ZIA hat das Frühjahrsgutachten der Immobilienweisen Bundesbauministerin Klara Geywitz übergeben
Die Investitionen sind unattraktiv wie lange nicht
Drastisch gestiegene Baupreise und Zinsen lassen viele Projektkalkulationen zerbröseln
Erreichbare Mieten beim Wohnungsbau liegen oft unterhalb der Kostenmieten
ZIA: 2023 droht beim Wohnen ein Gap von 400.000, für 2025 eine noch dramatischere Lücke: 700.000
Prognose einer nur kurzen und milden Rezession für die Realwirtschaft deutet auf Gestaltungspotenzial
ZIA-Präsident mahnt: „Der Staat muss Abschied nehmen vom Modell ‚Kassieren und Regulieren‘“
Der gewerbliche Immobilienmarkt spürt die Unsicherheit, zeigt sich aber bislang robust. Vor allem der Büro- und Logistikbereich gilt weiter als attraktiv
ZIA-Präsident Dr. Andreas Mattner hat das Frühjahrsgutachten der Immobilienweisen Bundesbauministerin Klara Geywitz übergeben. Kernsignale dieser Analyse: Bauinvestitionen sind in vielen Bereichen unattraktiv wie seit vielen Jahren nicht. Drastische Steigerungen bei den Baupreisen und den Zinsen ließen in den zurückliegenden Monaten Projektkalkulationen oft regelrecht zerbröseln. Der gewerbliche Immobilienmarkt gilt in weiten Teilen nach wie vor als robust; angesichts stark gestiegener Energiekosten rücken hier zunehmend die Energiebilanzen der Gebäude in den Fokus.
Beim Wohnungsbau aber zeichnet sich eine zunehmende Dramatisierung ab. Erreichbare Mieten liegen nun immer häufiger unterhalb der Kostenmieten. Der ZIA fordert angesichts der immer schärferen Zuspitzung der Lage einen „radikalen Abschied von finanziellen und regulatorischen Begrenzungen, mit denen staatliche Akteurinnen und Akteure die Immobilienwirtschaft in Krisenzeiten zusätzlich ausbremsen“. Mattner: „Wenn wir weitermachen wie bisher, werden wir ein Wohnungs-Debakel in 2025 nicht mehr abwenden können. Hier ist es nicht mehr fünf nach zwölf, sondern Viertel nach drei, und es wird um sechs ein unangenehmes Erwachen geben.“
Das Frühjahrsgutachten der Immobilienweisen hat sich in den 20 Jahren seit dem Start zum bewährten Datenfundus für Immobilienwirtschaft, Politik, Wissenschaft sowie die breite Öffentlichkeit entwickelt und wird vom ZIA – dem Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, der 37.000 Mitglieder vertritt – herausgegeben.
„Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine markiert einen Wendepunkt für Europa und nimmt starken Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung“, kommentiert Prof. Dr. Dr. h.c. Lars P. Feld, der in dem Gutachten die gesamtwirtschaftliche Lage analysiert hat, die Veränderungen. Er hält fest: „Inzwischen wird zunehmend von einer kurzen und milden Rezession für 2023 ausgegangen, wenn sie denn überhaupt eintritt.“
Ein Befund Felds mit Blick auf die Branche: Bauinvestitionen sind aktuell so unattraktiv wie seit langem nicht mehr. Seine Analyse: „Vielen Projektentwicklern und Wohnungsunternehmen fehlen die Anreize zu bauen, weil zum einen die Aussicht auf sinkende Immobilienpreise bei gleichzeitig steigenden Baukosten und teuren (Zwischen-)Finanzierungen riskant ist. Zum anderen ist die Toleranz für höhere Mieten angesichts der hohen Inflation und niedriger Realeinkommen gering, und das schmälert die Mietenrenditen bei gleichzeitig steigenden Zinsen.“
Mattner: „Stopp beim Wohnungsneubau ein Menetekel“
Der Stopp großer Akteure beim Wohnungsbau sei möglicherweise „ein Menetekel“ für die Entwicklung der Branche, warnt ZIA-Präsident Dr. Andreas Mattner zur Präsentation des Frühjahrsgutachtens. Die Attraktivität des gewerblichen Immobilienmarktes sei, speziell im Büro und Logistikbereich und bei modernen Gebäuden mit energetischen Nachhaltigkeitsstandards, zwar weiter gegeben. Für den Bereich Wohnen aber könnte die wachsende „Wirtschaftlichkeitslücke“ eine immer bedrohlichere „Wohnraumlücke“ auslösen.
