Kommentar von Patrick Moonen, Principal Strategist bei NN Investment Partners
- Russlands Einmarsch in die Ukraine erschwert die neue Investitionsrichtlinie
- Konflikt und neues Regelwerk sorgen für höhere Risikoprämien und mehr Volatilität
- NN IP erhöht das Rohstoff-Exposure und bleibt bei Anleihen zurückhaltend
Die Korrektur bei Risikopapieren setzte sich im Februar fort. Der Markt hatte ohnehin schon mit einer Verschiebung zu kämpfen: von einem günstigen, hohen Wirtschaftswachstum und einer sehr akkommodierenden Geldpolitik hin zu einem weniger gradlinigen Verlauf mit geringerem Wachstum und einer restriktiveren Geldpolitik. Die Geopolitik machte die Dinge noch komplizierter.
Der Übergang zu einer neuen Investitionsrichtlinie wurde zwar erwartet, aber nicht so schnell. In den USA und in der Eurozone ist die Verschiebung brutal ausgefallen. Dieses Jahr wird die US-Notenbank wahrscheinlich fünfmal die Zinsen anheben und mit dem Abbau ihrer Bilanz beginnen, während die EZB voraussichtlich die quantitative Lockerung (QE) beenden und zweimal die Zinsen erhöhen wird. Glücklicherweise wird die Finanzpolitik der Eurozone dank des Europäischen Konjunkturfonds akkommodierend sein. Anders sieht es in den USA aus, nachdem der Kongress das ehrgeizige Programm „build back better“ eingemottet hat.
Mehr Volatilität und weniger Direktionalität waren immer Teil dieses Wandels, und wir waren darauf vorbereitet. Leider hat sich die Gesamtsituation mit dem Einmarsch der russischen Truppen in der Ukraine verschlechtert. Der daraus resultierende sprunghafte Anstieg der Energiepreise erhöht das Stagflationsrisiko – insbesondere für Europa, das stark von russischen Gasimporten abhängig ist.
Aus historischer Sicht neigen die Märkte dazu, auf geopolitische Spannungen überzureagieren, und Korrekturen sind nur von kurzer Dauer. Außerdem ist die Stimmung der Anleger bereits schlecht. Dennoch könnten die Schlagzeilen zunächst schlimmer werden, bevor sie sich verbessern. Und die Märkte werden einen Katalysator brauchen um zu drehen. Die Aufgaben der Zentralbanken werden komplizierter werden. Sie könnten ihre Straffungspläne zurückschrauben oder sogar auf Eis legen. Höhere Risikoprämien werden die Folge sein.
Rohstoffe sind die einzige Anlageklasse, die sich gut behauptet hat. Damit haben sie ihren Stellenwert als Absicherung gegen Inflation und geopolitische Risiken, die die Versorgung bedrohen, bestätigt. Im Februar stuften wir das globale Rohstoffuniversum auf eine moderate Übergewichtung hoch. Bei den festverzinslichen Wertpapieren haben wir die Untergewichtung der Duration aus Gründen des Risikomanagements beendet. Der Zinserhöhungskurs der Zentralbanken ist ungewisser geworden, und der Konflikt könnte das Sicherheitsbedürfnis fördern. Die Untergewichtung von Investment-Grade- und High-Yield-Anleihen der Eurozone behalten wir jedoch bei. Aktien gegenüber sind wir neutral eingestellt und haben unser Exposure in der Eurozone reduziert.
Es ist jedoch nicht alles negativ. Wir sind mit guten Fundamentaldaten in diese turbulente Zeit gestartet. Immer mehr Regierungen heben pandemiebedingte Mobilitätsbeschränkungen auf und öffnen ihre Volkswirtschaften wieder. Dies zeigt sich an der Stärke der führenden Wirtschaftsindikatoren und den positiven wirtschaftlichen Überraschungen.
