Marktkommentar von Nico Baumbach, SIGNAL IDUNA Asset Management GmbH
Das Jahr 2022 hat bislang reichlich Impulse bereitgehalten, sich mit Edelmetallen, allen voran den klassischen Krisenmetallen Gold und Silber, einzudecken – leider. Der Überfall Russlands auf die Ukraine ist sicherlich am präsentesten. Doch dieser Krieg verstärkt auch andere Effekte: Die reduzierten Getreide- und Energieexporte treiben die Preise an den Märkten und werden mittelbar zu Knappheit in den ärmsten Ländern dieser Welt führen, zuvorderst in Afrika. Die zusätzlich aufkommende Not wird bestehende Migrationsbewegungen verstärken. Die Versuche westlicher Regierungen, ihrer Wahlbevölkerung durch Steuersenkungen und Subventionen eine Absenkung des Lebensstandards zu ersparen, die mit der flächigen Inflation einhergeht, werden scheitern. Sie steigern aber die Staatsverschuldung und bieten der grassierenden Inflation keinen Einhalt.
Die Zinswende signalisiert Opportunitätskosten
Dass Gold in den ersten Monaten dieses Jahres dennoch keine neuen Rekordhochs erklommen hat und aktuell nur leicht höher als zu Jahresbeginn steht, hängt an der begonnenen Zinswende in den USA. Denn während Gold für viele Privatanleger – ob nun in Europa, Asien oder den USA – ein nahezu konkurrenzloses Krisenmetall bleibt, ist es für viele Großanleger lediglich eine Möglichkeit unter vielen; wenngleich Gold als diversifizierender Portfoliobaustein auch unabhängig von aktuellen Krisen seinen Wert hat.
In den zurückliegenden zinsfreien oder gar durch negative Zinsen gekennzeichneten Jahren war Gold für diese Großanleger gleichwohl ein Hafen, der hinsichtlich seiner fehlenden regelmäßigen Erträge nicht schlechter, teilweise sogar besser dastand als die Rentenmärkte für Euro- und US-Dollar-Titel. Das hat sich radikal geändert: Wo noch vor einigen Monaten ein Billionen-Volumen verzinslicher Wertpapiere im negativen Bereich notierte, bekommen Anleger für 10-jährige US-Treasuries wieder über 2,5 Prozent und für Bundesanleihen nahezu 1 Prozent. Auch im 2-jährigen Bereich liegen die Zinsen wieder im Plus.
An Krisen kann man sich gewöhnen
Plötzlich muss das Halten von Gold wieder mit dem Verzicht auf Zinsen bezahlt werden. In der Abwägung mit den eingangs beschriebenen Risiken scheinen einige Anleger dazu nicht mehr bereit. Dies gilt umso mehr, als man sich auch an Angst gewöhnen kann. Insofern verbreitet ein drei Monate währender Krieg nicht mehr dieselbe Unruhe wie ein drei Tage alter Krieg. Das ist für die menschliche Psyche normal und für die eigene Funktionsfähigkeit eine positive Eigenschaft. Aber es reduziert die akute Nachfrage nach Rettungsankern wie Gold.
Erschwerend kommt hinzu, dass der US-Dollar in den vergangenen Wochen massiv gewonnen hat. Denn während die FED die Zinswende nicht nur angekündigt, sondern in Form von Leitzinsanhebungen auch geliefert hat, beschränken sich EZB-Vertreter noch auf die rein verbale Schiene. Im Ergebnis ist der US-Dollar die attraktivere Anlagewährung. Für einen in Euro rechnenden Anleger sollte allerdings weniger der offizielle, in US-Dollar angegebene Preis der Feinunze relevant sein, sondern der in Euro umgerechnete. Dieser notiert seit Jahresbeginn deutlich im Plus – weil eben der Anstieg des US-Dollars das Gold zusätzlich verteuert hat.
Die Erwartung auf sinkende Inflationsraten baut auf Hoffnung
Anleger sollten so oder so Gold – und in seinem Schlepptau das Silber – nicht zu früh abschreiben. Ein Blick zurück, beispielsweise in die 70er Jahre, zeigt, dass in Phasen steigender Preise bei zugleich schrumpfender Wirtschaft die beiden Metalle – neben fossilen Energieträgern – zu den Gewinnern gezählt haben. Und eben eine solche Phase sagen viele Ökonomen für die nahe Zukunft voraus. Dass die USA einen Exportstopp für das heimische Erdöl zu diskutieren beginnen, passt – leider – genau in dieses Bild, das sich privat niemand wünschen wird, das aber eben dafür spricht, sich weiterhin breit aufzustellen. Denn dass die neuen Renditeniveaus dies- und jenseits des Atlantiks ausreichen sollen, um Anlegern eine positiven Realverzinsung zu sichern, knüpft an die Erwartung an, dass die Inflationsraten binnen Jahresfrist auf Niveaus von unter 3 Prozent zurückfallen. Diese Erwartung aber enthält reichlich Hoffnung – insbesondere nämlich auf ein wie auch immer geartetes, absehbares Ende des Ukraine-Krieges. Bleibt dieses Ende aus, wird die Inflation hoch bleiben.
Dafür spricht auch, dass die globalen Lieferketten noch immer haken und zudem aus westlicher Sicht neu sortiert werden sollen: nicht nur mit Blick auf Russland, sondern auch mit Blick auf China. Das aber dürfte angesichts des Netzes, das mit der weltgrößten Exportnation deutlich engmaschiger geknüpft ist als mit Russland, sowohl für die USA als auch für Europa mit noch flächigeren Preissteigerungen einhergehen.
Minen geben Preiserhöhungen weiter
Die Minenbetreiber auf diesem Globus werden von diesen Neuorientierungen vergleichsweise unbehelligt bleiben. Zwar hat die Londoner Edelmetallbörse LME begonnen, russisches Palladium zu besteuern. Doch sind andere bekannte Lagerstätten nicht in der Lage, den Bedarf zu decken. Ergo treibt das lediglich die Preise. Und wenn die Inflation neben den Energie- auch die Personalkosten treiben sollte, haben Minenbetreiber es vergleichsweise leicht, auch das in Form von Preiserhöhungen weiterzugeben.
Minenaktien bleiben also ein Kauf – auch und weil es nicht nur im weiteren Jahresverlauf sinnvoll sein wird, Edelmetalle und dabei zuvorderst Gold im eigenen Portfolio zu halten. Zwar würde ich mich persönlich über eine Welt freuen, in der es keinen Bedarf mehr für diesen materiellen Rettungsanker gibt. Aber auf diesen Tag werden wir mit Blick auf die Irrationalität aggressiver Autokraten noch sehr, sehr lange warten müssen.
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