eine Studie des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) zeigt, dass in rund 190.000 inhabergeführten Unternehmen hierzulande in den kommenden Jahren die Nachfolgefrage geklärt werden muss.
„Immer größere private Vermögen wie auch Betriebsvermögen gehen an die nächste Generation über“, erklärt Maximilian Kleyboldt, CFP®, Vorstandsmitglied des Financial Planning Standards Board Deutschland e.V. (FPSB Deutschland). Er weiß aus seiner Beratungspraxis, dass das Interesse wächst, zumindest einen Teil des späteren Erbes schon zu Lebzeiten an Kinder, Enkel oder möglicherweise auch innerhalb der Ehe zu übertragen.
„Gerade bei größeren Vermögen macht ein frühzeitiger Transfer auch Sinn, weil die damit verbundenen Freibeträge in der Erbschaft und Schenkungsteuer nach Ablauf der Frist von zehn Jahren erneut ausgeschöpft werden können“, empfiehlt Kleyboldt. Die Gestaltungsmöglichkeiten und Instrumente dafür sind jedoch vielfältig. Es gibt keine Lösung von der Stange bzw. die für alle gleichermaßen gilt. So individuell die genauen Ziele, die Lebensumstände und die Vermögenswerte sind, so unterschiedlich sind auch die dafür in Frage kommenden Lösungen. So können beispielsweise Stiftungen, Schenkungen und Testamente, richtig und vorausschauend gestaltet und eingesetzt, Teile einer cleveren Gesamtstrategie sein.
Vermögenssicherung innerhalb der Familie durch die Nutzung einer Familiengesellschaft
„Wer sich jedoch als Vermögensinhaber mit einer endgültigen Vermögensübertragung schwertut, und lieber das Steuer in der Hand halten will, könnte beispielsweise über die Gründung einer Familiengesellschaft und einer anteiligen Schenkung nachdenken“, sagt Kleyboldt, der neben seiner Vorstandstätigkeit auch Direktor im Wealth Planning bei der Bethmann Bank in Frankfurt am Main, ist.
Bei dieser Bündelung, z.B. von Immobilienvermögen in einer Familienpoolgesellschaft wird das Vermögen vor einer Zersplitterung geschützt und kann zudem bei schrittweiser Übertragung von Gesellschaftsanteilen an die nachfolgenden Generationen – im Abstand von jeweils 10 Jahren – zu Lebzeiten dabei helfen, Schenkungsfreibeträge zu nutzen und somit langfristig Erbschaftsteuer zu sparen.
Gleichzeitig sichern individuelle Regelungen im Gesellschaftsvertrag eine flexible Gestaltung hinsichtlich der Beteiligung am Kapital, Gewinn und Verlust bzw. den Stimmrechten der Gesellschaft. Besondere Regelungen im Gesellschaftsvertrag ermöglichen die dauerhafte Einflussnahme des Schenkers auf das Vermögen und schützen dieses vor dem Zugriff von Familienfremden. Grundsätzlich kommen für eine Familiengesellschaft sowohl Personen- als auch Kapitalgesellschaften in Frage. Bei der Rechtsformwahl stehen Haftungs- und Steuerfragen sowie Kosten und Administratonsaufwand im Vordergrund, die im Vorfeld eingehend in Zusammenarbeit mit den Steuer- bzw. Rechtsberater betrachtet werden sollten.
Nießbrauchsgestaltungen mit Immobilien
Klassisch überträgt der Schenker Vermögen auf die nächste oder übernächste Generation und behält sich die laufenden Erträge vor. Eines der bekanntesten Konzepte ist das des Vorbehaltsnießbrauchs. Der Vermögensinhaber überträgt dabei zwar das Eigentum an der Immobilie an den oder die Familienmitglieder, er behält jedoch ein lebenslanges Wohn- und Nutzungsrecht bzw. entsprechende Mieteinahmen an dem Haus oder der Wohnung. Hiermit kann im Ergebnis der Beschenkte mit der Vermögensübertragung noch nicht frei über die Schenkung verfügen. Beim sogenannten Zuwendungsnießbrauch bleibt der Vermögensinhaber dagegen Eigentümer der Immobilie, gibt aber Rechte wie Wohnrecht oder das Recht auf Mieteinnahmen ab.