„Für das Jahr 2022 liegt beim Wohnungsbau bereits ein kumuliertes Neubaudefizit in der Zahl fast aller Wohnungen in Bremen vor, im Jahr 2024 wären rechnerisch alle Saarländer ohne Wohnung, für 2025 könnte das Gap aus ZIA-Sicht bei 700.00 Wohnungen beziehungsweise 1,4 Mio. Menschen liegen“, so Mattner, „das entspräche fast dem Wohnungsbestand des Saarlandes und Bremen zusammengenommen.“
Wegen der Flüchtlinge aus der Ukraine, die in Deutschland Hilfe suchen, ist der Bedarf zusätzlich gestiegen. Der dramatische Mangel ist umso ernster; als erschwinglicher, klimagerechter Wohnraum zu den Basics eines guten Zusammenlebens der Gesellschaft gehört. „Wir müssen alles tun, um eine verschärfte Konkurrenz um Wohnraum zu verhindern, weil ansonsten auch die Stabilität der Gesellschaft insgesamt gefährdet wird“, warnt Mattner. Mit konventionellem Wohnungsbau mit „X Jahren Genehmigungsvorlauf und mindestens zwei Jahren Realisierungszeit“ sei selbst bei einem Start in diesem Februar eine Fertigstellung 2025 schon nicht mehr zu schaffen.
Eine weitere Verschärfung der Lage auf dem Wohnungsmarkt sei daher eine „sehr konkrete Gefahr“, aber „eben kein Automatismus“, betont Mattner mit Blick auf Prof. Felds Prognose einer allenfalls kurzen und milden Rezession.
Der konventionelle Wohnungsbau komme nur noch durch einen Dreiklang aus:
Preissenkung beim Wohnungsbau und damit Abbau der enormen Staatsquote am Produkt,
Verbesserte Finanzierungsbedingungen, zu denen eine nennenswerte Förderung wie in der Vergangenheit sowie eine echte degressive AfA gehören
Verzicht auf eine weitere Begrenzungen der Einnahmeseite
Dafür fordert Mattner den Abschied von der Mietpreisbremse und generell einen strikten Verzicht auf weitere Mietenregulierung.
Weitere ZIA-Forderungen:
Die Umsetzung von seriellem und vor allem modularen Bauen auf breiter Front. Mattner: „Das Bündnis für bezahlbares Bauen und Wohnen hat zahlreiche Verbesserungen für diese Bauweise wie die Typengenehmigung bereits auf den Weg gebracht. Jetzt braucht es die Umsetzung ohne Verzug.“
Einen schnellen Anlauf bei der Neubauförderung mit einem Volumen von insgesamt 10 Milliarden Euro jährlich
Eine Ausweitung der KfW-Kredite zur Vergrößerung des finanziellen Spielraums
Eine degressive Sonder-AfA, die den Namen verdient
Die Öffnung von § 246 des Baugesetzbuchs als generellen Freiraum für einfachen, schnellen und bezahlbaren Wohnungsbau (§ 246 wurde ursprünglich als Sonderregelung eingeführt für Flüchtlingsunterkünfte)
Intelligente Lösungen, um die Klimaziele mit einem Kostenrahmen zu erreichen, der leistbar ist
Bundesbauministerin Klara Geywitz habe sich immer wieder offen gezeigt für die Fakten der Praktikerinnen und Praktiker, so Mattner. Für den Bereich Wohnen aber müsse der Bundeskanzler die Wende zur Sache der gesamten Regierung machen, wie er dies einst in seiner Regierungszeit in Hamburg erfolgreich getan habe. Es sei an der Zeit, „unangenehme Wahrheiten auszusprechen“, sagte Mattner. Der Staat selbst müsse auf breiter Front „Abschied nehmen vom Modell ‚Kassieren und Regulieren‘“. Bislang habe Politik Mangel allzu oft mit Regulierung beantwortet und damit das Problem vergrößert, weil so weniger Wohnungen entstünden.
