Gut, dass es vorbei ist – viele Anleger werden vermutlich zum Jahresende hin mit Erleichterung auf 2022 zurückblicken.

 

Schließlich war 2022 – so viel lässt sich schon heute sagen – ein äußerst herausforderndes Jahr. Doch die letzten Wochen könnten zumindest für ein wenig Entspannung sorgen und womöglich eine nachhaltige Trendwende einläuten.

Aktuelle Markteinschätzung von Nermin Aliti, Leiter Fonds Advisory der LAUREUS AG PRIVAT FINANZ       

Nachdem der DAX am 5. Januar dieses Jahres die Marke von 16.000 Punkte erreicht hatte, gerieten Aktien weltweit kräftig unter Druck. Mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine fielen die Kapitalmärkte sukzessive  ins Bodenlose. Zwar haussierten vor allem Energierohstoffe in den Monaten nach dem Ausbruch des Krieges, doch ist auch bei Öl und Gas inzwischen ein wenig Ruhe eingekehrt. Die Kurse bestimmen ohnehin schon längst nicht mehr der Krieg in der Ukraine und die damit einhergehenden geopolitischen Spannungen, sondern die Angst um die Lage der Weltwirtschaft sowie die aktuell extrem hohen Inflationsraten.

Hohe Inflation, steigende Zinsen – schwieriges Kapitalmarktumfeld

Spätestens durch die unmittelbaren Kriegsfolgen stiegen die Teuerungsraten dies- und jenseits des Atlantiks bis in den zweistelligen Bereich. Und das, obwohl die großen Notenbanken schon das gesamte Jahr über Maßnahmen gegen die steigenden Preise unternommen haben. Schon Mitte März straffte die US-amerikanische Notenbank Fed mit einem ersten Zinsschritt um 25 Basispunkte die geldpolitischen Zügel und legte im Mai mit einem Schritt um 50 Basispunkte nach. Seitdem folgten immerhin vier weitere Anhebungen um 75 Basispunkte. Etwas weniger strikt ging die Europäische Zentralbank (EZB) vor. Dennoch erhöhte die EZB den europäischen Schlüsselzins seit dem Sommer 2022 insgesamt dreimal – von 0 auf aktuell 2,0 Prozent.

Zwar gelten höhere Leitzinsen als probates Mittel, um der Inflation Herr zu werden, doch entstehen im Zusammenhang mit Zinsschritten weitere Probleme: Erstens wirken steigende Zinsen zeitversetzt und zweitens treffen sie die Wirtschaft, da sie Investitionen verteuern. Gerade angesichts knapper Kapazitäten und der ohnehin unsicheren konjunkturellen Lage nährte die Zinswende die Sorge, die Notenbanken könnten die Weltwirtschaft in eine Rezession stürzen. Da Kapitalmärkte die Zukunft immer um einige Monate vorwegnehmen, spielten auch Aktien und Rohstoffe dieses Negativ-Szenario durch. Unternehmensbewertungen gaben nach und Rohstoffe preisten eine Rezession ein, die üblicherweise von einer plötzlich deutlich geringeren Nachfrage nach industriellen Vorprodukten geprägt ist.

Comeback der Rentenpapiere

Zugleich belebte die Zinswende die Anleihemärkte – der Bund Future verlor seit Januar rund 35 Punkte, was im Umkehrschluss steigende Renditen anzeigt: Aktuell erhalten Anleger, die der Bundesrepublik Deutschland für zehn Jahre Geld leihen, immerhin eine jährliche Rendite von rund 2,3 Prozent. Noch im vergangenen Jahr waren Renditen in dieser Größenordnung mit sicheren Anleihen undenkbar. Da sich neue Emissionen an den aktuellen Marktzinsen orientieren müssen, nehmen Anleihen bereits heute eine wichtigere Rolle in langfristigen Anlagekonzepten ein. Und wie steht es um die anderen Anlageklassen?

Dass die Kapitalmärkte dazu neigen, eine gehörige Portion Zukunft einzupreisen, ist hinlänglich bekannt. Die jüngsten Stabilisierungen bei Aktien sowohl in den USA als auch an den Börsen in Asien und Europa deutet darauf hin, dass die letzten Monate des Jahres eine freundliche Entwicklung nehmen könnten. Auch die Markterwartungen an das Handeln der US-Notenbank haben sich während der vergangenen vier Wochen positiv entwickelt: Rechneten laut CME Fed Watch vor rund vier Wochen lediglich 23,4 Prozent der Marktteilnehmer mit einem neuerlichen Zinsschritt um 75 Basispunkte im Dezember, sind es heute nur noch 43 Prozent. Als wahrscheinlicher (56,8 Prozent) gilt ein Zinsschritt um 50 Basispunkte. Diese Markterwartung bei gleichsam steigenden Aktienkursen spricht dafür, dass sich Marktteilnehmer inzwischen mit der Zinswende abgefunden haben und davon ausgehen, dass die Zins-Rallye spätestens in den ersten Monaten des neuen Jahres ein Ende finden könnte. Selbst Fed-Chef Jerome Powell hatte im Rahmen des letzten Zinsschrittes verlauten lassen, dass es angemessen sei, „das Tempo der Erhöhungen zu verlangsamen“.

Die kommenden Wochen werden entscheidend

Auch wenn es schon heute vereinzelte Stimmen gibt, die 2023 bereits wieder sinkende Zinsen vorhersagen, ist es für diese Markterwartung noch zu früh. Um die Inflation zu beenden, bedarf es eines mittleren Zinsniveaus über einen längeren Zeitraum. Anleger sollten gerade jetzt den Markt sowie wichtige Konjunkturdaten rund um Inflation und Arbeitslosigkeit im Blick haben. Erreicht die Teuerung ihren Kipppunkt, dürfte das für Aktien und auch Rohstoffe positiv sein. Anleger können dann wieder auf die Käuferseite wechseln. Auch Anleihen bleiben angesichts der Perspektive auf anhaltend hohe Renditen aussichtsreich. Insgesamt hat das krisenreiche Jahr 2022 die Möglichkeiten für langfristig denkende Anleger erhöht. Aktien sind günstiger geworden und das Comeback der Anleihen eröffnet Investoren neue Optionen. Auch wenn 2022 ein Jahr mit mehr Tiefen als Höhen war: Die Perspektive für die letzten beiden Monate des laufenden Jahres sowie 2023 sind so schlecht nicht.

 

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