Living und Logistik sind die Gewinner des Jahres 2021 auf dem Immobilienmarkt
Auf dem deutschen Immobilienmarkt wird sich das Transaktionsvolumen inklusive Living für das Gesamtjahr 2021 auf voraussichtlich insgesamt 105 bis 110 Mrd. Euro summieren. Das wäre gleichbedeutend einem Plus von rund 30 Prozent gegenüber 2020, sogar ein neues Rekordergebnis und läge über dem Wert von 91,8 Mrd. Euro im Jahr 2019 – also vor der Pandemie. Zugleich gilt es jedoch, das Volumen und insbesondere die Dynamik, die vor allem das zweite Halbjahr entwickelt hat, differenziert zu betrachten: Allein Unternehmensübernahmen werden in diesem Jahr mit mehr als 30 Mrd. Euro zu Buche schlagen, darunter fällt auch die Fusion von Vonovia und Deutsche Wohnen. Unter anderem deshalb gibt es eine weitere Verschiebung der Marktanteile der Assetklassen in Richtung Living: „Als eher defensive Assetklasse waren 2021 – pauschal gesagt – alle Immobilien gefragt, in denen ein Bett steht. Nur Hotels bilden hier eine Ausnahme. Der Anteil von Living liegt zum Jahresende voraussichtlich bei über der Hälfte des Volumens, damit werden mehr als 50 Mrd. Euro in diese Nutzungsart geflossen sein“, kalkuliert Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany. Hotelimmobilien waren und sind die Assetklasse, die am stärksten von den negativen Auswirkungen der Pandemie betroffen sind. Am Investmentmarkt zeigt sich dies in sinkenden Transaktionsvolumina. Im Jahr 2021 dürfte der Anteil von Hotels am gesamten deutschen Transaktionsvolumen ebenso wie im Vorjahr nur noch bei rund zwei Prozent liegen, der niedrigste Anteil in den vergangenen zehn Jahren.
Inwieweit dieser Trend im kommenden Jahr anhalten und welches Niveau das Transaktionsvolumen anpeilen wird, ist unterdessen schwerer denn je einzuschätzen. Nur eines scheint aktuell sicher: „Alle Themen, die uns 2021 begleitet haben, enden nicht mit Neujahr, sondern schwappen hinüber ins neue Jahr – sei es Corona, die Lieferengpässe, der Inflationsanstieg, Nachhaltigkeit oder die Zukunft der (Büro-)Arbeit. Zumindest – und sicherlich nicht unwesentlich – ist die Regierungsbildung abgeschlossen. Zugleich ist von großer Bedeutung, wie der Start der neuen Ampel-Koalition auf Bundesebene angesichts der gesamtwirtschaftlichen Herausforderungen gelingt,“ sagt Scheunemann.
Das größte Fragezeichen ist derzeit die Inflation. Mitten im stärksten Inflationsanstieg seit Jahren gibt der Ölpreis, immerhin der wichtigste Rohstoffindikator, Ende November um gut ein Fünftel seit seinem Höchststand nach. Neben Öl haben aber auch andere Rohstoffpreise ihre Höchststände hinter sich gelassen. Hier deutet sich eine gewisse Entspannung an, die sich Anfang 2022 dann auch in den Verbraucherpreisen niederschlagen sollte. Die aktuell hohen Teuerungsraten haben ihren Ursprung neben den Energie- und Rohstoffpreisen einerseits in temporären Nachholeffekten, andererseits spielen auch statistische Erhebungsmethoden eine Rolle: Im Vergleichszeitraum vor einem Jahr lag das Preisniveau aufgrund der Pandemie außerordentlich niedrig. „Es ist also eine Kombination noch nie da gewesener Faktoren, was große Unsicherheiten im weiteren Konjunkturverlauf erzeugt: Das erhoffte Auslaufen einer Pandemie, globale Liefer- und Produktionsengpässe, Nachholeffekte der Nachfrager sowie Ankurbelung der Wirtschaft durch die Geld- und Finanzpolitik durch die EZB“, erklärt Scheunemann.
DIFI Entwicklung
Investoren und Anleger müssen die Inflation genau im Blick behalten. Immobilien würden dabei häufig pauschal als Schutz gegen Inflation gesehen. Dabei kommt es allerdings auf die richtige Kombination zahlreicher Einzelfaktoren an – darunter Einstiegszeitpunkt, Finanzierungsvolumen und -struktur, Standort, Vermietungsstruktur, Mietvertragskonditionen und das Anlageziel. Zumindest ein Zinsanstieg scheint angesichts der aktuellen Staatsverschuldung in der Eurozone kaum möglich, zumal damit auch der Aufschwung ausgebremst werden könnte.
