Es gibt leider viele falsche Einschätzungen rund um das Thema Vorsorgevollmacht.
Wir erklären fünf weit verbreitete Irrtümer, erläutern eine gesetzliche Neuerung und geben Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Pflegebedürftigkeit kann jeden treffen. Daher ist es ratsam, vorsorglich zu handeln und einer Person (oder mehreren Personen) des Vertrauens in gesunden Tagen eine Vorsorgevollmacht zu erteilen. Sollten Sie einmal nicht mehr in der Lage sein, selbst zu entscheiden, kann diese Person dann in Ihrem Sinne Angelegenheiten für Sie regeln und direkt handeln. Es lässt sich auch festlegen, was dem*der Bevollmächtigten nicht erlaubt werden soll. Dafür müssen aber bestimmte Voraussetzungen erfüllt und Regeln beachtet werden.
- Ehepartner*innen sind immer automatisch vertretungsbefugt.
Für Ehe- oder Lebenspartner*innen galt bisher, dass sie ohne gültige Vorsorgevollmacht nicht automatisch gesetzliche Vertreter*innen waren und eine rechtsgültige Bevollmächtigung per Vollmacht benötigten. Eine automatische Vertretungsberechtigung besitzen nur Eltern gegenüber ihren minderjährigen, nicht geschäftsfähigen Kindern oder Vormünder im Verhältnis zu ihren Mündeln oder eben Betreuer*innen im Verhältnis zu ihren Betreuten.
Seit dem 01.01.2023 gilt das sogenannte Ehegatt*innenvertretungsrecht. Ehegatt*innen und Lebenspartner*innen können einander in Gesundheitsangelegenheiten kraft Gesetzes für die Dauer von sechs Monaten gegenseitig vertreten, wenn sich ein*e Ehegatt*in oder Lebenspartner*in infolge von Krankheit oder Unfall vorübergehend nicht um ihre*seine Angelegenheiten kümmern kann. Liegt eine Betreuung oder eine gültige Vorsorgevollmacht vor, dann ist das Vertretungsrecht der Ehegatt*innen und Lebenspartner*innen ausgeschlossen.
Um Ihrem*Ihrer Ehegatt*in oder Lebenspartner*in eine entsprechende Vorsorgevollmacht erteilen zu können, bedarf es der Geschäftsfähigkeit. Den Umfang der Vollmacht können Sie dabei frei bestimmen. Damit die bevollmächtigte Person alle denkbaren Angelegenheiten erledigen kann, empfiehlt sich, eine möglichst umfassende Bevollmächtigung zu erteilen. Üblicherweise wird die Befugnis erteilt, “in allen vermögensrechtlichen und persönlichen Angelegenheiten für den*die Vollmachtgeber*in tätig zu werden”. Ist eine rechtsgültige Vorsorgevollmacht vorhanden, lässt sie sich auch gut mit einer sogenannten Betreuungsverfügung verbinden. Die Einsetzung eines*einer Betreuers*Betreuerin im Not- oder Ernstfall durch ein Betreuungsgericht könnte somit entbehrlich werden und ein möglicherweise notwendiges richterliches Verfahren mit ärztlicher und psychiatrischer Begutachtung könnte entfallen. Wichtige Angelegenheiten des Vollmachtgebers oder der Vollmachtgeberin können in diesem Fall durch eingesetzte Bevollmächtigte erledigt werden. Der Umfang bemisst sich im Einzelfall daran, ob eine Vollmacht für Einzelfälle oder eine General- und Vorsorgevollmacht oder ob gegebenenfalls eine notariell beglaubigte Vollmacht erteilt wurde.
- Durch die Vorsorgevollmacht ist auch meine Gesundheitsvorsorge vollständig abgedeckt.
Eine Vorsorgevollmacht kann die medizinisch und pflegerisch erforderlichen Maßnahmen zwar regeln, aber wenn Sie sichergehen wollen, dass Ihr Wille berücksichtigt wird, ist eine Patientenverfügung notwendig. Darin kann detailliert festgelegt werden, welche Maßnahmen nach Unfällen oder Erkrankungen getroffen werden sollen, sollten Sie zum etwaigen Zeitpunkt keine eigenständigen Entscheidungen mehr treffen können. Nur eine korrekte und gültige Patientenverfügung sichert Ihnen im Notfall Ihr gewünschtes Recht auf Selbstbestimmung zu.
Mit einer Vorsorgevollmacht können Sie eine Vertrauensperson Ihrer Wahl bestimmen, Sie in persönlichen Angelegenheiten zu unterstützen, sollten Sie zu einem bestimmten Zeitpunkt dazu nicht mehr selbstständig in der Lage sein. Das kann zum Beispiel Ihre Finanzen betreffen, gerichtliche Angelegenheiten oder auch Fragen zu Ihrem Wohnraum meinen. Verfügen Sie über eine Patientenverfügung UND haben Sie eine Vorsorgevollmacht, dann hat der*die Bevollmächtigte der Vorsorgevollmacht dafür Sorge zu tragen, dass die Patientenverfügung durchgesetzt wird. Das gilt auch im Rahmen eines Ehegatt*innenvertretungsrechts. So ist laut § 1901 a Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 BGB zu prüfen, ob die Patientenverfügung auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation anzuwenden ist, was bei Bejahung eine Durchsetzung des Patientenwillens nach sich ziehen würde.
