Die deutsche Politik und Finanzwirtschaft zeigen sich wegen eines möglichen Verbots von Bestandsprovisionen im Wertpapiergeschäft besorgt. Max Biesenbach und Sonia King von der globalen Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners geben Entwarnung:
Das endgültige Verbot von Bestandsprovisionen im Wertpapiergeschäft könnte bald Realität werden, wenn man die letzten Äußerungen der Europäischen Kommissarin für Finanzdienstleistungen, Finanzstabilität und Kapitalmarktunion, Mairead McGuinness, betrachtet. Vertreter der deutschen Politik und Finanzwirtschaft befürchten, dass ein Provisionsverbot von Fondsgesellschaften an Banken automatisch mit einer teuren Honorarberatung einhergeht und Wertpapierberatung damit für Kleinanleger unerschwinglich wird. Es ist aber anzunehmen, dass das Verbot von Bestandsprovisionen nicht zu einer Unterversorgung von Kleinanlegern führt.
Richtig ist, dass Honorarberatung, also ein festes Honorar pro Beratungsstunde, in der breiten Masse nicht funktioniert. Einzelne Honorarberater verlangen für eine Erstberatung bis zu 500 Euro. Das ist einerseits für die meisten Kleinanleger prohibitiv teuer, insbesondere für eine Dienstleistung, deren Wert man vorab nicht einschätzen kann. Und andererseits hat die Vergangenheit gezeigt, dass Honorarberatung auch bei den wohlhabenderen Kunden auf wenig Akzeptanz trifft. Ein Großteil der Banken in Europa, die eine erfolgreiche Transformation zu einem bestandsprovisionsfreien Geschäftsmodell gemeistert haben, monetarisiert Beratung aber über eine laufende (monatliche/quartalsweise/jährliche) Gebühr, die der Kunde direkt an die Bank bezahlt und deren Höhe als Prozentsatz vom angelegten Vermögen bemessen wird. Dadurch bezahlen Kleinanleger automatisch weniger als wohlhabende Kunden, es entstehen keine hohen Einmalkosten und der Preis wird somit in der breiten Masse deutlich besser akzeptiert.
Richtig ist auch, dass das Provisionsverbot in Großbritannien zu einem hohen Margenverlust und einer massiven Beratungslücke im Kleinanlegersegment geführt hat. Das liegt aber vor allem daran, dass sich viele Banken in Großbritannien nicht proaktiv auf ein Provisionsverbot vorbereitet hatten und damit kein profitables Geschäftsmodell für Kleinanleger aufbauen konnten. Somit wollten viele Banken gar keine Kleinanleger mehr betreuen. Und diejenigen Banken, die weiterhin Anlageberatungsdienstleistungen im Retailbanking anboten, taten dies im Rahmen der Honorarberatung, bei der eine Beratungsstunde mit durchschnittlich 150 GBP vergütet wird, ein Preis, der für Kleinanleger in der Regel unattraktiv ist. Kein Wunder also, dass die UK regelmäßig als „Worst Practice“ bei der Transformation zum bestandsprovisionsfreien Geschäftsmodell angeführt wird. Positivbeispiele sind hingegen die Schweiz oder Liechtenstein. Dort bereiten sich Banken schon seit Jahren proaktiv auf ein Provisionsverbot vor. Die Mehrheit der Schweizer und Liechtensteiner Banken hat es dadurch geschafft, völlig unabhängig von Bestandsprovisionen zu werden, während die Margen weitgehend stabil geblieben sind. Auch in den Niederlanden sind Bestandsprovisionen in der Anlageberatung bereits seit 2014 verboten. Und auch hier konnten Banken trotz anfänglicher Schwierigkeiten wegfallende Provisionen größtenteils mit direkten Gebühren kompensieren. Zu guter Letzt gibt es auch in Deutschland und Österreich Banken, die seit Jahren ihr Geschäftsmodell sukzessive anpassen, um einen Wegfall der Provisionen zu antizipieren, auch weitgehend ohne Margen oder Kundenverlust.
Ein mögliches Provisionsverbot in der Anlageberatung ist bereits seit der Verabschiedung von MiFID II im Jahr 2014 bzw. der Umsetzung im Jahr 2018 zu einem wahrscheinlichen Szenario geworden. Daher ist es wenig überraschend, dass es jetzt konkreter wird, auch wenn dies für Banken unbequem ist.
Ein Provisionsverbot muss also keineswegs zwingend zu einem Margenverlust oder einer Beratungslücke führen. Wichtig ist, proaktiv zu identifizieren, welche Kundensegmente welche Zahlungsbereitschaft für welche Art der Beratung haben, ein entsprechendes differenziertes Angebot und Pricing aufzubauen und sukzessive den Kundenstamm zu migrieren. Eine einfache Aufgabe ist das nicht, aber der Blick in andere Märkte zeigt, dass es durchaus machbar ist.
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