Metropolen erzielen im ersten Quartal mit 861.000 m² Flächenumsatz deutliches Plus
Der deutsche Bürovermietungsmarkt ist trotz der Pandemie selbstbewusst ins Jahr gestartet, doch die eigentlichen Herausforderungen scheinen noch vor ihm zu liegen. Materialengpässe und Lieferschwierigkeiten, historischer Inflationsschub, Ukraine-Krieg – die Hürden für die deutsche Wirtschaft und die Unternehmen sind in den ersten drei Monaten 2022 nicht geringer geworden. Als weitere Belastung auf Unternehmensseite kommt zudem die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns hinzu.
Vor diesem Hintergrund leidet die Stimmung in der deutschen Wirtschaft. Der ifo-Geschäftsklimaindex sank im März auf 90,8 Punkte, nach 98,5 Punkten im Februar. Der Hauptgrund für diesen Absturz liegt an den eingetrübten Erwartungen, der selbst den Rückgang bei Ausbruch der Coronakrise im März 2020 noch übertraf. Die Verunsicherung über den weiteren konjunkturellen Verlauf ist hoch und gilt gleichermaßen für Unternehmen der Industrie und des Dienstleistungssektors. Nach den jüngsten Prognosen von Consensus Economics wird die deutsche Wirtschaft 2022 im Mittel nur noch um 2,4 Prozent wachsen, drei Monate zuvor lag die Prognose noch bei vier Prozent. Einige Institute rechnen sogar mit nur noch 1,5 Prozent Wachstum. Vor allem der private Konsum dürfte angesichts historisch hoher Inflationsraten – diese erreichte Ende März mit 7,3 Prozent den höchsten Stand seit rund 40 Jahren – als Konjunkturlokomotive ausfallen. Noch hat die deutsche Wirtschaft nicht die berüchtigte Lohn-Preis-Spirale erfasst, die Tariflöhne sollten auf Jahressicht mit knapp drei Prozent deutlich unter der allgemeinen Preissteigerung bleiben.
Das mag auch ein Grund dafür sein, warum die Krise am Arbeitsmarkt noch nicht angekommen ist. Dieser erweist sich als nach wie vor robust und es wird kein Einknicken der Beschäftigung erwartet. Für den Jahresdurchschnitt 2022 rechnet das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) mit einem Rückgang der Arbeitslosigkeit um 350.000 Personen, die Erwerbstätigkeit sollte im Jahresdurchschnitt 2022 um 510.000 Personen über dem Vorjahr liegen. Hier spielt auch die Coronapandemie eine Rolle, denn mit einer zu erwartenden Abnahme der Infektionszahlen im Laufe des zweiten Quartals werden vor allem die kontaktintensiven Dienstleistungsbranchen deutlich aufholen.
Als vermutlich größter Unsicherheitsfaktor erweist sich aktuell die Diskussion über einen Stopp der Energieimporte aus Russland. Dieses würde nicht nur die Preise für Strom und Gas weiter anfeuern, sondern auch die energieintensive deutsche Industrie empfindlich treffen. In deren Folge dürften sich besonders betroffene Unternehmen und Wirtschaftszweige nicht nur bei Neueinstellungen zurückhalten, bei einem Zurückfahren der Produktion wäre auch mit einem verstärkten Einsatz von Kurzarbeit zu rechnen. Das ist aus JLL-Sicht das Negativszenario. Sämtliche Prognosen sind aufgrund der volatilen Situation derzeit mit ungewöhnlich großen Unsicherheiten behaftet und bedingen eine ständige und flexible Justierung der unternehmerischen Geschäftsprozesse und -aktivitäten.
Was sind die Konsequenzen für den deutschen Büromarkt? Noch sind keine direkten Auswirkungen zu sehen und solange der Arbeitsmarkt und vor allem der Dienstleistungssektor auf Kurs bleiben, erwartet JLL auch für die Vermietungsmärkte in den Hochburgen keinen Nachfrageknick. Nicht in Vergessenheit, aber doch deutlich in den Hintergrund getreten ist die Homeoffice-Diskussion. Seit dem 20. März ist die gesetzlich verankerte Homeoffice-Pflicht aufgehoben, damit dürften die Belegungsquoten in den Büros der Unternehmen im Schnitt wieder ansteigen. Doch jedes Unternehmen wird seine eigene Regelung finden. Es wird vielfach bei hybriden Arbeitsmodellen bleiben und dabei wird sich nicht ein Modell als das Nonplusultra herausstellen. Dr. Konstantin Kortmann, Head of Leasing und ab Mai Deutschlandchef JLL, sagt: „Die Rückkehr in die Büros prägt die Debatte in vielen Unternehmen. Wir bleiben deshalb bei unserer Einschätzung, dass sich in Summe Flächenreduzierungen und Erweiterungen in etwa die Waage halten werden. Abseits der rein quantitativen Aspekte ist aber unbestritten, dass der Bedarf nach einer sehr hohen Flächenqualität weiter steigt.“ Dies erhöhe den Druck auf den in diesem Segment immer noch engen Markt und werde zu weiter steigenden Mieten führen.
