BAG, Urteile vom 17.01.2023 – 3 AZR 220/22 (Vorinstanz: LAG Düsseldorf, Urteil vom 08.02.2022, AZ: 12 Sa 746/21) sowie 3 AZR 501/21 (Vorinstanz LAG Hamm, Urteil vom 11.08.2021 – 4 Sa 221/21)
In beiden zu entscheidenden Fällen hatte der Arbeitgeber jeweils Versorgungszusagen erteilt, die einseitig auf Arbeitgeberseite die Möglichkeit vorsahen, anstelle einer lebenslangen Altersrente eine einmalige Kapitalzahlung zu leisten. Von dieser Option machte der Arbeitgeber zum Rentenbeginn in beiden Fällen Gebrauch, womit die jeweiligen Arbeitnehmer nicht einverstanden waren. Das BAG entschied in beiden Fällen zugunsten der Arbeitnehmer. Derzeit liegen noch keine Entscheidungsgründe vor.
BAG-Urteil vom 17.01.2023 – 3 AZR 220/22
In diesem Fall (Vorinstanz LAG Düsseldorf) war in der vom Arbeitgeber über eine Unterstützungskasse erteilten Versorgungszusage vorgesehen, anstelle der laufenden Rente eine einmalige Kapitalabfindung in Höhe der zehnfachen Jahresrente zu zahlen. Hiervon wurde zum Rentenbeginn Gebrauch gemacht, womit sich die Arbeitnehmerin nicht einverstanden erklärte und den Betrag zurücküberwies. Das BAG gab der Arbeitnehmerin Recht und wies die Revision des Arbeitgebers zurück. Die Vorinstanz (LAG Düsseldorf) hatte die in der Versorgungszusage enthaltene Klausel für unwirksam erklärt.
Umstellung auf Kapital bedarf einer wechselseitigen Interessenabwägung
Die Umstellung einer eigentlich vorgesehenen Betriebsrente in eine Kapitalzahlung bedarf einer Rechtfertigung anhand der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit. Bei der Abwägung muss zugunsten des Arbeitnehmers beispielsweise verhindert werden, dass das Langlebigkeitsrisiko vom Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer übertragen wird. Des Weiteren darf weder eine Rentenanpassungsprüfungspflicht, mangelnder Pfändungsschutz oder eine höhere Steuerlast entstehen. Zugunsten des Arbeitgebers kann die günstigere Bilanzierung oder die Leistungsverbesserung durch Anhebung des Dotierungsrahmens berücksichtigt werden.
Änderung in Kapitalzahlung hier nicht zumutbar – Verstoß gegen die AGB
Im Grundsatz sind laufende Rentenzahlungen und einmalige Kapitalleistungen nach dem Betriebsrentengesetz gleichwertige Formen der betrieblichen Altersversorgung. Bei der Interessenabwägung kann jedoch insbesondere eine Änderung des Äquivalenzverhältnisses, also des Gegenseitigkeitsverhältnisses von Leistung und Gegenleistung, ein Indiz für die Unzumutbarkeit des Änderungsvorbehalts sein. Das war vorliegend der Fall. Der Arbeitgeber hatte hier durch eine formularmäßig einseitig vorbehaltene Gestaltungsmöglichkeit aus der laufenden Betriebsrente eine nicht wertgleiche Kapitalabfindung gemacht. Dadurch wird ihm zum einen die Möglichkeit eröffnet, einseitig zum Beispiel das Langlebigkeitsrisiko zu verlagern. Des Weiteren kann der Arbeitgeber die Anpassungsprüfungspflicht damit umgehen. Hinzu kommen steuerrechtliche Nachteile für die Arbeitnehmerin.
Das LAG Düsseldorf orientierte sich hinsichtlich der Wertgleichheit einer Kapitalabfindung, die nirgends definiert wird, am Betriebsrentengesetz. Maßgeblich ist hier für die Abfindungsberechnung der Barwert der künftigen Versorgungsleistung, wobei bei der Berechnung des Barwerts die Rechnungsgrundlagen sowie die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik maßgebend sind. Im vorliegenden Fall wird durch die Klausel gestattet, die laufende Betriebsrentenleistung ohne weitere Voraussetzungen in eine geringwertigere Kapitalleistung zu ändern, nämlich nur die zehnfache Jahresrente zu bezahlen. Unter Berücksichtigung der zuvor genannten Nachteile ist diese daher unwirksam.