Nießbrauch auch bei Wertpapierdepots
„Aber nicht nur bei Immobilien, sondern sogar bei Wertpapierdepots kann Nießbrauch zum Einsatz kommen“, sagt Kleyboldt. Dabei wird das Depot zu Lebzeiten an den oder die Erben mittels einem gesonderten Schenkungsvertrag übertragen, der Schenkende aber behält sich die lebenslange Nutzung der Erträge aus dem Wertpapierdepot vor. Der große Vorteil dabei: Der Nießbrauchvorbehalt – wie beim Vorbehaltsnießbrauch bei Immobilien – reduziert den angesetzten Wert des übertragenen Vermögens. Gerade wenn diese Möglichkeit in noch relativ jungen Jahren genutzt wird, ist der Hebel größer, weil so Werte deutlich über den sich alle zehn Jahre erneuernden Freibetragsgrenzen ohne Erbschaftssteuer übertragen werden können. Der Gesetzgeber geht bei der Kapitalwert-Berechnung von den voraussichtlich zu erzielenden laufenden Erträgen der Wertpapiere oder Ausschüttungen der Fonds, höchstens jedoch 5,5% p.a. aus. Hier gilt eine gezielte Auswahl von Wertpapieren zu berücksichtigen. Und der Einfluss des Schenkers bleibt gesichert. Daher sind Verfügungen über die Wertpapiere nur gemeinsam möglich.
Beim Steuerabzug werden laufende Erträge, die dem Schenker und somit dem Nießbraucher zustehen und Veräußerungsgewinne, die dem Erwerber bzw. dem Eigentümer und Depotinhaber zuzurechnen sind, nicht getrennt. Somit zahlt der Erwerber und somit der Eigentümer bzw. Depotinhaber zunächst auch die Abgeltungsteuer für die dem Schenker und Nießbraucher zustehenden und von diesem zu versteuernden laufenden Erträge. Die zuviel gezahlten Steuern werden im Rahmen der Veranlagung des Erwerbers, dem Eigentümer und Depotinhaber, angerechnet bzw. werden erstattet.
Vermögensplanung mit Versicherungslösungen
Daneben gibt es viele weitere Gestaltungsmöglichkeiten, etwa die sogenannte 99/1-Lösung mit Versicherungen. Versicherungslösungen eignen sich gut, um Gestaltungswünsche bei Vermögen, Schenkungen und Nachlass einfach und gezielt umzusetzen. Sie zielen darauf ab, Ihren Wohlstand über Generationen hinweg zu sichern. Die Kapitalanlagen können damit an Steuereffizienz, Flexibilität und Ertragschancen gewinnen. Die Argumente sprechen insbesondere bei langfristiger und aktienorientier Strategie für eine Versicherungslösung. In Bezug auf die Nachfolge nennt Kleyboldt folgende Vorteile: “Optimierung von Vermögensanlage durch Einkommensteuerstundungseffekte, Einkommensteuerfreie Todesfallleistung und kontrollierte Vermögensübertragung zu Lebzeiten, was heißt, dass ein Vetorecht des Schenkenden bei Verfügungen mit der 99/1-Lösung bestehen bleibt“
„Natürlich sollte der Vermögensinhaber bei der Nachlassplanung nie aus rein steuerlichen Gesichtspunkten übereilte Entscheidungen treffen“, sagt Kleyboldt. Auch die eigene finanzielle Absicherung darf er nicht aus den Augen verlieren.
Estate Planning als Mehrwertdienstleistung
Für den Vermögensinhaber ist es wichtig, nicht nur die Rechte und Pflichten, sondern auch die zahlreichen Gestaltungsmöglichkeiten im deutschen Erbrecht zu kennen, um frühzeitig zu handeln. Wichtige Hilfestellung leisten dabei CFP® -Professionals und insbesondere CFEP® -Professionals, sogenannte Estate Planner. Estate Planning ist der Fachbegriff, der die Beratung für den Vermögensübergang zwischen den Generationen beschreibt. Estate Planning geht über die reinen steuerlichen oder rechtlichen Aspekte der Vermögensnachfolge hinaus und will auch die wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen des Vermögensübergangs seitens des Erblassers, seines Erben und auch der nachfolgenden zweiten Generation planen und transparent machen. „Estate Planning ist Finanzplanung zu Ende gedacht“, betont Kleyboldt.
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