Fazit des ZIA-Präsidenten angesichts der Entwicklungen der letzten Wochen: „Wir sind zu spät gekommen, uns bestraft schon das Leben – beim Wohnungsmarkt geht es inzwischen ums Überleben.“
Das vollständige Frühjahrsgutachten 2023 sowie die Zusammenfassung finden Sie unter www.fruehjahrsgutachten.de.
Schlaglichter aus dem Frühjahrsgutachten:
Gesamtwirtschaftliche Entwicklung: Prof. Dr. Dr. h.c. Lars P. Feld (Professor für Volkswirtschaftslehre an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Direktor des Walter Eucken Instituts)
Ein weiterer Akzent Felds: Die Toleranz für höhere Mieten angesichts der hohen Inflation und niedriger Realeinkommen bewertet er als gering – das schmälert die Mietenrenditen bei gleichzeitig steigenden Zinsen. „Allerdings dürften sich steigende Mieten aufgrund der hohen Wohnraumnachfrage schließlich durchsetzen“, so Felds Erwartung. „Eine neuerliche Diskussion über die Regulierung steigender Mieten wäre dann höchst kontraproduktiv. Denn dadurch könnten zusätzlich dringend benötigte Investitionen in den Wohnungsneubau abgewürgt und gleichzeitig die Elastizität des Bauangebots deutlich verringert werden.“
Feld warnt vor einer weiteren Entwicklung: „Im Falle eines starken und anhaltenden Auftragseinbruchs im Baugewerbe wären aufgebaute Kapazitäten jedoch gefährdet, da beispielsweise ausländische Arbeitskräfte in andere europäische Länder abwandern könnten. Es ist kaum möglich, die Kapazitäten dann auf Knopfdruck wieder hochzufahren, wenn sich die Situation für die Baubranche entspannt hat. Ein Kapazitätsrückgang würde nicht zuletzt die Bemühungen um die Erreichung der Neubauziele konterkarieren.“
Zu weiteren angebotsorientierten Ansätzen zählt aus Felds Sicht die Stärkung des seriellen Bauens, wie es im Koalitionsvertrag vorgesehen ist. Gepaart mit einer gemeinde- oder länderübergreifenden Vereinheitlichung oder Standardisierung der Bauvorschriften würde dies zu enormen Skaleneffekten führen. So könnte gleichzeitig das seit Jahren niedrige Produktivitätswachstum in der Bauwirtschaft angekurbelt werden, was „angesichts der stagnierenden Kapazitäten in der Bauwirtschaft in den vergangenen Jahren ein notwendiges Unterfangen wäre“.
Wohnimmobilien: Prof. Harald Simons (empirica)
Für das Jahr 2022 erwartet Prof. Dr. Harald Simons, Autor des Kapitels „Wohnimmobilien“, eine Nettozuwanderung von insgesamt knapp 1,5 Millionen, etwa eine Million von ihnen seien Menschen aus der Ukraine, die in Deutschland Schutz suchen. „Damit ist das Jahr 2022 das Jahr mit der höchsten Nettozuwanderung nach Deutschland seit Bestehen der Bundesrepublik“, so Prof. Simons. Die Nachfrage nach Wohnungen ist dadurch sprunghaft gestiegen. Entsprechend ist die Wirkung auf die Wohnungsmieten, die im Bestand in 2022 mit +5,2 Prozent wieder etwas stärker als in den Vorjahren anstiegen.“
„Regelrechte Angst unter den Akteuren“
„Der Wohnungsneubau sah sich 2022 neuen Herausforderungen gegenüber. Der annähernd zeitgleiche drastische Anstieg der Baupreise und der Zinsen ließ viele Projektkalkulationen zerbröseln, und regelrechte Angst kehrte unter den Wohnungsmarktakteuren ein“, beschreibt Prof. Simons die Entwicklung.
