Trotz Rezessionsaussichten steigen die Aktienmärkte.

„Getrieben von nur wenigen Werten und immer in Erwartung eines Absturzes, ähnelt das Investment mehr und mehr einem Glücksspiel“, sagt Benjamin Bente, Geschäftsführer der Vates Invest GmbH. „Und zwar einem, bei dem man nach Gewinnen die komplette Summe stehen lässt.“ Wer im Plus ist, sollte jetzt darüber nachdenken, aus Buchgewinnen echte Gewinne zu machen.

„Ohne Zweifel war es rückblickend eine gute Idee, 2023 bis jetzt in den bekannten Aktienindizes investiert zu sein“, sagt Bente. „Doch wurden dabei erzielte Renditen mit einem überbordenden Risiko erkauft.“ Wer jetzt aus Angst investiert bleibt, auch den weiteren möglichen Anstieg zu verpassen, steigert sein Risiko noch einmal enorm. Immer mehr treten Gedanken echter Investments in den Hintergrund, ein Engagement an den Aktienmärkten ähnelt mehr einer Spekulation. Mit allen dazugehörenden Risiken.

Das hat zwei Gründe: Zum einen läuft die Aufwärtsbewegung derzeit extrem selektiv. In den USA sind es gerade einmal sieben Werte, die den gesamten Anstieg des S&P erklären. Alle anderen performen in Summe nicht. „Aufwärtsbewegungen, die nur von so wenigen Werten getrieben wurden, gab es auch in der Vergangenheit einige Male“, so Bente. „Für gewöhnlich sind die kompletten Anstiege wieder zurückgehandelt worden.“ Ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit ist das Jahr 2021. Damals entwickelte sich der Markt ungefähr ab dem zweiten Quartal ähnlich, der Anstieg wurde von immer weniger Werten getrieben. „Die gesamten Buchgewinne, die die Investoren gemacht hatten, sind im Folgejahr 2022 komplett wieder verloren gegangen“, sagt Bente.

Wer Ende 2021 verkauft hatte, konnte sich über sehr gute Renditen freuen, alle anderen gingen leer aus. „Buy and hold hätte nicht funktioniert“, so Bente. „Eine ähnliche Situation sehen wir auch derzeit wieder.“ Ein noch deutlicheres Beispiel waren die späten 1990er-Jahre. Hier liefen die Märkte dank einer in vollständiger Irrationalität mündenden Tech-Euphorie. „Nur die Tech-Werte, nur dieser eine Sektor, sorgte über Jahre für wahnsinnige Kurssteigerungen an den Aktienmärkten“, so Bente. „Als diese Blase platzte, folgten drei Jahre desaströser Wertverluste an den Aktienmärkten, die all die Papiergewinne wieder aufzehrten.“ Für Anleger war umso bitterer, dass zwar der Aufstieg maßgeblich nur von den Tech-Werten getrieben wurde. „Der Abwärtsstrudel riss aber viele andere Unternehmen mit nach unten“, so Bente.

Derzeit gewinnt dieses Szenario besondere Brisanz, da Anleger gerade dazu tendieren, investiert zu bleiben oder sogar neu einzusteigen. „Das Risiko, die vielleicht noch kommenden Papiergewinne wieder abgeben zu müssen, ist angesichts der rezessiven Tendenzen immens hoch“, sagt Bente. Dies gilt noch mehr, da die US-Notenbank und auch andere Notenbanken sehr drastisch restriktiver wurden in ihrer Geldpolitik. „In der Historie hat das zeitversetzt in den allermeisten Fällen zu einer Rezession geführt“, so Bente. Rezessionen sind immer auch Marktphasen mit negativen Erwartungswerten und damit fallenden Aktienkursen. „Wir könnten kurz vor einer solchen Phase stehen, in der es zu dieser Transmission von der geldpolitischen Restriktivität des vergangenen Jahres hin zur realwirtschaftlichen Rezession kommt“, sagt Bente.

In einem solchen Umfeld investiert zu bleiben, kann funktionieren, wenn es ausnahmsweise nicht zu einer Rezession kommt. „Dafür gibt es nur einige wenige historische Beispiele, etwa 1966“, sagt Bente. „Insofern gilt, dass Anleger in der Rückbetrachtung vielleicht Recht gehabt haben können, dies aber jetzt mit einem unverhältnismäßig hohen Risiko bezahlen.“ Wer jetzt auf Buchgewinnen sitzt, hat in einem Glücksspiel bisher Glück gehabt. „Die Betonung liegt auf ‚bisher‘, denn jeder, der diese Gewinne noch nicht realisiert hat, der hat seine Chips weiterhin auf dem Tisch liegen.“ Und wenn dann die Roulettekugel bei der nächsten Runde falsch fällt, können die Gewinne sehr schnell wieder weg sein.

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