BAG-Urteil vom 17.01.2023 – 3 AZR 501/21
In diesem zu entscheidenden Fall lautete die zuletzt in einem Nachtrag befindliche Klausel zur Kapitalabfindung anstelle einer lebenslangen Rentenzahlung in der Versorgungszusage wie folgt: „Die Firma behält sich vor, anstelle der Renten eine wertgleiche, einmalige Kapitalabfindung zu zahlen; hierdurch erlöschen sämtliche Ansprüche aus dieser Versorgungszusage. Die Höhe der einmaligen Kapitalzahlung entspricht dem Barwert der künftigen Versorgungsansprüche und Versorgungsanwartschaften, ermittelt nach den Rechnungsgrundlagen des versicherungsmathematischen Gutachtens über die Höhe der ertragssteuerlich zulässigen Pensionsrückstellung gemäß § 6a EStG zum letzten Bilanztermin vor der Abfindung”. Von dieser Abfindungsklausel machte die Firma Gebrauch, womit der Arbeitnehmer nicht einverstanden war. Dieser wollte auf jeden Fall bei Rentenbeginn eine lebenslange Altersrente erhalten. In einem undatierten Anhang zu seinem Dienstvertrag, der nicht unterschrieben wurde, war nur noch von der „Rente“ die Rede. Hier hat das BAG das Urteil der Vorinstanz (LAG Hamm) aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
Vereinbarung eines wirksamen Wahlrechts?
Die Vorinstanz war der Auffassung, dass eine wirksame Abfindungsklausel vereinbart wurde und sich durch die Klausel in der Versorgungszusage das Recht der Firma ergeben habe, nach ihrer Wahl anstelle der monatlichen Rentenzahlung eine wertgleiche einmalige Kapitalabfindung zu zahlen. Billiges Ermessen sei hier nicht zu berücksichtigen, so dass nicht näher auf die Interessen des Arbeitnehmers eingegangen wurde. Die Vereinbarung des Wahlrechts, anstelle der Altersrente eine Kapitalzahlung zu leisten, lässt den Schluss zu, dass die Arbeitgeberin einseitig und ohne Rücksicht auf die Interessenlage des Klägers entscheiden kann, ob sie von dem Vorbehalt Gebrauch macht oder nicht. Insofern hielt das LAG Hamm die Kapitalabfindung für rechtmäßig.
Bewertung
Das sah das BAG anders, hob das Urteil des LAG Hamm auf und wies es zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück. Diese Entscheidung deutet darauf hin, dass wohl auch in diesem Fall die wesentlichen Umstände abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden müssen. Eine solche Abwägung hatte vorliegend nicht stattgefunden. Zudem könnte eine Rolle gespielt haben, dass im Anhang zum Arbeitsvertrag nur noch von Rentenzahlung die Rede war. Hier bleibt die weitere Begründung abzuwarten.
Insgesamt dürfte es durch die Rechtsprechung seitens des BAG schwieriger für Arbeitgeber werden, sich einseitig eine Kapitalzahlung vorzubehalten und diese dann im Versorgungsfall wirksam auszuüben, ohne dabei auch die Interessen des einzelnen Arbeitnehmers im Blick zu halten. Vielmehr dürften zukünftig immer die jeweiligen Interessen sorgfältig gegeneinander abzuwägen sein. In diesem Zusammenhang müsste auch die Frage der Wertgleichheit der Kapitalleistung eine entscheidende Rolle spielen. Das BAG hat bereits in einer früheren Entscheidung dargelegt, dass dann, wenn die Kapitalleistung den nach den Rechnungsgrundlagen und anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik ermittelten Barwert denjenigen der nach der Altregelung geschuldeten Rentenleistung übersteigt, unter Umständen die Nachteile des Arbeitnehmers infolge der Umstellung überwiegen kann. Das bedeutet im Klartext, dass der Arbeitgeber sich bereits im Vorfeld überlegen sollte, solche Fälle hinsichtlich der Höhe der Leistung großzügiger zu behandeln, um so die Nachteile des Arbeitnehmers abzumildern. Die mögliche Höhe dieser Summe hängt von vielen Faktoren ab und ist sicherlich nicht leicht zu entscheiden.
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