Ist keine Patientenverfügung vorhanden oder trifft diese nicht zu, ist der Wille des*der Patient*in festzustellen. Seine*ihre Wünsche sind durch konkrete Annahmen zu ermitteln, wobei frühere Willensäußerungen und Wertvorstellungen zu berücksichtigen seien. Sollten Sie mit Hilfe der Vorsorgevollmacht, an Stelle einer Patientenverfügung, auch gesundheitliche Fragen für sich regeln wollen, sollten diese aus Gründen der Klarheit und der Beweiskraft schriftlich verfasst werden.
- Eine Vorsorgevollmacht ist nur mit notarieller Beglaubigung wirksam und rechtsgültig.
Eine volljährige, geschäftsfähige Person kann eine Vollmacht grundsätzlich formfrei verfassen. Im Gegensatz zur Patientenverfügung ist diese auch mündlich bindend. Es ist aber aus Gründen der Rechtssicherheit zu empfehlen, die von Ihnen bevollmächtigte Vertrauensperson privat(hand-)schriftlich festzuhalten. Die Vollmacht erhält dann ihre Rechtsgültigkeit durch Ihre Unterschrift. Für das rechtssichere Verfassen können Sie z.B. Druckvorlagen von Rechtsverlagen oder des Bundesjustizministeriums oder zertifizierte Online-Anbieter nutzen. Die notarielle Beglaubigung durch Beurkundung der von Ihnen verfassten Vollmacht ist dann erforderlich, wenn der*die Bevollmächtigte Sie z.B. in Immobiliengeschäften vertreten soll. Dafür reicht dem*der Bevollmächtigten keine Kopie, um Sie vertreten zu können. Diese von Ihnen erstellte Vorsorgevollmacht kann jederzeit ohne Angaben von Gründen widerrufen werden, sollten sich Ihre Wünsche oder das Vertrauensverhältnis zum*zur Bevollmächtigten ändern. In diesem Zuge sollte die Heraus-, bzw. Rückgabe der Vollmacht verlangt werden.
- Eine Vorsorgevollmacht wird erst im Vorsorgefall wirksam.
Eine Vorsorgevollmacht entfaltet für den Bevollmächtigten in der Regel mit Erhalt des Originals ihre Wirksamkeit, es sei denn, Sie haben explizit andere Vereinbarungen getroffen: Sie lassen sich also erst ab dem Zeitpunkt vertreten, wenn Sie selbst nicht mehr in der Lage sind, eigenständig über Ihre Angelegenheiten zu entscheiden. Daher spielt hohes Vertrauen in die von Ihnen bevollmächtigte Person eine wichtige Rolle bei der Ausstellung einer Vollmacht. Missbrauchsrisiken können durch ergänzende Klauseln minimiert werden. So können Sie z.B. die Vorlage eines ärztlichen Attests über ihren Gesundheitszustand zur Bedingung für die Verwendung der Vorsorgevollmacht machen. Eine zu erfüllende Zusatzklausel kann im Notfall wiederum zu unerwünschten, zeitlichen Verzögerungen führen. Sie sollten daher beim Verfassen eine sorgfältige Abwägung aller Vor- und Nachteile in Betracht ziehen.
Ihre Gültigkeit verliert die Vorsorgevollmacht grundsätzlich erst, wenn sie von Ihnen widerrufen wird, was jederzeit möglich ist. Weitere Bestimmungen können in der Vollmacht selbst geregelt werden. Eine Vorsorgevollmacht kann auch über den Tod hinaus Gültigkeit besitzen und den*die Bevollmächtigte*n auch nach dem Ableben des*der Vollmachtgebenden zur Regelung seiner*ihrer Angelegenheiten verpflichten. Dabei müssen aber in der Regel auch die Interessen der Erben berücksichtigt werden, welchen in diesem Fall auch die Widerrufsmöglichkeit zufällt.
- Vorsorgevollmachten decken alle Bank- und Geldgeschäfte ab.
Das stimmt leider nur theoretisch. Banken können sich jedoch weigern, eine privatschriftliche Vorsorgevollmacht anzuerkennen und pochen in der Regel auf eine separate Bankvollmacht des jeweiligen Kreditinstituts. Das geschieht, weil Banken in der Praxis die Rechtsgültigkeit einer privatschriftlichen Vorsorgevollmacht oder die fehlende Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers nicht überprüfen (können). Um Streitfälle daher von vorneherein auszuschließen, sollten Sie sich bei Ihrer Bank über die individuellen Möglichkeiten einer Bankvollmacht informieren. Durch eine Vorsorgevollmacht werden darüber hinaus auch Schenkungen im gesetzlichen Rahmen möglich.
Sogenannte Insichgeschäfte, also Geschäfte des*der Bevollmächtigten mit sich selbst, sind zur Vermeidung von Interessenskonflikten und des Missbrauchs zwar grundsätzlich verboten, es sei denn, der*die Vollmachtgeber*in erlaubt sie ausdrücklich. So wie Sie Handlungen explizit erlauben können, lassen sich Schenkungen zum Beispiel auch ausdrücklich verbieten oder auf bestimmte Vermögenswerte beschränken. Nur eine sogenannte Generalvollmacht gestattet dem*der Bevollmächtigten uneingeschränkte Möglichkeiten und Rechte im Umgang mit Ihren Vermögenswerten. Es kann, zur Vermeidung von unerwünschten Folgen, daher immer empfohlen werden, bei der Erstellung einer Vorsorgevollmacht auch die Hilfe einer professionellen Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen.
Hintergrund:
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