Als erfahrener Extremläufer ist es blau direkt-Geschäftsführer Oliver Pradetto sportlich gewohnt zu fighten, an persönliche Grenzen und im Zweifel auch weit darüber hinaus zu gehen.
Was der Pool-Chef bei allem Einsatz immer beherzigt, er bleibt niemals mittendrin im Geschehen stehen, sondern treibt sich und damit blau direkt zu immer neuen Rekordhöhen (Umsatzzuwächse seit zehn Jahren von 31 % p. a.) eindrucksvoll an, was sich auch an der kräftigen Steigerung bei den Provisionserlösen seines Maklerpools in den vergangenen Jahren ablesen lässt: ++ 60,3 Mio. €/+25,9 % gegenüber Vorjahr (2019) ++ 83 Mio. €/+37,7 % (2020) und 124,6 Mio. €/+50,1% (2021). In diesem Jahr peilt der Pool gar die neue Bestmarke von ca. 160 Mio. € an. Umso überraschender vernahm der Markt die Ankündigung, dass Pradetto nach 22 Jahren seinen baldigen Rückzug aus dem operativen Tagesgeschäft plant. Ohne gleichzeitig seine Befürchtungen, die er mit der Fonds Finanz-Mehrheitsübernahme durch Hg Capital im Dezember 2021 verknüpfte (vgl. ‘k-mi’ 50/21), vor einem drohenden europäischen Superpool zu verbergen. Doch dieses Schreckensszenario ist haarscharf abgewendet worden, auch weil blau direkt sich hier aus dem Spiel nahm, um dann selbst kräftig zuzuschlagen. Doch der Reihe nach:
Fonds Finanz, umsatzmäßig die Nr. 1 im Poolmarkt (190 Mio. € Provisionserlöse in 2020), spürt im Versicherungssegment verstärkt den Atem von blau direkt, die wiederum zahlenmäßig zwar noch einen nennenswerten Umsatzabstand zu den Münchnern aufweisen, prozentual aber seit Jahren auf der Überholspur fahren. Sieht Hg Capital deshalb blau direkt nicht als erstes Beuteziel? Von ‘k-mi’ befragt, will sich blau direkt aus verständlichen Gründen dazu nicht äußern, aus bestens vernetzten Kreisen der Versicherungswirtschaft wissen wir vertraulich jedoch, beide Seiten führten zuletzt ergebnisoffene Übernahmegespräche, die den Atem bei so manchem Versicherungsvorstand hinter vorgehaltener Hand stocken ließ! Denn wäre es tatsächlich zur Elefantenhochzeit gekommen, die Konzentration auf der Vertriebsabnahmeseite hätte einerseits für eine Einkaufsmacht gesorgt. Andererseits hätte sich die heutige Vielfalt der freien Pool-Wege für die Maklerschaft extrem verengt, was dauerhaft zu einer gefährlichen Abhängigkeit gegenüber einem erdrückend starken Pool-Jumbo hätte führen können. Mit dem angekündigten Einstieg des amerikanischen Private-Equity-Riesen Warburg Pincus bei blau direkt werden die Karten nun jedoch ganz neu gemischt.
