Joachim Ringer, Co-Leiter Investment Banking in Deutschland und Österreich, Credit Suisse:

 

  • Die M&A-Aktivität in Europa hat im Jahr 2021 ein Rekordvolumen erreicht. Alle Sektoren haben in 2021 Wachstum bei den M&A-Volumina gesehen. Die Bereiche Industrials und Technology verzeichneten die höchsten Zuwächse, angetrieben durch die Trends Nachhaltigkeit und Digitalisierung, die für viele Unternehmen eine Überprüfung und Neuausrichtung ihrer Geschäftsmodelle erfordern.
  • Investoren haben derzeit einen klaren Fokus auf wachstumsstarke Unternehmen. Für viele Unternehmen erfordert dies, zusätzliches anorganisches Wachstum durch M&A zu realisieren. Die Rahmenbedingungen hierfür sind weiterhin positiv, da die Notenbanken in den USA und Europa bisher nur mit moderaten Maßnahmen auf den derzeitigen inflationären Trend reagiert haben, Unternehmen und Investoren sehr hohe Barbestände und zu investierendes Kapital aufweisen und der Zugang zu den Fremd- und Eigenkapitalmärkten weiterhin sehr gut ist.
  • Für das kommende Jahr erwarten wir weiterhin positive Rahmenbedingungen und die M&A-Aktivität sollte in absehbarer Zeit auf hohem Niveau verbleiben.

o        Wir erwarten, dass die Aktivität in den Bereichen Industrials und Technology ebenfalls auf hohem Niveau bleiben wird.

o        Sehr robuste Aktivität erwarten wir auch in den Bereichen Healthcare und Chemie.

o        Banken, Versicherungen und Telekommunikation sind Sektoren, die in 2022 stärker in den Fokus rücken werden und in denen es zu Konsolidierungsschritten kommen kann.

  • Außerdem hat seit dem zweiten Halbjahr 2021 die Aktivität von aktivistischen Investoren wieder spürbar angezogen, nachdem 2020 durch eine gewisse Zurückhaltung geprägt war. Sofern es keine COVID-bedingten Marktverwerfungen gibt, erwarten wir auch in Deutschland eine weiter zunehmende Aktivität von aktivistischen Investoren. Das Thema ESG wird hierbei ein Einfallstor bleiben, um auf die Neuausrichtung von Unternehmen hinzuwirken.

 

Joachim von der Goltz, Leiter Equity Capital Markets Nordeuropa, Credit Suisse:

  • 2021 war ein hervorragendes Jahr für Börsengänge, global, aber auch in Deutschland. Nachdem 2020 in den USA schon sehr viele IPOs stattgefunden haben, ist diese Welle nun auch in Deutschland angekommen. In diesem Jahr haben hierzulande bisher 20 IPOs (inklusive SPAC IPOs) stattgefunden mit einem Emissionsvolumen von über 9,5 Milliarden Euro, nach lediglich etwa einer Milliarde Euro in 2020 – ein ähnlich hohes IPO-Emissionsvolumen wie in 2021 wurde zuletzt 2018 (11,3 Mrd. Euro und 18 IPOs) in Deutschland erreicht (Quelle: Dealogic).

o        Die wesentlichen Treiber dafür waren – und sind weiterhin – die deutlich gestiegenen Börsenkurse und damit die im historischen Vergleich hohen Erwartungen hinsichtlich der Unternehmensgewinne bei im Durchschnitt recht stabilen Bewertungsmultiplikatoren sowie das positive wirtschaftliche Umfeld mit starkem Wachstumsausblick nach dem pandemie-bedingten Einbruch. Die Volatilität, also die durchschnittlichen Kursschwankungen, verblieb in 2021 weitestgehend auf einem niedrigen Niveau, was Kurssteigerungen unterstützt.

o        Ein weiterer wichtiger Treiber sind natürlich die historisch niedrigen bzw. negativen Zinsen, wodurch attraktive Anlageklassen verengt werden und die Anleger umso mehr in Aktien investieren: Global sind in diesem Jahr über 900 Milliarden US-Dollar in die Eigenkapitalmärkte geflossen – das ist ein Vielfaches der investierten Volumina über die vergangenen Jahre (Quelle: EPFR).

o        Europa hat auch von amerikanischen Anlegern profitiert, welche aufgrund der im Vergleich zu den USA niedrigeren Kapitalmarktbewertungen verstärkt hier investierten.

o        Anders als in den USA und UK sollten die Zinsen in der EU laut den Verlautbarungen der EZB auch auf mittlere Sicht auf niedrigem Niveau verbleiben. Vor diesem Hintergrund sehen wir fundamental auch für das kommende Jahr weiterhin positive Rahmenbedingen für Börsengänge.

  • Wenn man auf die europäischen Börsenplätze schaut, hat Frankfurt als Primärlisting-Platz in diesem Jahr wieder eine führende Rolle gespielt. Während London hier mit großem Abstand das Ranking sowohl bei der Anzahl von IPOs (über 100) wie auch bei den Emissionsvolumina anführt, liegt Frankfurt hinter Stockholm auf Platz 3 in Europa, gefolgt von Amsterdam. Bei der Emission von SPACs ist Amsterdam die führende Börse in Europa mit über drei Milliarden Euro Emissionsvolumen; alle anderen Börsenplätze kamen lediglich auf SPAC-Emissionsvolumina unter einer Milliarde Euro. Der Hauptgrund hierfür scheint in den deutlich SPAC-freundlicheren lokalen regulatorischen Rahmenbedingungen zu liegen.
  • ESG spielt mittlerweile eine große Rolle im Rahmen von Börsengängen. Bei einer kürzlich erfolgten Investorenumfrage der Credit Suisse haben über 90 Prozent der Investoren geantwortet, dass sie detaillierte ESG-Kriterien in ihrer Investmentprüfung einbeziehen bzw. einen formalen ESG-Screening-Prozess durchführen. Gerade wenn der IPO-Kandidat aus einer ESG-sensitiven Branche kommt, macht bei rund 85 Prozent der Investoren ein vorhandenes ESG-Rating oder ein Nachhaltigkeitsbericht ein Investment wahrscheinlicher, weshalb eine ESG-Bestandsaufnahme heute standardmäßig zu einer Börsengangsvorbereitung dazugehört. Hier bieten wir als Credit Suisse ein eigenes, global tätiges Sustainability Team, welches unsere Kunden spezifisch zu diesem Megathema berät.
  • Die Pipeline für Börsengänge im kommen Jahr ist bereits jetzt sehr gut gefüllt, für Deutschland und europaweit. Angesichts der fundamental weiterhin positiven makroökonomischen Rahmenbedingungen für das Jahr 2022 – trotz der aktuell wiederaufflammenden Pandemie – beobachten wir gerade bei Private-Equity-Unternehmen zunehmend Überlegungen, den Exit mancher Portfoliounternehmen via Börsengang vorzuziehen. Unsere Kapitalmarktstrategen sind grundsätzlich positiv hinsichtlich der weiteren Entwicklung am Kapitalmarkt im Jahr 2022, welches durchaus zahlreiche erfolgreiche Börsengänge verspricht.
  • Über 2022 hinaus sind die weiteren Aussichten schwieriger zu beurteilen, insbesondere aufgrund der voraussichtlich steigenden Zinsen in den USA und danach absehbar auch in der EU. Insofern raten wir unseren Kunden, welche bereits die Börsenreife erreicht haben, ein IPO in 2022 ernsthaft in Erwägung zu ziehen.

 

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