Der Kapitaldruck der Investoren bleibt derweil auch in den nächsten Jahren bestehen. „In den kommenden vier Jahren werden Staatsanleihen mit einem Volumen von insgesamt fast einer Billion Euro auslaufen. Selbst bei einem bis dahin steigenden Zinsniveau wird ein Teil dieses Kapitals in Immobilien reinvestiert werden“, so Scheunemann.
Darüber hinaus zeichnen sich auch generelle Trends ab, wie die breitere Streuung der Investitionen, also der Diversifizierung des Portfolios zur Vermeidung von Klumpenrisiken. Dazu können gemischt genutzte Immobilien gehören oder auch Quartiere, die die Grundbedürfnisse der Nutzer von Arbeiten, Wohnen, Einkaufen und Freizeit miteinander verbinden. Das stellt neue Herausforderungen an das Asset Management und bedarf einer neuen Form der Renditekalkulation.
Die EU-Taxonomie wird schnell das Maß der Dinge sein
Noch stärker wird das Thema ESG beziehungsweise Nachhaltigkeit den Markt prägen. Ein Umdenken mit und durch ESG ist in allen Bereichen bereits zu beobachten: „Die Wahrnehmung hat sich komplett gedreht: Es wird künftig nicht mehr um einen grünen Preisaufschlag gehen, sondern einen Preisabschlag für nicht-nachhaltige Immobilien“, skizziert Helge Scheunemann die neue Perspektive auf Nachhaltigkeit. Auch mit dem Inkrafttreten der neuen EU-Taxonomie wird Bewegung in die Immobilienmärkte kommen. Ein Teil der Investoren wird für seine Portfolios nur noch Immobilien erwerben, die gemäß Artikel 8 und 9 der Offenlegungsverordnung taxonomiekonform sind. „Im gleichen Zuge werden Investoren versuchen, ihre Bestände zu bereinigen: Sprich Immobilien, die nicht der Taxonomie entsprechen, zu verkaufen. Solche Objekte sollten eigentlich mit einem Preisabschlag gehandelt werden, angesichts der aktuell enormen Nachfrage muss sich die Theorie aber erst noch in der Praxis zeigen“, ordnet Scheunemann ein. Auch bleibt abzuwarten, wer die nicht-taxonomiekonformen Immobilien kaufen wird, wenn doch eigentlich alle nach nachhaltigen Immobilien suchen. Hinzu kommt, dass auch die Finanzierung für solche „brown assets“ künftig schwieriger werden wird und JLL erwartet, dass Banken als Finanzierungsgrundlage einen klaren Plan einfordern, der den Weg zu einem nachhaltigen Gebäude aufzeigt.
Grundsätzlich erscheint als Konsequenz daraus klar: Es kann vielfach nur über den Weg der Sanierung gehen. Re-Developments und Refurbishments werden mehr denn je im Fokus stehen müssen. „Wir erwarten, dass sich der Anteil von Büro-Renovierungen und -Sanierungen an der gesamten Neubaupipeline in den Big 7 im nächsten Jahr auf 24 Prozent und bis 2024 auf fast 30 Prozent erhöhen wird. Zum Vergleich: Der 10-Jahresdurchschnitt der Jahre 2011 bis 2020 liegt bei 18 Prozent“, vergleicht der JLL-Researcher.
Traditionelle Büros werden zunehmend verdrängt durch „grüne“ Büros und flexible Anmietungskonzepte, der Großteil künftiger Nachfrage wird sich zunehmend vor allem auf diese Konzepte konzentrieren. Helge Scheunemann sagt: „Dass diese Transformation nicht nur durch Neubau erreicht werden kann, ist klar. Gebäudesanierungen und Aufwertungen werden die eigentliche Herausforderung für Eigentümer.“
Hinzu kommt die bereits spürbare Knappheit moderner, bedarfsgerechter Angebotsflächen. Im gesamten Betrachtungszeitrum – mit der Ausnahme des Jahres 2010 – lag der Anteil hochwertiger Flächen am gesamten Flächenumsatz in den Big 7 immer unter 60 Prozent. Seit 2018 liegt er durchgängig darüber, seit 2019 sogar um die 65 Prozent. Zum Vergleich: Der Durchschnitt der Jahre 2005 bis 2017 liegt bei 56 Prozent. In den vergangenen fast vier Jahren also um rund zehn Prozentpunkte höher. Nicht nur Corona hat die Anforderungen der Nutzer, aber auch der Investoren, an Bürogebäude und -fläche erneut erhöht. Neben Konnektivität sind Flexibilität und Produktivität, Nachhaltigkeit bzw. ESG, Diversität und Inklusion oder Gesundheit und Wohlbefinden die Bedürfnisse, auf die verstärkt Wert gelegt wird.