Auch die Finanzlage der Unternehmen und Haushalte ist gesund. Auf Unternehmensseite sorgen solide Bilanzen und gute Cashflows für Rückenwind bei Investitionen und Dividendenzahlungen an die Aktionäre. Bei den Verbrauchern bieten die hohen Ersparnisse Schutz vor potenziellem wirtschaftlichem Abschwung, auch wenn die hartnäckig hohe Inflation das Verbrauchervertrauen und die Kaufkraft beeinträchtigt.
US-Geschäfts- und Verbrauchervertrauensindizes
Die politischen Ereignisse in diesem Jahr werden viel Aufmerksamkeit erregen. Im April wählt Frankreich einen neuen Präsidenten, und im November finden in den USA Zwischenwahlen statt. Der Einmarsch Russlands in der Ukraine wird natürlich die Schlagzeilen beherrschen und kann zu enormer Volatilität führen, wobei es außer Rohstoffen und sicheren Anlagen kaum Ausweichmöglichkeiten gibt. Auch das Verhältnis zwischen den USA und China wird genau beobachtet werden müssen.
Aktien
Wir sind neutral gegenüber globalen Aktien. Unsere Indikatoren für die Fundamentaldaten und das Sentiment sind negativ, während unser Unterstützungs-/Widerstandsindikator positiv ist. Die Anlegerstimmung ist auf dem Tiefpunkt, was ein wichtiges Argument gegen eine Überreaktion und eine weitere Herabstufung von Aktien ist. Mittelfristig halten wir Aktien für eine der wenigen Anlageklassen, die in diesem Jahr eine positive Rendite bieten könnten.
Bei den Aktien konzentrieren wir uns weiterhin auf Sektoren, die von höheren Rohstoffpreisen profitieren. Deshalb haben wir Energie und Rohstoffe übergewichtet. Wir stockten Basiskonsumgüter und Gesundheitswesen auf und reduzierten unser Exposure in Finanz- und Industriewerten. Unsere Untergewichtung bei Kommunikationsdienstleistungen haben wir beibehalten. Auf regionaler Ebene stuften wir die Eurozone aufgrund ihrer höheren Anfälligkeit für die Entwicklungen in der Ukraine auf neutral herab. China bleibt moderat übergewichtet. Wir sehen dies als eine Möglichkeit, die politischen Divergenzen zwischen China und dem Rest der Welt zu nutzen.
Fixed-Income
Vor der jüngsten Eskalation in der Ukraine waren wir in deutschen Bundesanleihen untergewichtet, nachdem die EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf ihrer Pressekonferenz überraschend hawkish war. Auch in US-Treasuries waren wir untergewichtet. Die Laufzeitprämien für zehnjährige US-Staatsanleihen könnten um 100 Basispunkte auf null Basispunkte zurückgehen, da die Phase der ultralockeren Geldpolitik zu Ende geht. Die Renditen sind immer noch weitaus niedriger, als sie in diesem neuen Zustand der Welt sein sollten. Beide Positionen wurden unter dem Gesichtspunkt des Risikomanagements aufgelöst, da der Kurs der Zentralbanken angesichts des eskalierenden Konflikts ungewisser geworden ist. Das Sicherheitsdenken könnte auch die Renditen sicherer Staatsanleihen belasten.
Wir haben das Investment-Grade-Segment der Eurozone untergewichtet, da wir ein schnelles Ende des Programms zum Ankauf von Vermögenswerten (APP) erwarten. Die Neubewertung einer weniger unterstützenden EZB und die Aussicht auf deutlich höhere europäische Zinssätze dürften die europäischen Credit-Spreads weiter in die Höhe treiben. Wir sind auch bei europäischen High Yields stark untergewichtet.
Unsere anderen Positionen umfassen eine Untergewichtung in inflationsgebundenen US-Anleihen und eine Untergewichtung in lokalen EMD-Anleihen.
