Bislang mussten Anleger bei Kapitalerträgen bis 801 Euro keine Steuern zahlen. Zwar werden die Sparer-Pauschbeträge ab 2023 für Alleinstehende auf 1.000 und für Ehepaare auf 2.000 Euro erhöht.

 

Aber: Vor dem Hintergrund, dass private Altersvorsorge unerlässlich ist, hätte die Erhöhung deutlich höher ausfallen müssen.

Aktuelle Markteinschätzung von Michael B. Bußhaus, Gründer und Geschäftsführer von justTRADE

Das Jahr neigt sich langsam, aber sicher, dem Ende zu – und damit schiebt sich auch der Check der persönlichen Finanzen auf der Liste der guten Vorsätze fürs kommende Jahr immer weiter nach oben. Zwar ist es auch in der Vergangenheit schon so gewesen, dass viele Bürgerinnen und Bürger am Ende des Jahres nochmal einen Blick auf ihre Finanzen geworfen haben, jedoch ergibt diese Tradition am Jahresende 2022 noch einmal besonders viel Sinn – Inflation, Energiekrise und Kapitalmarktschwäche bewegen Anleger in diesem Jahr wie wohl nie zuvor in der Geschichte.

Das Motto „Kosten senken, Vorteile erhöhen“ sollte dabei im Vordergrund stehen. Eine Option, die es in diesem Zusammenhang zu nutzen gilt, ist etwa der Sparer-Pauschbetrag. Ihn erhöht die Bundesregierung zum neuen Jahr auf 1.000 Euro für Ledige und 2.000 Euro für Ehegatten. Bis zu dieser Grenze werden Kapitalerträge, wie beispielsweise aus Zinsen, Dividenden oder Kursgewinnen, nicht versteuert – wenn der Pauschbetrag denn beantragt wird. Hier müssen Bankkunden aktiv werden und einen Freistellungsantrag bei ihrer Bank einreichen. Mittlerweile stellen viele Finanzinstitute diese Anträge online bereit. In wenigen Fällen muss der Antrag als ausgefüllter Vordruck eingereicht werden. Wer dies nicht macht, für den fallen auch auf die Kapitalgewinne unter den ab dem 01. Januar geltenden 1.000 Euro (bzw. 2.000  Euro) die standardmäßigen 25 Prozent Kapitalertragssteuer plus Solidaritätszuschlag, und gegebenenfalls die Kirchensteuer, an.

Wer die Vorteile noch weiter ausnutzen möchte, sollte sich zudem über die sinnvolle Aufteilung des Pauschbetrags Gedanken machen. Wenn man Kapitalerträge aus verschiedenen Quellen bezieht, kann man den Freibetrag auf verschiedene Banken und Konten verteilen, muss aber entsprechend für jedes dieser Konten einen gesonderten Antrag stellen. Grundsätzlich gilt: Je mehr Sparer oder Anleger aus einer Quelle an Erträgen beziehen, desto höher sollten sie den Freibetrag bei dieser Quelle gewichten. Übersteigen die Einnahmen aus allen Quellen diese Freibetragsgrenze, so macht eine Aufteilung keinen Unterschied mehr. Beim jährlichen persönlichen Finanzcheck sollte dies mitberücksichtigt werden.

Wie hilfreich ist die Anhebung?

2022 ist in Deutschland das Volumen von Wertpapierdepots im Schnitt auf 68.500 Euro gestiegen. Das bedeutet, dass schon bei einer durchschnittlichen Rendite von jährlich 2 Prozent der Freibetrag von 1.000 Euro überschritten ist. Geht man von einer durchschnittlichen Rendite von 3 Prozent im Jahr aus, ist schon eine Anlagegröße von 33.500 Euro ausreichend, um über dem Freibetrag zu liegen und Steuern auf die Erträge zahlen. Somit muss man nicht gleich Millionär sein, um die Freibetragsgrenze zu erreichen, daran hat die kleine Anhebung des Pauschbetrag von 801 auf 1.000 Euro nichts geändert. Wie fragwürdig die geringe Größe dieses Betrags auch nach der Anhebung um 200 Euro ist, zeigen aber noch andere Aspekte.

So ist Deutschland mit 25 Prozent Abgeltungssteuer ohnehin im europäischen Vergleich ganz weit oben dabei. Zwar liegt etwa Schweden mit 30 Prozent noch oberhalb dieses Niveaus und in Finnland zahlt man auf Dividenden und Zinserträge 28 Prozent Steuern. Doch auch wenn es in der Schweiz 35 Prozent sind, fallen diese ausschließlich für Dividenden an. In Italien, Polen oder Spanien zahlt man sogar weniger als 20 Prozent Abgeltungssteuer – und in Belgien, Frankreich oder Großbritannien sind es sage und schreibe 0 Prozent. Auch in den meisten anderen europäischen Ländern zahlt man meistens auf entweder Dividenden oder Zinserträge Steuern, manchmal auch beides, allerdings nicht auf Kursgewinne. Der deutsche Staat macht da keine Unterschiede – sondern besteuert einfach gleich alles.

Diese deutsche Kombination aus hohen Steuerlasten und geringen Freibeträge konterkariert den ständigen Appell der Politik hierzulande, wonach private Vorsorge unerlässlich sei. Wie aber soll effektiver Vermögensaufbau für einen lebenswerten Ruhestand, der ohne eigenes Zutun ohnehin nicht mehr gesichert ist, stattfinden, wenn dem Sparer nicht unter die Arme gegriffen wird, wenn ihm vielmehr Steine in den Weg gelegt werden? Die Anhebung des Pauschbetrags von jährlich 200 Euro reicht hinten und vorne nicht aus. Im internationalen Vergleich sieht man, dass deutlich moderatere Modelle ebenfalls tragbar sind. Diese würden wohl auch in Deutschland nochmal mehr Investitionsanreize schaffen, Anreize, die bitter nötig wären: Im Jahr 2021 waren gerade einmal 14 Prozent der deutschen Bevölkerung in Aktien, Aktienfonds oder ETFs investiert.

Wichtiger denn je

Gerade in der aktuellen Krisenzeit ist das Investieren wichtiger denn je. Während die Inflation auf den Geldbeutel drückt und die Energiekrise zum Sparen an den Grundbedürfnissen drängt, werden Kostenkürzungen im eigenen Budget oftmals bei der Sparquote angesetzt. Damit entgehen nicht nur Chancen am Kapitalmarkt, sondern die private Vorsorge wird buchstäblich erstmal auf Eis gelegt. Zwar kann man mit einigen Anpassungen etwas mehr Performance aus dem Sparer-Pauschbetrag herausholen, mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein ist diese Anhebung aber nicht. Hier besteht deutlicher Handlungsbedarf.

Über den Autor

Michael B. Bußhaus ist Gründer und Geschäftsführer von justTRADE. Er war Geschäftsführer der onvista bank und verantwortete bis 01/2019 als Head of Brokerage das gesamte Wertpapiergeschäft der comdirect bank AG.

 

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