Der Neubau von Wohnungen ist mit den hohen Baupreisen plus höheren Zwischenfinanzierungskosten und hohen Grundstückskosten „meist nicht mehr wirtschaftlich, da die erzielbaren Mieten unterhalb der Kostenmieten liegen und die Verkaufspreise aufgrund der höheren Zinsen nicht mehr von den Käufern finanziert werden können“, sagt Prof. Simons. Seine Prognose: „Der hohe Bauüberhang, entstanden durch die Trägheit in den letzten Jahren, hat den Wohnungsneubau noch 2022 gestützt und könnte dies auch 2023 noch tun.“ Zukünftig werde sich aber eine neue Neubaulücke auftun.
Die Kaufpreise für Eigentumswohnungen sinken seit dem Anstieg der Zinsen. Vom zweiten bis zum vierten Quartal 2022 gaben sie bundesweit insgesamt um 3,2 Prozent nach. In den A-Städten ist der Rückgang mit 2,1 Prozent bis 7,8 Prozent meist stärker gewesen.
Einzelhandelsimmobilien: Michael Gerling (EHI Retail Institute)
„Der Einzelhandelsumsatz hat sich trotz negativer Rahmenbedingungen positiv entwickelt – entgegen den vorangegangenen Jahren getragen vom stationären Handel“, fasst Michael Gerling, Autor des Kapitels „Einzelhandelsimmobilien“ zusammen. „Eine wieder leicht steigende Konsumstimmung, zurückkehrende Passantenfrequenzen und staatliche Maßnahmen zur Kostenreduzierung für Verbraucher und Unternehmen zeigen in den positiven Expansionsplänen des Handels ihre Wirkung. Während 2020 und 2021 die Nahversorgungsimmobilien im Trend lagen, erhellen sich nun auch die Aussichten in den anderen Handelsimmobilienklassen.“
„Der Handel hat im vergangenen Jahrzehnt durch zahlreiche Maßnahmen, zum Beispiel LED-Beleuchtung und effiziente Kühlung und Klimatisierung, seinen Energieverbrauch deutlich gesenkt“, hebt Gerling hervor. „Ebenso investieren Investoren und Eigentümer schon seit Jahren in die energetische Sanierung von Gebäuden, sowohl um die Nebenkosten zu reduzieren, als auch um Abwertungen entgegenzuwirken.“ Gerlings Blick auf die künftige Entwicklung: Im Sinne eines weiteren Fortschrittes auf dem Weg zu einem klimaneutralen Handelsstandort müssen aber weitere gemeinsame Anstrengungen unternommen werden. Dabei braucht es dringend weiterer Unterstützung bei der energetischen Optimierung der Bausubstanz. Auch beim Neubau von Objekten müssen neue Wege eingeschlagen werden. „Viele Handelsunternehmen pilotieren Holz als Baustoff für ihre Gebäude. Anreize durch staatliche Unterstützung sind hierzu auf jeden Fall zu begrüßen“, sagt Gerling.
Gesundheits- und Sozialimmobilien, Innenstadtentwicklung: Carolin Wandzik (GOS)
„Die Nutzungsklasse der Pflegeimmobilien und des Servicewohnens für Senioren ist aufgrund des demografischen Wandels nachfrageseitig sehr stabil“, hält Carolin Wandzik, Autorin des Kapitels „Gesundheits- und Sozialimmobilien“ fest. Weitere Trends nach ihrer Analyse: Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt perspektivisch weiter stark an und wird in allen Angebotsformen einen zusätzlichen Bedarf aufweisen. Dennoch wirken sich die generellen Rahmenbedingungen infolge des Kriegs in der Ukraine bezogen auf die Baukostenentwicklung und das Finanzierungsumfeld sowie die steigenden Energiekosten auch in dieser Nutzungsklasse restriktiv auf die Ausweitung des Angebots aus. Zudem ist der bereits längst erkannte Fachkräftemangel in diesem Sektor nicht behoben, sondern hat sich im Zuge der Pandemie zu einem personellen Pflegenotstand ausgeweitet, für den noch keine überzeugenden Lösungsansätze gefunden wurden.
