Die gegenwärtige Erholung ist noch nicht die ersehnte Umkehr an den Aktienmärkten, neue Tiefs sind wahrscheinlicher.
„Bärenmarkt-Rallyes können länger dauern und höher führen und trotzdem genauso schnell wieder abverkauft werden“, sagt Benjamin Bente, Geschäftsführer der Vates Invest GmbH. „Die historischen Beispiele stimmen pessimistisch.“
Die Frage an den Märkten lautet weithin, ob die rund zehn Prozent Anstieg im amerikanischen Markt schon der Anfang einer V-Erholung sind oder nur eine weitere Bärenmarkt-Rallye, wie sie schon mehrfach in diesem Jahr gesehen wurden. „Die Wahrscheinlichkeit spricht für eine Bärenmarkt-Rallye“, so Bente. „Die Variante, dass es jetzt auf neue Allzeithochs geht und damit der Bärenmarkt nach knapp neunmonatiger Dauer final beendet wird, ist eher unwahrscheinlich.“ Die Gründe dafür sind vielfältig.
So ist die Ausgangssituation gegenüber den V-förmigen Erholungsbewegungen, die es in den vergangenen Jahren immer wieder gab, deutlich anders: „Die US-Notenbank muss nachhaltig einen Kampf gegen die Inflation führen und kann daher keine Rücksicht auf den Aktienmarkt nehmen“, sagt Bente. „Das war an den bisherigen Umkehr-Tiefpunkten anders.“ Wenn Tiefs in den vergangenen 15 Jahren einen Ausgang für ein V markierten, waren die Notenbanken entweder schon wieder stimulativ oder begannen, zumindest verbal stimulativ zu werden.
„Eine Entspannung der Fed ist erkennbar nicht der Fall“, so Bente. „Da es noch keine sichtbaren Anzeichen für einen nachhaltigen Rückgang der Inflation gibt, wird die Fed weiter restriktiv sein müssen.“ Das bedeutet aber auch, dass es noch keine Grundlage für eine nachhaltige Aktienmarktbewegung nach oben gibt. Im Gegenteil: Der Rückblick auf die 1970er-Jahre, als zuletzt große Kämpfe gegen die Inflation geführt wurden, zeigen, dass der typische Bärenmarkt sehr viel länger gedauert hat als nur neun Monate. „Mit Ausnahme von 1980 gab es keine von einem Zinserhöhungszyklus zwecks Inflationsbekämpfung ausgelöste Rezession, bei der der Bärenmarkt so kurz lief“, sagt Bente. Alle Bärenmärkte lagen deutlich über einem Jahr. „Wir liegen aktuell gerade bei einem Dreivierteljahr, wenn man Ende September als Tief annimmt“, sagt Bente.
Ebenfalls gegen ein finales Tief spricht, dass es in der Regel Zeit braucht, bis die Geldpolitik auch in der Realwirtschaft ankommt. „Dieser Transmissionsmechanismus von negativer und stark restriktiver Geldpolitik in die Breite der Realwirtschaft dauert lange, erst in diesem Jahr sind die Zinsstrukturkurven in den USA wirklich invertiert“, sagt Bente. „Da die richtig harten Zinserhöhungsschritte der Notenbank ein Phänomen der letzten Monate sind, ist es nicht verwunderlich, dass das noch nicht zu einer realwirtschaftlichen rezessiven Wirkung in breiten Konjunkturdaten wie zum Beispiel Arbeitsmarktdaten geführt hat.“
Die Vergangenheit zeigt auch hier wieder, dass ein nachhaltiges Brechen der Inflation in Hochinflationsphasen immer auch zu einer Rezession geführt hat. „Und wir befinden uns auf strukturellen Inflationsniveaus, die nur vergleichbar sind mit den Hochinflationsniveaus zum Beispiel in den 1970er/80er-Jahren“, so Bente. „Insofern wäre es nur theoretisch möglich, aber doch sehr unwahrscheinlich, dass es diesmal ohne Rezession gelingt.“ Auch sehr hohe Panik-Niveaus, die es für gewöhnlich in Rezessionen an den Aktienmärkten gab, blieben bislang aus.
Diese Gründe zusammen führen dazu, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Bärenmarkt-Rallye deutlich höher ist als die für eine nachhaltige Trendwende. Bärenmarkt-Rallyes können dabei zeitlich und preislich ausgedehnter sein, als oft vermutet wird. „Im April/Mai 2008 schaffte die Bärenmarkt-Rallye zweistellige Ergebnisse“, so Bente. „Und Ende 2008 stiegen die Kurse um 24 Prozent.“ Als viele schon dachten, das sei das Ende des Bärenmarktes, wurden die Kurse dann wieder auf neue Tiefs im ersten Quartal 2009 abverkauft.
„Dabei ist derzeit eine Jahresend-Rallye durchaus möglich“, so Bente. „Sie wird aber nicht das Ende des Bärenmarktes bringen.“ Sie hätte mit 2008 eine zeitlich wunderbare Analogie, auch wenn damals die Ausgangssituation eine andere war. Damals steckte die Welt in einer systemischen Finanzkrise, heute zumindest bis dato nicht. „Das steht sicherlich auf der Habenseite der Bullen“, so Bente. „Auf der Sollseite steht, dass damals die Notenbank bereits den Kurs lockerte.“ Selbst das reichte nicht, um den Bärenmarkt zu drehen. „Insofern kann die Bärenmarkt-Rallye sicherlich noch weitergehen, aber insbesondere dann, wenn es zu einer Rezession kommt, und davon ist aus genannten Gründen auszugehen, wäre es doch verwunderlich, wenn wir die finalen Tiefs schon gesehen hätten“, so Bente.
Über die Vates Invest GmbH
Die Vates Invest GmbH, gegründet 2011, ist eine inhabergeführte Asset-Management-Boutique. Die Erfahrung zweier tiefer Aktienbärenmärkte (2001 und 2008) war prägend für die Philosophie von Vates. Das Spezialgebiet sind börsentägliche quantitative Analysen des monetären, konjunkturellen und sentimenttechnischen Umfelds. Seit 2014 verkörpert der Vates Parade Fonds die Portfoliomanagementstrategie von Vates Invest. Kernziel ist es, langfristig positive Rendite zu erzielen und zugleich die Anleger vor großen Verlusten in Bärenmärkten zu schützen.
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