EU-Finanzkommissarin McGuiness gibt sich dem Lobbydruck geschlagen und verzichtet vorerst auf ein vollständiges Provisionsverbot für Finanzberater.
Mit dem voraussichtlichen Verbot von Provisionen bei „Execution Only“-Geschäften in der für Ende Mai erwarteten Kleinanlegerstrategie der EU-Kommission und einer Revisionsklausel, welche ein vollständiges Provisionsverbot zu einem späteren Zeitpunkt erlaubt, ergeben sich dennoch spürbare Konsequenzen für Finanzdienstleister und Verbraucher, wie Partner Max Biesenbach und Senior Director Sonia King von der globalen Strategieberatung Simon-Kucher darlegen:
Ein vollständiges Verbot von Abschluss- und Bestandsprovisionen im Wertpapier- und Versicherungsgeschäft ist seit der Pressekonferenz der EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness am vergangenen Donnerstag vorerst vom Tisch. Zu groß war der Druck von Lobbyisten aus der Finanzdienstleistungsbranche sowie von diversen Regierungen, u.a. durch die Finanzminister Deutschlands, Frankreichs oder Österreichs, die den Abbau von Arbeitsplätzen und die Einstellung von Beratungsleistungen für Kleinanleger vorausgesagt hatten. Die für Ende Mai erwartete Kleinanlegerstrategie der EU-Kommission wird somit vorerst auf weichere Maßnahmen, wie stärkere Transparenzpflichten, setzen.
Zwei Äußerungen der EU-Finanzkommissarin vom vergangenen Donnerstag werden dennoch spürbare Konsequenzen für Finanzdienstleister und Anleger haben: Zum Einen sprach sie ein voraussichtliches Verbot von Provisionen bei „Execution Only“-Geschäften an, bei denen der Finanzdienstleister ohne jegliche Beratungsleistung eine reine Orderausführung übernimmt. Das betrifft insbesondere die im deutschen Onlinebroker-Markt führenden Direktbanken sowie die extrem erfolgreich gewachsenen Neobroker. Je nachdem, wie umfassend die EU-Kommission ein „Provisionsverbot“ im „Execution Only“-Geschäft auslegt, wären jeweils beim Kauf eines Fonds anfallende Ausgabeprovisionen, jährlich wiederkehrende Bestandsprovisionen für das Halten von Fonds im Bestand, aber ggf. auch die bei Neobrokern besonders umsatzrelevanten und jeweils beim Kauf von ETFs anfallenden Kickbacks betroffen. Sollten neben Execution Only-Geschäften auch beratungsfreie Transaktionen vom Provisionsverbot betroffen sein, wäre insbesondere das Geschäftsmodell der Neobroker von diesem Schritt drastisch betroffen. Eine Einführung von monatlichen Abogebühren (sogenannte Subscription Fees, zuletzt geschehen beim Low Cost Broker BUX) oder auch die Erhöhung von Transaktionsgebühren könnten denkbare Folgen sein. Doch nicht nur Direktbanken und Neobroker wären betroffen, auch klassische Filialbanken könnten die drastischen Auswirkungen auf ihr Geschäftsmodell spüren, sollte die EU-Kommission auch die im Rahmen eines beratenen Wertpapierdepots anfallenden beratungsfreien Geschäfte mit einem Provisionsverbot versehen. Es ist heute weit verbreitete Praxis, dass Anleger beratene und beratungsfreieTransaktionen in einem einzigen Wertpapierdepot mischen. Ein Provisionsverbot für diese Transaktionen hätte eine deutlich stärkere Trennung dieser Geschäfte und auch eine unterschiedliche Bepreisung zur Folge, sollten die Filialbanken ihre Erträge sichern wollen.
Die Äußerung von EU-Finanzkommissarin McGuinness zu einer vorgesehenen Revisionsklausel, welche ein vollständiges Provisionsverbot zu einem späteren Zeitpunkt erlaubt, hat zusätzlich diverse strategische Nacharbeiten für den Finanzsektor zur Folge: Jedes Institut in Europa, das Kleinanleger im Wertpapiergeschäft betreut, wird nun einen Plan B erarbeiten müssen, um ein angepasstes Geschäftsmodell ausrollen zu können, sobald die Revisionsklausel zieht. Der Anpassungsdruck für die Branche ist seit der Pressekonferenz also deutlich spürbar.
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