Angebotslücke für Seniorinnen und Senioren
Carolin Wandzik weist auf konkrete Lücken hin: „Das Angebot an Pflegeheimen stagniert derzeit in Deutschland. Um den demografiebedingten Zusatzbedarf zu decken, müsste der Neubau deutlich an Dynamik gewinnen.“ Für das Segment des betreuten oder Servicewohnens für Seniorinnen und Senioren ergibt sich schon heute eine Angebotslücke von 550.000 Wohneinheiten. Unter Berücksichtigung der steigenden Zahl an Älteren wird diese bis 2040 auf fast eine Million Wohnungen anwachsen. „Mit der aktuellen Neubautätigkeit von etwa 6.000 Wohnungen pro Jahr, wird diese nicht zu schließen sein“, konstatiert Wandzik.
„Der Veränderungsdruck auf die Innenstädte, der zunächst durch die Coronapandemie deutlich wurde, verstärkte sich seit Februar 2022 durch den Ukraine-Krieg und dessen Folgen“, kommentiert Carolin Wandzik die Innenstadtentwicklung, die sie in einem weiteren Kapitel analysiert hat. Ihre Signale: „Ein nachhaltiger Nutzungsmix gepaart mit einer erfolgreichen Mobilitätswende sind die Schlüssel der Veränderungsprozesse für unsere Stadtzentren und ermöglichen eine Steigerung der Aufenthaltsqualität.“
Bund und Länder gestalten den gesetzlichen Rahmen für den Strukturwandel in den Innenstädten. Dabei bilden das Planungs- und Baurecht wesentliche Grundlagen für die Gestaltungsmöglichkeiten. „Hier gilt es die Planungsprozesse zu beschleunigen und in Teilen zu flexibilisieren, um zeitnah neue Nutzungskonzepte umsetzen zu können“, erklärt Wandzik.
Die interdisziplinären oder nutzungsklassenübergreifenden Herausforderungen zur Transformation der Innenstädte könnten „nur gemeinschaftlich gelöst werden“, dafür sei „eine Kommunikation aller Akteure, Eigentümer und Nutzer auf Augenhöhe eine wichtige Voraussetzung“, betont die Expertin. Kommunen sollten Initiatoren von Kommunikations- und Kooperationsprozessen sein, aber auch erkennen, dass sie als Beteiligte Eigeninteressen haben und kein neutraler Moderator sein können.
Büro und weitere Wirtschaftsimmobilien: Sven Carstensen (bulwiengesa)
Die Attraktivität des gewerblichen Immobilienmarktes ist aufgrund der steigenden Mieten und der bestehenden Flächennachfrage, speziell im Büro- und Logistiksegment, weiterhin gegeben, diagnostiziert der Experte Sven Carstensen, der das Kapitel „Büro-, Unternehmens-, Logistik-, Hotelimmobilien“ verfasst hat. Es ist, so Carstensen, aber wahrscheinlich, dass zumindest die erste Jahreshälfte noch von Zurückhaltung geprägt sein wird und die Marktaktivität erst wieder anspringt, wenn die Zinsentwicklung besser eingeschätzt werden kann.
Weitere Kernpunkte seiner Analyse: Neben Zinsumfeld, gesamtwirtschaftlicher Entwicklung, Inflation sowie Energie- und Baupreisen wird das Thema ESG den Investmentmarkt 2023 weiter beeinflussen. Die Preisfindung und Einordnung der Immobilien wird sich noch stärker an den Nachhaltigkeitskriterien orientieren. Damit ist auch verbunden, so Carstensen, dass der Anteil an potenziellen Stranded Assets zunehmen wird. Dieses Themenfeld bietet gleichzeitig auch großes Marktpotenzial, insbesondere für Akteure mit Kompetenz im Bereich Bestandsrevitalisierung.