Bürovermietung hat den Schwung von Ende 2021 mit ins neue Jahr genommen
Über alle sieben Hochburgen hinweg summierte sich das Vermietungsvolumen der ersten drei Monate 2022 auf knapp 861.000 m². Das sind immerhin 16 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres. Der Schwung aus dem Jahresende 2021 konnte also mitgenommen werden und war Zeichen einer sich aufhellenden konjunkturellen Lage und einer positiven Erwartungshaltung. Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany, setzt Prognosen in Relation: „Um die Auswirkungen des Krieges und der damit im Zusammenhang stehenden konjunkturellen Entwicklung und der Arbeitsmarkteffekte beurteilen zu können, ist es noch zu früh. Aus aktueller Sicht rechnen wir mit einem Gesamtjahresergebnis in etwa auf dem Niveau des Vorjahres in Höhe von 3,27 Millionen m².“ Diese Prognose gibt Anlass zur Hoffnung, dass Umzugs-, oder Flächenerweiterungspläne trotz aller Widrigkeiten realisiert werden. Auch die Umsetzung hybrider Arbeitsmodelle führt – zumindest kurz- und mittelfristig – zu einer erhöhten Nachfrage, wenn zum Beispiel über kleinere top ausgestattete „Büro-Hubs“ in den Innenstädten in Kombination mit größeren Flächen am Stadtrand nachgedacht wird.
Der Blick auf die Hochburgen zeigt eine wieder etwas uneinheitliche Tendenz. Während Stuttgart (plus 173 Prozent), München (plus 90 Prozent), Düsseldorf (plus 36 Prozent) und Frankfurt (plus 35 Prozent) ihr jeweiliges Vorjahr übertroffen haben, fiel das Ergebnis in Hamburg (minus zehn Prozent), Berlin (minus 17 Prozent) und Köln (minus 28 Prozent) negativ aus. In Bezug auf die absoluten Volumina hat nun aber München mit rund 196.000 m² Berlin (180.000 m²) vom Spitzenplatz verdrängt. „In manchen Metropolen fühlte sich der Januar wie ein Dezember an, weil Nachfrage und Umsatz für einen Jahresbeginn untypisch hoch waren – und zwar auf Nutzer- wie Eigentümerseite“, sagt Stephan Leimbach, Head of Office Leasing JLL Germany. „Allerdings fehlen vielerorts noch die Großgesuche aus der Wirtschaft. Momentan sind es vor allem Behörden und öffentliche Unternehmen, die dieses Segment anführen. Hier besteht der stärkste Nachholbedarf bei der Büroqualität.“
Weiterhin dominiert bei vielen Unternehmen der Fachkräftemangel, was deren Expansion hemmt. Dieses nach wie vor akute Thema wird aufgrund des demografischen Effekts auch über die aktuellen Krisen hinaus Bestand haben. Gleichzeitig treibt der Wettbewerb um die besten Talente die Unternehmen an, in die Flächenqualität zu investieren und Bürokonzepte neu zu denken.
Leerstandsquote pendelt sich nach Anstieg zunehmend wieder ein
Die Leerstände sind in allen Hochburgen im Zwölfmonatsvergleich weiter angestiegen. Dennoch bleibt festzuhalten, dass die Dynamik des Anstiegs im ersten Quartal etwas nachgelassen hat. So erhöhte sich die über alle sieben Hochburgen gemittelte Leerstandsquote im Vergleich zum Jahresende 2021 nur noch leicht von 4,5 auf 4,7 Prozent. Insgesamt stehen suchenden Unternehmen damit kurzfristig rund 4,5 Millionen m² zur Verfügung.
Der Anteil der sogenannten A-Flächen, also der top ausgestatteten und flexiblen Flächen, die den heutigen Anforderungen der Nutzer entsprechen, liegt allerdings nur bei rund 50 Prozent. Der Leerstand trifft auf eine andere Struktur der Nachfrage. Die Vermietungsaktivitäten der Unternehmen entfallen zu über 70 Prozent auf Flächen dieser Kategorie. „Gegenüber der Boomphase bis Corona hat sich der Büromarkt stärker differenziert: Toplagen sind stark nachgefragt und dort werden die Mieten auch stabil bleiben oder erneut anziehen. Nebenlagen sehen aktuell deutlich weniger Nachfrage“, analysiert Stephan Leimbach.
