Der EuGH hat mit Urteil vom 22. November 2022 entschieden, dass die freie Einsehbarkeit des europaweit vorgegebenen Transparenzregisters für die Öffentlichkeit gegen Art. 7 (Achtung des Privat- und Familienlebens) sowie Art. 8 (Schutz personenbezogener Daten) der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verstößt.

Deutschland hat inzwischen den freien Zugang der Öffentlichkeit zum Transparenzregister gesperrt.

Hintergrund: Seit dem 1. August 2021 gelten verschärfte Meldepflichten zum sogenannten Transparenzregister. Ziel der Einrichtung des Transparenzregisters und der Verschärfung ist es, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu verhindern. Grundlage dafür ist die europäische Geldwäscherichtlinie. Betroffen sind von der Meldepflicht Unternehmen aller Branchen und damit natürlich auch die der Finanz- und Versicherungsbranche.

Meldepflichtig sind juristische Personen des Privatrechts und eingetragene Personengesellschaften. Erst seit dem 1. August 2021 müssen nun auch Gesellschaften bei denen sich die erforderlichen Angaben aus schon vorhandenen Registern, z.B. dem Handelsregister, entnehmen ließen, ihre wirtschaftlich Berechtigten ermitteln und zum Transparenzregister melden.

Wirtschaftlich Berechtigte sind grundsätzlich alle natürlichen Personen, die unmittelbar oder mittelbar mehr als 25 Prozent der Kapitalanteile oder der Stimmrechte einer Gesellschaft halten oder auf vergleichbare Weise Kontrolle über die betreffende Gesellschaft ausüben. Gibt es z.B. bei einer GmbH keine solche Person, sind grundsätzlich die Mitglieder des Vorstands bzw. der Geschäftsführung sog. fiktiv wirtschaftlich Berechtigte.

Die öffentlich einsehbaren Daten der wirtschaftlich Berechtigten umfassen derzeit:

Vor- und Zunamen;

Geburtsdatum;

Wohnort;

Staatsangehörigkeiten;

Art und Umfang des wirtschaftlichen Interesses.

Seit dem 1. Januar 2020 konnte das Transparenzregister durch die Öffentlichkeit frei eingesehen werden.

Nach Ansicht des EuGH stellt nun der öffentliche Zugang zu den Informationen über die wirtschaftlich Berechtigten von Unternehmen einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten dar. Es fehle mit der Öffnung dieser Register für die Öffentlichkeit an der Wahrung des Gebotes zur Erforderlichkeit und damit an der Verhältnismäßigkeit zwischen Transparenz und Datenschutz- bzw. Schutz von Persönlichkeitsrechten.

Dieser schwerwiegende Eingriff ist nach Auffassung des EuGH auch nicht mit dem Ziel der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung gerechtfertigt.

Die Bestimmungen zur Offenlegung von Unternehmensdaten sind damit ungültig.

„Wir haben schon oft, insbesondere bei unseren Gesprächen mit Fachpolitikern, genau diese eindeutige Verletzung der Grundrechte ausdrücklich kritisiert. Das es nun erst dieser EuGH-Entscheidung bedurfte ist bedauerlich, zeugt andererseits aber von einem funktionierenden Rechtssystem.“, so Rechtsanwalt Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand des AfW. „Wir hoffen sehr und werden weiter darauf drängen, dass auch das neue Online-Handelsregister umgehend wieder geschlossen wird. Daten über Unternehmerinnen und Unternehmer sind uneingeschränkt abruf- und speicherbar. Datenmissbrauch, Identitätsdiebstahl und Gefährdung von Leib und Leben ist absehbar. Eine Überprüfung im Lichte der DSGVO und des aktuellen EuGH-Urteils ist dringend geboten.“

Das Urteil des EuGH ist bereits mit seiner Verkündung rechtskräftig und musste umgehend national umgesetzt werden. Daher wird Anträgen der Öffentlichkeit auf Einsichtnahme in das Transparenzregister bis auf weiteres nicht stattgegeben.

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