Von Virginie Wallut, Director of Real Estate Research and Sustainable Investment, La Française Real Estate Managers
Trotz eines volatilen Finanzumfelds haben sich die europäischen und insbesondere die französischen Investmentmärkte mit einem soliden Anlagevolumen gut behauptet. Allerdings verdeckt dieses Jahresvolumen eine spürbare Abkühlung des Marktes gegen Jahresende. Die Straffung der Geldpolitik durch die Zentralbanken zur Eindämmung der steigenden Inflation ging einher mit einem Zinsanstieg, der die Immobilienrenditen in die Höhe getrieben hat. Angesichts dieses neuen Umfelds verhielten sich die Anleger eher vorsichtig und wählten ihre Positionen seit Sommer äußerst selektiv. Der Markt hat jedoch keine signifikante generelle Entspannung der Zinssätze erlebt, sondern vielmehr differenzierte Anpassungen je nach Objektqualität, Größe, Vermietungsstand und Immobilienart.
2023 dürften Mietrenditen die wichtigste Triebkraft für die Immobilienperformance sein. Das Wachstum der Mieteinnahmen wird angetrieben durch (i) Mietindizes, die meist mit der Inflation korrelieren, (ii) Marktsegmente, in denen die Nachfrage das Angebot übersteigt, (iii) Verbesserungen der Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren (ESG) von Immobilien, um neue Nutzungen oder die neuesten regulatorischen Standards zu erfüllen.
Stakeholder, die normalerweise Fremdkapital einsetzen, dürften von dem neuen Finanzumfeld besonders betroffen sein, während eigenkapitalstarke Investoren diese Entwicklung für neue Chancen nutzen könnten.
Ein Hauptziel der Anleger sollte 2023 darin bestehen, ein robustes Portfolio zu entwickeln, indem sie ihre Portfolios weiter zugunsten alternativer Objekte (Gesundheitswesen, verwaltete Wohnimmobilien) und regionaler Märkte, die ein defensiveres Profil aufweisen, diversifizieren.
Investitionsvolumen im Jahresvergleich leicht rückläufig
In Europa belief sich das Investitionsvolumen in Gewerbeimmobilien Ende Dezember 2022 auf fast 245 Mrd. EUR, allen voran in Großbritannien, Deutschland und Frankreich mit 58 Mrd. EUR, 52 Mrd. EUR bzw. 29 Mrd. EUR. Das Investitionsvolumen ist im Vorjahresvergleich leicht rückläufig (-4 %), was auf ein besonders schwaches viertes Quartal zurückzuführen ist. Aufgrund der fehlenden Konvergenz zwischen Verkäufern und Käufern bei den Preisen und insbesondere bei den Anlageklassen, bei denen die Renditen am niedrigsten waren, verhielten sich die Anleger deutlich abwartend.
Infolgedessen gingen die Investitionsvolumina in den Segmenten Büro und Logistik im Jahresvergleich um -14% bzw. -7% zurück. Diversifizierungs- und Einzelhandelsimmobilien verzeichneten einen Anstieg von 23 % bzw. 2 %.
Hinter dem Rückgang des Gesamtinvestitionsvolumens in Europa verbergen sich im Ländervergleich gegensätzliche Tendenzen: Der deutliche Rückgang in Deutschland (-17 %) und Großbritannien (-5 %) überdeckt einen leichten Anstieg des Volumens in Frankreich (+2 %) und deutlichere Steigerungen in Belgien (+115 %), Spanien (+35 %) und Irland (+20 %).
Vielfältige Dekompression bei Bürorenditen
Der Aufwärtstrend bei den Immobilienrenditen hat sich in Europa im 4. Quartal verstärkt, was auf den weiteren Zinsanstieg und die Finanzierungskosten zurückzuführen ist. Deutschland ist ein gutes Beispiel dafür: Die Finanzierungskosten für hochwertige Immobilien stiegen von weniger als 1,25 % im Januar 2022 auf mehr als 4 % Ende 2022. Dies ist der höchste Stand seit 2011.
Die Dekompression der Renditen variiert je nach Markt. Die Bürorenditen in Deutschland weisen den stärksten Rückgang auf, über 100 Basispunkte (bps) über einen Zeitraum von einem Jahr (Hamburg +140 bps; Berlin +105 bps; Frankfurt +105 bps; München +105 bps), während Dublin einen Anstieg von 35 bps, London 50 bps und Paris 65 bps verzeichnete.
Stabile Investmentnachfrage
Die Vermietungsmärkte für Büroflächen verzeichnen weiterhin eine robuste Nachfrage. Auf den meisten europäischen Märkten gibt es einen zweigeteilten Markt mit (i) geringem Leerstand, der die Mieten in zentralen Lagen in die Höhe treibt, und (ii) überversorgten Märkten in der Peripherie, wo die Mieten sinken. Die Nutzer tendieren zu Qualitätsobjekten, insbesondere im Hinblick auf energetische Kriterien. Sie bevorzugen zentrale Standorte, die es ihnen ermöglichen, von ihren neuen Arbeitsregelungen zu profitieren, ihre Fachkräfte auf einem nach wie vor angespannten Arbeitsmarkt zu halten und zu gewinnen und gleichzeitig ihre CO2-Bilanz zu verbessern.
Insgesamt stieg der Flächenumsatz 2022 im Jahresvergleich um 9 %* und erreichte in Märkten wie Mailand und Hamburg ein Volumen, das über dem Zehnjahresdurchschnitt lag. Einige Märkte, wie Amsterdam, Brüssel und Frankfurt, verzeichnen jedoch einen Nachfragerückgang.
Neue Arbeitsformen und die damit einhergehende Verschlankung der Büroflächen führen zu einem Anstieg der Leerstandsquoten, insbesondere bei sekundären Objekten, da die Nutzer weniger neue Flächen anmieten, als sie freimachen.
Polarisierung der Märkte
Die zunehmende Umnutzung von Gebäuden hat sich 2022 fortgesetzt. In der Tat hat die Freigabe von als veraltet angesehenen Räumlichkeiten zugunsten der neuesten Generation von Anlagen das Angebot an gebrauchten Büroflächen erhöht.
Die Leerstandsquoten nehmen auf allen europäischen Märkten zu, wenngleich die Situation in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich ist. In Deutschland gibt es weiterhin ein begrenztes oder sogar geringes Angebot, während Peripherieländer wie Spanien, Irland und Italien durchschnittliche Leerstandsquoten von über 10 % aufweisen.
Die geballte Nachfrage nach Objekten der neuesten Generation, die neue Nutzungs- und Energieverbrauchsstandards erfüllen, sorgt weiterhin für einen Anstieg der Mieteinnahmen bei erstklassigen Objekten. Gleichzeitig stehen die Mieten für sekundäre Objekte unter Druck, obwohl Objekte mit hervorragender Zugänglichkeit und wettbewerbsfähigen Mieten eine gewisse Widerstandsfähigkeit zeigen.
Die Nachhaltigkeitsanforderungen der Nutzer spiegeln sich in der Höhe der Mieten wider. Die Nutzer achten jetzt besonders auf die Energiekosten und den damit verbundenen Anstieg der Mietpreise.
Quellen: CBRE, Knight Frank, MBE, La Française REM Research
*Nachfrage in den zwölf wichtigsten europäischen Städten: Brüssel, Lille, Lyon, Paris, Berlin, Frankfurt, Hamburg, München, Dublin, Mailand, Amsterdam, Madrid
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