Im Ergebnis erwartet JLL bis zum Jahresende einen weiteren leichten Anstieg der Leerstandsquote auf dann 5,1 Prozent über alle Märkte und Lagen. Die weitere Entwicklung wird aber auch wesentlich davon abhängen, inwieweit geplante Neubau- oder Sanierungsprojekte auch tatsächlich realisiert werden.
Neubauvolumen sinkt kurzfristig – Herausforderungen für Entwickler nehmen zu
Für Projektentwickler stellt sich die aktuelle Marktlage als sehr herausfordernd dar. Zum einen schlagen die hohen Kosten für Rohstoffe und Baumaterialien auf die Gesamtkalkulation durch, und zum anderen gefährden die gestörten Lieferketten und Materialengpässe den Zeitplan der Fertigstellung. Wie sich in diesem Spannungsfeld das weitere Neubauvolumen entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Zumindest im ersten Quartal hat das Fertigstellungsvolumen gegenüber dem Vorjahr um rund 23 Prozent nachgelassen. Insgesamt wurden in den Big 7 zusammen 457.000 m² fertiggestellt. Fast zwei Drittel entfielen dabei allein auf Berlin.
Helge Scheunemann erklärt: „Für den Rest des Jahres stehen noch weitere etwa 1,6 Millionen m² in der Pipeline, die sich nahezu komplett im Bau befinden. Für das Gesamtjahr 2022 beliefe sich das Fertigstellungsvolumen damit auf 2,1 Millionen m². Das ist etwas weniger, als noch Ende 2021 für 2022 prognostiziert wurde.“ Und auch für die Jahre 2023 und 2024 stehen mit insgesamt 5,15 Millionen m² fast 500.000 m² weniger in der Pipeline als noch vor drei Monaten. Dadurch wird deutlich, dass sich viele Projekte zeitlich nach hinten verschoben haben oder – sofern sie sich noch in einer frühen Planungsphase befanden – sogar wieder in der Schublade verschwunden sind. Und waren Vorvermietungen bis vor Kurzem eine positive Bedingung für einen Baustart, so gefährden nun unsichere Fertigstellungszeitpunkte den geplanten Einzug von Mietern beziehungsweise deren Mietvertragsstart. Von allen aktuell im Bau befindlichen Projekten (4,6 Millionen m²) weisen bereits mehr als zwei Millionen m² bzw. 45 Prozent eine Vorvermietung auf oder sind an Eigennutzer vergeben. Letztendlich bedarf es einer erhöhten Flexibilität bei allen Beteiligten inklusive der Nutzer und der finanzierenden Banken, um für eigentlich vertraglich zugesagte Zeitpunkte Lösungen für alle Parteien zu kreieren.
Flächenqualität und Inflation treiben die Spitzenmieten
Zwei aktuelle Trends dominieren die Analyse der Mietenwicklung in den Big 7. Zum einen setzt sich der starke Qualitätsfokus bei den Unternehmen weiter fort. „Ein gutes und nachhaltiges Büro kostet Geld und Unternehmen scheinen bereit zu sein, diese Investition zu tätigen, um ihren Mitarbeitern ein gutes Arbeitsumfeld zu bieten und als Arbeitgeber attraktiv zu sein“, beobachtet Stephan Leimbach. Europaweit sind die Ausbaukosten für Top-Büros bereits letztes Jahr im Schnitt um fast sieben Prozent auf über 1.600 Euro/m² gestiegen. Die Installation und der Einbau neuer, smarter Technologien, die Realisierung von Remote-Working-Konzepten und die erhöhten Anforderungen an ein „gesundes“ Büro sind die wesentlichen Kostentreiber. Der zweite Kostentreiber ist die Inflation. Eigentümer mit indexierten Mietverträgen können die allgemeine Preissteigerung an die Mieter weitergeben. Und schließlich führen auch weiter steigende Energiekosten zu stärkeren Belastungen der Büromieter.
Der JLL-Spitzenmietpreisindex zog im ersten Quartal kräftig an und erreichte 231,7 Punkte. Das entspricht einem Plus von 4,2 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert. Mit fast 16 Prozent außerordentlich stark stiegen die Mieten in Stuttgart auf nun 29,50 Euro/Monat. In allen anderen Hochburgen (außer in Düsseldorf, hier blieben die Werte stabil) stiegen die Spitzenmieten etwas moderater zwischen rund zwei und vier Prozent. „Bis Ende des Jahres werden die nominalen Spitzenmieten in den sieben wichtigsten Bürostandorten um weitere 2,5 Prozent steigen. Es bedarf aber immer wieder der Betonung, dass es sich hierbei um die qualitativ besten Flächen handelt. Für ältere und nicht nachhaltige Büros sehen wir dagegen im besten Fall lediglich eine Stabilisierung auf derzeitigem Niveau“, blickt Helge Scheunemann auf die kommenden Monate.
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