JLL erwartet, dass die Polarisierung zwischen den top, modern, nachhaltig und flexibel ausgestatteten Büroflächen und den Flächen, die diese Anforderungen nicht erfüllen, weiter zunimmt – mit einem positivem Wachstumsszenario für die grünen und flexiblen Konzepte sowie entsprechend negativen Wachstumsaussichten für letztere.
Viele Bestandsgebäude können diese Anforderungen nicht erfüllen – baulich und technisch, was die bereits erwähnte Sanierungs- und Modernisierungsinitiative auslösen wird. Dabei wird das für Flächennutzer in Frage kommende Angebot relevanter Flächen erhöht, so dass auch nachfrageseitig mit einem weiter steigenden Anteil hochwertiger Flächen gerechnet wird. „Für 2022 rechne ich mit einem weiteren Anstieg des Umsatzanteils solch hochwertiger Flächen auf dann 70 Prozent“, gibt Scheunemann einen Ausblick.
Flächenreduzierungspläne sind bei den meisten Firmen längst vom Tisch
Die Nachfrage nach Büroflächen hat sich bereits im abgelaufenen Jahr wieder erhöht. In den deutschen Big 7 werden bis Ende 2021 voraussichtlich mehr als 2,9 Mio. m² vermietet worden sein, das wären dann knapp zehn Prozent mehr als 2020. „Auch für die nächsten Jahre gehen wir von einer weiteren Belebung aus, denn viele angedeutete Pläne für eine signifikante Reduzierung des eigenen Büro-Portfolios wurden im Laufe des Jahres revidiert“, stellt Scheunemann klar.
JLL-Analysen haben ergeben, dass sich die neue Arbeitswoche künftig so darstellen wird: Drei Tage im Büro und zwei Tage außerhalb. Von diesem „außerhalb“ werden dann wiederum etwa 1,5 Tage im Home Office gearbeitet. Das wären rein rechnerisch 30 Prozent weniger Bürofläche. Dagegen laufen aber verschiedene Effekte, erläutert Scheunemann: „Wer kein Desk Sharing einführen will, kann auch keine Fläche reduzieren. Wer den Komfort von etwas mehr Abstand im Büro auch nach der Pandemie beibehalten will, benötigt mehr Fläche pro Arbeitsplatz. Wer mehr Raum für Kooperation und Begegnung schaffen will, braucht mehr Fläche als im klassischen Schreibtisch-Büro. In Summe gleicht sich das alles in etwa aus. Und last but not least: Wer seine Belegschaft komplett ins Home Office schickt, riskiert Entfremdung vom Unternehmen, Unzufriedenheit und letztlich Kündigungen.“ Faktisch werden zum Ende des ersten kompletten Pandemiejahres genau genauso viele Büroflächen vermietet worden sein wie z.B. in den Jahren 2013 und 2014.
Auch beim Leerstand hilft die historische Einordnung, denn auch 2019 und 2020 lag die Quoten auf niedrigen Werten von 3,0 bzw. 3,7 Prozent. Mehr noch: „Fünf Metropolen der Big 7 hatten einen massiven Büroflächenmangel“, erinnert Scheunemann. „Das hat Projektentwickler aktiviert. Und eine verstärkte Bautätigkeit in Verbindung mit dem Konjunktureinbruch 2020 führt nun zeitversetzt zu steigenden Leerständen. Wir erwarten für 2021 eine Quote von 4,6 Prozent, und auch für die Folgejahre keine zweistelligen Quoten wie wir sie etwa 2008 oder 2009 gesehen haben.“ Wenn jetzt der Sprung von drei auf knapp fünf Prozent kommt, ist es relativ gesehen „dramatisch viel“, aber in der Immobilienrealität und im historischen Kontext immer noch so wenig, dass es keinen Einfluss auf die Mieten hat.
Im Gegenteil: „Steigende Baukosten und steigende Anforderungen der Nutzer an die Qualität lassen unserer Einschätzung nach auch weiterhin steigenden Mieten erwarten“, prognostiziert Scheunemann. „Bis Ende 2021 werden die nominalen Spitzenmieten in den Big 7 um 1,5 Prozent gewachsen sein, nach zwei Prozent im Jahr zuvor. Für die nächsten Jahre sehen wir wieder etwas stärker anziehende Mieten mit im Durchschnitt um die zwei Prozent pro Jahr.“
Nachfrage nach Einzelhandelsflächen im Zentrum hat sich wieder erholt
Auch andere Assetklassen rechnen mit Wachstum: Im Einzelhandelsbereich sehen wir einen Rückgang der Spitzenmieten in den deutschen Shopping-Metropolen (Big 10) im Schnitt von sechs Prozent und eine aktuelle Verfügbarkeit von Ladenflächen von 14 Prozent. Diese Quote ist im Übrigen gegenüber dem Vorjahr fast konstant geblieben. Das heißt, der Markt war schon vor Corona unter Druck und Einzelhändler haben die Entwicklung auch zum Anlass genommen, ihre Vertriebskanäle zu vernetzen und ihr digitales Angebot besser mit dem stationären Handel zu verknüpfen. Gleichwohl hat sich die Nachfrage nach innerstädtischen Ladenflächen im Laufe des Jahres wieder erholt. „Wir erwarten für das Gesamtjahr circa 400.000 bis 410.000 m² Vermietungsumsatz, das wären dann etwa sieben Prozent mehr als 2020. Trotz eines weiteren harten Lockdowns zu Jahresbeginn 2021 hat sich der Einzelhandels-Vermietungsmarkt insofern gut geschlagen und auch für das nächste Jahr ist die Nachfrage nach Flächen durchaus vorhanden“, so Scheunemann.