Beim Büro wird sich der Trend zu modernen und hochwertigen Flächen in den Innenstädten und in innenstadtnahen Lagen mit guter Erreichbarkeit und Service-Infrastruktur 2023 fortsetzen. Befeuert wird diese Entwicklung neben den Anforderungen durch New Work auch durch die ESG-Thematik. Die Energiebilanz der Gebäude rückt vor dem Hintergrund stark gestiegener Energiekosten noch stärker in den Fokus.
Diese Trends erhöhen laut Carstensen den Druck auf Bestandshalter, ihre Immobilien an die neuen Anforderungen anzupassen. Die Gefahr von Stranded Assets wird zunehmen. Auch betroffen sind wenig flexible Objekte, die keine New-Work-Konzepte bedienen können. Hier seien auf absehbare Zeit erhöhte Leerstandsrisiken und deutliche Abschläge auf das erzielbare Mietniveau zu erwarten.
Unternehmensimmobilien haben sich während der Corona-Pandemie als krisenresilient erwiesen. Bei einer möglichen Rezession kann sich aber die gekräftigte Nachfrage durch Near- und Reshoring-Tendenzen der Produktion sowie der Bedarf nach kleinteiligen Hallenflächen aus dem E-Commerce als stabilisierend erweisen.
Eine Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen wird in der nahen und fernen Zukunft weiter eine wichtige und dringliche Zielsetzung sein. Diese Transformation der Wirtschaft betrifft im hohen Maße die Unternehmen des Mittelstands und sollte damit auch durch die Immobilien getragen werden können.
Mit Blick auf Logistikimmobilien hält Carstensen fest: Bisher zeigt sich der Markt für Logistikflächen trotz aller wirtschaftlicher Unsicherheiten resilient. Die Nachfrage ist weiterhin ungebrochen hoch. E-Commerce als ein wesentlicher Treiber des Wachstums des Logistikmarktes hat nach wie vor noch nicht sein vollständiges Ausmaß erreicht, weswegen die Standortnetze weiter ausgebaut werden. Die Flächenpotenziale für Neuentwicklungen sind vielerorts aber zunehmend ausgeschöpft. Die Mieten zeigen aufgrund des Nachfrageüberhangs flächendeckend einen deutlichen Aufwärtstrend. Neben dem Nachfragedruck treiben hohe Baukosten und die gestiegenen Anforderungen an die technische Gebäudeausstattung das Mietniveau.
Sollten die derzeit geplanten Projekte kurzfristig realisiert werden, könnte das Jahr 2023 erneut ein Rekordjahr werden. Schwierigkeiten am Projektentwicklermarkt bei der Finanzierungs- und Kostensicherheit sind inzwischen allerdings auch im Logistikbereich zu beobachten.
Carstensens Blick auf Hotelimmobilien: „Nach zwei Jahren Pandemie schien Anfang letzten Jahres eine baldige Erholung der Hotellerie in Deutschland, so auch der Stadthotellerie, in Sicht. Die Lage blieb aber angesichts der Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine angespannt. Mit besseren Konjunkturaussichten ist 2023 aber zumindest mit einer leichten Stimmungsaufhellung zu rechnen.“
Die Branche ist zudem nach wie vor mit einem großen Fachkräftemangel – neben stark steigenden Erzeuger- und Energiepreisen und stark wachsenden Bau- und Finanzierungskosten konfrontiert und muss sich zeitgleich um Nachhaltigkeit im Bau und Betrieb als auch um die Digitalisierung ihres Angebots schnellstens kümmern.
Investoren warten im Hotelimmobilienmarkt nach wie vor ab. Kaufinteressenten hoffen auf klarere Signale, welche Standorte, Konzepte und Betreiber sich am Markt durchsetzen werden.
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