Marktkommentar von Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank DONNER & REUSCHEL

 

An den internationalen Kapitalmärkten überwog zuletzt die Entspannung. Gekauft wurden Aktien, während die Kurse der zuvor noch als sichere Häfen erworbenen Staatsanleihen nachgaben und folglich Renditen stiegen. Auch die Rohstoffnotierungen voran für Rohöl, Erdgas sowie Industrierohstoffe und Edelmetalle konnten ihre Höchststände nicht halten. Hintergrund dieser Entwicklung dürfte ein möglicherweise verfrühtes Aufatmen der Marktteilnehmer sein, nachdem weitere deutliche militärische Erfolge Russlands im Zuge des Ukraine-Konfliktes ausblieben und die Kriegsparteien in regelmäßige – bisher noch ergebnislose –  Verhandlungen eintraten Dabei gibt es eine Gemengelage an Risikofaktoren, die sowohl die globale Konjunktur als auch die Perspektiven vieler Unternehmen in den kommenden Monaten deutlich eintrüben könnten. So haben vergleichbare Energiepreisschocks in der Vergangenheit oft zu Rezessionen geführt. Zumal derzeit auch viele andere Rohstoffe und Vorleistungen knapp sind und für Produktionsdrosselungen, massiv steigende Kosten und damit Belastungen von Konsum- und Investitionsnachfrage, sorgen.

Die Situation wird dadurch verschärft, dass der Ukrainekonflikt auch global angespannte logistische Lieferketten zusätzlich belastet. Kaum im Blick scheinen Anleger die aktuelle Pandemie-Situation in China zu haben, wo seit Mitte Februar die Corona-Neufallzahlen für chinesische Verhältnisse rasant ansteigen und die Behörden zu großflächigen Lockdowns veranlassten. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ähnlich wie Anfang 2020 die Produktion in Fabriken unterbrochen wird oder Container-Terminals gesperrt werden. Nicht zuletzt steuern viele Notenbanken weltweit einen weniger expansiven geldpolitischen Kurs an. Angesichts vielfach stark erhöhter Inflationsdynamiken steigt die Gefahr, dass die Geldpolitik aufgrund des zunehmenden gesellschaftlichen und politischen Drucks zu stark gegensteuert und die Konjunktur sogar abwürgt. Vor allem in den USA ist die Wahrscheinlichkeit für dieses Szenario erheblich gestiegen – auch erkennbar an der nachgebenden Steilheit der Zinsstruktur, also der Differenz zwischen Renditen für zwei- und zehnjährige Staatsanleihen. Sollte kurzfristig sogar eine Inversion der Zinsstruktur, also eine negative Zinsdifferenz eintreten, würde die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den USA weiter ansteigen.

 

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