Unklar ist nach dem ersten offiziellen Statement seitens blau direkt geblieben, wie sich künftig die Gesellschafteranteile bei blau direkt verteilen sollen. Pradetto teilt ‘k-mi’ hierzu mit: “Das steht tatsächlich nicht fest. Die aktuell bekannt gewordene Anmeldung beim Kartellamt ist handelsrechtlich für einen der nächsten geplanten Transaktionsschritte vorgeschrieben, beschreibt aber nicht das von den Partnern angestrebte Ziel, sondern den zweiten einer Reihe von Transaktionsschritten. Bis zum Abschluss des zweiten Transaktionsschritts sind weiterhin 100 % des Unternehmens bei den aktuellen Eigentümern (Oliver Pradetto 80 %, Lars Drückhammer 20 %). Geplant ist der Umbau von blau direkt in ein europaweit agierendes Unternehmen. Dazu wird die bisherige Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt und dann zu 100 % in eine deutsche Holding, ihrerseits in eine international tätige Holding eingebracht. Ziel ist es, für das Unternehmen, einen handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Rahmen zu schaffen, der einerseits Zugang zu den Kapitalmärkten bietet und andererseits international wettbewerbsfähig europaweit operativ arbeiten kann.“
Bei Warburg Pincus, LLC, New York handelt es sich um einen Unternehmensentwickler, der in rund 1.000 Unternehmen in mehr als 40 Ländern mit ca. 97 Mrd. USD (Stand Oktober 2021) investiert ist. In Deutschland sorgte im Jahr 2016 eine 33,33 % Beteiligung an 1&1 Internet bereits für Beachtung. 2020 folgte eine Beteiligung an Infoniqa Holding GmbH und 2020 an McMakler. Geschäftsführer der Warburg Pincus Deutschland GmbH und Co-Head von Warburg Pincus LLC für Europa ist René Obermann, Ex-CEO der Deutschen Telekom. Der blau direkt-Chef benennt uns die Hintergründe für die Wahl dieses Partners: “Das Unternehmen stellt uns für den Umbau sein Know-how, Zugang zu Kapitalmärkten und sein umfassendes Netzwerk zur Verfügung. Während blau direkt weiterhin das operative Geschäft leiten wird – die Geschäftsführung bleibt ausschließlich seitens blau direkt besetzt, der Beiratsvorsitz wird von blau direkt gestellt – wird Warburg Pincus den strukturellen / formalrechtlichen Umbau planen und moderieren. Die bisherigen Eigentümer von blau direkt werden sich an der Holding beteiligen. Beide Eigentümer bleiben unverändert mit vollem Vermögen investiert. Hierfür sind vorübergehend 35 % geplant. Die übrigen 65 % wird zunächst Warburg Pincus übernehmen. Es ist jedoch geplant, im Rahmen eines Company Engineering das Unternehmen durch weitere in die Holding kommende Partner zu verstärken. An diese wird Warburg Pincus bei entsprechendem Verhandlungserfolg Prozente abgeben. Wer am Ende der Transaktionskette wie viel Prozent hält, hängt wesentlich von den Verhandlungsergebnissen ab. Wir werden jeweils transparent informieren, wenn Transaktionsschritte wirksam vollzogen wurden. Fest steht: Am Ende der Umgestaltungsphase nach ca. 5 bis 7 Jahren wird Warburg Pincus voraussichtlich keine Beteiligung mehr am Unternehmen halten. Dass Warburg Pincus als Investor von Transaktionsgewinnen profitiert, bleibt unbenommen.“
Beide Seiten streben somit keinen Unternehmensverkauf im herkömmlichen Sinne an, bei dem Anteile gegen Geld getauscht werden. Die beiden Pool-Gesellschafter Pradetto und Drückhammer geben stattdessen 100 % von blau direkt gegen 35 % Anteile an einer deutlich größeren neuen blau direkt ab – so der Plan. Bei der Kürung von blau direkt von ‘k-mi’- sowie ‘versicherungstip’-Lesern zum amtierenden ‘Maklerpoolsieger des Jahres 2021’ mit der Note 2,1 (vgl. ‘k-mi’ 51/21) zeigte sich abseits der reinen Umsatzzahlen ein deutlicher Vorsprung gegenüber Fonds Finanz auf Rang 12 mit der Note 3,1 (vgl. ‘k-mi’ SP 50/21). U. a. blieb die Zufriedenheit auf Seiten der fachkundigen Juroren mit dem bereitgestellten technologischen Angebot des Umsatzmarktführers erheblich hinter der Leistungsbeurteilung gegenüber den Lübeckern zurück, wo blau direkt derzeit die Messlatte für den Markt anlegt. Allerdings, was bleibt von der heutigen Stärke und der vielfach gelobten blau direkt-Community als Konzernvehikel eines Private Equity-Konzerns erhalten?
