Bain-Befragung zur Kundenloyalität im Retail-Banking
Mehr als 90 Prozent aller Routineinteraktionen laufen bei Filial- und Direktbanken mittlerweile über Online- und Mobile-Banking
Lediglich der Hälfte der Kundschaft gelingt aber gleich beim ersten Versuch der digitale Kauf eines Finanzprodukts
Bei der Hausbank wird im Schnitt nur noch jedes zweite Finanzprodukt gehalten
Kreditinstitute müssen digitale Abschlussprozesse vereinfachen, maßgeschneiderte Angebote unterbreiten und neue Geschäftsfelder angehen
Über 90 Prozent aller Routineinteraktionen – von der Kontoabfrage bis zur Überweisung – erfolgen bei Deutschlands Retail-Banken mittlerweile über digitale Kanäle. Noch aber müssen die Kreditinstitute im Vertrieb nachlegen, um mittels Digitalisierung die Erträge zu steigern. So ist der Anteil der Kundinnen und Kunden, die bei ihrer Hausbank gleich im ersten Anlauf digital ein zusätzliches Produkt wie ein Wertpapier oder eine Kreditkarte erwerben, noch deutlich ausbaufähig. Vielen gelingt dies erst nach mehreren Versuchen oder mit Hilfestellung von Kontaktcentern und Filialen – oder aber gar nicht. In der Folge sinkt die Loyalität spürbar, die Wechselbereitschaft steigt. Das sind Ergebnisse einer Befragung, die die internationale Unternehmensberatung Bain & Company bei rund 7.100 Kundinnen und Kunden größerer Banken in Deutschland durchgeführt hat.
Einfachheit und Schnelligkeit gefragt
“Nur mit einer durchgängig überzeugenden Leistung auch im digitalen Vertrieb können Banken die Kundenloyalität steigern und sich im Wettbewerb behaupten”, stellt Dr. Nikola Glusac, Bain-Partner und Leiter der Praxisgruppe Banken in der DACH-Region, fest. “Sind die Kundinnen und Kunden zufrieden, kaufen sie mehr Produkte, bleiben ihrem Institut länger treu und empfehlen es häufiger weiter.” Und je überzeugender Kreditinstitute in digitalen Kanälen agierten, desto höher sei ihre mit dem Net Promoter ScoreSM (NPS®) messbare Kundenloyalität. Derzeit profitieren insbesondere die Direktbanken von diesem NPS-Mechanismus. Zwar haben auch sie gelegentlich mit Defiziten beim Abschluss zu kämpfen, doch liegen ihre Loyalitätswerte seit Jahren über denen anderer Institutsgruppen.
Während der digitale Vertrieb bei Direktbanken von Beginn an Bestandteil des Geschäftsmodells gewesen ist, sind die Herausforderungen für die etablierten Institute diesbezüglich noch immer groß. “Kundinnen und Kunden achten bei der Nutzung digitaler Kanäle vor allem auf Einfachheit und Schnelligkeit”, erklärt Bain-Partnerin und Branchenexpertin Stefanie Jacobsen.
Stiller Abwanderung proaktiv entgegenwirken
Gefordert sind Kreditinstitute noch in anderer Hinsicht. Immer häufiger verteilen die Kundinnen und Kunden ihre Bankgeschäfte auf verschiedene Anbieter. Die Bain-Befragung bringt zutage, dass im Durchschnitt nur noch gut die Hälfte der Finanzprodukte bei der Hausbank gehalten wird. Dabei handelt es sich zumeist um niedrigmargige Produkte wie Girokonten. Dagegen wird bei Versicherungen und Kapitalanlagen das beste Angebot im Markt gewählt.
Entsprechend ist es an der Zeit, die Kundschaft proaktiv anzusprechen und ihnen maßgeschneiderte Angebote zu unterbreiten. Noch machen Hausbanken dies viel zu selten. So entschied sich gut ein Viertel der Befragten in jüngster Vergangenheit für den Wettbewerb, nachdem ihnen gezielte Offerten unterbreitet worden waren. Hätte die Hausbank ein konkurrenzfähiges Angebot vorgelegt, wären ihr drei Viertel dieser Kundinnen und Kunden treu geblieben. “Hausbanken sollten die Initiative ergreifen und der stillen Abwanderung mit einer punktgenauen Ansprache entgegenwirken”, so Jacobsen. Zugleich gelte es, sich die Umtriebigkeit der Kundschaft stärker zunutze zu machen. “Jedes Institut hat die Chance, sich in bestimmten Geschäftsfeldern mit besonders attraktiven Produkten vom Wettbewerb abzusetzen und so zusätzliche Kundinnen und Kunden zu gewinnen”, ist die Bain-Partnerin überzeugt.
Durch frühzeitiges Handeln Marktanteile erobern
Wer schnell und gezielt handelt, ist zudem besser in der Lage, Angriffe neuer Wettbewerber zu parieren. Aktuell expandieren Branchenneulinge beispielsweise im Buy-Now-Pay-Later-(BNPL-)Geschäft. Rund die Hälfte der Befragten nutzt mindestens eines der entsprechenden Angebote. Begründet wird dies vor allem mit der einfachen Nutzbarkeit, aber auch mit der Übersicht über alle Onlinekäufe. Hausbanken sind in diesem Geschäft keinesfalls chancenlos. Je nach Altersgruppe würden bis zu 70 Prozent der Befragten bei einer entsprechenden Offerte dort ihre BNPL-Geschäfte abwickeln. Handlungsbedarf sieht Bain-Partner Glusac zudem beim Thema Embedded Finance – und damit der Tendenz im Handel und in der Industrie, Bankdienstleistungen wie BNPL in ihr Angebot zu integrieren. “Je früher Kreditinstitute hier aktiv werden, desto größer sind ihre Chancen in diesem wachstumsstarken Geschäftsfeld”, so der Bankexperte.
Doch ganz gleich, ob es um neue oder um bestehende Produkte geht: Voraussetzung für nachhaltigen Erfolg ist ein funktionierender digitaler Vertrieb. “Die Banken sollten jetzt alles daransetzen, die dort bestehenden Potenziale zu nutzen”, betont Glusac. “Noch hat kein Wettbewerber einen uneinholbaren Vorsprung, noch ist der Markt nicht verteilt.”
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