Marktkommentar von François Rimeu, Senior Strategist, La Française AM

Zahlreiche Studien haben sich in den letzten Jahrzehnten damit befasst, wie lange es dauert, bis sich die Geldpolitik auf die Wirtschaft auswirkt. Die Ergebnisse sind oft sehr unterschiedlich:

  • Restriktive Geldpolitik braucht länger als expansive Geldpolitik.
  • Die Auswirkungen sind nicht linear – daher können die kurzfristigen von den langfristigen Effekten abweichen. So kann ein anfänglicher Zinsanstieg zu einer stärkeren unmittelbaren Reaktion in bestimmten zinssensiblen Sektoren wie Immobilien oder Verbraucherkrediten führen, bis die Auswirkungen allmählich auf die Gesamtwirtschaft übergreifen.
  • Je nach Finanzstabilität und Effizienz der monetären Transmissionskanäle kann die Zeitspanne zwischen drei bis sechs Monaten und sogar drei Jahren variieren.

Aufgrund der Besonderheiten des gegenwärtigen Zyklus scheint die Annahme einer großen Zeitverzögerung von vielleicht bis zu drei Jahren recht logisch. Wir stehen am Ende einer zehnjährigen, äußerst akkommodierenden Geldpolitik, die es den meisten privatwirtschaftlichen Marktteilnehmer ermöglicht hat, mit gesunden Bilanzen und sehr niedrigen Finanzierungskosten in diese neue Phase einzusteigen. Daher hatten sich die Zinserhöhungen auf diese Akteure nur recht begrenzt ausgewirkt. Es darf auch nicht vergessen werden, dass die Geldpolitik zwar restriktiver geworden ist, nicht aber die Finanzpolitik, die sehr großzügig war und ist: Je stärker die Regierungen ihre Volkswirtschaften durch eine Begrenzung der negativen Inflationsauswirkungen schützen, desto schwieriger ist die Inflationsbekämpfung, was die Zentralbanken zu einer immer restriktiveren Geldpolitik zwingt.

Vor diesem Hintergrund kann die EZB logischerweise davon ausgehen, dass die Auswirkungen ihrer geldpolitischen Straffung 2024 deutlicher spürbar sein werden als 2023.

Eine Fortsetzung der Lohninflation in den kommenden Monaten oder Quartalen ist aufgrund der derzeitigen Arbeitsmarktstärke, des knappen Arbeitskräfteangebots und des Bestrebens der Arbeitnehmer, die in den letzten zwei Jahren verlorene Kaufkraft ganz oder teilweise zurückzugewinnen, wahrscheinlich.

Wenn die Finanzpolitik weiterhin Haushalte und damit den Konsum unterstützt, der etwas mehr als die Hälfte des Wachstums in der Eurozone ausmacht (51,6 %; Quelle: Eurostat), könnte die Lohninflation sogar noch länger anhalten. Sollte die Lohninflation bei der derzeitigen Rate von 4 bis 5 % bleiben, dürfte ein deutlicher Rückgang der Kerninflation in der Eurozone kaum zu erwarten sein.

Die Märkte gehen davon aus, dass die Inflation zum Jahresende bei etwa 3 % und die Kerninflation bei etwa 4 % liegen wird (Quelle: Bloomberg). Interessanterweise liegen die Prognosen für die Kerninflation derzeit recht weit auseinander, was angesichts der makroökonomischen Unsicherheit nicht verwundert. Sollte die Lohninflation anhalten, dürfte es schwierig sein, die Inflationsrate in der Eurozone deutlich zu senken, was zu steigenden Inflationserwartungen führen wird. Derzeit geht der Markt davon aus, dass die EZB die Zinssätze 2024 um etwa 80 Basispunkte senken wird. In einem Umfeld anhaltender Inflation würden diese Zinssenkungen jedoch keinen wirklichen Nutzen mehr haben.

Letztendlich hängt auch alles von der Widerstandsfähigkeit der europäischen Wirtschaft ab, deren Wachstum derzeit günstigstenfalls gegen Null tendiert, sowie von der Dynamik von Kreditangebot und -nachfrage. Ein Kreditereignis könnte die Finanzstabilität – die der EZB besonders wichtig ist – gefährden und damit die monetäre Transmission erheblich beschleunigen. Doch so weit sind wir noch nicht.

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