Pradetto tritt möglichen Befürchtungen entgegen: “Da das operative Geschäft im aktuellen Wirkungskreis verbleibt, erwarten wir keine wesentlichen Änderungen in der Philosophie oder dem operativen Vorgehen des Unternehmens. Wir erwarten durch die Möglichkeit weiterer Kooperationen Verbesserungen der Dienstleistung und eine größere Wettbewerbsfähigkeit. Wenn wir das heutige Wirkungsfeld des unabhängigen Maklers in Deutschland erhalten wollen, benötigt der Maklermarkt einen Player, der in seiner branchenspezifischen Investitionsfähigkeit Digitalriesen wie PingAn oder Amazon etwas entgegensetzen kann. Wir sind überzeugt, dass uns der Ausbau unseres Unternehmens diesem Ziel näher bringt.“ Den heutigen eigenen Stärken scheint man sich bewusst zu sein, die deshalb auch bewahrt werden sollen, wie der blau direkt-Chef erklärt: “Die Veränderung der Eigentümerstruktur ist eine Folge des Unternehmensausbaus, insbesondere der Bündelung unserer Kräfte mit anderen Marktteilnehmern. Der aktuelle Eigentümerkreis bleibt jedoch in vollem Umfang investiert, insofern wird die bisherige Philosophie und Vision des Unternehmens fortgetragen.“
Zukünftige Wachstumsfelder liegen für blau direkt auch in einer fortschreitenden Internationalisierung der Geschäftsmärkte. Bislang ist das Unternehmen in Deutschland und Österreich, seit dem Vorjahr auch in Estland tätig. Ein Engagement in Serbien und Rumänien wird aktuell geprüft. Die Norddeutschen setzen auch weiter auf ihre Hauptwachstumstreiber wie ++ Technologieführerschaft durch Kooperation und Zusammenführungen mit weiteren Unternehmen ++ Entwicklung von einem Maklerpool zu einem Infrastrukturdienstleister ++ effiziente Prozesse und Outsourcing-Dienstleistungen an Vertriebe, mittelständische Makler, Banken, Belegschaftsmakler und auch an andere Maklerpools. Sieht Pradetto nun mit dem Einstieg von Warburg Pincus auch sein Lebenswerk als vollendet und damit abgeschlossen an?
“Nein. Mein persönlicher Rückzug aus dem Tagesgeschäft bedeutet mehr Freiraum für die verantwortlichen operativen Mitarbeiter, die die letzten Jahre den Kurs unseres Unternehmens ohnehin schon geprägt haben. Er gibt mir die Möglichkeit, mein Netzwerk und Erfahrung stärker als bisher zu nutzen und das Unternehmen strategisch stärker zu begleiten. Ich durfte mithelfen, aus blau direkt einen starken nationalen Player, einen Technologiemarktführer und das wachstumsstärkste Unternehmen der Finanzbranche zu machen. Mein Ziel aber ist es, das Unternehmen ‘too big to fail’ zu machen. Gelingt es uns, das Unternehmen in den Milliarden-Umsatzbereich zu führen, werden die Arbeitsplätze und Karrieren meiner Mitarbeiter sicher sein, unsere Partner gewinnen ein enormes Maß an wirtschaftlicher Sicherheit und Unabhängigkeit hinzu und unsere Versicherungspartner können sicher sein, einen offenen Markt für ihre Produkte vorzufinden. Das wiederum garantiert dem Verbraucher höchste Dienstleistungsqualität in der Versicherungsvermittlung. Damit wäre mein Lebenswerk für mich vollendet. Da liegt aber noch ein gutes Stück Arbeit vor uns allen”, prophezeit der Pool-Chef.
‘k-mi’-Fazit: blau direkt ist mit dem neuen starken Partner Warburg Pincus ein echter Coup gelungen, der die Marktkonsolidierung nun weiter antreiben wird. Mit einem Gesellschaftsanteil von 35 % an der neuen blau direkt halten die Alteigentümer die Zügel mit gewissen Vetorechten dabei weiter in der Hand. Mit dem Zufluss frischen Geldes wird die Gesellschaft ihren Weg als Infrastrukturdienstleister für den freien Vertrieb weitergehen können. Dies ist die positive Botschaft für alle Vermittler, denn der Markt benötigt auf seinem fortschreitenden Digitalisierungspfad Wettbewerb und keine Monopolstellungen.
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