Einzelne Retailer haben ihre Expansion jedoch auf Eis gelegt und so bieten sich hierdurch Chancen für andere Einzelhändler, attraktive Standorte anzumieten. Dazu gehören seit einiger Zeit die Discounter, die verstärkt Flächen in Innenstadtlagen anmieten. Aber auch Möbelanbieter versuchen in den Einkaufsstraßen Fuß zu fassen, genauso wie neue internationale Label, die während der Pandemie den deutschen Markt ins Visier genommen haben. „Das Damoklesschwert eines weiteren Lockdowns schwebt allerdings weiterhin über dem stationären Einzelhandel, zumindest regional. Und solange diese Unsicherheit vorhanden ist, halten sich auch Investoren mit entsprechenden Ankaufsaktivitäten zurück“, erklärt Helge Scheunemann. Große Ausnahme sind lebensmittelgeankerte Objekte oder Portfolios, die weiterhin eine starke Nachfrage erfahren. Aufgrund der geringeren Transaktionsvolumina können sie das Minus in anderen Bereichen (High Street, Shopping-Center) allerdings nicht ausgleichen. Für 2021 rechnen wir mit einem Transaktionsvolumen über alle Einzelhandelssegmente hinweg von etwa acht Mrd. Euro nach 10,4 Mrd. Euro im Vorjahr.
Logistikprodukte erleben durch E-Commerce historisch hohe Nachfrage
Neben Wohnimmobilien waren Logistikimmobilien die herausragende Assetklasse des Jahres 2021. Der Anteil am Transaktionsvolumen 2021 wird sich voraussichtlich auf rund acht Prozent belaufen. Das ist dann relativ zwar weniger als 2020 (11 %), aber in absoluten Zahlen ein ähnliches Ergebnis wie im Vorjahr. Basis für das stark gestiegene Interesse der Investoren ist der sehr dynamische Vermietungsmarkt. „Allein in den ersten drei Quartalen 2021 haben wir einen Umsatz von 5,9 Mio. m² registriert, so viel wie nie zuvor in den ersten neun Monaten eines Jahres. Wir gehen davon aus, dass wir für 2021 einen neuen Rekordwert erreichen werden und den bisherigen Rekord aus dem Jahr 2018 (7,2 Mio. m²) mit voraussichtlich 7,7 Mio. m² übertreffen werden“, sagt Scheunemann.
Der Markt profitiert von einer nie dagewesenen Nachfrage nach Logistikprodukten. Insbesondere der kontinuierlich wachsende E-Commerce fördert den Bedarf sowohl an großen Verteilzentren, sogenannten Big Boxes, wie auch kleineren, zentralen Flächen für City Logistik Hubs. Für die ersten drei Quartale lag der Anteil des E-Commerce am Gesamtumsatz bei 15 Prozent. Diese Nachfrage durch E-Commerce wird auch 2022 anhalten. Doch E-Commerce ist nicht alles. Zusätzlich werden Nachfrageschübe aus den Bereichen Express- und Paketzustellung, Gesundheitswesen und Life Sciences sowie Bau- und Werkstoffe erwartet. Die Nachfrage wird sich dabei vor allem auf kleinere Lagerkapazitäten unter 5.000 m² fokussieren. Und schließlich erfordert die aktuell und bis 2022 anhaltende angespannte Lage bei den globalen Lieferketten eine Neuordnung verbunden mit einer Ausweitung der Lagerbestände vor Ort.
Der Ausblick für den deutschen Immobilienmarkt bleibt in der Zusammenfassung trotz der zahlreichen Herausforderungen und potenziellen Risiken positiv. Zwar verschieben sich Gewichtungen zwischen den einzelnen Assetklassen und die jeweiligen Branchen erleben einen unterschiedlich hohen Veränderungsdruck – doch das Grundinteresse der Investoren ist ungebrochen hoch.
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