Weltweit werden mehr und mehr Zinserhöhungen in Aussicht genommen

 

Marktkommentar von Christian Bender, CEFA. Der Autor ist im Fonds- und Portfoliomanagement der SIGNAL IDUNA Asset Management tätig und verantwortet unter anderem den global agierenden Rentenfonds HANSAinternational.

Die vergangenen Wochen waren von einer zunehmenden Nervosität an den Märkten hinsichtlich der weiteren Inflations- und damit auch Zinsentwicklung zahlreicher Währungsräume geprägt. Im Ergebnis nähern sich Marktindikatoren wie die Rendite der 10-jährigen Bund oder der 10-jährigen US-Treasury charttechnisch, zumindest aber psychologisch wichtigen Marken von -0,10 bzw. +1,70 Prozent.

Befeuert wird die zunehmende Nervosität dabei primär von den Statistikern. Während für die deutschen Verbraucherpreise jüngst Inflationsraten von 4,1 Prozent publiziert wurden, sind es bei den Briten 3,2 Prozent, den Norwegern 4,1 Prozent, in den USA 5,4 Prozent und in Australien 3,8 Prozent.

Die Reaktionen der Notenbanken auf diese Daten gleichen sich zunehmend an. Nachdem die US-Amerikaner bereits vor einigen Monaten wohlfeil formulierten, dass sie sich eine Zinsanhebung im kommenden Jahr vorstellen könnten, zogen Briten und Australier in den letzten Wochen mit Ankündigungen nach. Die Norweger haben bereits – auf niedrigem Niveau – gehandelt und im September ihren Leitzins von 0 auf 0,25 Prozent erhöht, die Russen seit Februar von 4,25 auf 7,50 Prozent angehoben. Brasilien ist seit März aktiv und hat von 2 auf 6,25 Prozent erhöht.

Lediglich die EZB, zumindest wenn man den engeren Zirkel um Christine Lagarde zum Maßstab nimmt, spricht weiterhin davon, dass es keinen Handlungsbedarf gäbe, da alles Inflationäre nur vorübergehend sei, und begründet diese Einschätzung unter anderem mit den aus dem Rhythmus geratenen globalen Lieferketten. Wenn man jedoch erste Stimmen hört, dass die Logistiker durchaus bis Ende 2022 brauchen können, um wieder im Takt zu schwingen, fragt man sich, was die EZB unter „vorübergehend“ versteht. Denn zwei Jahre mit Inflationsraten jenseits der vier Prozent bei einer parallelen Null- oder gar Negativverzinsung senken die Kaufkraft des Vermögens, aber auch der Einkünfte privater Haushalte um bald zehn Prozent.

Noch viel bedenklicher stimmt, dass parallel die Preise im gewerblichen Bereich in Deutschland im September um 14 Prozent gestiegen sind – nach bereits 12 Prozent im August. Energie, Dünger, Holz, Stahl – die Liste der Produkte, die Treiber dieser Entwicklung sind, ist lang. Die Preissteigerungen in einzelnen Produkten liegen teilweise über 80 Prozent. Wenn möglich, werden die Unternehmen diese höheren Kosten zeitnah weitergeben wollen – der Druck auf die Verbraucherpreise sollte deshalb auch abseits der unmittelbar spürbaren Energiepreise anhalten.

Was heißt das für den Anleger? Die Kurse von Euro-Anleihen werden wie zwischen zwei Magneten hin- und hergezogen. Auf der einen Seite steht die EZB, die mit ihrer unbegrenzten Marktmacht seit Jahren nahezu alles an verzinslichen Wertpapieren aufkauft, was ihr in die Finger gerät und die Renditen unter Druck zu halten sucht. In ihrem Gefolge befinden sich diejenigen, die sich – angelehnt an die alte Weisheit „Don’t fight the FED“ – opportunistisch verhalten. Auf der anderen Seite stehen die eher fundamental orientierten Marktteilnehmer, die – vielleicht naiv – davon ausgehen, dass eine der größten Währungen der Welt einen Realzins bieten muss, um Anleger zu finden. Mit ihren Verkäufen und Futures-Operationen fordern sie die EZB heraus – und hoffen letztlich auch auf Teile der Politik, mehr aber noch auf die breite Öffentlichkeit. Auf dass diese aufbegehren möge gegen das Vorgehen der EZB.

Derzeit findet dieses Aufbegehren aber nicht coram publico statt, sondern lässt sich primär in den Währungsbewegungen ablesen. Seit Jahresanfang hat der Euro gegenüber dem US-Dollar 4,7 Prozent, dem Austral-Dollar 2,3 Prozent, der Norwegischen Krone 7,4 Prozent verloren. Selbst gegenüber dem Britischen Pfund gab der Euro in diesem Jahr 5,6 Prozent nach – und das obwohl die Nachrichtenlage nach dem Brexit ein eher düsteres Bild der Verfassung der britischen Wirtschaft malt. Auch die Schwellenländerwährungen laufen dem Euro davon: Der Rubel wertete dieses Jahr 10,3 Prozent auf, der Renminbi 7,5 Prozent und Indiens Rupie 2,3 Prozent.

Das ist ein Misstrauensvotum, das die inflationären Bewegungen über höhere Importpreise in der Eurozone noch verstärkt, aber die Exportchancen verbessert. Insofern ist nicht zu erwarten, dass sich die EZB dagegenstemmen wird.

Aus Anlegersicht bleiben Fremdwährungsanleihen deshalb nicht nur in den kommenden Monaten weiterhin attraktiv. In der Gemengelage aus angekündigten und getätigten Zinserhöhungen außerhalb der Eurozone nimmt die Notwendigkeit, sich längere Durationen ins Depot zu legen, ab. Gleichwohl kann ein aktives Durationsmanagement in den Wellenbewegungen, die durch die Kräfte entfesselt werden, die zwischen den beiden beschriebenen Magneten wirken, einen zusätzlichen Beitrag für die Wertentwicklung des eigenen Anleiheportfolios leisten.

 

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