Immobilien
Wir haben den globalen Immobiliensektor auf Untergewichtung gesetzt. Anhaltende Inflation, hawkishe Zentralbanken und steigende Renditen belasten die Anlageklasse mit Hebelwirkung. Die Bewertungen von Immobilien sind im Vergleich zu den Renditen von Unternehmensanleihen nicht mehr attraktiv, obwohl die Indexierung der Mieten bei Inflation einen gewissen Schutz bietet und eine wirtschaftliche Erholung, die auf eine Normalisierung hinausläuft, die Gesamtnachfrage nach Immobilien fördern wird. Die für dieses Jahr erwartete Erholung der Erträge ist sehr gering und liegt im niedrigen einstelligen Bereich und ist für US-Immobilien sogar negativ. Das Dividendenwachstum dürfte sich von 2 % auf 8,6 % erhöhen.
Die Kreditanforderungen für Wohnimmobilien in der Eurozone wurden im ersten Quartal des Jahres gelockert, ebenso wie die Kreditanforderungen für Gewerbeimmobilien in den USA. Dennoch rechnen wir mit einer Verschärfung der Kreditrichtlinien, die zu einer Belastung für die Anlageklasse werden könnte. Unterdessen erholen sich die Daten zum Wohnungs- und Arbeitsmarkt in den USA, aber es gibt weiterhin Engpässe aufgrund des Arbeitskräfte- und Baumaterialmangels.
Die Corona-Krise hat den derzeitigen Strukturwandel im Immobilienbereich verstärkt. Der Trend zum E-Commerce verringert die Nachfrage nach Einzelhandelsimmobilien und stärkt den Logistiksektor. Gleichzeitig wird die zunehmende Telearbeit die Büronachfrage weiter beeinflussen. Diese Faktoren werden die Anlageklasse weiterhin belasten.
Die Positionierung in globalen und US-Immobilien ist stark untergewichtet. Die Positionierung in europäischen Immobilien ist dagegen übergewichtet.
Rohstoffe
Nach dem Einmarsch Russlands in die besetzten Gebiete in der ukrainischen Donbass-Region haben wir Rohstoffe übergewichtet. Die massive Invasion der Ukraine hat den Konflikt eskalieren lassen, und die Sanktionen gegen Russland könnten zu Versorgungsengpässen bei Rohstoffen führen – insbesondere bei Industriemetallen, Energie und Getreide. Die Rohstoffe dürften auch durch den Nachholbedarf gestützt werden – im Zuge der weiteren Öffnung der Volkswirtschaften und der zunehmenden Mobilität nach der Beendigung der Maßnahmen zur Viruseindämmung. Auch die allgemeinen politischen Anreize in China werden die Nachfrage stützen.
Die Edelmetalle schwanken zwischen der Nachfrage nach sicheren Häfen und Schmuck auf der einen Seite und den von der US-Notenbank Fed ausgelösten Erwartungen steigender Renditen und eines stärkeren US-Dollars auf der anderen Seite.
Wir haben Kupfer übergewichtet. Die Kupfervorräte befinden sich auf dem niedrigsten Stand seit 2005, und wir steuern auf den normalen saisonalen Abbau im zweiten Quartal zu. Angesichts der anziehenden Nachfrage in China, einer erwarteten weiteren Aufstockung der Lagerbestände in den Industrieländern und der nachlassenden Angebotsbeschränkungen könnten die Kupferlagerbestände kritisch sinken, was die Preise steigen lassen würde. Auch für Aluminium bleiben wir mittelfristig optimistisch.
Die Rohölpreise steigen angesichts der geopolitischen Spannungen, der stabilen Nachfrage und der nach wie vor niedrigen Lagerbestände weiterhin stark an. Inzwischen ist die Wahrscheinlichkeit eines neuen Atomabkommens mit dem Iran und einer Wiederaufnahme der Produktion in diesem Land gestiegen. In Kombination mit der Angebotssteigerung durch die OPEC+-Gruppe und andere Länder dürfte dies den Ölmarkt in den nächsten Monaten zu einem Überangebot führen, sofern nicht drastische Sanktionen gegen russische Ölexporte verhängt werden, die immer wahrscheinlicher werden.
Verantwortlich für den Inhalt:
NN Investment Partners B.V., German Branch, Westhafenplatz 1, 60327 Frankfurt am Main, Tel. + 49 69 50 95 49-15, www.nnip.com